Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310329/3/Kü/Hu

Linz, 25.10.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Berufung des Herrn H W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. C S, K, W, vom 11. Mai 2007 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 26. April 2007, Zl. UR96-12-2006, wegen Übertretungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002  zu Recht erkannt:

 

I.                   Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:     § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1.    Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 26. April 2007, Zl. UR96-12-2006, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen zwei Verwaltungsübertretungen nach § 79 Abs.1 Z1 iVm § 15 Abs.1 und § 1 Abs.3 Z1, 2, 3, 4 und 5 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 jeweils Geldstrafen von 3.630 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit jeweils Ersatzfreiheitsstrafen von 34 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis lag folgender Tatvorwurf zugrunde:

„Der Beschuldigte, Herr H W, geb. …, wh. L, S, hat es als gemäß § 26 Abs.3 in Verbindung mit § 9 VStG 1991 verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher abfallrechtlicher Geschäftsführer der „P GmbH“ im Standort L, W, zu vertreten, dass, wie anlässlich einer behördlichen Überprüfung am 8. September 2006 auf dem Firmengelände der Firma P GmbH, nachstehende Übertretungen festgestellt wurden:

1.      Im Bereich der befestigten Freiflächen vor den Lagerboxen 2 und 3 waren zum Zeitpunkt des Lokalaugenscheines rund 3 bis 4 m³ Schlämme aus Abwasserbehandlung, Schlüsselnummer 94801, unter freiem Himmel unsachgemäß zwischengelagert.

2.      Auf der befestigten Freifläche waren drei oben offene Containermulden, Fassungsvermögen ca. 10 m³, mit Schlämmen unbekannter Herkunft (gefährliche Abfälle) befüllt, unsachgemäß zwischengelagert. (Diese Containermulden trugen keine Beschriftung hinsichtlich Inhalt, Gefährlichkeit und Schlüsselnummer, usw. außerdem wies eine dieser Containermulden in Bodennähe Undichtheiten auf, sodass daraus Flüssigkeit austrat und entlang der befestigten Freifläche abfloss. Erkennbar war dies, indem die dabei eingetretenen Bodenkontaminationen bereits mit Chemikalienbindemittel behandelt wurden)“.

 

Begründend wurde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen, des Verfahrensganges und der Wiedergabe der Zeugenaussagen ausgeführt, dass die Behörde aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens zur Ansicht gelangt sei, dass der Beschuldigte nicht glaubhaft machen habe können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden treffe. Ein fahrlässiges Verhalten könne daher ohne Zweifel angenommen werden. Rechtswidrigkeit sei aufgrund der Ausführungen im Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom
8. September 2006 betreffend die an diesem Tag erfolgte Überprüfung der Betriebsanlage der Firma P GmbH am Standort L, W, als erwiesen anzunehmen.

 

Rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten mache strafbar, es sei denn, es liege ein Rechtswidrigkeits- bzw. Schuldausschließungsgrund vor. Aufgrund des von der Behörde festgestellten Sachverhaltes liege somit Rechtswidrigkeit als auch Verschulden durch den Beschuldigten vor. Rechtswidrigkeit sei insofern gegeben, als der vom Beschuldigten verwirklichte, erwiesene Sachverhalt einen rechtswidrigen Tatbestand erfülle.

 

Nach Abwägung der erschwerenden und mildernden Umstände sowie Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse erscheine der Behörde der festgelegte Strafbetrag als angemessen, zumal es sich bei den verhängten Strafen um die im Abfallwirtschaftsgesetz für die begangenen Taten festgesetzte Mindeststrafe handle, und ausreichend, dem Gesetzesübertreter eine entsprechende Präventionswirkung spürbar zu machen.

 

2.    Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter des Bw eingebrachte Berufung, mit der das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt und Umfang nach angefochten wird und als Gründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens und urnichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht würden.

 

Das erstinstanzliche Verfahren ließe fundamentale Grundsätze eines fairen Verfahrens außer Betracht, nämlich das Recht auf rechtliches Gehör und das Recht auf Entlastungszeugen. Die Erstbehörde habe von sich aus weitere Zeugenbefragungen durchgeführt, ohne dem Bw die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen und habe weiters keinen einzigen der von Seiten des Bw namhaft gemachten Zeugen befragt, sodass das Verfahren schon aus diesem Grund äußerst mangelhaft geblieben sei.

 

Der Vorhalt zum angeblichen Delikt 1. laute auf unsachgemäße Zwischenlagerung und damit gleich wie beim Delikt 2. In Klammer würde dann hinzugefügt, dass die Container keine Beschriftung getragen hätten, was aber keinesfalls als unsachgemäße Zwischenlagerung bezeichnet werden könne. Der Bw könne aber auch diesen Punkt dahingehend entkräften, dass die Container ordnungsgemäß beschriftet gewesen wären und zwar mittels eines, an den Containerohren mittels Kabelbinder befestigten Schildes. Als die Container mit dem Lkw aus der Box gehoben worden seien, seien die Beschilderungen naturgemäß abgerissen, seien aber unverzüglich nach der Rückbringung in die Boxen wieder angebracht worden.

 

Vorsichtshalber würde auch eingewendet, dass eine Beschriftung gar nicht Vorschrift gewesen wäre, zumal Schlämme keinen gefährlichen Abfall darstellen würden.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit Schreiben vom 6. Juni 2007 die Berufung samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt.

 

Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, bestehend aus drei Mitgliedern, berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

 

5.        Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 15 Abs.1 AWG 2002, BGBl I Nr. 102/2002 idF BGBl I Nr. 34/2006, sind bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen

1. die Ziele und Grundsätze des § 1 Abs.1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs.3) zu vermeiden.

 

§ 1 Abs.3 AWG 2002 lautet:

Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,

3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9. Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können.

 

Gemäß § 79 Abs.1 Z1 AWG 2002 begeht, wer gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs.1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs.1 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs.2 vermischt oder vermengt – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 730 Euro bis 36.340 Euro zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 3.630 Euro bedroht.

 

5.2. Nach § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet u.a. die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch des Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw. Der Vorschrift des § 44a Z1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe dazu Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 1521).

 

Dass es im Bescheidspruch zufolge der Z1 des § 44a VStG der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (siehe dazu Hauer/Leukauf, aaO, S.1522).

 

5.3. Die Individualisierung des Schuldspruchs nach § 79 Abs.1 Z1 iVm § 15 Abs.1 AWG 2002 erfordert, dass der Spruch auch jene Tatumstände enthalten muss, die eine Beurteilung dahingehend zulassen, ob die am Betriebsgelände vorgefundene Situation geeignet ist, die im § 1 Abs.3 AWG 2002 genannten Interessen zu beeinträchtigen. Nur bei entsprechender Beschreibung dieser Tatumstände ist dem Erfordernis des § 44a Z1 VStG entsprochen.

Nachzuweisen sind zum Beleg der Beeinträchtigung die konkreten Umstände des Einzelfalles und ihre Auswirkungen, welche zur Gefährdung der erwähnten Schutzgüter des § 1 Abs.3 AWG 2002 führen (Piska, Das Recht des Abfallmanagements, Band 2 Abfallbehandlungsrecht S. 56).

 

Sowohl dem Spruchabschnitt 1. als auch dem Spruchabschnitt 2. des gegenständlichen Straferkenntnisses ist jedenfalls nicht zu entnehmen, zu welcher konkreten Gefährdung der öffentlichen Schutzgüter des § 1 Abs.3 AWG 2002 es gekommen ist. Die Erstinstanz wirft dem Bw eine unsachgemäße Zwischenlagerung unter freiem Himmel vor bzw. wird im Spruchabschnitt 2. in der Klammer darauf hingewiesen, dass die Containermulden keine Beschriftung getragen haben und in Bodennähe Undichtheiten aufgewiesen haben, sodass Flüssigkeit austrat und entlang der befestigten Freifläche abfloss, erkennbar sei dies aufgrund der eingetretenen Bodenkontaminationen gewesen. Entsprechend den Ermittlungsergebnissen waren die Abfälle auf der befestigten Fläche am Betriebsgelände der P GmbH im Freien gelagert. Allein durch den Umstand, dass Containermulden keine Beschriftung getragen haben bzw. Undichtheiten der Container aufgetreten sind, kann im Hinblick darauf, dass es sich um eine befestigte Lagerfläche gehandelt hat, noch nicht auf die Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen geschlossen werden. In keiner Weise ist im Ermittlungsverfahren festgestellt worden, welchem konkreten Interesse des § 1 Abs.3 AWG 2002 zuwider gehandelt wurde, welche Gefährdungen oder unzumutbaren Belästigungen anzunehmen sind bzw. welche konkreten Gefahren und Beeinträchtigungen für die geschützten Rechtsgüter davon ausgegangen sind. In den zitierten Rechtsvorschriften des Straferkenntnisses wird auf Interessen nach § 1 Abs.3 Z1, 2, 3, 4 und 5 AWG 2002 verwiesen, welche allerdings in der Beschreibung der Tat keinen Niederschlag finden. Insofern ist davon auszugehen, dass der Tatvorwurf nicht den in § 44a Z1 VStG enthaltenen Kriterien entspricht.

 

Der festgestellte Sachverhalt lässt vielmehr den Schluss zu, dass die P GmbH mit der Art und Weise der Schlammlagerung auf Freiflächen dem abfallrechtlichen sowie gewerberechtlichen Anlagenkonsens, der ausschließlich eine Lagerung dieser Abfälle in loser Schüttung in den Lagerboxen vorsieht, nicht entsprochen hat. Diese Übertretung des Anlagenkonsenses wurde allerdings dem Bw innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht zur Last gelegt. Insgesamt bedeutet dies, dass aufgrund der zwischenzeitig eingetretenen Verfolgungsverjährung dem Bw weder ein dem § 44a Z1 VStG entsprechender Tatvorwurf angelastet werden kann noch der vorgefundene Sachverhalt unter eine andere Strafbestimmung subsumiert werden könnte. Aus diesen Gründen war daher der Berufung Folge zu geben, das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

 

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