Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251273/25/Lg/RSt

Linz, 20.08.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Langeder nach der am 21. November 2006 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des H K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H K, L, 46 M, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes vom Kirchdorf an der Krems vom 9. August 2005, Zl. Sich96-68-2005, wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (AuslBG), zu Recht erkannt:

 

I.                     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsverfahren eingestellt.

II.                   Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

Rechtsgrundlage:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§  24, 45 Abs.1 Z1 VStG.

Zu II.:  §§ 64 ff  VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Berufungswerber (Bw) zwei Geldstrafen in Höhe von je 2.000 Euro bzw. zwei Ersatzfreiheitsstrafen in Höhe von je 72 Stunden verhängt, weil er die ukrainische Staatsangehörige A M vom 13.11.2004 bis 11.12.2004 und die russische Staatsangehörige A S vom 28.10.2004 bis 11.12.2004 in der vom Bw betriebenen "A-Bar" in M, L als Show-Tänzerinnen beschäftigt habe, obwohl die für eine legale Ausländerbeschäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere nicht vorgelegen seien.

 

In der Begründung bezieht sich das angefochtene Straferkenntnis auf die Anzeige des Zollamtes Wels vom 17.12.2004, weiters wird Bezug genommen auf die Rechtfertigung des Bw am 24.3.2005, sowie auf eine Stellungnahme des Zollamtes Wels vom 14.4.2005. Bezug genommen wird ferner auf eine schriftliche Stellungnahme des Bw vom 23.5.2005 und eine Stellungnahme des Zollamtes Wels dazu vom 20.6.2005.

 

Beweiswürdigend wird festgehalten, dass die Ausländerinnen einer Anwesenheitspflicht ab 19 Uhr unterlagen. Der Betrieb des Bws sei der einzige Auftrittsort im jeweils fraglichen Zeitraum gewesen. Die Ausländerinnen hätten keinerlei Einfluss auf den Auftrittsort, die Dauer und die jeweilige Arbeitszeit gehabt.

 

Auch wenn der Bw keine direkte Zahlung geleistet hatte, sei ein die Selbstständigkeit ausschließendes Abhängigkeitsverhältnis der Ausländerinnen vom Bw anzunehmen.

 

Die unentgeltliche zur Verfügungstellung von Nächtigungsmöglichkeiten sei als Entlohnung aufzufassen.

 

2. In der Berufung wird dagegen eingewendet, die Tänzerinnen seien in der Zeit von 21.30 Uhr bis 4.00 Uhr völlig frei gewesen, sie hätten in dieser Zeit nur ihre Showtanzdarbietungen erbringen müssen. Im Übrigen hätten sie sich während dieser Zeit frei bewegen und ihren gewünschten Tätigkeiten nachgehen können.

 

Aus dem Umstand, dass sich die Ausländerinnen an Agenturen gebunden hätten, sei Unselbstständigkeit nicht abzuleiten.

 

Auch der Umstand, dass der Bw sich um die Unterkunft der Künstlerinnen gekümmert habe und ihnen diese kostenlos zur Verfügung gestellt habe, lasse nicht den Schluss zu, dass keine Selbstständigkeit gegeben sei.

 

Dabei handle es sich um bei Künstlern gängige Usancen. Unrichtig sei daher insbesondere die Annahme der Behörde, die Tänzerinnen hätten keinen Einfluss auf die Dauer und die jeweilige Arbeitszeit gehabt. Dass ein Künstler nur zu bestimmten Zeiten auftreten kann und den Tänzerinnen hier von den Agenturen bzw. vom Einschreiter ein Rahmen-Zeitraum in Form einer Bindung an Lokalöffnungszeiten vorgegeben war, sei klar. Zu welcher Zeit und in welcher Abfolge die Tänzerinnen ihre Shows dargeboten hätten, sei aber ihnen allein überlassen gewesen. Sie hätten die Programmfolge selbst untereinander koordiniert und seien keinerlei Vorgaben unterlegen, wer wann tanzen soll.

 

Gegenständlich seien Erfolge geschuldet worden, nämlich die künstlerische Darbietung. Die Tänzerinnen hätten frei wählen können, wann sie auftreten, natürlich nur zu den Öffnungszeiten. Es sei egal gewesen, ob viele oder wenige Besucher im Lokal gewesen seien, sie hätten sich nur verpflichtet, den Erfolg zu erbringen und hätten daher einen Anspruch auf das Honorar gehabt, auch wenn nur wenige Besucher da waren.

 

Da zum Kontrollzeitpunkt auch "die Behörde" davon ausgegangen sei, dass die beiden Ausländerinnen selbstständig erwerbstätig seien, da sie über entsprechende Aufenthaltstitel verfügt hätten (die Aufenthaltsbewilligung ausstellende Behörde sei von einer künstlerischen Tätigkeit ausgegangen und die Kontrollbehörde sei nicht sofort mit einer Ausweisung der Tänzerinnen vorgegangen), habe auch der Bw darauf vertrauen dürfen, dass die Tänzerinnen legal ihre Tätigkeit ausüben. Der Bw habe sich darüber hinaus bei den Agenturen erkundigt, ob für die Ausländerinnen sämtliche Bewilligungserfordernisse vorliegen, was ihm ausdrücklich versichert worden sei.

 

Darüber hinaus seien die Folgen der Übertretung unbedeutend geblieben.

 

Es werde daher beantragt, das Strafverfahren einzustellen, zumindest jedoch gemäß § 21 VStG ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe abzusehen. In eventu wird beantragt, die Geldstrafe herabzusetzen.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

In der Anzeige des Zollamtes Wels vom 17.12.2004 ist dargestellt, dass am 11.12.2004 gegen 23 Uhr vom Beamten des Zollamtes Wels (KIAB) zusammen mit Beamten der BH Wels-Land und Beamten des GP M bei der A-Bar in M eine Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz durchgeführt wurde.

 

Dabei sei festgestellt worden, dass die beiden Ausländerinnen über keine entsprechenden gültigen arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen verfügt hätten.

 

Im Reisepass der ukrainischen Staatsangehörigen A M sei ein Visum für eine selbstständige Kunstausübende, ausgestellt in Kiev für die Zeit vom 11.11.2004 bis 15.12.2004 vorgefunden worden. Einen Gastspielvertrag habe die Ausländerin nicht vorweisen können. Sie habe angegeben, dass sie von der A P G A M, 80 G, S, vermittelt worden sei und seit 13.11.2004 als Tänzerin in der GO-GO-Bar beschäftigt sei.

 

Bei der russischen Staatsangehörigen A S sei im Reisepass ein Aufenthaltstitel gültig bis 19.10.2004 vorgefunden worden. Sie habe angegeben, dass der Antrag auf Verlängerung des Visums zur Zeit bei der BH Gmunden liege. Sie habe ebenfalls keinen Gastspielvertrag vorlegen können. Sie habe weiters angegeben, dass sie von der A G B, 11 W, S, vermittelt worden sei und seit 28.10.2004 als Tänzerin in der GO-GO-Bar beschäftigt sei.

 

Der Anzeige liegen die Personenblätter bei. M gab an derzeit für die Firma P G als Tänzerin beschäftigt zu sein. Sie sei seit 13.11.2004 in der GO-GO-Bar M beschäftigt. Die tägliche Arbeitszeit erstrecke sich von 21.30 Uhr bis 4.00 Uhr an fünf Tagen. Der Lohn betrage 40 Euro pro Tag.

 

(Das Personenblatt ist in den Sprachen Deutsch/Ungarisch/Türkisch/Rumänisch vorgefertigt)

 

S gab an für die Firma S "G". Sie sei als Tänzerin beschäftigt. Sie sei seit 28.10.2004 in M beschäftigt. Die tägliche Arbeitszeit erstrecke sich von 21.30 Uhr bis 4.00 Uhr an fünf Tagen pro Woche. Im Feld "Lohn" ist angegeben: "52 – 20 %".

 

(Das Personenblatt ist für die Sprachen Deutsch/Ungarisch/Türkisch/Rumänisch vorgefertigt)

 

Mit Schreiben vom 1.3.2005 wurde die Anzeige gemäß § 29a VStG von der BH Wels-Land an die BH Kirchdorf abgetreten.

 

Zur Rechtfertigung aufgefordert äußerte sich der Bw am 24.3.2005 vor der Behörde wie folgt:

 

Er betreibe in M die "A-Bar". Im Zusammenhang mit diesem Betrieb würden regelmäßig Auftritte von Show-Tänzerinnen erfolgen. Unter anderem arbeite er mit der Agentur "P G" zusammen, welche die Tänzerinnen für die Auftritte in seinem Lokal vermittelt. Hierzu lege er eine Kopie dieses Vertrages bei. Dem Bw sei nicht bewusst gewesen, dass er durch die Tätigkeit dieser beiden Tänzerinnen eine Übertretung des AuslBG begangen haben soll. Er sei der Meinung, dass er durch den Abschluss eines entsprechenden Vertrages mit einer internationalen Künstleragentur seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen sei. Der gegenständliche Vertrag sei für eine Dauer von vier Wochen abgeschlossen worden. Er könne sich nicht vorstellen, dass dadurch bereits ein arbeitnehmerähnliches Dienstverhältnis entstanden sein soll. Die Bezahlung der Tänzerinnen erfolge selbstverständlich ausschließlich über die Agentur. Der Bw habe mit den Tänzerinnen, abgesehen davon, dass er die Auftrittsräumlichkeiten einschließlich der Umkleideräume etc. zur Verfügung stelle, nichts zu tun.

Der Tätigkeitsbereich der Showtänzerinnen werde nach wie vor nicht einheitlich gehandhabt. Der Bw wisse, dass zB in Innsbruck nach wie vor problemlos Bewilligungen kurzfristig erteilt wurden. Der Bw sehe die Künstleragentur als verantwortlich an und diese müsste wissen, von welchem Zeitraum ein solcher Engagementvertrag abgeschlossen werden darf. Der Bw fühle sich keiner Verwaltungsübertretung schuldig.

 

Beigelegt ist eine "Auftragsbestätigung Nr. 04/11/15/03" vom 15.11.2004, abgeschlossen zwischen der P G-Agentur und dem Bw als Veranstalter. Diese Vereinbarung hat folgenden Wortlaut:

 

"1.) Der o.a. Veranstalter beauftragt die Agentur, die Beschickung seiner Veranstaltungen mit (Anzahl) einer selbstständigen, qualifizierten Show-Tänzer/innen vorzunehmen.

2.) Die Veranstaltungen finden von 15.11.2004 bis inkl. 15.12.2004

Ruhetag ist/sind: Sonntag + Montag

in den Räumen: "T", 46 M, L statt.

Der Veranstalter erklärt, alle für die Veranstaltungen notwendigen behördlichen Bewilligungen zu besitzen. Die Agentur haftet nur dafür, dass die eingesetzten Show-Tänzer/innen sofern sie aus nicht EU-Staaten kommen, die nötigen Aufenthaltstitel besitzen.

Die Agentur vermittelt an den Veranstalter (Anzahl) eine Show-Tänzer/innen aus Nicht-EU-Ländern für jeweils mindestens eine Woche, maximal zwölf Wochen.

3.) Die Show-Tänzer/innen präsentieren ihr Programm täglich in der Zeit zwischen 21h und 4h. Eintreffen und Programmvorbereitungen am Veranstaltungsort um 19h.

4.) Der Veranstalter stellt den Show-Tänzer/innen kostenlos Unterkunft bis inkl. letzten Arbeitstag zur Verfügung.

5.) Der Veranstalter bezahlt an die Agentur einen Beitrag von € 74.00 pro Tag und Show-Tänzer/innen sowie, falls erforderlich, die Anreisespesen lt. ÖBB-Tarif/Beleg/Pauschal direkt an die Show-Tänzer/innen, sohin einen Gesamtbetrag von € 370.00 + 20% MWSt. = € 74.00, gesamt also € 444,00 brutto pro Woche per Erlagschein oder in Bar an dem auf der Rechnung angeführten Termin.

6.) Grundlage dieser Auftragsbestätigung sind die umseitig angeführten und jetzt ALLG. GESCHÄFTSBEDINGUNGEN.

Diese Auftragsbestätigung gilt für folgende Personen: M Alina, geb. 21.07.1984."

 

Dazu nahm das Zollamt Wels mit Schreiben vom 14.4.2005 dahingehend Stellung, dass wegen der Bindung an die Öffnungszeiten eine Selbstständigkeit nicht gegeben sein könne. Bei Tänzerinnen handle es sich nach ständiger Rechtssprechung um eine bewilligungspflichtige arbeitnehmerähnliche Tätigkeit nach § 2 Abs.2 lit.b. AuslBG (Hinweis auf VwGH vom 27.6.2001, Zl. 99/09/0195).

 

Dazu äußerte sich der Bw, nunmehr anwaltlich vertreten, dahingehend, dass zwar auch der Beschäftiger überlassener Arbeitskräfte strafbar sei, gemäß § 2 Abs.4 AuslBG der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend sei und für die Frage, ob ein Werkvertrag oder ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis vorliege, die Beurteilung sämtlicher Für und Wieder eine Beschäftigung sprechenden Umstände in einer Gesamtbetrachtung nach Zahl, Stärke und Gewicht maßgebend sei (Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 28.10.2004, Zl. 2003/09/0047).

 

Eine solche Gesamtbetrachtung führe im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass weder ein Arbeitsverhältnis noch ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis noch ein Fall der Arbeitskräfteüberlassung vorliege. Bei den beiden Tänzerinnen handle es sich um selbstständige Künstlerinnen, die vom Beschuldigten für Darbietungen in seiner Bar engagiert worden seien. Die Tänzerinnen seien nicht in den vom Beschuldigten geführten Betrieb eingegliedert gewesen und es sei dem Beschuldigten oder seinen Mitarbeitern auch nicht oblegen die Arbeit der Tänzerinnen durch Weisungen zu organisieren. Sie seien in der Musikwahl und der Gestaltung ihrer Darbietungen völlig frei gewesen. Von den Veranstaltern seien ihnen auch keine Betriebsmittel zur Verfügung gestellt worden. Allfällige Accessoires für die Show hätten die Tänzerinnen selbst mitgebracht.

 

Tänzerinnen hätten ihr Werk zwar bei den jeweiligen Betriebsinhabern zu erbringen, sie würden jedoch kein Entgelt vom Inhaber des Betriebes, in dem sie arbeiten, erhalten. Sie seien auch nicht provisionsbeteiligt. Zahlungen erhielten nur die Agenturen, die die Tänzerinnen an die Barbesitzer vermitteln.

 

Aus der Bindung an Öffnungszeiten könne keine Unselbstständigkeit gefolgert werden. Abgesehen von dieser selbstverständlichen Voraussetzung sei es den Tänzerinnen überlassen, in welcher Abfolge sie ihre Shows darbieten. Sie würden ihre Programmfolge selbst koordinieren und es gäbe keine Vorgaben, wer wann tanzen soll.

 

Insofern die Zollbehörde auf die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes verweise, so werde dem entgegengehalten, dass diesen Entscheidungen jeweils andere Sachverhalte zugrunde liegen würden. So handle es sich etwa bei dem Erkenntnis vom 20.3.2002, Zl. 2000/09/150 zugrundeliegenden Sachverhalt um eine Animiertätigkeit bei gleichzeitiger Ausübung der Prostitution von Ausländerinnen in einem Nachtclub, wobei die Ausländerinnen auch am Umsatz des Unternehmens (insbesondere auch an dem Verkauf von Getränken) beteiligt gewesen seien. Der vorliegende Fall sei jedoch ganz anders gelagert: Die Mädchen seien in Österreich als selbstständige Tänzerinnen tätig. Sie würden über einen Gastspielvertrag mit einer Agentur verfügen und hätten ein Engagement beim Bw erhalten. Sie würden weder der Prostitution nachgehen noch am Umsatz beteiligt sein. Die Tätigkeit bestehender Darbietungen von Show-Tanz- und Artistikaufführungen. Dabei seien die Tänzerinnen völlig frei und weisungsungebunden.

 

Der Bw habe sich ausdrücklich bei den Agenturen erkundigt, ob für die Tänzerinnen sämtliche Bewilligungserfordernisse vorliegen, was ihm ausdrücklich versichert worden sei. Offensichtlich hätten die Agenturen sämtliche gesetzliche Erfordernisse eingehalten.

 

Zum Beweis werde die Auftragsbestätigung der Agentur "P G" betreffend die Ausländerin M vorgelegt sowie die Einvernahme der Herrn G B und A M beantragt.

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung sagte der Zeuge A M aus, er sei gerichtlich beeideter Sachverständiger für "Agenturen, Tänzerinnen etc." und Inhaber der Agentur "P G". Die gegenständliche Ausländerin A M sei zum Kontrollzeitpunkt bei dieser Agentur unter Vertrag gestanden.

 

Zwischen den Tänzerinnen, den Veranstaltern und den Agenturen bestehe eine Dreiecksverhältnis dergestalt, dass ein Vertrag zwischen der Tänzerin und der Agentur einerseits (sogenannter "Gastspielvertrag") und ein Vertrag zwischen der Agentur und dem Veranstalter (zB dem Barbesitzer; sogenannte "Auftragsbestätigung") vorliege. Beide Vertragsarten seien genormt, woraus sich die textliche Übereinstimmung der Verträge beider Agenturen mit den gegenständlichen Ausländerinnen erkläre. Dazu legte der Zeuge Musterverträge (Gastspielvertrag, Auftragsbestätigung) seiner Agentur vor. Die Genormtheit ergebe sich daraus, dass die Verträge auf einen ministeriellen "Wohlverhaltenskatalog" zurückzuführen seien, welcher regle, unter welchen Voraussetzungen die Ausländerinnen als Selbstständige anerkannt seien. Diese Auffassung sei zur Tatzeit nicht nur vom "Innenministerium" sondern auch vom "Wirtschaftsministerium" vertreten worden. Ferner seien die Behörden der Arbeitsmarktverwaltung dieser Rechtsauffassung gewesen; dazu legte der Zeuge exemplarisch ein Schriftstück des AMS Vorarlberg vom 27.9.2006 vor.

 

Auch das beschriebene Dreiecksverhältnis selbst sei Teil der vorgegebenen Voraussetzungen an der Selbstständigkeit nach ministeriellem Verständnis gewesen. Aus diesem Grund habe sich die Tätigkeit der Agentur nicht auf bloße Vermittlungstätigkeit beschränkt, sondern die Agentur sei Träger der Rechte und Pflichten gegenüber ihren Vertragspartnern (den Tänzerinnen und den Veranstaltern) gewesen. Daraus habe sich auch ergeben, dass die Tänzerinnen von der Agentur und die Agentur von den Veranstaltern bezahlt worden seien.

 

Die Pflichten der Tänzerinnen seien im Gastspielvertrag festgelegt gewesen. Da die Ausländerinnen ausschließlich in einem Vertragsverhältnis zur Agentur gestanden seien, hätten ihre Verpflichtungen auch nur gegenüber dieser Agentur bestanden. Daher seien die Tänzerinnen keinen Weisungen des Veranstalters (und zwar auch nicht in Form von Bekleidungsvorschriften und dergleichen) unterlegen. Die Tanzauftritte hätten die Tänzerinnen selbst koordiniert. Der Gastspielvertrag habe die näheren Bestimmungen über Ort, Zeitraum, Auftrittszeiten, Zahl der Darbietungen und dergleichen nach dem Inhalt der Abmachungen mit dem Veranstalter getroffen. Außerdem hätten die Tänzerinnen bindende Regelungen des Wohlverhaltenskataloges im Gastspielvertrag ihren Niederschlag gefunden.

 

Den Veranstalter habe – gegenüber der Agentur – die Pflicht zur Zurverfügungstellung einer Unterkunft für die Tänzerinnen getroffen.

 

Die Agentur habe den Veranstaltern zugesichert, dass die Tänzerinnen "sämtliche erforderlichen Papiere haben" würden. Gerade in dieser rechtlichen Absicherung habe der Sinn der Einschaltung der Agentur für die Veranstalter bestanden. Die Veranstalter ihrerseits hätten sich auf die – damals klaglos funktionierende – Behördenpraxis verlassen.

 

Der Zeuge G B, Betreiber der Agentur "S", bei welcher die Ausländerin A S unter Vertrag stand, machte eine in allen wesentlichen Punkten mit jener des Zeugen M übereinstimmende Aussage. Er legte Kopien von diese Ausländerin betreffenden Verträgen (Auftragsbestätigung, Gastspielvertrag) vor. Die Auftragsbestätigung ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit der bereits zitierten Auftragsbestätigung für A M. Der Gastspielvertrag hat folgenden Text:

 

"1.) Die Agentur organisiert für Gewerbebetreibende und sonstige Veranstalter Auftritte von Selbstständigen Show-TänzerInnen und vermittelt hierzu den/die o.a. selbstständige(n) Show-TänzerInnen mit einem eigenen Programm im Bereich Show- und Bühnentanz.

2.) Die Agentur verpflichtet sich als I, V, für die Zeit vom 25.09.04 bis zum 24.01.05 an Unterhaltungsbetriebe, Tourismusverbände und sonstige Veranstalter, die zu Auftritten dieser Art berechtigt sind, zu vermitteln. Mitschnitte der Darbietungen auf Ton- oder Bildträgern zu Werbezwecken werden von V ausdrücklich gestattet.

3.) V beauftragt die Agentur S, Herrn G B, mit der Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten im Zusammenhang mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels vor allem österreichischen Behörden im In- und Ausland.

4.) V ist selbstständige(r) Show-TänzerIn. Es entsteht während der Vertragslaufzeit weder mit VP1 noch mit dem jeweiligen Veranstalter ein Dienstverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis. V ist verpflichtet, den von V vereinbarten Auftritten nachzukommen, soferne keine besonderen berücksichtigungswürdigen Gründe entgegenstehen.

5.) V präsentiert bei den jeweiligen Auftritten sein/ihr eigenes Striptease-Show-Tanz- und Bühnen-Programm (mindestens 2 Kostüm-Streptease-Shows pro Abend. Von Seiten des V oder des Veranstalters erfolgen keinerlei Weisungen bezüglich Inhalt und Art der Darbietung, es besteht auch im Rahmen dieser Auftritte keine Werks- oder Dienstvertragsbeziehung mit dem jeweiligen Veranstalter.

6.) Über die vereinbarten Auftritte hinaus besteht keinerlei Darbietungs- und/oder Arbeitsverpflichtung. Der/die Tänzerin ist weder zur Animation der Gäste noch zur Konsumation mit dem Publikum verpflichtet. Eventuelle außerhalb des Vertrages, auf privater Basis vereinbarte Tätigkeiten für Dritte am jeweiligen Veranstaltungsort (Table-Dance) unterliegen nicht diesem Vertrag und auch nicht der Verantwortung oder einer Weisung des VP1 oder des Veranstalters.

7.) V bezahlt während der Vertragsdauer an V für jeden Tag eine Gage in der Höhe von € 52,- abzüglich der gesetzlichen Ausländersteuer von 20 %. Von der Agentur vorfinanzierte (Anreise) Kosten zum Auftrittsort werden als Barauslagen ersetzt. Provisionspflicht gegenüber VP1 besteht keine. Auszahlung erfolgt bei Vertragsende gegen Quittung durch V.

8.) Bei schuldhafter Nichteinhaltung vereinbarter Auftrittstermine besteht seitens V gegenüber V pro Termin ein Anspruch auf Konventionalstrafe in Höhe der doppelten Tagesgage. Im Gegenzug verpflichtet sich V mindestens 5 Gastspieltage pro Woche zu organisieren. Weitere Schadenersatzforderungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bleiben vorbehalten. Im Falle schwerwiegender Gründe besteht für beide V das Recht der Vertragsauflösung.

9.) V nimmt zur Kenntnis, dass mit diesem Vertrag kein Dienstverhältnis (freies Dienstverhältnis) und auch keine Sozialversicherungspflicht in Österreich begründet wird. Der Veranstalter verpflichtet sich, für V eine Unfall-, Kranken- und Rückholversicherung abzuschließen.

10.) Die umseitig angeführten Vertragsbedingungen sind integrierter Bestandteil des Vertrages. Die Vertragsbedingungen und der Gastspielvertrag wurden V in seiner/ihrer Muttersprache bekannt gemacht. Der Gastspielvertrag wurde dreifach lautend ausgefertigt."

 

Außerdem legte der Zeuge eine Kopie des sogenannten Wohlverhaltenskataloges vor. Die Einhaltung des Wohlverhaltenskataloges sei Voraussetzung für die Behandlung der Tänzerinnen als Selbstständige gewesen. Die Einhaltung sei durch die Behörde (bei der Visaerteilung und bei Lokalkontrollen) laufend geprüft worden. Bis Ende 2005 seien österreichweit die Verträge mit den Tänzerinnen auf dieser Basis "gelaufen". Nachher sei die Behördenpraxis "verworren" geworden, sodass es keine einheitliche Praxis mehr gebe.

 

Der Wohlverhaltenskatalog lege auch Pflichten für Tänzerinnen fest. Daran hätten sich auch die Lokalbesitzer zu halten, was aber kein Weisungsrecht begründe. Im Wesentlichen gehe es darum, die illegale Prostitutionsausübung zu unterbinden.

 

Bei dem Gastspielvertrag handle es sich um einen auf den Wohlverhaltenskatalog zurückzuführenden Mustervertrag, wie er auch von der Wirtschaftskammer weitergegeben worden sei.

 

Die den Agenturen im Zusammenhang mit dem Wohlverhaltskatalog auferlegte Dreieckskonstruktion habe unter anderem auch den Sinn gehabt, Direktzahlungen der Veranstalter an die Tänzerinnen zu unterbinden, was die Selbstständigkeit in Frage gestellt haben könnte. Die Agentur habe aus den von den Veranstaltern erhaltenen Beträgen nicht nur die Gagen der Tänzerinnen bezahlt, sondern auch Abgaben (die im Wohlverhaltenskatalog vorgesehene "Ausländersteuer") geleistet und eine Provision einbehalten. Die Eintragung im Personenblatt der A S "52-20 %" habe sich auf 52 Euro minus 20 % "Ausländersteuer" bezogen. Bei der "Ausländersteuer" handle es sich um eine pauschalierte Einkommenssteuer der Tänzerinnen. Durch das Dreiecksverhältnis sei die Bezahlung der "Ausländersteuer" gesichert gewesen.

 

Die Aufgabe der Agentur habe unter anderem darin bestanden, die Wünsche der Tänzerinnen und der Veranstalter (etwa hinsichtlich der Auftrittszeiten) zu koordinieren. Auf diese Weise hätten die Tänzerinnen Wahlmöglichkeiten zwischen Lokalen gehabt. Wenn eine Tänzerin mit einem Lokal unzufrieden gewesen sei, sei ihr die Agentur bei einem Lokalwechsel behilflich gewesen. Die Pflichten der Tänzerinnen seien im Gastspielvertrag festgelegt gewesen. Modifikationen in Ausnahmefällen (etwa bei einer Party) hätten der Übereinkunft zwischen der Tänzerin und dem Veranstalter bedurft. In der Programmgestaltung seien die Tänzerinnen frei gewesen. Die Auftritte hätten die Tänzerinnen selbst koordiniert. Allfällige Table-Dance-Auftritte auf eigene Rechnung der Tänzerinnen seien von den Verträgen nicht erfasst gewesen. Die Tänzerinnen hätten außer den in den Gastspielverträgen festgelegten Gagen keine Einkünfte gehabt. Sie seien insbesondere nicht am Umsatz beteiligt gewesen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ist von den unwiderlegten Darlegungen in der Berufung sowie in den Zeugenaussagen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung (einschließlich den vorgelegten Vertragswerken) auszugehen.

 

Bei der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts ist streng zwischen den sich aus dem Dreiecksverhältnis ergebenden Vertragspartnerschaften zu unterscheiden und daher zu beachten, dass gegenständlich das Verhältnis zwischen den Ausländerinnen und dem Berufungswerber maßgeblich ist. Nicht zu verwechseln damit ist insbesondere die Frage der rechtlichen Beurteilung des Verhältnisses zwischen den Ausländerinnen und der jeweiligen Agentur. Diesbezüglich lag ein Leistungsaustausch (Tanzauftritte gegen Entlohnung) vor. Ob in diesem Verhältnis auf Grund der behördlichen (ministeriellen!) Praxis dennoch von Selbstständigkeit der Ausländerinnen auszugehen ist, kann dahingestellt bleiben.

 

Was den Berufungswerber betrifft, ist davon auszugehen, dass sich sämtliche Leistungspflichten (wie die Zurverfügungstellung des Lokals und der Unterkunft) auf das Verhältnis zur Agentur bezogen. Bei Leistungsstörungen hatte sich der Berufungswerber an die Agentur zu wenden. In ähnlichem Sinn bestanden die Pflichten der Tänzerinnen (Auftritte in einem bestimmten Lokal zu bestimmten Zeiten) in Relation zur Agentur. Aus anderem Blickwinkel betrachtet hatten die Ausländerinnen gegenüber dem Berufungswerber keine Ansprüche und keine Pflichten: Der Entgeltsanspruch bestand nicht gegenüber dem Berufungswerber; insbesondere gab es keinen Anspruch auf Getränkeprovision. Die Ausländerinnen waren dem Berufungswerber gegenüber insbesondere nicht weisungsgebunden; die Tanzdarbietungen wurden nicht durch den Berufungswerber einseitig festgelegt, sondern durch die Tänzerinnen nach eigenem Gutdünken gestaltet bzw. untereinander koordiniert. Einseitige Festlegungen irgendwelcher Art durch den Berufungswerber sind jedenfalls nicht mit ausreichender Sicherheit erwiesen. Dass die Ausländerinnen in den konkreten Fällen daneben Table-Dance-Darbietungen absolvierten, ist ebenfalls nicht erwiesen und würde außerdem kein Rechtsverhältnis zum Berufungswerber (sondern allenfalls zu den zahlenden Gästen) begründen. Mangels eines Rechtsverhältnisses bzw. Leistungsaustausches zwischen dem Berufungswerber und den Tänzerinnen kann daher nicht von einem Arbeitsverhältnis oder einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis die Rede sein (Vergleiche zu ähnlich gelagerten Fällen die Erkenntnisse des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19.2.2007, Zl. 251149 und vom 18.1.2006, Zl. 251150).

 

Zu keinem anderen Ergebnis führt die Beurteilung des Sachverhalts nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt: In Anbetracht der Tatsache, dass die Gestaltung der Rechtsverhältnisse "in Dreiecksform" gleichsam auf staatlichen Vorschriften (gegenüber Agenturen) beruhte, kann von keinem "Umgehungsgeschäft" des Berufungswerbers gesprochen werden. Auch die Gestaltung der Geldflüsse (insbesondere die Abgabe der "Ausländersteuer") erfolgte nicht nur zum "Schein".

 

Wenn man entgegen den oben  stehenden Ausführungen – auf welchen Wegen immer – zu dem Ergebnis gelangte, dass eine Arbeitgeberschaft des Berufungswerbers anzunehmen sei, wäre zu beachten, dass sich der Berufungswerber auf die Auskunft der Agenturen verließ, dass die gepflogene Vorgangsweise unter dem Blickwinkel des AuslBG unbedenklich sei und die Auskunft sich seinerseits auf ministerielle Vorgaben stützte, die bis zur Behördenpraxis durchdrangen (vgl. den Hinweis auf eine Auskunft des AMS Vorarlberg in der öffentlichen mündlichen Verhandlung sowie die Auskunft eines Beamten der BH Gmunden in einem den Verantwortlichen der Agentur "S" betreffenden Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, GZ. UVS-07/A/28/10098/16, vom 14.12.2006). Bedenkt man dies, so ergeben sich gute Gründe für das Argument des Berufungswerbers, es sei gegenständlich von einem entschuldbaren Rechtsirrtum auszugehen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Langeder

 

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