Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550072/57/Kl/Pe

Linz, 28.03.2006

 

 

 

VwSen-550072/57/Kl/Pe Linz, am 28. März 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die IX Kammer (Vorsitzender: Vizepräsident Mag. Dr. Steiner, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzerin: Mag. Bismaier) über die Berufung der O S G f I C mbH, vertreten durch H S Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 13. Jänner 2003, Fin-090974/5-2003-Schü/Spr, im Vergabeverfahren des Landes Oberösterreich betreffend "Einführung einer Standard-Software für Dokumentenmanagement, Workflow und Archivierung" nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 7. Februar 2006 zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung gegen die Abweisung des Antrages vom 14. Dezember 2002 auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung wird Folge gegeben und der Bescheid dahingehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass die angefochtene Zuschlagsentscheidung des Landes Oberösterreich vom 5. Dezember 2002 rechtswidrig war.

     

    Gleichzeitig wird der Antrag des Landes Oberösterreich festzustellen, dass die Antragstellerin auch ohne die festgestellte Rechtsverletzung keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, abgewiesen.

     

  2. Die Berufungswerberin hat die erwachsenen Barauslagen für Sachverständigengebühren in der Höhe von 3.093,70 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution an den Oö. Verwaltungssenat zu entrichten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: §§ 20 Abs.2, 14 Abs.2 und 2 Abs.3 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz - Oö. VNPG, LGBl. Nr. 153/2002 iVm § 188 Abs.1 und 3 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG, BGBl. I Nr. 99/2002 und §§ 1 Z21, 8 Abs.2 und 35 Abs.1 Oö. Vergabegesetz, LGBl. Nr. 59/1994 idF LGBl. Nr. 79/2000 und § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

zu II.: § 76 Abs.1 AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Das Land Oberösterreich hat mit EU-Bekanntmachung vom 24.8.2001, ABl 2001/S 163-113690, zu Zl. PräsI-704701 die Vergabe "Einführung einer Standard-Software für Dokumentenmanagement, Workflow und Archivierung" als Dienstleistungsauftrag im Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Der Leistungsumfang umfasst die Lieferung der Software (Lieferung der Lizenz), Einführung und Inbetriebnahme der Software, Implementierung eines Basisaktes und einen Wartungsvertrag.

 

25 Teilnahmeanträge sind eingegangen, 13 Bewerber wurden zur Angebotsabgabe eingeladen. Vier Angebote wurden eingebracht, darunter jenes der Antragstellerin.

 

Mit Zuschlagsentscheidung vom 5.12.2002 wurde vom Auftraggeber bekannt gegeben, dass beabsichtigt ist, den Zuschlag der Firma F A S GmbH & Co KG, zu erteilen.

 

 

2.1. Mit Eingabe vom 14.12.2002, eingelangt am 17.12.2002, wurde von der Antragstellerin der Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gegen die Zuschlagsentscheidung gemäß § 59 Abs.1 Satz 3 Oö. Vergabegesetz und Nichtigerklärung rechtswidriger Auftraggeberentscheidungen gemäß § 61 Oö. Vergabegesetz bei der Oö. Landesregierung eingebracht. Es wurde beantragt, die Entscheidung des Antragsgegners, das Vergabeverfahren im Wege eines Verhandlungsverfahrens durchzuführen, das gesamte Vergabeverfahren wegen unzutreffender Wahl des Vergabeverfahrens, die Entscheidung des Antragsgegners, das gesamte Vergabeverfahren wegen unzutreffender Wahl des Verhandlungsverfahrens - sohin wegen zwingender Gründe - nicht zu widerrufen, und die Zuschlagsentscheidung des Antragsgegners zugunsten der F A S GmbH & Co KG, die mit Schreiben vom 5.12.2002 mitgeteilt wurde, für nichtig zu erklären. Der Antrag wurde damit begründet, dass die Wahl des Vergabeverfahrens nämlich einen Dienstleistungsauftrag im Verhandlungsverfahren zu vergeben, rechtswidrig ist. Es ist nur die Lieferung einer Standard-Software gefordert. Eine Individualsoftware war nicht erforderlich. Es handelt sich dabei um einen Lieferauftrag. Dazu wurde auf das Angebot der Antragstellerin hingewiesen, wonach eine Standard-Lizenz "Optimal-ASO: Campuslizenz Version 4.0" angeboten wurde. Weiters wurde angeführt, dass die Lieferung die erforderlichen Dienstleistungen überwiegt und hiezu auf das Angebot der Antragstellerin vom 8.7.2002 hingewiesen, wonach der Wert der Lieferung mit 1,5 Mio. Euro den Wert der Dienstleistung mit 1,0 Mio. Euro überwiegt. Es liege daher ein Lieferauftrag gemäß § 1 Z21 Satz 2 Oö. Vergabegesetz vor und ist die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens gemäß § 35 Abs.1 Oö. Vergabegesetz nicht zulässig. Die Wahl des falschen Vergabeverfahrens stellt einen zwingenden Widerrufsgrund dar. Es hätte daher der Auftraggeber das Vergabeverfahren widerrufen müssen. Weiters wurde auf Pkt.1.22. des Beschaffungshandbuches hingewiesen, wonach die Zuschlagsfrist drei Monate bzw. sechs Monate ab Ablauf der Angebotsfrist festgelegt wurde. Gemäß § 22 Abs.1 Satz 2 und 3 des Oö. Vergabegesetzes ist eine Zuschlagsfrist von maximal sechs Monaten zulässig. Diese Zuschlagsfrist von sechs Monaten wurde überschritten. Auch dies stellt einen Widerrufsgrund dar. Schließlich wurde gerügt, dass der Auftraggeber seiner Mitteilungspflicht gemäß § 31 Abs.4 Oö. Vergabegesetz nicht ausreichend nachgekommen ist.

 

2.2. Die Oö. Landesregierung hat mit Bescheid vom 13.1.2003, Fin-090974/5-2003-Schü/Spr, im Grunde der §§ 2, 3, 58 bis 61 Oö. Vergabegesetz die Anträge vom 14.12.2002 auf Nichtigerklärung der Entscheidung, das Vergabeverfahren im Wege eines Verhandlungsverfahrens durchzuführen, auf Nichtigerklärung des gesamten Vergabeverfahrens wegen unzutreffender Wahl des Verhandlungsverfahrens sowie auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Antragsgegners, das gesamte Vergabeverfahren wegen unzutreffender Wahl des Verhandlungsverfahrens - sohin wegen zwingender Gründe - nicht zu widerrufen, wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen und den Antrag vom 14.12.2002 auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung als unbegründet abgewiesen. Die Zurückweisung wurde damit begründet, dass eine nachweisliche Verständigung von der behaupteten Rechtswidrigkeit und der beabsichtigten Antragstellung seitens der Antragstellerin nicht erfolgt sei, sodass die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 59 Abs.1 Oö. Vergabegesetz nicht gegeben sind. Zur Abweisung des Antrages auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung führte die Oö. Landesregierung in ihrem Bescheid aus, dass bereits im Zug der Erstellung eines produktunabhängigen Konzeptes zur Einführung von Dokumentenmanagement, Workflow und Archivierung, Marktforschungen, vor allem durch Gespräche mit verschiedenen Softwareherstellunternehmen durchgeführt wurden, welche der Erkundigung dienten, ob es am Markt bereits Software gibt, welche die Anforderungen des Landes Oberösterreich abdecken könne. Im Ausschreibungszeitpunkt war kein Produkt bekannt, welches die Anforderungen des Landes Oberösterreich standardmäßig abdecken konnte. Eine Erfüllung der umfangreichen Anforderungen erschien aus damaliger Sicht nur durch Individualprogrammierung erreichbar. Eine andere Vorgangsweise, nämlich die Heranziehung eines bereits bestehenden Produktes unter Ergänzung der erforderlichen Anpassungen hätte aus der Sicht des Antragsgegners zu einem Wettbewerbsvorteil jenes Unternehmens geführt, dessen Produkt als Basisprodukt herangezogen worden wäre und wurde aus diesem Grund abgelehnt. Bestätigt wurde die Komplexität der ausgeschriebenen Dienstleistung und die daraus resultierende Richtigkeit der Wahl des Verhandlungsverfahrens einerseits durch eine sich ergebende Vielzahl an zu beantwortenden Fragen zur Präziszierung des gewünschten Produktes an den Antragsgegner und andererseits durch die damit verbundene Verfahrensdauer. Darüber hinaus stellte sich bei den einlangenden Angeboten heraus, dass sich bei 50 % der Bieter das Verhältnis zwischen Liefer- und Dienstleistungsanteil annähernd die Waage hielt, während bei den anderen 50 % jeweils eine Komponente überwog. Der Behauptung der Antragstellerin, dass von vornherein unzweifelhaft feststand, dass die Lieferung den überwiegenden Teil des Gesamtauftrages ausgemacht hätte, erscheint daher aus der Sicht der Nachprüfungsbehörde nicht gegeben. Vielmehr muss der Entscheidung des Antragsgegners auf Heranziehung des Verhandlungsverfahrens angesichts der bereits angeführten Angebotsinhalte gefolgt werden. Eine Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung in Folge mangelhafter Bekanntgabe der Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes wird seitens der Nachprüfungsbehörde abgelehnt.

 

2.3. Dagegen wurde die Berufung vom 24.1.2003 an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingebracht, mit welcher der letzte Spruchpunkt - sohin die Abweisung des Antrages vom 14.12.2002 auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung - wegen wesentlicher Verfahrensmängel, unrichtiger und unvollständiger Sachverhaltsfeststellungen samt unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten wurde. Nach Darlegung des Sachverhaltes wurde unrichtige rechtliche Beurteilung dahingehend geltend gemacht, dass der Ausschlussgrund gemäß § 28 Abs.6 Z11 und gemäß § 28 Abs.6 Z6 Oö. Vergabegesetz für das Angebot von F vorlag. Dies wurde damit begründet, dass der Geschäftsführer von F in einem Gespräch mit dem Landesamtsdirektor am 19.7.2002 Informationen erhalten haben muss, die anderen Bietern nicht zur Kenntnis gebracht wurden, und aufgrund dieses Gespräches in einer formellen Dienstanweisung an das zuständige Projektteam der Leistungsgegenstand des Vergabeverfahrens wesentlich geändert wurde, sodass die formell genehmigte, zuschlagsreife Bestbieterreihung durch einen vergabewidrigen Vorgang zugunsten von F geändert wurde. Der damit herbeigeführte Bietersturz verletzt gravierend die vergaberechtliche Gleichbehandlungspflicht des Antragsgegners und wurde der dem Vergaberecht immanente Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbs eklatant verletzt. Die bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung vom 5.12.2002 zugunsten der F ist keinesfalls vergabekonform, weil das Angebot von F einen nicht plausibel erklärbaren Preis im Sinn des § 28 Abs.6 Z6 Oö. Vergabegesetz enthält. F hat in ihrem Angebot vom 14.2.2002, 28.6.2002 und 8.11.2002 die "Kosten für Anpassung, Customizing" jeweils mit 0 Euro ausgepriesen. Auch wenn beim vorliegenden Beschaffungsgegenstand der Lieferanteil gegenüber dem Dienstleistungsauftrag deutlich überwiegt, so ist es doch völlig unplausibel, dass F im Falle einer Auftragserteilung für "Anpassung, Customizing" keinerlei Kosten entstehen. Aufgrund dieses Preises wäre der Antragsgegner verpflichtet gewesen, eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen. Im Ergebnis hat F eine wesentliche Position nicht ausgepriesen und damit letztlich ein unvollständiges Angebot abgegeben. Dieser Angebotsmangel kann auch nicht im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung behoben werden. Es handelt sich dabei vielmehr um einen unbehebbaren Mangel. Es wäre vergaberechtlich unzulässig, diesen nachträglich zu beheben, weil damit F es in der Hand hätte, die Bieterreihung nachträglich zu ändern. Die vom Antragsgegner bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung vom 5.12.2002 ist demnach jedenfalls vergaberechtswidrig und hätte die belangte Behörde daher die Zuschlagsentscheidung antragsgemäß für nichtig erklären müssen. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat daher den bekämpften Bescheid im angefochtenen Umfang jedenfalls zu beheben und die Entscheidung des Antragsgegners, das Angebot von F nicht auszuscheiden, und die Zuschlagsentscheidung des Antragsgegners zugunsten der F für nichtig zu erklären.

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat mit Erkenntnis vom 5.3.2003, VwSen-550072/7/Kl/Rd, die Berufung im Grunde des § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 58 und 59 Abs.1 und 3 Oö. Vergabegesetz als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27.11.2003, Zl. 2003/04/0069-8, aufgehoben, weil "die Behörde auch auf späteres, neues Vorbringen der Partei Bedacht zu nehmen hätte (zur Regelung des § 63 Abs.3 AVG vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 20. September 1951, Slg. Nr. 2227/A). Auch enthält das Gesetz keine Begrenzung des Streitgegenstandes, wie dies etwa § 41 Abs.1 erster Satz VwGG vorsieht oder auch nunmehr das Oö. Vergabenachprüfungsgesetz in § 2 Abs.2 hinsichtlich der ‚im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte' (also auch nicht hinsichtlich der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt)."

 

Die Zuschlagserteilung an F erfolgte am 11.3.2003, also vor Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes.

 

Mit Erkenntnis vom 13.2.2004, VwSen-550072/23/Kl/Pe, hat der Oö. Verwaltungssenat im Grunde des § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 2 Abs.1 und 2 und 20 Abs.2 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz - Oö. VNPG, LGBl. Nr. 153/2002, der Berufung keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zurückgewiesen wird, weil die Zuschlagserteilung bereits erfolgt ist.

 

Diesen Bescheid hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26.9.2005, B 437/04-6, wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgehoben und dies unter Punkt II.2. damit begründet, dass die belangte Behörde bei Erlassung des Ersatzbescheides vom 13.2.2004 das Oö. VNPG anzuwenden hatte. Im Zeitpunkt der Aufhebung des Bescheides vom 5.3.2003 durch den Verwaltungsgerichtshof war der Zuschlag bereits erteilt. Es war daher § 14 Oö. VNPG anzuwenden. "Nach Erteilung des Zuschlags verliert die belangte Behörde ihre Zuständigkeit zur Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers. § 14 Abs.2 Oö. VergNPG geht ebenfalls davon aus, verfügt jedoch, dass bei Erlassung des Ersatzbescheides die nach dem Oö. VergNPG zuständige Behörde das ursprüngliche Nichtigkeitsverfahren als bloßes Feststellungsverfahren fortzusetzen und hiebei der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes bzw. Verwaltungsgerichtshofes zu folgen hat. Ein weiterer Antrag ist - anders als nach § 14 Abs.1 - hiezu nicht mehr erforderlich. Eine Auslegung der Übergangsbestimmung im Zusammenhang mit § 14 Abs.2 Oö. VergNPG, nach welcher der Antrag auf Nichtigerklärung zurückzuweisen ist, würde zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen, da dann tatsächlich kein effektiver Rechtsschutz bestünde."

 

Im Grunde dieser Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes hatte daher der Oö. Verwaltungssenat das Berufungsverfahren gemäß § 14 Abs.2 Oö. VNPG als Feststellungsverfahren fortzusetzen.

 

 

4. Das Land Oberösterreich als Auftraggeber hat den Vergabeakt vorgelegt.

 

4.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat mit Bescheid vom 28.12.2005, VwSen-550072/38/Kl/Pe, Herrn Dr. F R, als nichtamtlichen Sachverständigen gemäß §§ 52 Abs.2 und 4 und 53a AVG bestellt und ihn mit Schreiben vom 28.12.2005 um die Erstattung von Befund und Gutachten zu folgenden Fragen ersucht:

  1. "Handelt es sich - aus der Sicht des Auftraggebers aufgrund der herrschenden Marktverhältnisse zum Zeitpunkt der Bekanntmachung (24.8.2001) bzw. Ausschreibung (9.1.2002) - bei der zu beschaffenden Leistung um den Kauf von Standard-Software und daher um eine Lieferung von Waren, oder um die Erstellung einer Individualsoftware und daher die Erbringung von Dienstleistungen?

    Wie wurde der gegenständliche Auftrag laut Beschaffungshandbuch, das mit der Einladung zur Angebotsabgabe vom 9.1.2002 mitversendet wurde, ausgeschrieben?

  2. Für den Fall, dass im Rahmen des ausgeschriebenen Auftrages neben der Lieferung von Waren auch Dienstleistungen (Nebenarbeiten wie Installationen) zu erbringen sind: Ist der Gesamtwert der zu liefernden Ware höher als der Wert der vom Auftrag erfassten Dienstleistungen?

  3. Für den Fall, dass der Gesamtwert der Dienstleistungen den Gesamtwert der Waren übersteigt: Sind die Dienstleistungen dergestalt, dass die vertraglichen Spezifikationen hinreichend genau festgelegt werden können, um den Auftrag in einem offenen oder nicht offenen Verfahren vergeben zu können?

  4. Für den Fall, dass Frage 3) verneint wird (vertragliche Spezifikationen können nicht hinreichend genau festgelegt werden):

  1. Wurde in der dritten Verhandlungsrunde der Leistungsgegenstand wesentlich verändert und worin liegt die Änderung?

  2. Hat die Zuschlagsempfängerin Kosten für Anpassung und Customizing veranschlagt? Wenn keine Kosten veranschlagt wurden, ist dies nachvollziehbar erklärbar oder wurde ein unvollständiges Angebot gelegt?"

 

Der beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für EDV Dr. F R hat am 31.1.2006 schriftlich nach ausführlicher Problemstellung und Befundaufnahme folgendes Gutachten erstattet:

"Aufgrund der Ergebnisse der Befundaufnahme können die gestellten Fragen wie folgt beantwortet werden:

  1. Die zu beschaffende Leistung war zum Zeitpunkt der Bekanntmachung (24.8.2001) bzw. Ausschreibung (9.1.2002) eindeutig Standard-Software und kein Auftrag zur Entwicklung einer Individualsoftware. Dafür spricht wohl die Darstellung des Auftrages im Beschaffungshandbuch als auch die Tatsache, dass alle abgegebenen Angebote auf Standard-Software basierten.

  2. Der Auftrag umfasste zur Lieferung der Lizenz für die Standard-Software auch Dienstleistungen für Software-Anpassung, für 5 Jahre Software-Wartung und eine Position sonstige Kosten. Mit Ausnahme des Anbieters U, der nach Auftragseröffnung aus dem Verfahren ausschied, ist bei allen Angeboten der Anteil für die Software-Lieferung höher als der Dienstleistungsanteil.

Die weiteren Fragen sind daher nicht mehr zu beantworten."

 

4.2. Dieses Gutachten wurde den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht und es hat der Auftraggeber in seiner Stellungnahme vom 3.2.2006 den Antrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat möge gemäß § 2 Abs.3 Oö. VNPG feststellen, dass die Antragstellerin auch bei Einhaltung des Oö. Vergabegesetzes keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Weiters wurde zum Gutachten des Sachverständigen Stellung genommen. Es wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Vergabeverfahren primär Auftragsgegenstand nicht die Lieferung von Waren im Sinne des Vergaberechtes, sondern die Erstellung und Anpassung der Software sowie die Wartung war. Die Bezeichnung "Standard-Software" bezog sich nicht darauf, dass eine am Markt erhältliche Standard-Software angekauft bzw. die Lizenz erworben werden soll, sondern darauf, dass die zu erstellende Software in weiterer Folge im Bereich des Landes Oberösterreich als Standard-Software eingesetzt werden soll. Das Land Oberösterreich hat vor der Ausschreibung ca. drei Jahre lang an einem produktunabhängigen Konzept zur Einführung von Dokumentenmanagement, Workflow und Archivierung gearbeitet. Dieses Konzept definiert die Anforderungen, die das Land Oberösterreich an derartige Softwareprodukte stellt. Dabei wurde geprüft, ob am Markt Software angeboten wird, die den Anforderungen des Landes Oberösterreich entspricht. Trotz intensiver Marktbeobachtungen war im Ausschreibungszeitpunkt kein Produkt bekannt, welches die Anforderungen des Landes Oberösterreich standardmäßig abdecken konnte. Vielmehr musste das Land Oberösterreich im Ausschreibungszeitpunkt davon ausgehen, dass die umfangreichen Anforderungen aus dem Konzept des Landes Oberösterreich nur durch aufwendige Individualprogrammierung erreicht werden können. Dies hat sich dann auch im Laufe des weiteren Vergabeverfahrens, vor allem in den aufwendigen Verhandlungsrunden bestätigt. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren mehrere öffentliche Auftraggeber vergleichbare Leistungen betreffend den elektronischen Akt ausgeschrieben haben und den Leistungsgegenstand als Dienstleistungsauftrag qualifiziert und ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung durchgeführt haben. Dass es sich bei den Anforderungen des Landes Oberösterreich nicht um die Lieferung einer Standard-Software handelt, wird aus der Sicht des Landes Oberösterreich auch dadurch untermauert, dass sich 25 Firmen um die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren beworben haben, aber von den 13 zur Angebotslegung eingeladenen Firmen nur vier Firmen nach Übermittlung des Beschaffungshandbuches tatsächlich ein Angebot legten. Bei den im Rahmen der Marktforschung betrachteten Produkten war nicht klar, ob alle für das Land Oberösterreich erforderlichen Funktionalitäten von einem Anbieter bereits in einem von ihm erstellten Produkt verfügbar sind. Dies wurde auch bei den durchgeführten Feststellungen untermauert, da bei keinem Anbieter alle Funktionalitäten allein durch das Standardprodukt umgesetzt werden konnten. In Ansätzen war zu erkennen, dass viele bzw. alle Funktionen durch umfangreiches Customizing bzw. durch zusätzliche Programmierarbeiten grundsätzlich verfügbar gemacht werden können, dies aber bei keinem Anbieter im angebotenen Standard automatisch enthalten war. Bei der angebotenen Software der Antragstellerin war insbesondere das Thema der Workflowunterstützung nur sehr rudimentär im Produkt implementiert. Da die Firma F viele dieser Anforderungen als wesentliche Weiterentwicklung des eigenen Produktes sah, wurden keine Kosten für diese Zusatzanforderungen und Änderungswünsche angegeben. Wie auch der Projektverlauf nun bestätigt, waren und sind immer noch Adaptierungen und Weiterentwicklungen erforderlich, um alle Anforderungen des Landes Oberösterreich perfekt abzubilden. Der Umstand, dass einzelnen Anbietern bereits Teile der Anforderungen zu Ausschreibungsbeginn in einem fertigen Produkt des Herstellers vorlagen, erlaubte aus Sicht des Landes Oberösterreich nicht, hier einen Lieferauftrag auszuschreiben, da klar war, dass eine reine Lieferung nicht das gewünschte Ergebnis für den Auftraggeber erbracht hätte. Es musste daher davon ausgegangen werden, dass ein Anbieter, der in diesem Bereich tätig ist, die umfangreichen Anpassungswünsche als Weiterentwicklung seines eigenen Produktes sieht, somit seine Marktchancen erhöht und diese Kosten bereits in die Lizenzpreise bzw. die Wartungskosten einkalkuliert. Schließlich wurde die Wahl der Verfahrensart für das anhängige Verfahren auf Nichtigerklärung bzw. als Feststellungsverfahren fortgesetzte Verfahren nicht mehr relevant erklärt.

 

4.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat weiters Beweis erhoben durch Einsichtnahme in sämtliche Schriftsätze und Vergabeunterlagen. Weiters wurde für den 7.2.2006 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und an diesem Tage durchgeführt, an welcher die Antragstellerin und der Auftraggeber jeweils mit ihren Rechtsvertretern sowie die belangte Behörde teilgenommen haben. Die ebenfalls geladene Zuschlagsempfängerin ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Weiters wurde der Sachverständige Dr. F R sowie der Zeuge TAR E B geladen.

 

4.3.1. Die Antragstellerin bringt in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor, dass der Beschluss des Lenkungsausschusses eindeutig ergeben hat, dass aufgrund der Bewertung der Antragstellerin der Zuschlag zu erteilen sei. Die Behauptung, dass primärer Auftragsgegenstand nicht die Lieferung von Waren sei, werde bestritten und auf das erstattete Gutachten sowie auch das Angebot der Antragstellerin hingewiesen, wobei selbstverständlich auch Dienstleistungen zu erbringen waren, dieser Anteil aber nicht die Lieferung überwiegt. Sowohl die Zuschlagsempfängerin und die Antragstellerin haben eine Standard-Software angeboten, wobei zwar auch Dienstleistungen angefallen sind, aber der Hauptanteil Lizenzgebühren für Standard-Software war. Der Behauptung, dass umfangreiches Customizing und zusätzliche Programmierarbeiten erforderlich seien, wird das Angebot der Zuschlagsempfängerin mit null Kosten für Anpassung und Customizing entgegengehalten, was zur Ausscheiden dieses Angebotes gemäß § 28 Abs.6 Z6 Oö. Vergabegesetz führen muss. Sind die entsprechenden Kosten bereits in den Lizenzgebühren mitenthalten, so ist die Preiszusammensetzung nicht plausibel, weil eine wesentliche Position nicht ausgepreist ist und die Darstellung der tatsächlichen Kosten nicht nachvollziehbar ist. Es ist die Zusammensetzung des Gesamtpreises hinsichtlich der Plausibilität zu prüfen. Seite 63 des Beschaffungshandbuches, Pkt.5.3., Auslaufmodelle und Modelländerungen, weist auf Standard-Software hin. Auch die fehlende Dokumentation des Auftraggebers im Hinblick auf die Marktsituation zum Beschaffungszeitpunkt kann nur zulasten der Auftraggeberseite bewertet werden. Aufgrund der fehlenden Dokumentation ist eine Nachvollziehbarkeit nicht mehr gegeben.

 

4.3.2. Der Auftraggeber weist auf einen Ausscheidungsgrund zulasten der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Bewertung durch den Lenkungsausschuss hin, weil die Antragstellerin erhebliche Vorbehalte zu den Vertragsbedingungen ausgesprochen hat und diese erst zu einem späteren Zeitpunkt zurückgenommen wurden. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Länder Salzburg und Steiermark von der Entwicklung und Adaptierung für Oberösterreich profitieren und sich seitens F einen Vorteil verschaffen konnten. Zum damaligen Zeitpunkt war eine durchgehende Bearbeitung von lebenden Akten bis zur Archivierung standardmäßig nirgends ausgeführt. Die Zusammensetzung des Preises der Zuschlagsempfängerin ist plausibel und kaufmännisch nachvollziehbar. Es wurden Dienstleistungen im Rahmen von Lizenzgebühren erbracht und verrechnet und daraus zu ziehende Vorteile vom Bieter an den Auftraggeber weitergegeben. Da im Beschaffungshandbuch bei den Anforderungen jeweils anzugeben war, ob diese standardgemäß oder individuell oder durch Customizing geleistet werden, ist dies ein Beweis dafür, dass die Ausschreibung offen gelassen hat, wie die Leistung erbracht wird. Die der Ausschreibung vorangegangene dreijährige Marktbeobachtung hat vielmehr ergeben, dass eine gesamte Abdeckung der Anforderungen des Landes Oberösterreich mit Standard-Software nicht möglich war, der Anteil der Individualentwicklung bzw. das Ausmaß des Standardisierungsgrades war zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt. Dem Auftraggeber war jedoch bekannt, dass kein Produkt am Markt ist, dass seinen Anforderungen voll gerecht wurde. Ausdrücklich gibt der Auftraggeber bekannt, dass beim gegenständlichen Auftrag nicht beabsichtigt war, Individualentwicklungskosten zu bezahlen, sondern es war beabsichtigt, Lizenzgebühren zu zahlen, um damit die Nutzungsrechte zu sichern. Zusätzlich waren die Positionen Customizing und Wartung vorgesehen.

 

4.3.3. Im Grunde des Parteienvorbringens erstattete der Gutachter in der öffentlichen mündlichen Verhandlung noch wesentliche Gutachtenserörterungen: Für die Erstellung des Beschaffungshandbuches diente DOMEA als Grundlage bzw. sogenanntes Muster. Dies geht eindeutig aus dem Beschaffungshandbuch Seite 42, technische Kriterien, hervor. Ein Vergleich des Beschaffungshandbuches mit DOMEA ergab aber nur eine teilweise Übereinstimmung mit DOMEA, wobei teilweise Anforderungen übernommen wurden, teilweise sind die Anforderungen strukturell im Beschaffungshandbuch anders als das DOMEA-Konzept, wobei dann ein Vergleich nicht möglich war. Im Zuge des Vergleiches wurden ca. die Hälfte des Handbuches grob angesehen, ein genauer Vergleich wurde bei ungefähr 10 % vorgenommen. Es wurde festgestellt, dass bei diesen 10 % die Anforderungen großteils haarscharf übernommen wurden. Das Beschaffungshandbuch fordert zu den technischen Kriterien bzw. Anforderungen immer Angaben, ob diese Kriterien Standard sind, durch Customizing erbracht würden oder individuell erstellt werden. Anhand der Angebote der Zuschlagsempfängerin und der Antragstellerin wurde festgestellt, dass bei der Zuschlagsempfängerin von insgesamt 203 Kriterien 199 Kriterien standardmäßig angeboten wurden. Beim Angebot der Antragstellerin war der Standardisierungsgrad bei Weitem nicht so hoch, allerdings gab es auch hier überwiegend standardisierte Anforderungen. Ein größerer Anteil wurde auch durch Individualsoftware abgedeckt. Das Angebot von U wurde vorzeitig ausgeschieden, U hat F-Software angeboten, wobei U Provider von F ist und daher aus Konkurrenzgründen die günstigen Preise von F nicht anbieten kann. Das Angebot von X wurde nicht ausgewertet. Bei den konkreten Angeboten wurde überwiegend standardmäßig angeboten und lag der Customizinganteil prozentuell weit darunter. Bei entsprechender Marktbeobachtung hätte dies daher schon von der ausschreibenden Stelle festgestellt werden müssen. Aus dem Beschaffungshandbuch, welches der Gutachtenserstattung zugrunde gelegt wurde, geht eindeutig hervor, dass bei der Preisangabe Lizenzkosten anzuführen waren und eine Position für einen Preis für Individualentwicklung nicht vorgesehen ist. Auch das Erfordernis der Auspreisung für Customizing spricht eindeutig für Standard-Software. Auch Seite 59 Pkt.7.17., Releasewechsel und Updates spricht für Standard-Software. Zur Standard-Software wird ausgeführt, dass es weder bei ELAK noch sonst eine Standard-Software gibt, die keiner Adaptierung oder eines Customizing bedarf. Eine Individualentwicklung bei Standard-Software hingegen ist von Nachteil, weil die Gefahr gegeben ist, dass die Individualsoftware durch Release überholt oder sogar ungültig wird. Bei höherem Anteil von Individualentwicklung wäre ein Angebot auszuscheiden, weil eine Individualentwicklung bei Standard-Software sich in der Folgezeit immer nachteilig auswirkt. Im Beschaffungshandbuch sind viele Anforderungen als Muss-Kriterien formuliert, sodass bei Nichterfüllung in der Standard-Software dies zum Ausscheiden führen muss. Nach dem Beschaffungshandbuch können Muss-Kriterien durch Standard, Customizing oder individuell erbracht werden und ist dies entsprechend einzutragen. Es ist eine Frage der Bewertung, wobei die Art der Bewertung der auszufüllenden Kriterien Standard, Individuell, Customizing aus den Unterlagen nicht hervorgeht. Genau diese Ausschreibungsmodalität spricht aber für eine Standard-Software, ansonsten wäre ein Klassifizierungsstandard nicht erforderlich. Die mit "M" bezeichneten Muss-Kriterien sind auch K.O.-Kriterien, die jedenfalls erfüllt werden müssen, ansonsten wäre das Angebot auszuscheiden. Es ist zwar sowohl bei Muss- als auch bei Soll-Kriterien vom Bieter anzugeben, ob diese Kriterien im Standard, durch Customizing, individuell oder nicht erfüllt werden. Eine Bewertung dieser Komponenten geht aus der Unterlage nicht hervor. Das Beschaffungshandbuch ist dermaßen gestaltet, dass einlangende Angebote bewertet werden können und eine Zuschlagsentscheidung getroffen werden könnte. Eine Zuschlagsentscheidung könnte aufgrund des Beschaffungshandbuches ohne weitere Verhandlungen getroffen werden, weil das Beschaffungshandbuch ausreichend detailliert abgefasst ist.

 

Das Gutachten ist nachvollziehbar und schlüssig. Es konnten alle Fragen vom Gutachter geklärt werden. Die Ausführungen sind anhand der Vergabeunterlagen nachvollziehbar. Auch wurden keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Fachkunde des Sachverständigen geäußert. Er konnte seine Ausführungen anhand der Recherchen und des Beschaffungshandbuches belegen. Im Übrigen wurden die Aussagen des Gutachters auch durch die Aussagen des einvernommenen Zeugen nicht erschüttert und in weiten Teilen bestätigt.

 

4.3.4. Der Zeuge XX wurde zu den durchgeführten Markterhebungen vor der konkreten Ausschreibung einvernommen. Er war Mitglied einer Arbeitsgruppe, die eingesetzt wurde, Informationen einzuholen und sich regelmäßig zusammensetzte. Sie wurde im Jahr 1997 eingesetzt. Informationen wurden einerseits eingeholt bei einzelnen Firmen im Zuge von Messebesuchen, andererseits wurden in verschiedenen öffentlichen Verwaltungen Erkundigungen angestellt, so z.B. beim Magistrat Wien über das Projekt Wiener Wohnen, beim Außenministerium und in den Bundesländern Niederösterreich und Vorarlberg. Im Ausland wurde für die Deutsche Bundesverwaltung das DOMEA-Konzept vorgefunden und keine Deckung mit den Anforderungen der Oö. Landesverwaltung festgestellt. Weiters wurden für die Schweizer Verwaltung das Projekt GEWA und für die Britische Verwaltung das Projekt PRO festgestellt, welche ebenfalls den Anforderungen der Oö. Landesverwaltung nicht entsprechen. Grundsätzlich war von Konzepten nur ein Kanzleiinformationssystem erfasst, nicht jedoch die durchgängige Aktenbearbeitung - Erfassung der Aktenstücke beim Eingang, Transport zu den einzelnen Bearbeitern und schließlich Archivierung -, wie es vom Land Oberösterreich geplant war. Es wurde von der Arbeitsgruppe ein Konzept erstellt und dieses Konzept mit anderen Konzepten verglichen, so z.B. mit dem DOMEA-Konzept, welches sich aber mit den Anforderungen des Landes Oberösterreich nicht deckte. Das DOMEA-Konzept wurde dem Handbuch nicht zugrundegelegt, es wurde aber zum Querlesen verwendet. Warum im Benutzerhandbuch auf Seite 42 auf das DOMEA-Grundkonzept verwiesen wird, konnte der Zeuge nicht erklären. Das österreichische ELAK-Konzept wurde im Herbst 2000 begonnen und etwa ein Jahr später fertig gestellt, wobei die Projektgruppe auch kurzzeitig in das ELAK-Konzept eingebunden war. Vom Land Oberösterreich wurde ein eigenes Konzept bis zum Frühling bzw. Sommer 2001 erstellt, welches schon fortgeschrittener war, und es wurde daher selbständig ausgeschrieben. An das ELAK-Konzept Version 1.0 vom Juli 2001 könne er sich nicht erinnern.

Nach vorhandenen Produkten wurde auf Messen, z.B. der CEBIT, Ausschau gehalten und es wurde festgestellt, dass es zumindest für Teilbereiche eine vorhandene Software gab, welche aber die Anforderungen des Landes Oberösterreich nicht zur Gänze abdeckte. Es wurden ihm etwa 25 Produkte bekannt, die teilweise die Anforderungen abdeckten, teilweise wurde von den Firmen zugesichert, dass entsprechend den Anforderungen Adaptierungen vorgenommen werden können, teilweise gab es seitens der Firmen die Absicht im Zuge von Releasvorhaben entsprechende Anforderungen einzubauen. Bei einigen Firmen war ein Konzept für ein Release schon vorhanden und wollten diese im Zuge des Releaseprozesses ihre Kunden entsprechend einbinden. Es war auch offen, auf welcher Plattform das Projekt umgesetzt werden sollte, ob auf Serverebene oder auf dem Großrechner. Als Ergebnis der Markterhebungen war daher nicht klar, ob ein Produkt sämtliche Anforderungen des Landes schafft oder ob einzelne oder alle Anforderungen entwickelt werden müssen, weshalb die Ausschreibung beide Wege offen lassen musste. Allerdings konnte das beste auf dem Markt vorgefundene Produkt 60 bis 65 % der Anforderungen des Konzeptes sofort abdecken. Eine Dokumentation für die Markterhebung innerhalb der drei Jahre ist dem Zeugen nicht bekannt. Zur Praxis befragt, gibt er an, dass überraschenderweise die Angebote umgekehrt verliefen. Das nunmehr zum Einsatz gelangende Produkt, für welches 0 Euro für Customizing ausgepreist wurden, stellt sich in der praktischen Ausführung so dar, dass noch erhebliche Adaptierungsarbeiten erforderlich wurden, nämlich dass zum derzeitigen Stand etwa 35 bis 40 % der Lizenzgebühren für Adaptierungsmaßnahmen noch absehbar sind. Die zusätzliche Verteuerung des installierten Produktes in Höhe von 35 bis 40 % ergibt sich aus allen zusätzlichen nachträglichen Anforderungen. Ob diese von der Zuschlagsempfängerin durch Customizing oder Individualsoftware abgedeckt werden und zu welchem Prozentsatz, kann der Zeuge nicht nachvollziehen. Es handelt sich aber um Anforderungen, die vorher nicht gefordert waren. Es handelt sich um teilweise nähere Konkretisierung der Anforderungen und teilweise zusätzliche nachträgliche Anforderungen. Das Beschaffungshandbuch ist vollständig aber nicht erschöpfend beschrieben im Sinn eines Pflichtenheftes. Es hat hinsichtlich der Funktionalität Fragen offen gelassen, allerdings kamen keine zusätzliche Spezifikationen später mehr hinzu. Laut Beschaffungshandbuch musste angegeben werden, ob die Anforderungen im Standard oder individuell erbracht werden. Muss-Kriterien flossen jedenfalls in die Bewertung ein. Es war für den Auftraggeber gleichwertig, ob die Anforderungen durch Standard oder durch Customizing erbracht werden, vorausgesetzt, dass die Funktionalität gleich war. Die Funktionalität wurde im Team durch Punktesystem genau bewertet, wobei diesbezüglich die einzelnen Angebote zu den einzelnen Anforderungen verglichen und bewertet wurden, wie sie den Vorstellungen des Teams am besten entsprachen.

 

Der Zeuge stand unter Wahrheitspflicht. Daher konnten seine Aussagen weitgehend zugrunde gelegt werden. Den Aussagen, dass aufgrund des Beschaffungshandbuches eine Angebotsbewertung nicht möglich sei, werden die Ausführungen des Gutachters entgegengehalten sowie auch seine Ausführungen, dass zusätzliche Spezifikationen nachträglich nicht hinzugekommen sind. Die Einschätzung des Zeugen ist daher nicht nachvollziehbar. Dass nachträglich noch Details von einzelnen Anbietern erfragt wurden, hindert eine Angebotsbewertung nicht, sondern ist dies vielmehr auch durch Aufklärung des Angebotes möglich. Auch dem Einwand der noch offenen Netzwerkbelastung wird vom Gutachter dahingehend entgegnet, dass bereits bei der Angeboterstellung eine Infrastruktur angegeben wurde und daher die Netzwerkbelastung von Anbietern schriftlich abgefragt hätte werden können. Auch den Aussagen des Zeugen, dass eine Standard-Softwareausschreibung nur null bis drei Anbieter erwarten ließ, wobei alle wahrscheinlich das selbe Produkt angeboten hätten, zieht nicht, zumal das Beschaffungshandbuch auf Standard-Software ausgerichtet war. Auch die Praxis hat gezeigt, dass aufgrund dieses Handbuches nur vier Bieter angeboten haben, wobei aber davon drei Bieter ein eigenständig entwickeltes Standardprodukt anboten. Daraus ist ersichtlich, dass die Ausschreibung nur vermeintlich eine Individualsoftware offen ließ, tatsächlich aber nur für jene eingeladenen Bieter (vier von 13 eingeladenen Bietern) interessant war, die eine entsprechende Standard-Software aufweisen konnten.

 

Auch blieb der tatsächliche Erhebungsgrad durch das Projektteam offen, zumal keine Aufzeichnungen vorgewiesen wurden und sohin weder das Ausmaß der Erforschungen, der Inhalt wonach erhoben wurde, und ob Produkte ausgeforscht und überprüft wurden, nachvollziehbar ist. Auch warum das zeitlich gleichlaufende ELAK-Konzept nicht näher herangezogen wurde, konnte nicht schlüssig aufgezeigt werden. Schließlich gab es auch Widersprüche des Zeugen hinsichtlich der Zugrundelegung des DOMEA-Konzeptes, die durch das Beschaffungshandbuch widerlegt werden. Weiters blieb zur Gänze offen, ob das den technischen Kriterien zugrunde gelegte DOMEA-Konzept auch in der Praxis der Deutschen Verwaltung umgesetzt wurde. Auch ist der Zeugenaussage entgegenzuhalten, dass die Zuschlagsempfängerin nahezu 100 % der Anforderungen mit Standard-Software abdecken konnte, die Adaptierungsmaßnahmen auf zusätzliche nachträgliche Anforderungen zurückzuführen sind. Schließlich wurde zu den Markterforschungen ausgeführt, dass auf Messen auch über mögliche Releases gesprochen wurde und Release aber voraussetzt, dass es ein entsprechendes Produkt bereits auf dem Markt gegen Lizenzgebühren gibt. Es hätte daher der Standardisierungsgrad bei Markterforschungen festgestellt werden können. Schließlich wird dies dann auch vom Zeugen mit ca. 65 % zugegeben.

 

4.3.5. Das der Einladung zur Angebotsabgabe angeschlossene Beschaffungshandbuch verweist als Quelle auf DOMEA. Auf Seite 29 Pkt.3.5.4.1. und insbesondere Seite 42 Pkt.3.8., technische Kriterien, wird hingewiesen. Danach basieren die technischen Kriterien auf dem im Internet veröffentlichen DOMEA-Konzept der Koordinierungs- und Beratungsstelle der Deutschen Bundesregierung.

 

Das Beschaffungshandbuch enthält unter Kapitel 3.6. und 3.7. (Seite 41 und 42) Vorgaben für Systemanpassungen. Auch wird unter dem Kapitel 3.8.1. Systemdarstellung unter F1.2. nach verwendeten Programmiersprachen inklusive Versionsangaben, unter F1.4 bis F1.9 nach Eigen- oder Fremdentwicklung, Vertrieb, Einbeziehung der Kundenwünsche usw. abgefragt.

 

In Punkt F7.17. auf Seite 59 werden Bedingungen für Software-Updates festgelegt.

 

Im Angebotsblatt auf Seite 66, Pkt.7.1., sind beim Leistungsumfang Lizenzkosten für die Softwarekomponenten und Kosten für Anpassung, Customizing, jedoch keine Kosten für Softwareentwicklung vorgesehen. Weiters sind Wartungskosten für fünf Jahre und sonstige Kosten vorgesehen.

 

Pkt.5.3. auf Seite 63 des Beschaffungshandbuches regelt Auslaufmodelle und Modelländerungen. Pkt.1.20. Zuschlagskriterien auf Seite 8 des Beschaffungshandbuches beschreibt unter den herangezogenen Kriterien mit "M" gekennzeichnete zwingend vorgeschriebene Funktionen und weitere in den technischen Kriterien angeführte Funktionen, die bei Erfüllung zu einer besseren technischen Bewertung des Angebotes führen, wobei bei Nichterfüllung (diese bezieht sich nur auf Soll-Kriterien) null Punkte und ansonsten je nachdem, wie gut bzw. vollständig eine Anforderung erfüllt ist ein bis fünf Punkte vergeben werden. Die erreichten Punkte werden mit einem dargestellten Gewichtungsfaktor multipliziert. Zur Kostengliederung (Seite 9 des Beschaffungshandbuches) hat der Anbieter zum besseren Vergleich der Angebote die Kosten getrennt nach "Lizenz- und Anschaffungskosten, die einmalig zu leisten sind, Kosten für Customizing/Anpassung des Systems an die Anforderungen, jährlich anfallende Wartungs- und Lizenzkosten, sonstige Kosten" anzuführen.

Schließlich wiesen auch die Vertragsbedingungen in Punkt 1.9. der AVB-H Version 1.2 auf Standard-Software hin.

 

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Das Land Oberösterreich ist öffentlicher Auftraggeber, der geschätzte Auftragswert überschreitet den Schwellenwert.

 

Entsprechend der eingangs zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist im fortgesetzten Verfahren § 14 Abs.2 Oö. VNPG anzuwenden. Danach hat der Unabhängige Verwaltungssenat - wird ein Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben und wurde vor der Entscheidung des Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshofes der Zuschlag erteilt - unter Zugrundelegung der von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts vertretenen Rechtsanschauung lediglich festzustellen, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig war.

 

Bei dem als Feststellungsverfahren fortgesetzten Verfahren handelt es sich - mangels einer ausdrücklichen Sonderregelung - um ein Berufungsverfahren, in welchem der Verwaltungssenat gemäß § 66 Abs.4 AVG in der Sache selbst zu entscheiden hat (vgl. auch die eingangs dargelegte Judikatur des VwGH zu Zl. 2003/04/0069-8), wobei Gegenstand des Berufungsverfahrens nur jene "Sache" ist, die auch schon Gegenstand der unterinstanzlichen Entscheidung war, über die im angefochtenen Bescheid bereits abgesprochen worden ist. Dabei sind alle für das Verhalten der Unterinstanz relevanten Tatsachen und alle dieses Verhalten determinierenden Rechtsnormen in gleicher Weise auch für die Berufungsbehörde maßgebend. Die Berufungsbehörde kann im Umfang ihrer Sachentscheidungskompetenz den angefochtenen Bescheid - auch unter Verwertung von im Berufungsverfahren erstmals vorgebrachten Tatsachenbehauptungen (es besteht kein Neuerungsverbot) - in jeder vom Gesetz gebotenen oder erlaubten Richtung abändern, dh. den Inhalt der neuen Sachentscheidung in jeder Hinsicht so gestalten, wie das von Rechts wegen geboten oder erlaubt ist (vgl. Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Manz, Band I, 2. Auflage, Anm.10 und 12 auf Seite 1242ff).

 

Es hat daher der Oö. Verwaltungssenat gemäß der Begründung des Nachprüfungsantrages vom 14.12.2002 und der Begründung der Oö. Landesregierung im abweisenden Bescheid unter Berücksichtigung der vom Neuerungsverbot nicht ausgeschlossenen zusätzlichen Behauptungen der Berufung vom 24.1.2003 zu entscheiden (sh. obzit. VwGH-Entscheidung).

 

Gemäß § 188 Abs.1 BVergG 2002 gilt dieses Bundesgesetz nicht für die im Zeitpunkt des jeweiligen Inkrafttretens des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 99/2002, bereits eingeleiteten Vergabeverfahren.

 

Es ist daher das Oö. Vergabegesetz - als materielles Vergaberecht - weiterhin anzuwenden.

 

5.2. Gemäß § 1 Z21 Oö. Vergabegesetz sind Lieferaufträge die zwischen einem Unternehmer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge über Kauf, Leasing, Miete .... von Waren einschließlich von Nebenarbeiten wie dem Verlegen und der Installation. Aufträge, die sowohl Lieferungen als auch Dienstleistungen umfassen, gelten als Lieferaufträge, wenn der Gesamtwert der Waren höher ist als der Wert der vom Auftrag erfassten Dienstleistungen.

 

Aufgrund des Antragsvorbringens und der Bescheidbegründung erster Instanz war daher zunächst zu klären, ob die gegenständlich ausgeschriebene Beschaffung einen Lieferauftrag oder Dienstleistungsauftrag im Sinn des Oö. Vergabegesetzes darstellt. Hiezu wurde das angeführte Gutachten eingeholt. Dieses hat schlüssig ausgeführt, dass eindeutig Standard-Software und kein Auftrag zur Entwicklung einer Individualsoftware ausgeschrieben wurde. Dieses Gutachten stützt sich nachvollziehbar auf das Beschaffungshandbuch und verweist auf entsprechende Stellen auf Seite 41, 42, 59 und 66, aus denen ersichtlich ist, dass Standard-Software beschafft werden sollte. Dabei wurde selbstverständlich berücksichtigt, dass keine Standard-Software zur Gänze die Anforderungen des Auftraggebers abdeckt, sodass jedenfalls Customizing bzw. Anpassungen erforderlich werden, welche eine Dienstleistung darstellen. Allerdings wurde im erstatteten Gutachten auch schlüssig dargelegt, dass die Kosten der Dienstleistung die Kosten der Warenlieferung bei Weitem unterschreiten und wurde dies anhand der eingelangten Angebote dargestellt, wobei sämtliche abgegebene Angebote auf Standard-Software basieren und Kosten für Anpassung und Customizing von unter 20 % der Software-Lizenzkosten anbieten. Auch wurde im Gutachten bei den angesetzten Wartungskosten für einen fünfjährigen Wartungsvertrag dargestellt, dass der Anteil der Warenlieferung mit Ausnahme eines Anbieters, der ausgeschieden ist, über 50 % liegt, wobei auch weiters der Warenanteil bei kürzerer Laufzeit des Wartungsvertrages entsprechend steigt. Besonders berücksichtigt wurden dabei die geltenden Rechtsgrundlagen mit maximal vier Jahre Laufzeit. Auch hat das Angebot der Zuschlagsempfängerin von 203 Positionen 199 im Standard abgedeckt. Es war daher gemäß der Definition nach § 1 Z21 Oö. Vergabegesetz von einem Lieferauftrag auszugehen.

 

Dieses Ergebnis wird auch durch das Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlung untermauert. Dabei kommt zum Ausdruck, wie schon bei der Gutachtenserstattung hervorgeht, dass dem Landeskonzept bereits andere Konzepte wie DOMEA und ELAK vorausgingen bzw. gleichzeitig liefen und bereits andere Verwaltungen zu diesem Zeitpunkt diese Konzepte ganz oder teilweise umgesetzt haben bzw. umsetzten. Es war daher schon aufgrund dieses Umstandes vom Vorhandensein einer Standard-Software auszugehen. Dies hätte jedenfalls bei einer Markterhebung, insbesondere bei der von Auftraggeberseite ausgeführten dreijährigen Markterhebung, festgestellt werden müssen. Darauf wies auch der Gutachter in der mündlichen Verhandlung hin. Auch wenn keine Dokumentationen hinsichtlich dieser Markterhebungen vorgelegt wurden und vom einvernommenen Zeugen bekannt gegeben wurden, so hat auch die Einvernahme des Zeugen letztlich ergeben, dass seine Erhebungen ebenfalls eine Abdeckung der Landesanforderungen mit 65 % im Standard ergeben haben. Auch haben die Erhebungen ergeben, dass Releases - solche setzen eine Standard-Software voraus - von Firmen beabsichtigt bzw. nach Kundenwunsch und Kundenanforderungen möglich sind, sodass ein weiterer Abdeckungsgrad möglich war. Dass demnach eine Abschätzung des Auftraggebers, zu welchem Prozentsatz Standard-Software vorliegt und zu welchem Prozentsatz Individualentwicklung stattzufinden hat, nicht möglich war, wird durch das Ergebnis der mündlichen Verhandlung widerlegt. Das weitere Argument des Auftraggebers, im Auftrag die Leistungserbringung durch Standard-Software oder Individualentwicklung offen zu lassen, wird aber durch die Formulierung des der Ausschreibung zugrundeliegenden Beschaffungshandbuches widerlegt, welches durch seine Formulierung ausdrücklich auf Standard-Software hinweist. Entsprechende Hinweise sind dem Gutachten zu entnehmen und wurden auch von der Antragstellerseite in der mündlichen Verhandlung ausgeführt. Darüber hinaus legt der Gutachter in der Gutachtenserörterung überzeugend dar, dass eine Individualentwicklung bei Standard-Software von Nachteil für den Auftraggeber ist, weil die Gefahr gegeben ist, dass die Individualsoftware durch Release überholt oder sogar ungültig wird. Es wäre daher bei höherem Anteil der Individualentwicklung ein solches Angebot auszuscheiden. Nachvollziehbar wird auch dargelegt, dass sowohl bei Muss- als auch Soll-Kriterien im Beschaffungshandbuch vom Anbieter anzugeben war, ob die Anforderung im Standard oder individuell oder durch Customizing erbracht wird. Dies deutet darauf hin, dass dies auch bewertet wird. Allerdings ist ein Bewertungsmaßstab aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Das Vorbringen des Auftraggebers, dass diese Angaben keiner Bewertung zugeführt werden und jede Art der Erbringung gleichwertig sei, wenn die Funktionalität erfüllt ist, ist hingegen nicht nachvollziehbar, weil sodann der Sinn einer solchen Abfrage zu hinterfragen ist. Andererseits aber weisen die aufgezeigten Gefahren einer Individualentwicklung eher auf eine Bewertung dieses Umstandes hin und spricht gerade diese Ausschreibungsmodalität für Standard-Software. Schließlich führt der Auftraggeber in der mündlichen Verhandlung selber aus, dass beim gegenständlichen Auftrag beabsichtigt war, Lizenzgebühren zu zahlen und sich damit Nutzungsrechte zu sichern, nicht jedoch die Bezahlung von Individualentwicklungskosten. Zusätzlich waren dann Kosten für Wartung und Customizing vorgesehen. Dies spiegelt sich auch im Angebotsblatt auf Seite 66 und in der Kostengliederung auf Seite 9 des Beschaffungshandbuches wider. Lizenzgebühren und Adaptierungen setzen aber Standard-Software voraus. Insofern wird auch auf die Markterhebungen laut Zeugenaussage hingewiesen, bei denen Erkundigungen über Releases getätigt wurden. Diese setzen ebenfalls Standard-Software voraus. Es widerlegt sich daher der Auftraggeber, wenn er zunächst laut Stellungnahme vom 3.2.2006 davon ausgeht, dass keine Lizenz erworben werden soll, sondern zu erstellende Software als Standard-Software beim Land Oberösterreich eingeführt werden soll.

 

Wenn auch Dokumentationsunterlagen für die Markterhebung fehlen, so deutet auch diese Aussage darauf hin, dass von dem Vorliegen von Standard-Software auch von Auftraggeberseite ausgegangen wurde und daher das Beschaffungshandbuch auch auf die Beschaffung von Standard-Software ausgerichtet war. Dies wird auch durch die Aussagen des Gutachters bekräftigt, wonach bei entsprechender Marktbeobachtung von der ausschreibenden Stelle festgestellt hätte werden müssen, dass der Customizinganteil prozentuell weit unter den Lizenzgebühren liegen wird. Dass ein entsprechendes Markterhebungsergebnis auch tatsächlich dem Auftraggeber vorliegen musste, ergibt sich auch aus den Zeugenaussagen, wonach über Releasevorhaben und Releases anhand der Kundenwünsche mit Produzenten gesprochen wurde, was zweifelsohne das Vorliegen einer Standard-Software voraussetzt. Gleichermaßen setzt auch die Nachfrage nach Berücksichtigung der Kundenwünsche und dem Kundenkontakt eine vorhandene Software voraus. Es war daher schon zum Zeitpunkt der Marktbeobachtungen und jedenfalls bei Abfassung des Beschaffungshandbuches die Beschaffung einer Lieferung (Standard-Software) vor Augen, wobei naturgemäß Anpassungen zu erwarten waren und auch ausgeschrieben wurden.

 

Dieses Ergebnis wird auch tatsächlich durch die eingelangten Angebote untermauert. Insbesondere ist beachtlich, dass von 13 eingeladenen Bietern lediglich vier Bieter Angebote gelegt haben, wobei drei Bieter eine eigenentwickelte Standard-Software anboten. Lediglich U bot die Standard-Software von F an und schied in weiterer Folge aus. Wenn diesem Umstand das Vorbringen des Auftraggebers entgegengehalten wird, dass bei Ausschreibung von Standard-Software nur ein bis drei Bieter zu erwarten wären, die das selbe Produkt ausschreiben, so ist auch bei der von Auftraggeberseite vermeintlich offen ausgeschriebenen Möglichkeit einer Individualentwicklung tatsächlich nur ein Angebot von drei Bietern eingelangt, allerdings - wie die Marktbeobachtungen aber schon erbringen hätten müssen - haben diese eine verschiedene eigenentwickelte Software angeboten. Bezeichnend allerdings ist, das im Wesentlichen nur jene Produzenten ein Angebot legten, welche eine entsprechende Standard-Software anzubieten hatten, wo hingegen neun eingeladene Bieter - vermutlich mangels einer entsprechenden Eigenentwicklung (auf die Absageschreiben wird hingewiesen) - trotz des bekundeten Teilnahmeinteresses von der Angebotslegung Abstand nahmen.

 

Bemerkenswert ist, dass die Zuschlagsempfängerin 199 Anforderungen von 203 Positionen im Standard angeboten hat. Auch die praktische Umsetzung zeigt, dass die zu erwartenden 35 bis 40 % Kosten für Adaptierungsmaßnahmen auf zusätzliche nachträgliche Anforderungen des Auftraggebers zurückzuführen sind, nämlich Änderungen in der Funktionalität und zusätzliche Leistungen.

 

5.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. Vergabegesetz hat die Vergabe von Aufträgen über Leistungen im Wege eines offenen Verfahrens, eines nicht offenen Verfahrens oder eines Verhandlungsverfahrens zu erfolgen.

 

Gemäß § 8 Abs.2 Oö. Vergabegesetz hat, sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, ein offenes Verfahren stattzufinden.

 

Die Voraussetzungen für ein nicht offenes Verfahren gemäß § 8 Abs.3 Oö. Vergabegesetz sowie für ein Verhandlungsverfahren gemäß § 35 Oö. Vergabegesetz liegen offensichtlich nicht vor. Es war daher ein offenes Verfahren durchzuführen.

 

Indem das Vergabeverfahren im Verhandlungsverfahren durchgeführt wurde, wurde die Antragstellerin in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Durchführung eines Vergabeverfahrens erheblich verletzt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom 26.4.1996, RS C-87/94 "Wallonische Busse", ist ein Wechsel zwischen Vergabeverfahrensarten während des Vergabeverfahrens unzulässig. Das Bundesvergabeamt hat in seiner Entscheidung vom 20.4.2002, N136/01-41, und vom 24.2.2003, 6N-05/03-13, ausgesprochen, dass die rechtswidrige Wahl eines Vergabeverfahrens einen zwingenden Grund für den Widerruf darstellt.

 

Dem Vorbringen der Auftraggeberseite, dass andere Auftraggeber ebenfalls den elektronischen Akt als Dienstleistungsauftrag im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben haben, ist entgegenzuhalten, dass sich dies nach der jeweils individuell zu beschaffenden Leistung richtet und überdies schon nach dem Wortlaut der vom Auftraggeber angeführten Ausschreibungen dieser anderen Auftraggeber nur Dienstleistungen ausgeschrieben wurden.

 

Dem Argument, dass nicht so detailliert ausgeschrieben wurde, weil noch hinsichtlich der Funktionalität Fragen offen waren und daher ein Verhandlungsverfahren erforderlich war, ist entgegenzuhalten, dass zu den einzelnen Anforderungen keine zusätzlichen Spezifikationen mehr hinzugekommen sind und nach Aussagen des Gutachters die Ausschreibung so detailliert war, dass eine Angebotsbewertung unmittelbar möglich war. Dass noch nähere Details und Erörterungen von Anbietern erfragt wurden, ist nicht typischerweise Grund für ein Verhandlungsverfahren, sondern die nötige Darlegung und Erörterung eines Angebotes. Werden alle Spezifikationen erfüllt, so sind Modifikationen in der Funktionalität typischerweise Anpassungsmaßnahmen zur Standard-Software.

Die vom Auftraggeber angeführte Entscheidung des BVA vom 1.12.1999, F-33/97-24, ist nicht passend, weil ein nicht offenes Verfahren gewählt wurde und die dort vertretene Einschätzung zum Zeitpunkt der Bekanntmachung im gegenständlichen Verfahren aber vom Gutachter eindeutig verneint wurde.

 

Aus all den angeführten Gründen war daher die Wahl des Verhandlungsverfahrens rechtswidrig und auch von wesentlichem Einfluss für den Ausgang des Vergabeverfahrens. Wie das durchgeführte Vergabeverfahren gezeigt hat, war zunächst aufgrund der Angebotslegung die Antragstellerin Bestbieterin und kam es erst im Zuge des Verhandlungsverfahrens zu einer Umreihung der Bieter zugunsten der Zuschlagsempfängerin. Da in einem offenen Verfahren Verhandlungen unzulässig sind, ist einerseits eine andere Angebotslegung und andererseits ein anderer Ausgang des Vergabeverfahrens denkmöglich und nicht auszuschließen. Es war daher die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung festzustellen. Andere noch vorliegende Rechtswidrigkeiten bzw. andere behauptete Gründe der Rechtswidrigkeit waren nicht mehr zu beurteilen.

 

5.4. In einem Nachprüfungsverfahren nach Zuschlagserteilung ist der Unabhängige Verwaltungssenat ferner zuständig, auf Antrag des Auftraggebers festzustellen, ob der Antragstellerin auch bei Einhaltung der Bestimmungen des Vergabegesetzes und Nichtvorliegen der Rechtsverletzung keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Im Grunde der getroffenen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung, insbesondere aber im Hinblick auf ihren wesentlichen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens war dem Antrag des Auftraggebers nicht stattzugeben. Eine Zuschlagserteilung an die Antragstellerin kann im Grunde der obigen Ausführungen nicht ausgeschlossen werden.

 

 

6. § 76 Abs.1 AVG bestimmt, dass, wenn der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen erwachsen, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, dafür die Partei aufzukommen hat, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen.

 

Mit Bescheid des Oö. Verwaltungssenates vom 16. Februar 2005, VwSen-550072/52/Pf/Ri, wurden die Gebühren des nichtamtlichen Sachverständigen gemäß § 53a AVG mit 3.093,70 Euro festgesetzt. Diese wurden mit 23. Februar 2006 überwiesen.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 25.11.2003, B 964/02 u.a., keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Vorschreibung der Entrichtung von Gebühren eines nichtamtlichen Sachverständigen in einem Nachprüfungsverfahren erkannt: "Da gemäß § 76 Abs.1 AVG Barauslagen von jener Partei des Verfahrens zu tragen sind, die um die Amtshandlung angesucht hat und im vorliegenden Fall zweifellos die beschwerdeführenden Gesellschaften die Nichtigerklärung eines als rechtswidrig erachteten Ausschlusskriteriums nachzuweisende Entwicklungserfahrung im Bereich der Funkmauttechnologie begehrten, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht den Bescheiden nicht entgegenzutreten. ...., da es die in § 76 Abs.1 AVG geregelte Kostentragungspflicht der antragstellenden Partei ausschließt, Sachverständigengebühren insoweit zum Sachaufwand der Behörde zu rechnen." Auch wurde keine allgemeine Beeinträchtigung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes für rechtsschutzsuchende Bieter durch die Kostentragungsregelung in § 76 Abs.1 AVG gesehen.

 

Es waren daher spruchgemäß die erwachsenen Barauslagen der Antragstellerin aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Wolfgang Steiner

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 28.03.2008, Zl.: 2006/04/0076-7

 

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