Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400905/5/SR/Ri

Linz, 20.09.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des M A, geb. türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch Mag. Dr. W F, Mag. Dr. B G und Mag. U N-K, Rechtsanwälte in L, G, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft auf Grund des Schubhaftbescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 13. September 2007 zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ab dem 13. September 2007 als rechtswidrig erklärt.  

II.                  Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in der Höhe von 674,00 Euro (darin enthalten 13,20 Euro Eingabegebühr) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 2. Mai 2007 schlepperunterstützt und in einem Lkw versteckt illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist. Die illegale Einreise wurde vom Schlepper (LKW-Fahrer) organisiert und die Kosten (4.000,-- Euro) vom Bf bezahlt.   

 

Am 3. Mai 2007 brachte der Bf beim BAA-EAST-West persönlich einen Asylantrag ein. Im Anschluss an die Antragsstellung (AZ 07 04.180) wurde dem Bf die Grundversorgung in der Bundesbetreuungsstelle Thalham gewährt (Entlassung aus der Betreuungsstelle mit Schubhaftverhängung am 26. Juli 2007).  

 

Gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau wies sich der Bf mit seinem türkischen Personalausweis aus, da er seinen im Jahr 2006 ausgestellten Reisepass in der Türkei zurückgelassen habe.

 

Die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau fand am 4. Mai 2007 statt. Zum Fluchtgrund befragt, gab der Bf an, dass er Kurde und Atheist sei, deshalb in der Türkei Probleme bekommen habe und aus diesem Grund Selbstmord begehen habe wollen. Sollte man ihn in die Türkei zurückschicken, werde er Selbstmord begehen. 

 

1.2. Mit FAX vom 26. Juli 2007 ersuchte das BAA-EAST-West die belangte Behörde die Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG (Führung von Dublin Konsultationen mit Rumänien seit 25. Juli 2007; beabsichtigte Zurückweisung des Asylantrages) an den Bf zuzustellen. Gleichzeitig brachte das BAA-EAST-West damit der belangten Behörde zur Kenntnis, dass diese Mitteilung auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren gelte. 

 

1.3. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 26. Juli 2007,       Zl. Sich40-1816-2007, wurde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 76 Abs. 2 Z. 4 iVm § 80 Abs. 5 FPG iVm § 57 AVG verhängt und dieser in der Folge in das PAZ Salzburg eingeliefert. Der gegenständliche Schubhaftbescheid wurde vom Bf persönlich übernommen.

 

1.4. Mit Fax vom 1. August 2008 gaben die einschreitenden Rechtsanwälte bekannt, dass sie vom Bf mit der rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt worden seien.

 

1.5. Mit Schriftsatz vom 1. August 2007, eingelangt am 2. August 2007, erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter "Haftbeschwerde gem. § 82 FPG 2005" an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich und stellte den Antrag, dass dieser "die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft im PAZ Salzburg seit 26.07.2007 aufgrund des angeführten Schubhaft-Bescheides der belangten Behörde vom 26.07.2007 feststellen" möge. Weiters wurde der verzeichnete Aufwandersatz begehrt.

 

1.6. Mit Schreiben vom 2. August 2007 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt per e-mail übermittelt, eine Gegenschrift erstattet, ergänzende Ausführungen getätigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

1.7. Der Oö. Verwaltungssenates hat mit Erkenntnis vom 19. September 2007, VwSen-400896/5/SR/Ri, die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

1.8. Nachdem der Bf am 6. August 2007 aus der CDK entlassen worden war, begab er sich unverzüglich zum BAA-EAST-West und ersuchte um Aufnahme in die Grundversorgung. Der Aufnahme des Bf wurde am selben Tag zugestimmt.

 

1.9. Am 27. August 2007 langte beim Bundesasylamt die Zustimmung Rumäniens zur Führung des Asylverfahrens ein. Aufgrund dieser Zustimmung wurde er Bf vom BAA-EAST-West zur Einvernahme im Asylverfahren geladen und diese am 31. August 2007 im Beisein der Rechtsberaterin durchgeführt.

 

Trotz umgangreicher und konkreter Vorhaltungen bestritt der Bf nach wie vor die Einreise und den Aufenthalt in Rumänien, die Verwendung seines Reisepasses und die Visaantragstellung. Um glaubwürdig zu erscheinen und Widersprüche zu beseitigen versuchte der Bf sein Vorbringen an die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens anzupassen und brachte nunmehr vor, dass er den Reisepass dem Lkw-Fahrer vor der Abfahrt am 29. April 2007 ausgefolgt habe. Obwohl auch diese Version im Hinblick auf die mit dem Reisepass erfolgte und dokumentierte Einreise in Rumänien am 1. April 2007 vollkommen unglaubwürdig war, blieb der Bf bei dieser Aussage.

 

In Österreich werde der Bf von seinem Bruder, der mit einer Österreicherin verheiratet ist, finanziell unterstützt. Da dieser in Österreich lebe habe er auch nach Österreich kommen wollen. Nach Rumänien wolle er nicht, da er nie dort gewesen sei und dort auch niemanden habe. Er habe in der Türkei genügend Probleme und möchte hier in Österreich bei seinem Bruder bleiben. In der CDK sei er ca. vier bis fünf Tage gewesen. Die Einweisung sei erfolgt, da er sich im Gefängnis aufgeregt und unter Platzangst gelitten habe. Deshalb sei er beim Psychiater gewesen und dieser habe ihn in das Krankenhaus eingeliefert. Er bekomme regelmäßig Medikamente und habe keine Beschwerden.

 

1.10. Am 13. September 2007 wurde der Bf im BAA-EAST-West von Dr. L, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie untersucht. In der "Gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren gemäß § 10 AsylG" diagnostizierte der Facharzt eine depressive Störung, vermerkte unter den derzeit subjektiven Beschwerden eine Angst vor der Rückkehr in die Türkei und beschrieb den Bf als antriebslos, vermindert belastbar und bezogen auf die bekannten Suizidgedanken u.a. als kontrolliert. Die Frage, ob der Überstellung nach Rumänien schwere psychische Störungen entgegenstehen würden, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden, hat der Facharzt verneint. Eine Überstellung nach Rumänien sei möglich, "indiziere jedoch eine antidepressive Therapie vor/während" dieser. "Soweit möglich seien auch Psychologische Gespräche empfehlenswert".

 

1.11. Bei der im Anschluss an die fachärztliche Untersuchung vorgenommenen niederschriftlichen Befragung (Vorwurf der Erschleichung von Aufenthaltstiteln im Asylverfahren) wurde der Bf erneut mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er "von Rumänien ein Visum, gültig von 15.03.2007 bis 14.04.2007" erhalten habe und am 1. April 2007 mit dem Flugzeug legal in Rumänien eingereist und am 5. April 2007 mit dem Auto nach Ungarn legal ausgereist sei. Die Vorhaltungen wurden vom Bf wiederum bestritten. Wie bisher brachte er vor, dass der Reisepass dem Schlepper zu Beginn der Schleppung am 29. April 2007 übergeben worden sei.

 

1.12. Eintragungen in der DGA der Asylwerberinformation (AI) unter der Zahl 07 04.180 (auszugsweise):

 

*          EB am 04.05.2007 durchgeführt

*          Inforequest an BG und RO vorber. – 07.05.2007

*          2Inforequest an BG, RO gesandt – 08.05.2007

*          Mitteilung gemäß § 28AsylG per Fax an EHC am 080507 überm.

*          Antwortschreiben RO am 280507 via DublinNet eingel.

            Visadaten vorhanden /.../  KV vorbereiten – 290507

*          KV mit RO vorber. 31052007

*          Inforequ. an BE/DE/FR/ITILU/NL/ES/PO/DK/FI/IS/NO/SE/CZ/HU/SK/SI/GR

            vorb. - 04062007

*          Mitteilung betr. Abwesenheit d. AW bei Standeskontrolle (3x) am 13.06.2007

            p.Mail d. BS Thalham eingel. – 13062007

*          Mitteilung betreffend nächtliche Ausgänge des AW am 17.07.07 p.Mail v. BS         Thalham eingl.  – 17072007

*          KV an RO via DubliNet gestellt / § 29 / DF 270807 – 250707

*          Mitteilung gemäß § 29 AsylG per Fax an BH VB am 260707 überm.

            Übern. § 29Mitt.abw. – 260707

*          Verständigung betr. erzwungene Haftentlassung d.AW am 02.08.07 p.Mail

            d. FrPol iH eingl. – 02082007

*          AW nach Entlassung aus CDK-Sbg bei EAST-West

            Einquartierung bei EHC

*          Zustimmung RO am 27.08.2007 via DublinNet eingelangt

*          Einvernahme im Asylverfahren am 31.08.07

*          Ladung für § 10 Untersuchung – 03.09.2007

 

2.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 13. September 2007, Zl. Sich40-1816-2007, wurde über den Bf erneut die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 76 Abs. 2 Z. 4 iVm § 80 Abs. 5 FPG iVm § 57 AVG verhängt und dieser in der Folge in das PAZ Linz eingeliefert. Der gegenständliche Schubhaftbescheid wurde vom Bf persönlich übernommen.

 

In der umfassenden Sachverhaltsfeststellung wies die belangte Behörde neuerlich auf die 21 Informationsersuchen des Bundesasylamtes, die positive Antwort Rumäniens und das am 25. Juli 2007 eingeleitete Konsultationsverfahren mit Rumänien hin. Die erstmals am 2. Juli 2007 verhängte Schubhaft habe aufgrund der Haftunfähigkeit am 1. August 2007 aufgehoben werden müssen. Die stationäre Behandlung in der CDK habe am 6. August 2007 geendet und über Ersuchen des Bf sei dieser anschließend wieder in einer bundesbetreuten Unterkunft in der EAST-West aufgenommen worden.

 

Mit Schriftsatz vom 27. August 2007 habe Rumänien gemäß dem Dublinabkommen der Übernahme des Bf sowie der Aufnahme seines Asylbegehrens zugestimmt.

 

Im Zulassungsverfahren sei das Bundesaslyamt der Frage nachgegangen, ob beim Bf eine Traumatisierung vorliege. Zur Abklärung sei der Bf am 13. September 2007 von einem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie untersucht worden. Dieser habe festgestellt, dass einer Überstellung nach Rumänien keine schweren psychischen Störungen entgegenstehen würden.

 

Bei der nachfolgenden niederschriftlichen Befragung (Strafanzeige nach § 119 FPG) habe der Bf die Vorwürfe weiterhin bestritten und sei bei seinen widersprüchlichen Aussagen und "bewussten und nachhaltigen Lügen" geblieben. Die Widersprüchlichkeiten und "Lügen" wurden von der belangten Behörde anschaulich und nachvollziehbar dargestellt.   

 

Nach umfassenden Ausführungen zu den Beweggründen des Bf und seinen falschen Angaben zum "Fluchtweg" kam die belangte Behörde zum Schluss, dass der Bf ein Asylbegehren in Österreich nur eingebracht habe, um sich ein Aufenthaltsrecht und Versorgungsleistungen zu erschleichen und um einer Abschiebung zu entgehen. Da der Bf völlig mittellos sei, seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten könne und ihm nur vorübergehend eine bundesbetreute Unterkunft zugewiesen worden sei, hätte anstellte der Schubhaft kein gelinderes Mittel angewendet werden können. Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf – nach einem Abtauchen in die Illegalität – dem österreichischen Staat finanziell weiter zur Last fallen könnte. Nach Abwägung der angeführten Tatsachen sei der konkrete Sicherungsbedarf zu bejahen und die Schubhaft anstellte gelinderer Mittel zu verhängen gewesen.

 

2.2. Mit Schriftsatz vom 14. September 2007, per Fax eingelangt am 17. September 2007, erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter "Haftbeschwerde gem. § 82 FPG 2005" an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich und stellte den Antrag, dass dieser "die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides der belangten Behörde vom 13.9.2007, Sich40-1816, sowie die Anhaltung in Schubhaft aufgrund des Schubhaftbescheides im PAZ Linz feststellen" möge. Weiters wurde der verzeichnete Aufwandersatz begehrt.

 

In der Sachverhaltsdarstellung hob der Bf deutlich hervor, dass er nach der Entlassung aus der CDK freiwillig und unverzüglich wieder zum BAA-EAST-West gekommen sei, da er sich im Zulassungsverfahren befunden habe. Nach der Vorsprache sei er wieder nach dem Bundesgrundversorgungsgesetz aufgenommen worden.      

 

In der Sache führte der Bf nach rechtlichen Überlegungen zur Zulässigkeit der Schubhaft und der Anwendung gelinderer Mittel aus, dass die Schubhaftverhängung von vornherein unzulässig sei, wenn keine Gründe vorliegen würden, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass sich der Betroffene dem Verfahren entziehen werde.

 

Die Verhängung der Schubhaft sei keinesfalls notwendig und auch nicht verhältnismäßig gewesen. Er habe sich im gesamten bisherigen Verfahren rechtstreu verhalten und niemals versucht, sich den Zugriffen der Behörde zu entziehen. Nach der Entlassung aus der CDK hätte er eine günstige Gelegenheit gehabt um sich dem Verfahren zu entziehen und unterzutauchen. Die behördliche Annahme sei daher nicht richtig und würde sich keinesfalls aus seinem Verhalten ergeben. Auch nach der neuerlichen Einvernahme im Asylverfahren am 31. August 2007, in welcher ihm mitgeteilt worden sei, dass nunmehr Rumänien zuständig sei, habe er sich dem Verfahren nicht entzogen und sei den Behörden auch für die Einvernahme und psychiatrische Untersuchung am 13. September 2007 zur Verfügung gestanden.

 

Weiters ergebe sich die Unzulässigkeit der Haft auch daraus, dass er bereits einmal aus psychiatrischen Gründen für haftunfähig erklärt worden sei. Erst nach medikamentöser Einstellung und stationärem Aufenthalt in der CDK sei er gesundheitlich so weit wieder hergestellt worden, dass er aus der spitalsärztlichen Behandlung entlassen werden konnte. Da die Behörde in Kenntnis dieser Umstände war, hätte sie die Anwendung gelinderer Mittel bei der neuerlichen Schubhaftverhängung besonders sorgfältig prüfen müssen, da es nicht angehen kann, dass einem Fremden durch die neuerliche Verhängung der Schubhaft gesundheitlicher Schaden zugefügt wird.

 

3.1. Mit Schreiben vom 17. September 2007, eingelangt am 18. September 2007, hat die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt per E-Mail übermittelt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

In der Gegenschrift verweist die belangte Behörde darauf, dass sie sich keinesfalls einer pauschalen Beurteilung bedient und sich intensiv mit den falschen Angaben und der Motivation des Bf auseinandergesetzt habe. So habe auch die fachärztliche Untersuchung ergeben, dass einer Ausweisung des Bf nach Rumänien kein Hinderungsgrund gemäß § 10 AsylG (schwere psychische Störung) entgegenstehe.

 

Aus dem Verhalten des Bf und seinem Leugnen (Vorhaltungen zu Rumänien) leitet die belangte Behörde ab, dass sich der Bf nach einer durchführbaren Ausweisungsentscheidung den Fremdenbehörden nicht weiter zur Verfügung halten werde. Es liege daher ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf vor und die Schubhaft sei auch als verhältnismäßig anzusehen.

 

3.2.  Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den Verwaltungsakt, der in Form eines E-Mails übermittelt worden ist,  festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und wird seit dem 13. September 2007 für die belangte Behörde im PAZ Linz in Schubhaft angehalten.

 

Seine Beschwerde gegen diese Anhaltung in Schubhaft ist zulässig.    

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Nach § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes-Bund, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: GVG-B), gewährt der Bund den Asylwerbern im Zulassungsverfahren sowie Fremden, deren Asylantrag zurück- oder abgewiesen wurde, solange eine Versorgung in einer Betreuungseinrichtung, bis diese das Bundesgebiet verlassen.

 

4.3. Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung war der Bf Asylwerber. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

 

Nach dem maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

 

Die belangte Behörde hat sich bei der neuerlichen Schubhaftverhängung wiederum auf § 76 Abs. 2 Z. 2 und Z. 4 FPG gestützt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass ein Ausweisungsverfahren nach dem AsylG eingeleitet worden ist, einem solchen auch keine Ausschlussgründe nach § 10 AsylG entgegenstehen,  Rumänien einer Übernahme des Bf zur Führung des Asylverfahrens zugestimmt hat und aus dem Verhalten und dem Vorbringen des Bf ein akuter Sicherungsbedarf abzuleiten ist.

 

4.4. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 19. September 2007, VwSen-400896/5/SR/Ri, wurde der Beschwerde gegen die Anhaltung des Bf in Schubhaft (26. Juli bis 1. August 2007) nicht stattgegeben, da die belangte Behörde bei der Würdigung der Gesamtumstände zu Recht davon ausgehen konnte, dass sich der Bf dem weiteren Verfahren entzogen hätte, wenn ihm der Wissenstand des Bundesasylamtes, der belangten Behörde und die ihm drohenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen bekannt gewesen wären. Dem Grunde nach wurde die Annahme der belangten Behörde durch Äußerungen des Bf bei den nachfolgenden niederschriftlichen Befragungen bestätigt.

 

Der dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Sachverhalt hat sich aber wesentlich geändert.

 

Der Bf erlangte bei der Schubhaftverhängung am 26. Juli 2007 und während der Anhaltung in Schubhaft davon Kenntnis, dass ihm aufgrund der behördlichen Ermittlungsergebnisse sein Vorbringen zum Fluchtweg nicht mehr geglaubt werde und die Dublin Konsultationen so weit gediehen sind, dass eine Ausweisung nach Rumänien in greifbare Nähe gerückt ist. 

 

Soweit die vorgelegten Aktenteile eine ansatzweise Beurteilung der psychischen Probleme des Bf zulassen, kann schon daraus der belangten Behörde nicht gefolgt werden, dass der Bf die Haftentlassung erzwungen habe. Der vom PAZ des Stadtpolizeikommandos Salzburg, am 1. August 2007 verfassen Meldung ist eindeutig zu entnehmen, dass der untersuchende Facharzt eine "extreme" Suizidgefährdung bzw. Depression festgestellt und daraufhin gemäß § 8 UBG die Einweisung in die CDK veranlasst hat. Laut unwidersprochenem Vorbringen des Bf wurde dieser erst nach mehrtägiger stationärer Behandlung und medikamentöser Einstellung aus der CDK entlassen.

 

Obwohl der Bf vom Wissenstand der Behörden über seinen Fluchtweg, der daraus resultierenden Unglaubwürdigkeit seiner Angaben und der im Raum stehenden Ausweisung nach Rumänien wusste, begab er sich sofort nach der Entlassung aus der CDK zum BAA-EAST-West, um sich dem Zulassungsverfahren zu stellen. Der Bf kam bis zur neuerlichen Schubhaftverhängung am 13. September 2007 jedem behördlichen Ersuchen und jeder Ladung termingerecht nach. Trotzdem ihm am 31. August 2007 bei der niederschriftlichen Befragung im Asylverfahren wiederum die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens vor Augen geführt worden ist und er damit konfrontiert wurde, dass Rumänien zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, einer Aufnahme zugestimmt hat, der Asylantrag in Österreich als unzulässig zurückgewiesen und die sofort durchsetzbare Ausweisung nach Rumänien veranlasst wird, blieb der Bf weiterhin in der ihm zugewiesenen Betreuungseinrichtung und stellte sich dem weiteren Verfahren.    

 

Laut Aktenlage hat er nicht einmal ansatzweise Anstalten unternommen, die darauf hinweisen würden, dass er sich dem Verfahren entziehen und den an ihn gerichteten behördlichen Ladungen nicht fristgerecht nachgekommen werde.

 

Im Hinblick auf das vom Bf nach der Schubhaft aufgezeigte Verhalten lag das ursprünglich zu Recht angenommene konkrete Sicherungsbedürfnis nicht mehr vor. Ein solches kann aufgrund der vorliegenden besonderen Umstände (Wohlverhalten in Österreich) auch nicht damit begründet werden, dass der Bf die stichhaltigen Ermittlungsergebnisse bestreitet und an seinen falschen Reiseangaben festhält. 

 

4.5. Selbst wenn man entgegen dem vorliegenden Sachverhalt von einem Sicherheitsbedarf ausgegangen wäre, hätten jedenfalls gelindere Mittel i.S.d. § 77 FPG angeordnet werden müssen (vgl. dazu VwGH vom 8. September 2005, 2005/21/0301).

 

Das unauffällige Verhalten des Bf in der Betreuungsstelle Thalham nach der Wiederaufnahme, das Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes im Sinne des § 3 GVG-B 2005 (siehe Vorlageakt), das fristgerechte Nachkommen aller behördlichen Ersuchen und das nach der Haftentlassung aufgezeigte Wohlverhalten hätte die belangte Behörde zu der Annahme veranlassen müssen, dass der Zweck der Schubhaft sehr wohl durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könnte.

 

Da, wie oben dargelegt, auf die Unterbringung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht (vgl. auch Diehsbacher, Bundesbetreuungsrecht, Wien 2005, 19 ff), könnte bei der vorliegenden Fallkonstellation das Fehlen der notwendigen Mittel für den Lebensunterhalt nicht zur Schubhaftbegründung in Sinne der Ausführungen der belangten Behörde herangezogen werden. 

 

4.6. Mangels eines konkreten Sicherungsbedarfes war aus den dargelegten Gründen der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 83 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bf nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z 1 und 3 AVG iVm. § 1 Z 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003 Kosten in Höhe von insgesamt 674,00 Euro (Gebühren: 13,20 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.  

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unter­schrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabe- und Beilagegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Mag. Stierschneider

Beachte: Beschwerde gegen vorsehende Entscheidung wurde abgelehnt. VwGH vom 27.10.2007, Zl.: 2007/21/0388-3

 

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