Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400898/4/SR/Ri

Linz, 24.08.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des Naim G, geb. am, StA von Bosnien und Herzegowina alias N G, geb. am StA von Serbien, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft M & S OEG, Sachbearbeiter Dr. G O. M, W-D-Straße  S, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion Salzburg durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I.          Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben als die Anhaltung des   Beschwerdeführers ab dem 7. Juli 2007 als rechtswidrig festgestellt wird.

 

II.         Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck), hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 674 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) - ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina - ist nach eigenen Angaben am 17. Juni 2007 von seinem Heimatstaat kommend über den Landweg ohne gültige Reisedokumente illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 19. Juni 2007 beim Bundesasylamt, EAST-WEST (im Folgenden: EAST-WEST) einen Asylantrag eingebracht.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 20. Juni 2007, Zl. Sich 40-2066-2007, wurde über den Bf gemäß § 76 Abs. 2 Z. 4 i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 3 und § 80 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Verbringung in das PAZ der Bundespolizeidirektion Salzburg noch am selben Tag vollzogen.

 

In der umfassenden Begründung hat die belangte Behörde den relevanten Sachverhalt ausgeführt, dabei festgestellt, dass der Bf bereits am 24. Dezember 2003 in Belgien einen Asylantrag eingebracht und Deutschland gegen den Bf ein für das "Schengener Gebiet gültiges Einreise- und Aufenthaltsverbot" erlassen hatte.

 

Weiters hat sie anschaulich und nachvollziehbar das widersprüchliche Vorbringen dargelegt, die falschen Personenangaben und das Verhalten des Bf im Ausland gewürdigt und den konkreten Sicherungsbedarf begründet.

 

Aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung des Bf ist die belangte Behörde von der Annahme ausgegangen, dass der Asylantrag des Bf nach Abschluss eines Konsultationsverfahrens mit Belgien bzw Deutschland mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werde.    

 

2.1. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die am 20. August 2007 per Telefax beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachte Beschwerde.

 

Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Verhängung der Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig und auch die weitere Anhaltung in Schubhaft unzulässig sei, da keiner der beiden im Schubhaftbescheid angeführten Haftgründe bestehen würde. § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG beziehe sich nur auf ein von den österreichischen Behörden erlassenes, inländisches Aufenthaltsverbot und § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG bestehe deshalb nicht, da das Asylverfahren zugelassen und sich der Bf im regulären Verfahren erster Instanz befinde.

Ergänzend tätigte der Rechtsvertreter des Bf Ausführungen zum Aufenthaltsverbot, zur unverhältnismäßigen Haftdauer und zur Anwendung gelinderer Mittel.        

 

Abschließend wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft beantragt.

 

2.2. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Verwaltungsakt per e-mail vorgelegt und eine umfassende Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

Ergänzend werden Ausführungen zu § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG vorgenommen und die Heranziehung dieser Bestimmung mit § 71 Abs. 1 FPG zu begründen versucht. Weiters geht die belangte Behörde davon aus, dass das von der Bundesrepublik Deutschland erlassene "Einreise- und Aufenthaltsverbot" einer "Ausweisungsentscheidung nach § 53 FPG" gleichzusetzen sei. 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Zl. Sich40-2066-2007; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und dieser vom Bf im Grunde auch nicht bestritten wird, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

3.1. Aufgrund der Aktenlage steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

 

Der Bf, ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, geboren am 2. März 1962, reiste erstmals am 28. September 1993 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte in der Folge drei Asylanträge, die jeweils abgelehnt worden sind. Die letzte Ablehnung erfolgte von der zuständigen Asylbehörde (0901.05) am 13. März 2001 unter der Aktenzahl 2581174. Während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland beging der Bf zahlreiche Straftaten und wurde mehrmals rechtskräftig verurteilt. In diesem Zeitraum ist dem Bf einige Male die Abschiebung angedroht worden.

 

Mit Bescheid des Landratsamtes Lindau vom 18. Februar 2002, AZ 552/96 ABH 0289.00, unanfechtbar seit dem 20. März 2002, wurde gegen den Bf eine Ausweisungsverfügung erlassen und eine unbefristete Einreiseverweigerung ausgesprochen. In der Folge erging gegenüber dem Bf von der genannten Behörde die Ausreiseaufforderung vom 28. Februar 2002 (Fristsetzung bis 4. März 2002) und in etwa zeitgleich wurde ihm die Abschiebung angedroht. Am 4. März 2002 ist der Bf nach unbekannt verzogen. Im Melderegister wurde der "Fortzug ins Ausland" vermerkt. Eine zwangsweise Abschiebung ist nicht vorgenommen worden.

In welchen Staaten sich der Bf bis zur Asylantragsstellung in Belgien Ende Dezember 2003 aufgehalten hat, kann nicht festgestellt werden. In Belgien hat sich der Bf ca. zwei Jahre in der "Bundesbetreuung" aufgehalten. Über einen rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens hat der Bf bei der Ersteinvernahme im Zulassungsverfahren keine Angaben gemacht. Jedenfalls habe er Belgien freiwillig verlassen. Dagegen brachte er in der Beschwerdeschrift vor, dass dieses Verfahren nach ca. 1 1/2 Jahren abgeschlossen und er abgeschoben worden sei. 

 

Ob der Bf tatsächlich Belgien verlassen und in seinem Herkunftsstaat zurückgekehrt ist oder sich im Raum Lindau am Bodensee bei seiner ehemaligen Gattin und seinen drei Kindern aufgehalten hat, kann nicht festgestellt werden.

 

Jedenfalls wurde Anfang 2005 gegen den Bf in der Bundesrepublik Deutschland Anzeige erstattet, da er im Verdacht stand, am 21. Februar 2005 in Lindau am Bodensee den Tatbestand der Bedrohung begangen zu haben. In der Folge hat die Staatanwaltschaft Kempten unter der AZ 221JS5092/05 eine nationale Ausschreibung zur Festnahme wegen des Verdachtes der Nötigung veranlasst.

 

Laut unbestätigten eigenen Angaben ist der Bf am 17. Juni 2007 illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. Über welche Staaten bzw. von welchem Staat die Einreise erfolgte, lässt sich nicht feststellen. 

 

Nach Auswertung der Erstbefragung und vorbildlichen behördlichen Ermittlungen wurde über den Bf am 20. Juni 2007 die Schubhaft verhängt.

 

Am 26. Juni 2007 hat das Bundesasylamt ein Konsultationsverfahren mit Belgien eingeleitet und zeitgleich ein "Infoersuchen" an die Bundesrepublik Deutschland gestellt.

 

Die negative Antwort der Bundesrepublik Deutschland vom 4. Juli 2007 hatte zur Folge, dass mit dieser kein Konsultationsverfahren eingeleitet worden ist.

 

Am 5. Juli 2007 erfolgte die "Ablehnung Belgiens". Die entsprechende Eintragung in der DGA des AI wurde am 6. Juli 2007 vorgenommen. Ob die belangte Behörde vom negativen Ausgang des Konsultationsverfahrens verständigt worden ist, kann weder dem Akt noch dem AI entnommen werden. Da nicht festgestellt werden kann, zu welcher Uhrzeit die entsprechende AI-Eintragung vorgenommen worden ist, muss davon ausgegangen werden, dass der belangten Behörde das Ende der Konsultationsverfahren frühestens ab dem 7. Juli 2007 – durch Einsichtnahme in das AI –  zur Kenntnis gelangen konnte.

 

Am 16. Juli 2007 erfolgte die AI-Eintragung "kein Dublin Akt an Zi A 09".

3.2. Das Vorbringen des Bf ist gekennzeichnet von zahlreichen widersprüchlichen Angaben. Abstellend auf den jeweiligen Wissensstand der belangten Behörde bzw. der Asylbehörde hat der Bf sein Vorbringen ständig modifiziert und den Vorhaltungen angepasst. Selbst in der Beschwerdeschrift finden sich Ausführungen zum Sachverhalt, die in eindeutigem Widerspruch zur Aktenlage und den zuvor gemachten Ausführungen des Bf stehen (z.B.: "....ich habe Deutschland damals freiwillig verlassen." [Niederschrift vom 20. Juni 2007, PI St. Georgen im Attergau] – "... aus Deutschland abgeschoben" [Seite 5 der Beschwerdeschrift vom 20. August 2007].

 

Die belangte Behörde hat die falschen und widersprüchlichen Angaben übersichtlich aufgezeigt und daraus die richtigen Schlussfolgerungen gezogen.

 

Die Feststellungen zu den Verfahrensabläufen gründen sich auf die Eintragungen in der DGA zu AI/07 05.563.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat ein Fremder u.a. das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechts­widrigkeit der Anhaltung anzurufen,

wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Nach § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG kann die Fremdenbehörde auch über einen Asylwerber (als solcher gilt nach § 2 Abs. 14 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 [im Folgenden: AsylG] ein Fremder ab der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz - d.i. gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG das auf welche Weise auch immer artikulierte Ersuchen, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen - bis zum rechtskräftigen Abschluss, bis zur Einstellung oder bis zur Gegenstands­losigkeit dieses Verfahrens) zum Zweck der Sicherung des Verfahrens einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängen, wenn gegen ihn vor der Stellung des Asylantrages ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60 FPG) verhängt wurde.

 

In gleicher Weise kann über einen Asylwerber gemäß § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG die Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungs­dienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Asylantrag mangels Zuständig­keit Österreichs zu dessen Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Nach dem auch insoweit maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden. Gegen Minderjährige muss die Behörde gelindere Mittel anwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

4.2. Aufgrund seines Asylantrags vom 19. Juni 2007 ist der Bf als Asylwerber anzusehen, weshalb die Bestimmung des § 76 Abs. 2 FPG grundsätzlich zur Anwendung kommen kann.

 

4.2.1.1. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

 

Die belangte Behörde hat sich bei der Anordnung der Schubhaft in erster Linie auf    § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG gestützt. Aufgrund der vorbildlichen und umfassenden Ermittlungen vor der Schubhaftverhängung und der Ergebnisse der Erstbefragung im Zulassungsverfahren konnte sie zu Recht davon ausgehen, dass der Bf in Belgien einen Asylantrag eingebracht hat und dieses Verfahren noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Vertretbarerweise konnte sie daher annehmen, dass Belgien zur Entscheidung über diesen Antrag weiterhin zuständig ist und der in Österreich gestellte Antrag mangels Prüfungszuständigkeit zurückgewiesen werden wird.

 

Aus der Aktenlage ergibt sich kein Grund, der die belangte Behörde zu der Annahme veranlassen hätte müssen, dass der Zweck der Schubhaft auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Die Überlegungen der belangten Behörde finden auch Deckung in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe E vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0051-8).

 

Das widersprüchliche Vorbringen des Bf im Zulassungsverfahren, seine falschen Zeitangaben, die verschwiegenen Aufenthalte in der Bundesrepublik Deutschland samt den drei (!) rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren zeigen eindeutig auf, dass er sich über die Asylantragstellung ausschließlich seinen Aufenthalt in Österreich zu sichern suchte.

 

Auf die vorliegende Aktenlage abstellend, konnte die belangte Behörde nur zu Recht zu dem Ergebnis kommen, dass der Bf den Asylantrag nur deshalb gestellt hat, um fremdenpolizeiliche Maßnahmen hintan zu halten. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdevertreters lässt sich aus dem Verhalten des Bf in den einzelnen Staaten sehr wohl ableiten, dass er fremdenpolizeiliche Maßnahmen durch rechtzeitiges Untertauchen verhindert hat.   

 

Um einer Zurückschiebung oder Abschiebung und/oder einem Asylverfahren in einem anderen, zuständigen Staat zu entgehen hat er äußerst allgemein gehaltene, knappe Angaben zum Fluchtweg gemacht und wesentliche Teile davon für nicht "erwähnenswert" gehalten.  

 

Die belangte Behörde hat den vorliegenden Sachverhalt zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides richtig beurteilt und ist zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass der Bf nicht gewillt ist, das Asylverfahren in Belgien (bzw. Deutschland) durchführen zu lassen. Daher hat die belangte Behörde zutreffend angenommen, dass der Bf versuchen werde, sich  – wie in der Vergangenheit in der Bundesrepublik Deutschland und Belgien - den fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen.

 

Der konkrete Sicherungsbedarf war somit gegeben und die Anwendung gelinderer Mittel zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung ausgeschlossen.

 

Die Verhängung der Schubhaft war im konkreten Fall auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber. Um dieses Ziel zu gewährleisten war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit erforderlich. Der gegenläufigen Einwendung des Bf war nicht zu folgen. 

 

4.2.1.2. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

 

Nach Abs. 2 darf die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs. 3 und 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

 

Nachdem Belgien im Konsultationsverfahren seine Zuständigkeit mit Schreiben vom 5. Juli 2007abgelehnt hat und mit Bundesrepublik Deutschland, aufgrund der zuvor erfolgten negativen Antwort, kein Konsultationsverfahren eingeleitet worden war, ist mit Ende des Konsultationsverfahren der Grund für die Anordnung der Schubhaft, die gemäß § 76 Abs. 2 Z 4 FPG erfolgt ist, weggefallen. Nach der Aktenlage konnte die belangte Behörde frühestens ab dem 7. Juli 2007 Kenntnis vom Ende sämtlicher Konsultationsverfahren erlangen.  

 

Die weitere Anhaltung in Schubhaft ist nur dann als rechtmäßig zu betrachten, wenn die Schubhaft auf einen anderen Haftgrund gemäß § 76 Abs. 2 FPG gestützt werden kann.

 

4.2.2.  Im gegenständlichen Schubhaftbescheid hat die belangte Behörde § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG als weiteren Haftgrund angesehen. Erstmals in der Gegenschrift hat sie dies ausführlich zu begründen versucht.

 

4.2.2.1. Nach der Aktenlage steht fest, dass das Landratsamt Lindau mit Bescheid vom 18. Februar 2002, AZ 552/96 ABH 0289.00, unanfechtbar seit dem 20. März 2002, gegen den Bf eine "Ausweisungsverfügung erlassen und eine unbefristete Einreiseverweigerung" ausgesprochen hat. Das vage Vorbringen des Bf in der Beschwerdeschrift, dass "seines Wissens nach ein 3-jähriges Aufenthaltsverbot erlassen" worden sei, ist nicht geeignet, die amtlichen Mitteilungen der deutschen Behörden in Frage zu stellen.

 

Ergänzend zur Begründung des Schubhaftbescheides hat die belangte Behörde in der Gegenschrift ausgeführt, dass § 71 FPG zur Auslegung des § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG heranzuziehen sei und das von den deutschen Behörden verhängte "Einreise- und Aufenthaltsverbot" mit einer nationalen Ausweisungsentscheidung nach § 53 FPG gleichzusetzen sei. Daher könne die Anhaltung in Schubhaft auch auf § 76 Abs. 2 Z 3 FPG gestützt werden.

 

4.2.2.2. Dieser Ansatz ist jedoch verfehlt.

 

§ 76 Abs. 2 Z 3 FPG verweist dezidiert auf § 60 FPG und hat damit ausschließlich ein von österreichischen Behörden verhängtes Aufenthaltsverbot im Blick (vgl. in diesem Sinne VwSen-400851/5/Gf/BP/CR vom 8. November 2006, VwSen-400868/4/Gf/Ga vom 22. Februar 2007 und VwSen-400871/4/BMa/Pe vom 7. März 2007).

 

Bereits im Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 22. Februar 2007, VwSen-400868/4/Gf/Ga, wurde hiezu  wie folgt ausgeführt:

"Würde man die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretene Rechtsauffassung teilen, führte dies dazu, dass ausländische Hoheitsakte in Österreich ohne dazwischentretenden nationalen Rechtsakt, also unmittelbar vollstreckbar wären. Selbst wenn die normative Festlegung eines derartigen "Vollzugsautomatismus" als Folge EU-rechtlicher Vorschriften innerstaatlich geboten wäre, würde eine derartige, bloß auf einfachgesetzlicher Basis getroffene Anordnung offenkundig dem in der Verfassung grundgelegten völkerrechtlichen Souveränitätsprinzip Österreichs widersprechen. Nach dem vom Verfassungsgerichtshof u.a. aus diesem Grund entwickelten Prinzip der "doppelten Bedingtheit" hätte daher ein derartiger Vollzugsautomatismus (zumindest) auf der Ebene einer Verfassungsbestimmung festgelegt werden müssen."

 

Nach Art 1 Abs. 2 Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG) darf niemand aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich festgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

 

Gemäß Art 2 Abs. 1 PersFrG darf die persönliche Freiheit einem Menschen nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. Nach Z. 7 ist dies zulässig, wenn es notwenig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

 

Das Recht auf persönliche Freiheit ist nicht schrankenlos gewährleistet. Die Gesetzesvorbehalte des Rechts auf persönliche Freiheit (Art 5 EMRK, Art 2 PersFrG) bieten für sich genommen noch keine ausreichende Grundlage für die Eingriffe in die persönliche Freiheit. Diese bedürfen der näheren Konkretisierung durch das Gesetz. Der Freiheitsentzug muss gesetzlich vorgesehen bzw rechtmäßig sein und darf nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise erfolgen. Darin liegt nicht nur ein Gebot an die Vollziehung, sich gesetzeskonform zu verhalten, sondern auch eine Verpflichtung an den Gesetzgeber, entsprechende Gesetze zu erlassen und dies inhaltlich ausreichend bestimmt zu formulieren (siehe Kopetzki in Korinek/Holoubek, Kommentar, Rz 51zu Art 1 PersFrG).

 

Dem folgend, hat der Bundesgesetzgeber den Eingriff in die persönliche Freiheit u.a. im § 76 Abs. 2 FPG entsprechend konkretisiert.

 

§ 76 Abs. 2 FPG sieht vier Fallkonstellationen vor, nach denen einem Asylwerber unter den genannten Voraussetzungen die persönliche Freiheit entzogen werden darf. Im § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG bringt der Gesetzgeber durch zwei Klammerausdrücke klar und eindeutig zum Ausdruck, dass ausschließlich auf nationale Titelbescheide abzustellen ist.

 

Sowohl der VfGH als auch der EGMR haben wiederholt ausgesprochen, dass die grundrechtlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Freiheit im Hinblick auf die Bedeutung des zu schützenden Rechtsgutes streng auszulegen sind.

 

Der Begründungsversuch der belangten Behörde, dass § 71 Abs. 1 FPG zur Auslegung des § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG heranzuziehen ist,  ist nach obigen Ausführungen unvertretbar. Folgte man der belangten Behörde, würde die genannte Haftbestimmung in verfassungswidriger Weise erweiternd ausgelegt.

 

Am Rande ist darauf hinzuweisen, dass es sich beim § 71 FPG um eine reine Vollstreckungsbestimmung ("8. Hauptstück - 5. Abschnitt – Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten") und um keine Haftbestimmung ("8. Hauptstück – 8. Abschnitt – Schubhaft und gelinderes Mittel") handelt. Darüber hinaus ist schon § 2 Abs. 4 Z. 13 FPG zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine "Rückführungsentscheidung eines Mitgliedstaates der EWR (§ 71)" nicht mit einer "Ausweisung (§§ 53 und 54)" und einem "Aufenthaltsverbot (§ 60)" gleichgesetzt hat. 

 

Im Ergebnis kann die Anhaltung in Schubhaft daher nicht auf § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG gestützt werden.

 

4.3. Da dem vorliegenden Sachverhalt auch nicht entnommen werden kann, dass derzeit ein Ausweisungsverfahren nach den Bestimmungen des AsylG 2005 eingeleitet bzw. eine durchsetzbare Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen worden ist, war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Bf ab dem 7. Juli 2007 festzustellen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bf gemäß § 79a Abs. 1, 2 und 4 Z. 1 und 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. Nr. II 334/2003, antragsgemäß Kosten in Höhe von insgesamt 674 Euro (Stempelgebühren: 13,20 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 26.08.2010, Zl.: 2007/21/0385-6

 

 

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