Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420511/19/Ste/AB

Linz, 17.09.2007

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Beschwerde des I R, vertreten durch J D, 40 T, S, wegen Abnahme einer Tachoscheibe (eines Schaublatts) – nach Durchführung einer öffentlichen münd­lichen Verhandlung – zu Recht erkannt:

 

 

Die Beschwerde gegen die Abnahme (Beschlagnahme) der Tacho­scheibe (des Schaublatts) vom 17. April 2007 am 25. April 2007 wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Der Antrag auf Zuerkennung einer Entschädigung (in der Höhe von 3.000 Euro) wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Nach Schilderung des I R (in der Folge: Beschwerdeführer – Bf) wurde er als Lenker eines LKW am 25. April 2007 von einem Polizisten im Gemeindegebiet von L angehalten und aufgefordert die aktuelle Tachoscheibe und jene der vorausgegangenen 15 Tage auszuhändigen. Dieser Aufforderung kam er nach. Die Tachoscheibe vom 17. April 2007 wurde ihm vom Polizisten nicht wieder ausgefolgt, obwohl er auf sein Eigentumsrecht an dieser Sache hinwies. Der Polizist stellte dafür eine Bestätigung aus.

 

2.1. Gegen diese Maßnahme (Abnahme der Tachoscheibe vom 17. April 2007) richtet sich die vor­liegende, am 18. Mai 2007 beim Oö. Verwaltungssenat einge­langte, Be­schwerde.

 

2.1.1. Darin wird die Abnahme in zweifacher Hinsicht als rechtswidrig angesehen:

§         Eine Beschlagnahme von Gegenständen könne sich nur auf solche erstrecken, für die der Verfall als Strafe vorgesehen ist. Das treffe auf eine Tachoscheibe nicht zu und somit können die rechtswidrige Beschlagnahme der Tachoscheibe nicht (wie vom Polizisten behauptet und in der Bestätigung angezeichnet) unter § 39 VStG subsumiert werden;

§         Eine Beschlagnahme zur Sicherung der Beweisführung sehe das VStG nicht vor.

 

Auf Grund der geschilderten Vorgangsweise sieht sich der Bf „in subjektiven Rechten verletzt“.

 

Der Bf ersucht den Unabhängigen Verwaltungssenat „auf Grund der vorliegenden Umstände, … eine Entschädigung in der Höhe von 3.000 Euro ob der erlittenen Gesetzesverletzung … zuzusprechen und auf das rechtswidrige Vorgehen [des Polizisten] zu erkennen.“

 

Damit wird – insgesamt erkennbar (vgl. VfSlg. 13.339/1993) – die Erklärung der Rechtswidrigkeit der geschilderten Maßnahme beantragt (§ 67c Abs. 2 Z. 5 AVG).

 

2.1.2. Da im „Betreff“ der Beschwerde pauschal die §§ 87 ff des Sicherheitspolizei­gesetzes – SPG genannt sind und es nicht auszuschließen war, dass der Bf eine Verletzung einer gemäß § 31 SPG festgelegten Richtlinie behauptete, wurde die Beschwerde insoweit mit ihr die Verletzung der Richtlinien-Verordnung behauptet wird, mit Verfügung des Oö. Verwaltungssenats vom 21. Mai 2007, VwSen-440075/2, dem Landespolizeikommando Oberösterreich als zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde weitergeleitet (vgl. § 89 Abs. 1 SPG).

 

2.1.3. Mit Schreiben vom 11. Juni 2007, GZ 6500/21518-OEA/07, teilte das Landes­polizeikommando Oberösterreich dem Bf (mit entsprechender Begründung) mit, dass im Vorgehen und Einschreiten des Beamten kein Fehlverhalten festgestellt werden kann.

 

2.1.4. Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2007 (den er auch an das Bundesministerium für Inneres und die Volksanwaltschaft richtete) wiederholte der Bf seine Schilderung des Vorfalls, ergänzte einige Punkte und legte weitere Unterlagen vor, insbesondere auch solche, die wohl (erst) im Rahmen des laufenden Verwaltungsstrafverfahrens eine Rolle spielen könnten.

 

An den Unabhängigen Verwaltungssenat gerichtet hält er im genannten Schriftsatz fest, dass die vorläufige Beschlagnahme seiner Ansicht nach ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei. Er beantragt ausdrücklich die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und wiederholt seine Forderung nach finanzieller Entschädigung. Ein Verlangen nach § 89 Abs. 4 SPG wurde nicht gestellt.

 

2.2. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Ein Antrag auf Kostenersatz wurde nicht gestellt.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt, die vorgelegten Schriftsätze sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat am 31. Juli 2007.

 

Wie in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vereinbart, wurde dem Bf mit Schreiben des Oö. Verwaltungssenates vom 4. September 2007 eine Kopie des Schaublatts vom 17. April 2007 (das vom Oö. Verwaltungssenat von der belangten Behörde angefordert wurde) mit der Einladung übermittelt, dazu ihm Rahmen des Parteiengehörs Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 12. September 2007 nahm der Bf dazu Stellung und räumte das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung ein. Darüber hinaus wurden eine Reihe von Beweisanträgen gestellt, die sich inhaltlich jedoch ausschließlich auf das auf Grund der angezeigten (vermuteten) Verwaltungs­übertretung gegen den Bf eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren beziehen.

 

2.4. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) sowie aus der öffentlichen mündlichen Verhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

2.4.1. Im Zuge einer routinemäßigen Verkehrskontrolle wurde der Bf als Lenker eines LKW mit dem polizeilichen Kennzeichen LL am 25. April 2007 um ca. 14.00 Uhr, auf der Bundesstraße – B im Gemeindegebiet von L von einem Polizisten überprüft. Nach Aufforderung des Polizisten händigte der Bf jedenfalls die Schau­blätter (Tachoscheiben) des 25. April sowie der vorange­gangenen 15 Tage aus. Auf dem Schaublatt vom 17. April 2007 wurde vom Polizisten eine Unregel­mäßigkeit festge­stellt. Dem Bf wurde die Erledigung der Angelegenheit mittels Organstrafverfügung angeboten, was dieser ablehnte. Das Schaublatt vom 17. April 2007 wurde daher dem Bf nicht zurückgegeben. Der Polizist stellt über die „vor­läufige Beschlagnahme“ eine Be­stätigung aus und nahm alle Daten zur Anzeige an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde auf.

 

Der Bf wurde zu keinem Zeitpunkt an der Weiterfahrt gehindert. Der Polizist drohte dem Bf auch sonst keinerlei Zwang oder sonstige unmittelbare Sanktionen an. Es fand keinerlei Anwendung physischen Zwanges statt oder wurde ein Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch erteilt.

 

2.5. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den gegenseitigen Behauptungen, insbesondere auch jenen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

Die vom (Vertreter des) Bf gemachten zT weitwendigen Ausführungen gehen alle am Kern der Sache vorbei und richten sich einerseits gegen eine – seiner Ansicht nach – unrichtige rechtliche Beurteilung der gesamten Rechtslage im Zusammenhang mit der Über­prüfung der Schaublätter durch die Polizei oder betreffen andererseits allenfalls das auf Grund der angezeigten (vermuteten) Verwaltungsübertretung gegen den Bf eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren.

 

2.6. Gemäß § 67a Abs. 1 AVG ist zur Entscheidung über die vorliegende Be­sch­werde das durch die Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied des Oö. Ver­waltungssenates berufen.

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 10/2004, entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungs­be­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausge­nommen in Finanzstrafsachen (vgl. auch Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG). Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim Unabhängigen Verwaltungs­senat einzubringen, in dem der Be­schwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat.

 

Die behauptete Maßnahme fand am 25. April 2007 statt. Die Beschwerde, die mit 11. Mai 2007 datiert ist, langte am 18. Mai 2007 beim Oö. Verwaltungssenat ein; sie ist daher rechtzeitig erhoben worden.

 

3.2. Neben der Rechtzeitigkeit ist weitere Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG, dass überhaupt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, der sich gegen die Person gerichtet hat, die als Be­schwerdeführer im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat auftritt (vgl. Aichlreiter in Rill/Schäffer, Bundesverfassungsrecht, RZ 49 zu Art. 129a B-VG) und dass die Verletzung eines subjektiven Rechts des Beschwerdeführers zumindest möglich ist (vgl. VwGH vom 20. Dezember 1995, 95/03/0288, 0289).

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH vom 29. Juni 2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu Art. 129a B-VG).

 

Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis VfSlg. 11.935/1988) ist Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen eine behauptete „faktische Amtshandlung“, dass sie gegen die Anwendung von Gewalt oder gegen eine normative Anordnung (bei deren Nichtbefolgung mit einer unmittelbaren Sanktion gerechnet werden musste) gerichtet ist; es wird daher insoweit die „Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch“ gefordert. Physischer Zwang oder unmittel­bare Befehlsgewalt ist Voraussetzung für die Wertung einer Amtshandlung als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl. so etwa auch das Erkenntnis des VwGH vom 6. Oktober 1993, 92/17/0284).

 

Die schlichte Abnahme des Schaublatts, wobei der Bf nicht einmal behauptet, dass dabei Befehls- oder Zwangsgewalt von der Behörde ausgeübt worden sei, vermag – entgegen den Beschwerdebehauptungen – nach Ansicht des Unabhängigen Ver­waltungs­senats nicht die Ausübung solcher Befehls- und Zwangsgewalt dar­zulegen (vgl. VwGH vom 16. April 1999, 96/02/0590, zur Abnahme des Reise­passes). Die vorgenommene Abnahme stellt daher keine nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangs­gewalt dar (vgl. ähnlich bereits ua. die Entscheidung des Oö. Ver­waltungssenats vom 16. Dezember 2004, VwSen-420411/27). Eine gegen einen solchen behaupteten Eingriff eingebrachte Beschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG ist mangels Vorliegen eines tauglichen Beschwerde­gegenstands unzulässig und zurückzu­weisen (Spruchpunkt I).

 

Es erübrigt sich daher in diesem Zusammenhang auch auf die weiteren Beschwerde­ausführungen einzugehen.

 

3.3. Die Kosten- und Ersatzansprüche bei Beschwerden wegen Ausübung unmittel­barer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sind im § 79a AVG und der auf dessen Basis ergangenen UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (ab­schließend) geregelt. Eine wie immer geartete darüber hinausgehende „finanzielle Entschädigung“ ist dort nicht vorgesehen, ganz abgesehen davon, dass der Bf nach § 79a Abs. 1 AVG auch nicht als obsiegende Partei anzusehen wäre.

 

Der (schriftlich gestellte und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausdrücklich wiederholte) Antrag auf Zuerkennung einer Entschädigung (in der Höhe von 3.000 Euro) war daher ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen (Spruchpunkt II).

 

5. Kosten an die obsiegende Partei waren keine zuzusprechen, da ein ent­sprechender Antrag nicht gestellt wurde (vgl. § 79a Abs. 6 AVG).

 

6. Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 20,20 Euro (für die Beschwerde 13 Euro Eingabegebühr, Gebühr für zwei Beilagen 7,20 Euro) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Wolfgang Steiner

 

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