Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162470/10/Br/Ps

Linz, 03.10.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn K T, geb., W, N, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­mannschaft Gmunden vom 16. August  2007, Zl. VerkR96-4374-2007-1, nach der am 3.10.2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.          Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 – VStG.

 

II.         Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 u. 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Wider den Berufungswerber wurde mit dem o.a. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden wegen der Übertretung nach § 4 Abs.1a (gemeint wohl § 4 Abs.1 lit.a [richtig wäre wohl gewesen § 4 Abs.5 StVO]) iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 120 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 68 Stunden ausgesprochen und folgendes Tatverhalten zur Last gelegt:

"Sie haben es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem Ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist, die nächste Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten bzw. der Personen, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist.

Tatort: Pinsdorf, Gmundnerstraße 2, Parkplatz vor der Raiba Pinsdorf.

Tatzeit: 25.03.2007,11:55 bis 12:45 Uhr."

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:

"Der im Spruch dargelegte Sachverhalt wurde der BH Gmunden am 31. 07. 2006 von der Polizeiinspektion Gmunden angezeigt. Bei dieser wurde der Vorfall von S T, der Lenkerin des gegnerischen Fahrzeuges, welches erkennbare Schäden am Heck aufwies, gemeldet. Die Lenkerin hatte das Fahrzeug am 25. 03. 2007 in der o. g. Zeit am Parkplatz abgestellt. M F, geb. habe den Vorfall genau beobachtet. Beim Anstoß sei der PKW der S ca. 1/2 Meter nach vorne geschoben worden. Er habe den Lenker des F  auf den Unfall angesprochen, jedoch nur eine grobe Antwort bekommen. Sie gaben dazu am 13. 04. 2007 vor der Behörde an, dass Sie Ihr Fahrzeug am angeführten Tag auf Höhe der Raiffeisenkasse in Pinsdorf der Länge nach in eine freie Parklücke eingeparkt hätten. Sie seien alleine im Fahrzeug gewesen und hätten keinerlei Bemerkungen, die auf einen Unfall schließen ließen, gemacht. Eine Verschiebung eines anderen Fahrzeuges hielten Sie für ausgeschlossen. Sie hätten keine Beschädigungen an Ihrem Fahrzeug festgestellt. Leichte Kratzspuren an der Stoßstange seien bereits ein Jahr alt. Am 19. 04. 2007 schilderte Herr F M, als Zeuge vor der Behörde vernommen, wie er den Vorfall beobachtet hatte, von der gegenüberliegenden Straßenseite sah, wie das geparkte Fahrzeug "regelrecht ein Stück nach vorne" geschoben wurde, wie Sie sich als Lenker weiter verhielten, als sei nichts geschehen, wie er Sie dann ansprach und besagte Antwort erhielt usw. Am 27. 04. 2007 wurde Ihnen diese Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht. Sie blieben bei Ihrer Darstellung, dass es zu keiner Berührung, geschweige denn Beschädigung, gekommen sei. Zum Schaden bemerkten Sie, dass dieser auch bei einem anderen Vorfall passiert sein konnte.

 

Über diesen Sachverhalt hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als Organ der o. ö. Landesverwaltung in I. Instanz erwogen:

Die Angaben der Anzeige sind schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Sie werden durch die glaubwürdige und lebensnahe Schilderung des Zeugen F M erhärtet, der seine Angaben vor der Behörde und unter Hinweis auf die Wahrheitsverpflichtung eines Zeugen gemacht hat, weshalb ihnen eine gesteigerte Glaubwürdigkeit zukommt. Die Behörde legt daher diese Zeugenaussage ihrer Sachverhaltsfeststellung zugrunde. Ihre Rechtfertigung, die den Angaben des Zeugen in den entscheidenden Punkten widerspricht, wird als Schutzbehauptung gewertet, zumal Sie sich als Beschuldigter ohne Strafsanktion in beliebiger Weise verteidigen konnten. Insbesondere geht die Behörde auch davon aus, dass Sie bei gehöriger Aufmerksamkeit den Anstoß an das andere Fahrzeug bemerken hätten müssen.

 

Rechtlich gilt folgendes:

Gemäß § 4 Abs. 5 haben die in Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben. Durch das im Spruch angelastete Verhalten haben Sie den objektiven Tatbestand der soeben zitierten gesetzlichen Bestimmung erfüllt. Da Sie keine Schuldausschließungs- bzw. Entschuldigungsgründe geltend gemacht haben und solche auch für die erkennende Behörde nicht ersichtlich waren, sind auch die subjektiven Tatbestände erfüllt.

Für die Erfüllung der subjektiven Tatseite im Falle des § 4 StVO über die Anhalte- und Meldepflicht genügt, dass dem Täter objektive Umstände zum Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles zu erkennen vermocht hätte; die Übertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 5 können also auch in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen werden (vgl. z.B.Verwaltungsgerichtshof Erk. v. 11.09.1979; ZfVB 1980/4/1233 bzw. 17,10.1980 ZfVB 1981/1664).

 

Bei der Strafbemessung wurden die Bestimmungen des § 19 Abs. 1 und 2 VStG in ihrem gesamten Umfang entsprechend berücksichtigt. Mildernd wurde vor allem Ihrer bisherige, verwaltungsrechtliche Unbescholtenheit gewertet. Ihre Einkommen-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden gemäß Ihren Angaben vom 13. 04.. 2007 mit € 1.000.- Nettobezug, kein Vermögen, keine Sorgepflichten, berücksichtigt.

 

Die Höhe der verhängten Geldstrafen erschien - bei einem Strafrahmen von bis zu € 726,00 -ausreichend aber auch erforderlich, um Sie in Zukunft von der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten abzuhalten. Überdies ließ sich die erkennende Behörde bei der Strafzumessung auch vom Gedanken der Generalprävention leiten, da die Verhängung von Geldstrafen auch einen potentiellen Täter von der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten abzuhalten geeignet ist. Die Vorschreibung der Strafverfahrenskosten gründet sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden."

 

2. In der fristgerecht durch den ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung wird im Inhalt nach Folgendes ausgeführt:

"… hiermit lege ich Berufung gegen diesen Bescheid des obgenannten Aktenzeichens ein. Ich habe diese Verwaltungsübertretung nicht begangen.

Die Aussage des Herrn M F ist eine glatte Lüge, weil ich in keiner Weise mit dem Fahrzeug der S T in Berührung gekommen bin und das Fahrzeug somit auch nicht verschoben oder in irgendeiner Weise beschädigt habe. …."

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung war gemäß § 51e Abs.1 VStG durchzuführen.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes, sowie durch die zeugenschaftliche Vernehmung des F. M im Rahmen der Berufungsverhandlung. In Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurde nach Rücksprache mit der Zulassungsbesitzerin des vermeintlich beschädigten Fahrzeuges der Schadensakt bei der Haftpflichtversicherung (W) eingesehen bzw. das Schadensgutachten daraus beigeschafft. Ebenfalls wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung ein Ortsaugenschein durchgeführt, das Schadensgutachten zur Erörterung gestellt und der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen. Auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil. Ebenfalls erfolgte eine augenscheinliche Beweisführung in Form der Besichtigung der vorderen Stoßstange des Fahrzeuges des Berufungswerbers.

 

4. Am 25.3.2007 berührte der Berufungswerber beim Einparken mit seinem F  den teilweise zwischen zwei Parkflächen abgestellten S I der Frau S. Dieser Vorgang wurde vom Zeugen M aus nächster Nähe beobachtet, wobei er eine geringfügige Bewegung (Verschiebung) nach vorne des S feststellen konnte.

Nachdem sich der Berufungswerber für wenige Minuten von seinem Fahrzeug entfernte, "begutachtete" der Zeuge M das vom Berufungswerber beim Einparken offenbar in Bewegung gebrachte Fahrzeug, wobei er mehrere Schäden an diesem im Heckbereich feststellen konnte. Nach Rückkehr des Berufungswerbers wurde dieser von M mit dem Anstoß konfrontiert, wobei der Berufungswerber diese Wahrnehmung energisch in Abrede stellte. Dies veranlasste den M letztlich am S eine Information über den Vorfall anzubringen. Der Lebensgefährte der Zulassungsbesitzerin erstattete schließlich die verfahrensgegenständliche Anzeige, wobei dieser offenbar ein vom Berufungswerber verursachter Schaden zugeordnet wurde, weil sich die Heckklappe nicht mehr ordnungsgemäß schließen ließ.

Vorschäden am zweitbeteiligten Fahrzeug sind unbestritten und ergeben sich auch aus dem beigeschafften Schadensgutachten der W Versicherung. Eine Schadenliqudation erfolgte nicht, wobei der Zulassungsbesitzerin ein Anbot von 150 Euro als Schadensablöse gemacht wurde. Der S ist laut fernmündlicher Anfrage bei der Geschädigten zwischenzeitig abgemeldet.

 

4.1. Anlässlich der Berufungsverhandlung erklärte der Zeuge M den Vorfall sehr anschaulich und auch schlüssig nachvollziehbar. Der Zeuge trat sehr sachlich und  glaubwürdig auf. Als Ergebnis der Beweisführung besteht wohl kein Zweifel, dass es zu einem geringfügigen Kontakt durch das einparkende Fahrzeuge des Berufungswerbers mit dem Vorderfahrzeug gekommen ist, wobei dieses geringfügig nach vorne bewegt wurde. Dass dies allenfalls vom Berufungswerber subjektiv nicht bemerkt wurde, scheint möglich. Der Zeuge nahm ob der Geringfügigkeit des Anstoßes kein Geräusch wahr und es fand sich auch keine korrespondierende Kontaktspur am Fahrzeug des Berufungswerbers. Es kann daher mit durchaus realistischer Wahrscheinlichkeit als ausgeschlossen gelten, dass durch diesen Kontakt ein Klemmen der Heckklappe verursacht worden sein könnte.

Der Zeuge schloss über Vorweis der beigeschafften Fotos aus, dass diese Schäden von dem von ihm wahrgenommenen Vorfall verursacht worden sein könnten. Auch anlässlich seiner Besichtigung nach dem Vorfall habe er nicht wirklich einen Schaden als vorfallskausal feststellen können.

Daher konnte im Rahmen dieses Beweisverfahrens ein vom Berufungswerber herbeigeführter Schaden zumindest nicht als erwiesen festgestellt werden. Folgt man den glaubwürdigen Angaben des Zeugen, ist vielmehr davon auszugehen, dass es bei dem offenkundig äußerst minimalen Fahrzeugkontakt zu keiner Beschädigung des blauen S I von W. S gekommen ist. Offenbar fanden sich sämtliche Schäden bereits vor diesem Zwischenfall im Bereich der hinteren Stoßstange. Auch durch die Besichtigung des Fahrzeuges des Berufungswerbers anlässlich der Berufungsverhandlung konnten an dessen vorderen Stoßstange keine Spuren festgestellt werden, die im Falle der Herbeiführung des Heckschadens am S wohl zweifelsfrei als Folge eintreten hätten müssen.

Dem Berufungswerber war daher letztlich in seiner Verantwortung zu folgen, wonach er keinen Sachschaden verursacht hat, wenngleich ihm hinsichtlich des ebenfalls bestrittenen Fahrzeugkontakts nicht gefolgt zu werden vermag. Dass er den Anstoß aber subjektiv nicht bemerkt hat, kann auf sich bewenden, ist aber durchaus möglich. Mangels eines verursachten Schadens entfällt auch der Vorwurf einer diesbezüglich unterbliebenen und nach § 4 Abs.5 StVO 1960 subsumierbaren Meldung.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Ein solcher konkreter Identitätsnachweis mit dem Geschädigten fand nicht statt.

Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass hier mit der etwa erst neun Stunden nach dem Vorfall erstatteten Meldung das vom Gesetz intendierte Zeitlimit bei weitem überschritten wurde.

 

5.2. Die Anhalte- und Meldepflicht setzt einerseits einen Vorfall (Verkehrsunfall) und andererseits ein Wissen (müssen) eines solchen voraus. Dabei ist aber nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich, sondern es genügt – da der Anwendungsbereich des § 4 StVO in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist (§ 5 VStG) – wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (siehe Pürstl - Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 69 Rn 34, sowie – unter vielen – VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, VwGH 13.2.1991, 90/03/0114 mit Hinweis auf VwGH 9.9.1981, 81/03/0125 u. VwGH 31.1.1986, 85/18/0367).

Da hier letztlich von einem Verkehrsunfall mit Sachschaden nicht ausgegangen werden kann, war das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten. 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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