Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400730/20/WEI/Ps

Linz, 06.11.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des A B, geb., Staatsangehöriger des K M, vertreten durch Mag. Dr. W F, Mag. Dr. B G, Mag. U N, Rechtsanwälte in L, G, vom 22. August 2005 wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids und Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding nach Aufhebung des h. Erkenntnisses vom 6. Oktober 2005 durch den Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt:

 

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und es wird der Bescheid des Bezirkshauptmanns von Schärding vom 8. August 2005, Zl. Sich 40-8031, im Spruchpunkt II betreffend die Schubhaftanordnung und die Anhaltung in Schubhaft vom 12. bis 23. August 2005 für rechtswidrig erklärt.

 

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 673,80 Euro (darin enthalten 13 Euro Eingabengebühr) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 72 Abs 1, 73 Abs 2 und 4 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 (BGBl Nr. 75/1997 idF BGBl I Nr. 134/2002) iVm §§ 67 c, 79a AVG 1991 und UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Oö. Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden Sachverhalt aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (Bf), ein Staatsangehöriger des K M, hat laut Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung seit 1993 in Österreich gelebt und war immer wieder als Arbeiter bei verschiedenen Arbeitgebern gemeldet. Vor seiner Verhaftung am 3. Mai 2003 war er ohne Beschäftigung und bezog eine Sozialhilfe von 18 Euro täglich (vgl Urteil des LGfStr Wien vom 23.9.2003; Zl. 31 E Hv /03y). Seine Ehefrau und ein Kind, für die er sorgepflichtig ist, leben in M. Er hatte vom Magistrat Wien eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck mit Gültigkeit bis 30. Jänner 2003 erhalten und brachte zuletzt unter Vorlage seines Reisepasses einen Verlängerungsantrag am 3. Jänner 2003 ein, über den fremdenbehördlich offenbar nicht entschieden wurde. Seinen Hauptwohnsitz hatte er seit 30. Jänner 2003 vorübergehend nach M, P, in den Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung verlegt. Nach Mitteilung und Aktenübersendung der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. Juli 2003, Zl. III-1083289/FrB/03, befand sich der Bf dann seit 4. Mai 2003 in der Justizanstalt Wien-Josefstadt in Untersuchungshaft. Nach Überstellung aus der Justizanstalt Wien/Josefstadt war der Bf seit 7. Oktober 2003 in der Justizanstalt Suben zwecks Verbüßung von Freiheitsstrafen auf Grund dreier Verurteilungen gemeldet. Das errechnete Strafhaftende wäre der 3. Februar 2006 gewesen. Für 12. August 2005 war eine bedingte Entlassung aus der Strafhaft vorgesehen.

 

Mit Spruchpunkt II des Bescheids der belangten Behörde vom 8. August 2005 wurde gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ab Beendigung der gerichtlichen Haft angeordnet. Die Polizeiinspektion Suben überstellte daraufhin den Bf im Auftrag der belangten Behörde nach Entlassung aus der Strafhaft am 12. August 2005 von der Justizanstalt Suben in das Polizeianhaltezentrum Wels zum Vollzug der Schubhaft. Mit dem per Telefax übermittelten Schreiben der belangten Behörde vom 23. August 2005 an das Polizeianhaltezentrum Wels wurde die Schubhaft aufgehoben und angeordnet, dass der Bf auf freien Fuß zu setzen ist.

 

1.2. Aus der Aktenlage sind folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen des Bf ersichtlich:

 

1.      Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Oktober 2002, Zl. 34 Hv /02y-49, wurde der Bf wegen der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 15 StGB, der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 StGB, der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs 1 StGB und des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB der Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Die Vorhaft (Untersuchungshaft) vom 16. Juni 2002 bis 8. Oktober 2002 wurde auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

 

2.      Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 13. Dezember 2002, Zl. 38 Hv /01i, wurde der Bf wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1 und 15 Abs 1 StGB, und der Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 StGB, der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB, des Betrugs nach § 146 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Oktober 2002 zu einer auf drei Jahre bedingten Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von weiteren 9 Monaten verurteilt.

 

3.      Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. September 2003, Zl. 31 EHv /03y, wurde der Bf wegen der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des schweren Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt. Gemäß § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO wurden die (teil)bedingten Strafnachsichten der vorangegangenen Strafurteile im Ausmaß von 6 Monaten und 9 Monaten widerrufen.

 

Im Rahmen der Strafbemessung wird im oben zitierten 3. Urteil ausgeführt:

 

            "Da die beiden Vorverurteilungen, welche im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehen und welchen ebenfalls erhebliche Gewalt- und Vermögensdelikte zugrunde lagen und auch die erlittene Haft auf den Beschuldigten keinerlei Eindruck gemacht hatten und er neuerlich in einer rücksichtslosen Art und Weise einschlägig rückfällig wurde, war die verhängte Freiheitsstrafe sowohl tat- als auch schuldangemessen sowie dem Unrechtsgehalt der Tat entsprechend.

            Da der Beschuldigte, wie bereits ausgeführt, die ihm gebotene Resozialisierungschance völlig ungenützt gelassen hat und nach knapp mehr als einem halben Jahr neuerlich einschlägig rückfällig wurde, war der Widerruf der beiden bedingten Urteile zusätzlich zur neuerlichen Verurteilung in jedem Fall geboten, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten."

 

1.3. Mit Spruchpunkt I des Bescheids vom 8. August 2005, Zl. Sich 40-8031, hat die belangte Behörde gegen den Bf ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich erlassen und gleichzeitig die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen. Mit Spruchpunkt II wurde die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Diesen Bescheid übernahm der Bf am 9. August 2005 in der Justizanstalt Suben persönlich und bestätigte den Empfang mit seiner Unterschrift.

 

Begründend führt die belangte Behörde zutreffend aus, dass die unbedingten Freiheitsstrafen auf dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. September 2003 beruhen. Weiters schildert sie den dieser Verurteilung zugrundeliegenden Vorfall näher, bei dem der alkoholisierte Bf in die Wohnung einer alten Frau einstieg, ihr gewaltsam den Mund zuhielt bis sie bewusstlos war, um sie am Schreien zu hindern, und danach aus einer Geldbörse 40 Euro Bargeld stahl.

 

Unter Hinweis auf § 36 Abs 1 und 2 Z 1 FrG 1997 ging die Fremdenbehörde davon aus, dass die Verurteilungen des Bf als bestimmte Tatsachen zu werten sind, die die Annahme rechtfertigen, dass der weitere Aufenthalt des Bf im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Der vom Bf sinngemäß eingewandten Aufenthaltsverfestigung hielt die Fremdenbehörde den Tatbestand des § 35 Abs 3 Z 2 FrG 1997 entgegen, der auch eine Ausweisung erlauben würde, weil der Bf wegen einer im Verhältnis zu seinen Vorverurteilungen einschlägigen Vorsatztat zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist. Gründe für die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach dem § 38 FrG 1997 wurden nicht festgestellt.

 

Zur Interessenabwägung nach § 37 Abs 2 FrG 1997 vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots schwerer wiegen als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bf und seiner Familie, zumal sich seine Gattin und sein Kind in M befinden und seine in Österreich lebenden Geschwister ihm schon früher aus dem "Strudel" hätten helfen können. Eine Ermessensentscheidung zugunsten des Bf habe die belangte Behörde nicht treffen können. Es läge die Vermutung nahe, dass der Bf auch in Zukunft strafgerichtliche Tatbestände in Form von Vermögensdelikten begehen werde, um so seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

 

Das Aufenthaltsverbot wäre auf unbestimmte Zeit auszusprechen gewesen, da der Bf massiv gegen die österreichische Rechtsordnung verstieß und nicht vorhergesehen werden könnte, wann der Grund der Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit wegfalle. Die sofortige Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme läge im Interesse der öffentlichen Ordnung und diene der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Der weitere Verbleib des Bf würde nach Ansicht der belangten Behörde in hohem Maße eine Störung der öffentlichen Ordnung und nationalen Sicherheit bedeuten.

 

Gegen das Aufenthaltsverbot haben die Rechtsvertreter des Bf rechtzeitig die Berufung vom 22. August 2005 an die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich eingebracht, über die noch nicht entschieden wurde.

 

1.4. Mit Schreiben vom 9. August 2005 an die Botschaft von M in Wien hat die belangte Behörde der Konsularabteilung den abgelaufenen Reisepass des Bf, 2 Farbfotos und ein Fingerabdruckblatt zur Kenntnis gebracht und gleichzeitig um Verlängerung der Gültigkeitsdauer oder um Ausstellung eines Heimreisezertifikates zwecks Abschiebung ersucht. Bereits am 11. August 2005 langte ein 30 Tage lang gültiges Heimreisezertifikat der Botschaft des K M bei der belangten Behörde ein.

 

Mit Telefaxeingabe an das Bundesasylamt, EASt-West, Thalham 80, 4880 St. Georgen i.A., vom 19. August brachte der Bf durch seine Rechtsvertreter einen Asylantrag ohne weitere Begründung ein. Am 23. August 2005 fand die asylrechtliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt bei der Erstaufnahmestelle-West in St. Georgen im Attergau statt. Mit Schreiben vom 23. August 2005, Zl. 05 12.820-EAST West, erteilte das Bundesasylamt der belangten Behörde die Information gemäß § 22 AsylG, wonach dem Bf eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 36b AsylG ausgestellt worden sei. Daraufhin wurde die Schubhaft aufgehoben.

 

1.5. Mit Eingabe vom 22. August 2005, eingelangt am 25. August 2005, hat der Bf durch seine Rechtsvertreter Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft erhoben und beantragt, der Oö. Verwaltungssenat möge kostenpflichtig die Rechtswidrigkeit seit 12. August 2005 feststellen.

 

1.6. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0107-14, ho. eingelangt am 5. Oktober 2007, wurde das in dieser Angelegenheit ergangene Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 6. Oktober 2005, Zl. VwSen-400730/WEI/An, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

 

2.1. Begründend kritisiert die Beschwerde, dass dem Schubhaftbescheid in keiner Weise zu entnehmen sei, aus welchen Erwägungen die Schubhaft verhängt wurde. Spruchpunkt II des Bescheides der belangten Behörde vom 8. August 2005 sei völlig unbegründet geblieben und könne daher auch keinen Titel für eine rechtmäßige Haft darstellen. Abgesehen davon, dass eine begründungslose Haftverhängung selbst dann rechtswidrig wäre, wenn Haftgründe vorlägen, bestünde im Fall des Bf nicht einmal die Notwendigkeit der Schubhaft. Der Bf besitze einen Befreiungsschein und könne sofort einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Seine Brüder und eine Schwester lebten in V, wo er jederzeit Quartier nehmen könnte.

 

Im Übrigen hätte der Bf seit 1993 ständig einen Aufenthaltstitel besessen und zuletzt im Jahr 2003 beim Magistrat Wien rechtzeitig um Verlängerung der Niederlassungsbewilligung angesucht, so dass sein Aufenthalt gemäß § 31 Abs 4 FrG 1997 immer noch rechtmäßig wäre. Es hätte daher iSd § 61 Abs 1 letzter Satz FrG 1997 einer besonderen Begründung bedurft, um die Schubhaft überhaupt zulässig machen zu können.

 

Zumindest wären die Voraussetzungen zur Anwendung gelinderer Mittel nach § 66 FrG 1997 vorgelegen. Insbesondere hätte dem Bf die Weisung erteilt werden können, sich bei seinen Geschwistern aufzuhalten und regelmäßig bei einer bekannt zu gebenden Sicherheitsdienststelle zu melden. Es hätte ihm auch aufgetragen werden können, einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen. Damit hätte sichergestellt werden können, dass sich der Bf einer allfälligen Abschiebung nicht entziehen könnte.

 

Insgesamt zeige sich, dass auch aus materiellen Überlegungen die Schubhaft unzulässig gewesen sei und auch der UVS nicht deren Rechtmäßigkeit aussprechen dürfe.

 

2.2. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat Aktenteile im Telefaxweg am 26. August 2005 übermittelt und darauf hingewiesen, dass der Originalakt auf Grund der Berufung gegen das Aufenthaltsverbot der Sicherheitsdirektion vorgelegt worden ist. Der Bf sei nach Zuerkennung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung unverzüglich auf freien Fuß gesetzt worden.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat den Fremdenakt im Original von der Sicherheitsdirektion zur näheren Klärung der Sachlage beigeschafft.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Verwaltungsakten festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der wesentliche Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 72 Abs 1 FrG 1997 von dem angerufen werden, der gemäß § 63 FrG 1997 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf das Fremdengesetz 1997 angehalten wird oder wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 73 Abs 4 FrG 1997).

 

Der Bf wurde am 12. August 2005 zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen und am 23. August 2005 wieder enthaftet. Seine am 25. August 2003 eingelangte Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids und Anhaltung in Schubhaft ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 61 Abs 1 FrG 1997 können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 61 Abs 2 FrG 1997 grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides nicht bloß kurzfristig aus anderem Grund in Haft.

 

Im aufgehobenen Erkenntnis vom 6. Oktober 2005 führte der Oö. Verwaltungssenat zur Begründung seiner Entscheidung aus:

 

"4.3. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 8. August 2005 im Spruchpunkt I ein Aufenthaltsverbot unter Ausschluss der aufschiebenden Wirkung und im Spruchpunkt II die Schubhaft gegen den Bf angeordnet. Diese Vorgangsweise mag ungewöhnlich und unzweckmäßig sein, unzulässig erscheint sie dem Oö. Verwaltungssenat aber nicht. Dass die Behörde in der Begründung zwischen den Spruchpunkten nicht näher unterschied und in der Hauptsache zum Aufenthaltsverbot ausführte, bedeutet entgegen der Ansicht der Beschwerde noch keine vollkommen "begründungslose Haftverhängung", sondern bloß einen formellen Begründungsmangel. Da die Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht auch der Begründung des Schubhaftbescheids dienen, kommt dem Begründungsmangel aber nicht jene Bedeutung zu, die offenbar der Beschwerde vorschwebt. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist der unabhängige Verwaltungssenat nicht gehalten, einen Schubhaftbescheid schon deshalb für rechtswidrig zu erklären, weil seine Begründung nicht den Erfordernissen des § 60 AVG genügt (vgl VwGH 24.2.1995, Zl. 95/02/0019).

 

4.4. Die Beschwerde verweist an sich zutreffend auf einen rechtzeitigen Antrag des Bf auf Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung im Jahr 2003. Daraus folge der rechtmäßige Aufenthalt des Bf gemäß § 31 Abs 4 FrG 1997, weshalb es einer besonderen Begründung für die Schubhaft bedurft hätte. Da nach der Aktenlage der Magistrat Wien nicht über den Verlängerungsantrag entschieden hat, scheint sich der Bf zunächst einmal auf § 31 Abs 4 FrG 1997 berufen zu können, der bis zur rechtskräftigen Entscheidung ein Aufenthaltsrecht zubilligt.

 

Der Bf übersieht mit seiner Argumentation allerdings, dass mit Spruchpunkt I des Bescheids vom 8. August 2005, zugestellt am 9. August 2005, ein sofort durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist. Im Zeitpunkt der Inschubhaftnahme des Bf nach Entlassung aus der Strafhaft am 12. August 2005 bestand demnach ein rechtswirksamer Titel zur Aufenthaltsbeendigung. Gemäß § 40 Abs 2 FrG 1997 hat der Fremde im Falle eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbots unverzüglich auszureisen. Dies gilt auch dann, wenn er sich bis zum Ausspruch des Aufenthaltsverbotes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt (arg § 45 Abs 4 FrG 1997).

 

Der Bf hat zwar in der rechtsfreundlich eingebrachten Berufung gegen das Aufenthaltsverbot auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bekämpft. Die Anfechtbarkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bedeutet aber nicht, dass einem Rechtsmittel gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung seinerseits aufschiebende Wirkung zukommt. Diese Annahme widerspräche dem Sinn eines Ausspruchs nach § 64 Abs 2 AVG (vgl näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003], E 13a und E 13c zu § 64 AVG).

 

Im Übrigen sind die Ausführungen der Beschwerde auch deshalb nicht stichhältig, weil schon gemäß § 16 Abs 2 FrG 1997 Einreise- und Aufenthaltstitel ungültig werden, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar wird. Ab diesem Zeitpunkt kann demnach von einem rechtmäßigen Aufenthalt keine Rede mehr sein.

 

4.5. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der unabhängige Verwaltungssenat im Rahmen einer Schubhaftbeschwerde nur gehalten ist, zu prüfen, ob das für die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung eine (mittelbare) Tatbestandswirkung erzeugende Aufenthaltsverbot nach wie vor aufrecht ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 08.09.1995, Zl. 95/02/0220). Trifft dies zu, ist der unabhängige Verwaltungssenat an das Bestehen gebunden und hatte auch davon auszugehen (VwGH vom 26.01.1999, Zl. 96/02/0548). Dies gilt in gleicher Weise auch für das Bestehen einer mittelbare Tatbestandswirkung erzeugenden Ausweisung, für deren Erlassung ein eigenständiges fremdenrechtliches Administrativverfahren vorgesehen ist. Der unabhängige Verwaltungssenat hat die Rechtmäßigkeit jenes vollstreckbaren Bescheides, mit dem ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung verfügt wurde, nicht zu prüfen (vgl VwGH vom 23.3.1995, Zl. 92/18/0423).

 

Da der Oö. Verwaltungssenat keine inhaltliche Prüfung vorzunehmen hatte, war bereits für den Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft von einem durchsetzbaren Aufenthaltsverbot der belangten Behörde auszugehen. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsverbots samt Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung bleibt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vorbehalten.

 

4.6. Wie sich aus den fremdenbehördlichen Verwaltungsakten ergibt, wollte der Bf weiterhin in Österreich leben und einer Beschäftigung nachgehen. In seiner am 19. April 2005 bei der belangten Behörde eingelangten Stellungnahme brachte er vor, dass er die Gebräuche und Sitten in Österreich kennen gelernt und danach gelebt hätte und nun nach seiner Strafhaft noch einmal bestraft werden und das Land verlassen sollte. Dabei müsste er in eine fremde Kultur (gemeint: seine Heimat M) zurückkehren. Seine Geschwister wären in Österreich mittlerweile sehr heimisch und könnten ihm helfen. Der Kontakt zu seiner in M lebenden Frau und dem Kind wäre nicht mehr so harmonisch. In Österreich könnte er aber leichter für seine Familie sorgen, da er hier mehr verdiene als in seiner Heimat. Er ersuchte daher um noch eine Chance und um Abstandnahme von der Abschiebung und einem Aufenthaltsverbot.

 

Demnach steht außer Zweifel, dass der Bf nicht bereit gewesen wäre auszureisen. Nach den aktenkundigen Umständen konnte die belangte Behörde von vornherein davon ausgehen, dass der Bf seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nicht nachgekommen wäre. Es war nach seinem gesamten bisherigen Fehlverhalten auch nicht anzunehmen, dass er sich den angeordneten fremdenrechtlichen Maßnahmen beugen werde. Die Schwere der begangenen Straftaten, die Außerachtlassung der Resozialisierungschance nach den ersten beiden (teil)bedingten Verurteilungen trotz Hafterfahrung von drei Monaten(!) sowie der rasche Rückfall nach knapp einem halben Jahr (vgl Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. September 2003, Zl. 31 EHv /03y) ließen befürchten, dass sich der bisher unbelehrbare Bf auf freiem Fuß dem Zugriff der Fremdenbehörden entziehen werde. Ausreiseunwilligkeit rechtfertigt jedenfalls die Verhängung der Schubhaft (vgl VwGH 5.9.1997, Zl. 96/02/0568).

 

Entgegen den Behauptungen der Schubhaftbeschwerde zur Anwendung gelinderer Mittel spricht das Gesamtverhalten des Bf für sich und gegen seine Vertrauenswürdigkeit. Der Oö. Verwaltungssenat hält unter den gegebenen Umständen, die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft mit gelinderen Mittel erreicht hätte werden können, für nicht diskutabel. Da es für die belangte Behörde nur darum ging den Bf, dessen Verurteilungen auf eine erhebliche kriminelle Neigung schließen ließen, möglichst rasch außer Landes zu schaffen und bereits am 11. August 2005 ein 30 Tage gültiges Heimreisezertifikat der Botschaft von M eingelangt war, sprach alles dafür, den Bf am 12. August 2005 in Schubhaft zu nehmen, um ihn kurzfristig abschieben zu können.

 

Der Bf hat dann während aufrechter Schubhaft überraschend einen Asylantrag gestellt und es wurde ihm schließlich anläßlich der asylrechtlichen Einvernahme am 23. August 2005 die Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 36b AsylG 1997 ausgestellt. Gleich nach der Verständigung davon hat die belangte Behörde den Bf auf freien Fuß gesetzt, zumal im Hinblick auf die vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung mit einer raschen Abschiebung nicht mehr gerechnet werden konnte (vgl § 19 Abs 2 AsylG 1997 idFd AsylG-Novelle 2003, BGBl I Nr. 101/2003)."

 

4.3. Mit dem nunmehr ergangenen Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0107, hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. beanstandet, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 8. August 2005 in Bezug auf die Voraussetzungen der Schubhaft keine Begründung, insbesondere zum Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit keine argumentativen Überlegungen enthält. Der Verwaltungsgerichtshof legt dazu seine Rechtsansicht wie folgt dar:

 

            "2. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass ein die Schubhaft anordnender Bescheid einer den Erfordernissen der §§ 58, 60 AVG entsprechenden Begründung bedarf. Soweit die Ausführungen der belangten Behörde Gegenteiliges zu unterstellen scheinen, hat das keine gesetzlichen Grundlage. In dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis wurde vielmehr fallbezogen nur die Relevanz eines allfälligen Begründungsmangels verneint.

 

            3. Entgegen der Meinung der belangten Behörde genügt diesen Anforderungen nicht, dass 'die Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht auch der Begründung des Schubhaftbescheides dienen', weil dem Bescheid der BH weder zu entnehmen ist, welchen Sachverhaltselementen auch für die Schubhaftanordnung maßgebliche Bedeutung zukommen soll, noch erkennbar ist, welche rechtlichen Schlüsse daraus zu folgern wären. Vielmehr bewirkt das gänzliche Fehlen nachvollziehbarer Begründungselemente zur Rechtfertigung des angeordneten Freiheitsentzuges dessen Rechtswidrigkeit. Das wäre von der belangten Behörde wahrzunehmen gewesen, was sie in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat."

 

Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof seiner jüngeren Judikatur zur Frage des Sicherungsbedarfs folgende Rechtsansichten bekräftigt:

 

            "4. Überdies ist auch die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung rechtlich verfehlt, die bloße Ausreiseunwilligkeit erlaube jedenfalls die Schubhaftverhängung. Demgegenüber vermag nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland, die allerdings in einem mängelfreien Verfahren abzuklären und nachvollziehbar zu begründen wäre, bejaht werden könnte (vgl. das Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2005/21/0381, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0301). Schließlich hat der Verwaltungsgerichthof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu dem den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten allein nichts zu gewinnen ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081; siehe zum, Ganzen zuletzt das ebenfalls zum FrG ergangene Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2004/21/003)."

 

4.4. In Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs ist zunächst auf Grund des Fehlens nachvollziehbarer Begründungselemente zur Schubhaftverhängung die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 8. August 2005 in seinem Spruchpunkt II betreffend Anordnung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung festzustellen.

 

Außerdem genügen nach der bindenden Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die vom Oö. Verwaltungssenat aus den strafgerichtlichen Verurteilungen des Bf abgeleiteten Argumente ebenso wenig wie das Vorliegen seiner Ausreiseunwilligkeit, um beim gegebenen Sachverhalt von einem notwendigen Sicherungsbedarf sprechen zu können. Es waren daher sowohl die Verhängung der Schubhaft mit Bescheid vom 8. August 2005 (Spruchpunkt II) mit Wirkung ab der Entlassung des Bf aus der gerichtlichen Strafhaft als auch die Anhaltung in Schubhaft vom 12. bis 23. August 2008 nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht zu rechtfertigen und für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bf als der obsiegenden Partei (vgl § 79a Abs 2 AVG) gemäß dem § 79a Abs 5 AVG iVm § 1 Z 1 der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) antragsgemäß der notwendige Schriftsatzaufwand in Höhe von 660,80 Euro zuzüglich der vom Bf zu entrichtenden Eingabengebühr (§ 79a Abs 4 Z 1 AVG) von 13 Euro für die Beschwerde, insgesamt daher 673,80 Euro, zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl. zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 13 Euro für die Schubhaftbeschwerde angefallen. Der Betrag wurde bereits entrichtet.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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