Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400907/5/Gf/Mu/Ga

Linz, 22.09.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des S G, dzt. Polizeianhalte­zentrum Linz, Nietzschestraße 33, 4020 Linz, vertreten durch RA Dr. H B, gegen seine Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

I.              Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung des Rechtsmittel­werbers in Schubhaft als rechtswidrig festgestellt.

 

II.            Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck), hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 674 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 16. Juli 2007 von der Türkei aus kommend mit Unterstützung durch Schlepper am Landweg über eine ihm unbekannte Reiseroute – allenfalls auch über Rumänien – ohne gültige Reisedokumente nach Österreich ein und stellte hier am 17. Juli 2007 einen Asylantrag.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 8. August 2007, Zl. Sich40-2260-2007, wurde über den Rechtsmittelwerber zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Über­stellung in das PAZ Linz sofort vollzogen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass er einerseits weder über einen Identitätsnachweis noch über gültige Reisedokumente oder eine anderweitige Aufenthaltsberechtigung verfüge und er zudem völlig mittellos sowie illegal in das Bundesgebiet eingereist sei. Anlässlich seiner Erstbefragung habe er angegeben, dass zwei seiner Onkel in Österreich leben würden und er für ein anderes Land kein Visum erhalten hätte. Dem gegenüber habe jedoch festgestellt werden können, dass er von Rumänien für den Gültigkeitszeitraum vom 17. Juni bis zum 16. Juli 2007 ein Visum ausgestellt bekommen habe, er bereits am 18. Juni 2007 per PKW über die Grenzkontrollstelle in Varna Veche nach Rumänien eingereist sei und dort keinen Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz gestellt habe. 

 

Daher leitete die belangte Behörde am 6. August 2007 mit Rumänien ein Dublin-Konsultations­verfahren wegen der Übernahme des Rechtsmittelwerbers ein.

 

Auf Grund der bisherigen Ermittlungen sei daher anzunehmen, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers nach Abschluss dieses Konsultations­verfahrens mangels Zuständig­keit Österreichs zur Prüfung zurückzuweisen sein wird.

 

1.3. Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 7. August 2007, Zl. 07 06.511, wurde dem Rechtsmittelwerber daher auch gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 des Asylgesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG), mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag zurück­zuweisen.

 

1.4. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 19. Sep­tember 2007 per Telefax beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachte Beschwerde.

 

Darin wird vorgebracht, dass zwei nahe Verwandte, die bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, in Österreich leben und ihn schon immer finanziell unterstützt hätten. Hinsichtlich des (vermutlich über Betreiben des Schleppers) von Rumänien ausgestellten Visums für den Geltungszeitraum vom 17. Juni 2007 bis 16. Juli 2007 habe er in Wahrheit nichts gewusst und er habe auch seinen angeblichen Aufenthalt in Rumänien nicht verschleiern wollen. In Anbetracht der Tatsache, dass zwei seiner Onkel in Österreich leben, die sich auch bereit erklärt hätten, für seinen im Bundesgebiet erforderlichen Unterhalt aufzukommen, hätte die belangte Behörde aber von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen müssen, weil gelindere Mittel in gleicher Weise geeignet wären, den beabsichtigten Zweck zu erreichen.

 

Daher wird die kostenpflichtige Aufhebung der Schubhaft beantragt.

 

1.5. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

Dazu wird ausgeführt, dass die Erklärung des Rechtsmittelwerbers zu dem von Rumänien erteilten Visum offenbar eine reine Schutzbehauptung darstelle. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass am 22. August 2007 seitens der PI St. Georgen i.A. gegen ihn beim BG Frankenmarkt eine Strafanzeige wegen des dringenden Tatverdachtes der falschen Angaben zu seiner tatsächlichen Herkunft nach § 119 Abs. 2 FPG erstattet worden sei.

 

Die Anwendung eines gelinderen Mittels scheitere sohin an seinem unrechtmäßigen Verhalten und am Leugnen seines Aufenthaltes im EU-Mitgliedstaat Rumänien.

 

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich40-2260-2007; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und auch die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Nach § 82 Abs. 1 Z. 3 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, u.a. das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft anzurufen.

 

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG kann die Behörde auch über einen Asylwerber (als solcher gilt nach § 2 Abs. 14 AsylG ein Fremder ab der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz – d.i. gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG das auf welche Weise auch immer artikulierte Ersuchen, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen – bis zum rechtskräftigen Abschluss, bis zur Einstellung oder bis zur Gegenstands­losigkeit dieses Verfahrens) zum Zweck der Sicherung des Verfahrens einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängen, wenn auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungs­dienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Asylantrag mangels Zuständig­keit Österreichs zu dessen Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Nach dem auch insoweit maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

 

3.2. Mit seinem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2004/21/0003, hat der Verwaltungs­gerichtshof einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Recht­sprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthalts- beenden­den Maßnahme, von strafgerichtliche Verur­teilungen und eine fehlende Ausreise­willigkeit für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattge­geben: Vielmehr muss bei einer darauf abzielenden Behauptung seitens der Behörde konkret auch dessen soziale Verankerung in Österreich geprüft werden.

 

In diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer bereits im Zuge seiner Ersteinvernahme vorgebracht hat, dass zwei nahe Verwandte (Onkel) in Österreich leben und sich diese bereit erklärt hätten, für seinen Unterhalt während des Asylverfahrens aufzukommen. Dem ist die belangte Behörde weder argumentativ entgegengetreten noch lassen sich aus dem vorgelegten Akt irgendwelche Ermittlungsergebnisse entnehmen, die in eine gegenteilige Richtung deuten würden.

 

Selbst wenn daher der Rechtsmittelwerber seinen Aufenthalt in Rumänien zu verschleiern versucht haben sollte und es offenkundig ist, dass dieser Staat zur Beurteilung seines Asylantrages zuständig ist, vermag die vorliegende Faktenlage eine Schubhaftverhängung deshalb nicht zu rechtfertigen, weil der Fremde einen Rechtsanspruch auf die vorangehende Anwendung gelinderer Mittel hat.

 

Da keine Hinweise dafür vorliegen, dass der Unterhalt des Beschwerdeführers nicht durch eine entsprechende Unterstützung seitens seiner beiden Onkel gesichert ist, hätte die belangte Behörde sohin anstelle der Schubhaftverhängung gelindere Mittel, nämlich insbesondere die Vorschreibung der periodischen Meldung gemäß § 77 Abs. 3 FPG, zur Anwendung bringen müssen.

 

3.3. Der gegenständliche Beschwerde war daher gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft festzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und 3 AVG iVm § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. Nr. II 334/2003, antragsgemäß Kosten in Höhe von insgesamt 674 Euro (Stempelgebühren: 13,20 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

1.    Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2.    Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13,20 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 23.09.2010, Zl.: 2007/21/0432-7

 

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