Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240618/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 05.09.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der Dr. M-A A, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­manns von Gmunden vom 24. Juli 2007, Zl. SanRB96-021-2007, wegen einer Übertretung des Ärztegesetzes zu Recht erkannt:

 

I.    Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straf­erkenntnis aufge­hoben  und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.   Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Straf­verfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungs­senat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 24. Juli 2007, Zl. SanRB96-021-2007, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt, weil sie am 12. Mai 2007 um 1.25 Uhr anlässlich eines schweren Verkehrsunfalls auf einer Verbindungs­straße in der Höhe des Hauses in St. Wolfgang als diensthabende Notärztin ihren Verpflichtungen dahin nicht nachgekommen sei, einer lebens­bedrohlich verletzten Person ärztliche Hilfe zu leisten. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 48 des Ärztegesetzes, BGBl.Nr. I 169/1998, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 156/2005 (im Folgenden: ÄrzteG), be­gangen, weshalb sie nach § 199 Abs. 3 ÄrzteG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der ihr zur Last gelegte Sachverhalt auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmungen des einschreitenden Polizeibeamten und der von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen als erwiesen anzusehen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familien­verhältnisse der Beschwerdeführerin seien mangels entspre­chender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses ihr am 27. Juli 2007 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 28. Juli 2007 – und damit rechtzeitig – per e-Mail eingebrachte Berufung.

 

Darin bringt die Rechtsmittelwerberin vor, dass sie als diensthabende Ärztin schon vor dem Eintreffen der Feuerwehr und der Exekutive unver­züglich nach ihrer Verständigung alle ärztliche Hilfemaßnahmen getroffen habe und aus diesem Grund ihr KFZ so nahe an der Unfallstelle abgestellt habe, wie es für eine rasche Hilfeleistung nötig gewesen sei. Denn bei ihrem Eintreffen sei bereits von einer ihr unbekannten Frau der Kopf der verletzten Personen, der aus dem hinteren Autofenster in die straßenseitige Gegenfahrbahn geragt habe, gestützt worden. Die Patientin sei sofort ansprechbar gewesen, habe Schmerzen und Lähmungserscheinungen verneint und sei örtlich, zeitlich und situativ orientiert gewesen. Nach dem Eintreffen des Sanitätsdienstes sei auf ihre Anordnung hin sofort Sauerstoff verabreicht worden, um eine Rauchgasvergiftung zu verhindern, weil aus dem Unfallauto starker Rauch gedrun­gen sei. Bis zur Befreiung der Patientin aus dem Wrack sei sie in deren unmittelbarer Nähe gewesen, um laufend deren Allgemeinzustand kontrollieren zu können. Danach habe sie ihr nach gründlicher Untersuchung noch eine Infusion zur Schockbe­handlung verabreicht.

 

Weiters wird ausgeführt, dass die Straße zweispurig passierbar sei und daher die Feuerwehr problemlos bei ihrem KFZ habe vorbeifahren können. Ihr Fahrzeug habe zudem das Kennzeichen aufgewiesen und außerdem sei das "Arzt im Dienst"-Schild hinter der vorderen Windschutzscheibe gelegen. Darüber hinaus sei auch noch die Alarmblinkanlage eingeschalten gewesen. Schließlich habe sie vor dem Eintreffen der Feuerwehr und der Exekutive auch noch den Rotkreuz­wagen­fahrer gebeten, dessen Auto bis zur nächstgelegenen Kreuzung zurückzu­schieben. Aufgrund der bei der Begrüßung ausgesprochenen Drohung des Feuerwehr­kommandanten mit einer Anzeige wegen Behinderung der Einsatzkräfte habe sie den Sachverhalt schließlich bildlich dokumentiert und als Beweismittel beigelegt.

 

Aus all diesen Gründen wird – erschließbar – die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu Zl. SanRB96-021-2007; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 199 Abs. 3 ÄrzteG begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet – u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der den in § 48 ÄrzteG enthaltenen Anordnungen oder Verboten zuwider­handelt.

 

Gemäß § 48 ÄrzteG darf ein Arzt im Falle drohender Lebensgefahr die Erste Hilfe nicht verweigern.

 

Nach § 95 des Strafgesetzbuches, BGBl.Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 56/2006 (im Folgenden: StGB), ist u.a. derjenige mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, der es bei einem Unglücksfall unterlässt, die zur Rettung eines Menschen aus der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung offensichtlich erforderliche Hilfe zu leisten, es sei denn, dass die Hilfeleistung dem Täter nicht zuzumuten ist.

 

Gemäß § 30 Abs. 2 und Abs. 3 VStG ist eine Tat von den Behörden nur dann zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage vom Gericht rechts­kräftig entschieden worden ist. Falls die Behörde bereits vor dieser Entscheidung ein Straferkenntnis gefällt hat, darf die Behörde dieses vorläufig nicht vollziehen. Hätte danach im Ergebnis das Verwaltungsstrafverfahren nicht durchgeführt werden dürfen, so ist das Straferkenntnis außer Kraft zu setzen und das Verfahren einzustellen.

 


3.2.1. Im gegenständlichen Fall wird der Rechtsmittelwerberin mit dem angefochtenen Straferkenntnis angelastet, dass sie anlässlich eines Verkehrsunfalls ihrer Verpflichtung, ärztliche Hilfe zu leisten, nicht nachgekommen sei.

 

Ein derartiges Verhalten erfüllt zwar an sich den Tatbestand des § 199 Abs. 3 ÄrzteG.

 

Die belangte Behörde hat allerdings übersehen, dass schon § 199 Abs. 3 ÄrzteG eine Subsidiaritätsklausel dahin enthält, dass die seitens eines Arztes unterlassene Hilfeleistung nur bei nicht mit gerichtlicher Strafe bedrohten Konstellationen eine verwaltungsrechtlich strafbares Verhalten darstellt.

 

Dass aber der gegenständlich der Rechtsmittelwerberin angelastete Sachverhalt offenkundig unter § 95 StGB zu subsumieren ist, kann nicht zweifelhaft sein, sodass insoweit jedenfalls die Subsidiaritätsklausel des § 199 Abs. 3 ÄrzteG zum Tragen kommt.

 

3.2.2. Selbst wenn dieser Mangel nicht bestünde, würde der Spruch des Straferkenntnisses den Anforderungen des Konkretisierungs­gebotes insofern nicht gerecht, als dort als Tatzeit "12. Mai 2007, 01.25 Uhr" und als Tatort "... auf einer Verbindungsstraße in der Höhe des Hauses Nr. ..." angeführt ist, obwohl, wie aus der im Verwaltungsakt aufliegenden Sachverhaltsdarstellung der Polizei­inspektion Bad Ischl vom 14. Mai 2007, Zl. E1/7470/2007-STU, hervorgeht, die Tat tatsächlich um "01.29 Uhr auf der unbekannten Verbindungsstraße zwischen der Oberen Rieder Straße und der Sternallee, auf Höhe des Hauses St. Wolfgang " begangen wurde.

 

Gemäß § 44a Z. 1 VStG muss der Spruch die als erwiesen ange­nommene Tat enthalten; eine in diesem Zusammenhang unabdingbare Voraus­setzung ist nach der insoweit ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichts­hofes die Festlegung der Tat­zeit und des Tatorts. Das bedeutet, dass die Tat so genau umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Beschuldigte bestraft worden ist; dazu gehört  insbesondere eine möglichst präzise Angabe von Tatort und Tatzeit, um den Täter rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwor­tung gezogen zu werden.

 

3.3. Der gegenständlichen Berufung war daher schon aus diesen formalen Gründen gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 VStG stattzugeben, das angefochtene Straf­erkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

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