Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280996/38/Kl/Pe

Linz, 06.11.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn Ing. F G, vertreten durch W/K & Partner Rechtsanwälte GmbH, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16.4.2007, Ge96-47-2006, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnen­schutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 12.7.2007 zu Recht erkannt:

 

 

I.     Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II.    Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind 1.080 Euro zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 16.4.2007, Ge96-47-2006, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen in zehn Fällen in der Höhe von insgesamt 5.400 Euro sowie Ersatzfreiheitsstrafen wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 87 Abs.2 bzw. § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) iVm §§ 118 Abs.3 und 130 Abs.5 Z1 ASchG verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ der G H G & M GmbH mit dem Sitz in, gemäß § 9 VStG zu verantworten hat, dass – wie durch das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten im Zuge einer Überprüfung festgestellt wurde – am 24.8.2006 auf der Baustelle in,

A)   die im Bau- und Zimmermeisterbetrieb der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer

1.    M K und

2.    H F

mit Arbeiten auf dem Flachdach des Stiegenhauses zur Herstellung der Folienabdichtung beschäftigt waren, wobei von dem Dach (Dachoberkante oberhalb des Hauseinganges) Absturzgefahr über eine Höhe von ca. 8 m bestand, die Dachneigung ca. 2° betrug und keinerlei Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden waren, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von bis 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m Absturzsicherungen (tragsichere und unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen oder Umwehrungen [Geländer] an den Absturzkanten), Abgrenzungen (stabile Abgrenzungen durch Brustwehren aus Holz, Metallrohr, gespannten Seilen oder Ketten) oder Schutzeinrichtungen (zum Auffangen abstürzender Personen und Materialien wie Fanggerüste oder Auffangnetze, Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden) vorhanden sein müssen;

B)   die im Bau- und Zimmermeisterbetrieb der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer

1.    M K und

2.    H F

als Zugang auf das Dach eine Leiter von der Decke über dem Obergeschoss (Terrasse) benützten, wobei die Leiter auf dem straßenseitigen Teil der Decke aufgestellt war und von der straßenseitigen Deckenkante Absturzgefahr über eine Höhe von 6 m auf die Kellerdecke bestand und keinerlei Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden waren, obwohl bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (tragsichere und unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen oder Umwehrungen [Geländer] an den Absturzkanten), Abgrenzungen (stabile Abgrenzungen durch Brustwehren aus Holz, Metallrohr, gespannten Seilen oder Ketten) oder Schutzeinrichtungen (zum Auffangen abstürzender Personen und Materialien wie Fanggerüste oder Auffangnetze, Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden) vorhanden sein müssen;

C)   die im Bau- und Zimmermeisterbetrieb der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer

1.    M K und

2.    H F

auf der Decke über dem Obergeschoss Arbeiten verrichteten, wobei sich in dieser Decke die Öffnung für die (noch zu montierende) Stiege mit einem Restquerschnitt von ca. 1 x 2 m befand, durch diese Öffnung Absturzgefahr über eine Höhe von ca. 6 m bis ins Erdgeschoss bzw. bis zur Kellerstiege bestand und diese Öffnung weder tragsicher und verschiebbar abgedeckt war noch dort sonst geeignete Maßnahmen gegen Absturz getroffen wurden, obwohl bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (tragsichere und unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen oder Umwehrungen [Geländer] an den Absturzkanten), Abgrenzungen (stabile Abgrenzungen durch Brustwehren aus Holz, Metallrohr, gespannten Seilen oder Ketten) oder Schutzeinrichtungen (zum Auffangen abstürzender Personen und Materialien wie Fanggerüste oder Auffangnetze, Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden) vorhanden sein müssen;

D)   die im Bau- und Zimmermeisterbetrieb der Gesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer

1.    M K,

2.    H F,

3.    W M und

4.    H Z

als Zugang in das Objekt die Terrassentür im Erdgeschoss benützten, wobei von der Terrasse (Decke über dem Kellergeschoss) bei der straßenseitigen Deckenkante oberhalb der Garageneinfahrt Absturzgefahr über eine Höhe von ca. 3 m auf das angrenzende Gelände bestand und in diesem Bereich keinerlei Absturzsicherungen oder Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht waren, obwohl bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (tragsichere und unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen oder Umwehrungen [Geländer] an den Absturzkanten), Abgrenzungen (stabile Abgrenzungen durch Brustwehren aus Holz, Metallrohr, gespannten Seilen oder Ketten) oder Schutzeinrichtungen (zum Auffangen abstürzender Personen und Materialien wie Fanggerüste oder Auffangnetze, Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden) vorhanden sein müssen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis hinsichtlich der Schuld und der Strafe bekämpft. Es wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses bzw. das Absehen von der Strafe beantragt. Begründend wurde dargelegt, dass vor dem Einsatz auf der Baustelle der Ablauf mit dem Polier M, dem Projektleiter E und dem Berufungswerber durchbesprochen worden sei. In diesem Zusammenhang seien auch die Montage der Sicherheitsvorkehrungen, die gemäß Schreiben des Arbeitsinspektorates vom 10.8.2006 und den Vorschriften des ASchG auf der Baustelle zu erbringen sind, durchgegangen und seitens des Berufungswerbers angeordnet worden, dass diese Sicherheitsvorkehrungen lückenlos zu erfüllen sind. Zu Arbeitsbeginn am 22.8.2006 ab 8.30 Uhr sei der Berufungswerber mit dem Polier auf der Baustelle gewesen und habe die Bergung der beschädigten Teile und die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen und die Punkte des Schreibens vom 10.8.2006 nochmals durchbesprochen, und es sei mit möglichen Sicherungsmaßnahmen begonnen worden. Der Berufungswerber sei bis 13.00 Uhr auf der Baustelle gewesen und waren die Bergungs- und Demontage­arbeiten im Gange. Der ursprüngliche Montagetermin sei Montag, 21.8.2006 gewesen, dieser Termin sei auf 22.8.2006 verschoben worden, wobei dieser Termin nicht weitergegeben worden sei, sodass die Gerüstfirma schon am 21.8.2006 auf der Baustelle erschienen und weggeschickt worden sei. Die weitere Montage erfolgte mit Sicherheitsseilen, da das Gerüst erst am 24.8.2006 montiert werden sollte. Auf dem Galeriedach sei zwei bis drei Stunden gearbeitet worden, teilweise sei auf der Obergeschossdecke die Dachpappe gelegt worden. Das Herstellen einer provisorischen Absturzsicherung wäre ein größeres Risiko gewesen und sei das Risiko und der Arbeitsaufwand für eine Abschrankung in keinem Verhältnis gewesen. Bei den Treppen und für die auskragende Kellerdecke sei gerade die beanstandete Absicherung montiert worden. Der nächste Baustellenbesuch des Berufungswerbers sei für 24.8.2006 eingeplant gewesen. Die verwendeten Arbeiter seien äußerst versierte Mitarbeiter mit langjähriger Erfahrung. Für die Projektbetreuung vor Ort seien jeweils drei ausgebildete Zimmermeister und ein Projektleiter, der in Kürze die Zimmermeisterprüfung ablegt, zuständig gewesen. Die zum Zeitpunkt der Kontrolle durchgeführten Arbeiten seien keineswegs gefährlich gewesen. Es seien unvorhergesehene Umstände, nämlich die Terminverschiebung der Gerüstung ursächlich gewesen, dass bei der Kontrolle nicht schon alles den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hätte. Dem Berufungswerber sei kein Verschulden anzulasten, da er versierte und zuverlässige Personen eingesetzt habe und ein ausreichendes Kontrollsystem eingerichtet worden sei. Eine Sorglosigkeit des Berufungswerbers sei nicht gegeben. Weiters sei die verhängte Geldstrafe nicht tat- und schuldangemessen. Es sei nicht berücksichtigt, dass der Berufungswerber für die Gattin und ein Kind sorgepflichtig sei. Auch sei gegebenenfalls das Verschulden nur geringfügig, sodass es eines Strafausspruches nicht bedurft hätte.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12.7.2007, zu welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter sowie die belangte Behörde und das zuständige Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten geladen wurden und erschienen sind. Weiters wurden die Zeugen Ing. R S, M K, W M und M E geladen und einvernommen. Der weiters geladene Zeuge H F ist nicht erschienen; die Ladung wurde nicht behoben.

 

4.1. Vom Berufungswerber wurde weder im Verfahren erster Instanz noch vor dem Oö. Verwaltungssenat der Sachverhalt bestritten. Aufgrund der im erstinstanzlichen Akt aufliegenden Fotos sowie der Zeugenaussagen und Stellungnahmen des Berufungswerbers ist daher erwiesen, dass die Bauarbeiten am 22.8.2006 wieder begonnen wurden, am 23.8.2006 fortgesetzt wurden und auch am 24.8.2006, an welchem die Kontrolle durchgeführt wurde, Bauarbeiten durchgeführt wurden. Konkret wurden Aufräumarbeiten bzw. die Bergung der abgestürzten Teile vorgenommen. Die Gerüstefirma sollte am 23.8.2006 nachmittags kommen, ist aber erst am 24.8.2006 erschienen. Zu Beginn der Arbeiten am 22.8.2006 wurde vom Berufungswerber mit dem Polier W M eine Einsatzbesprechung durchgeführt, bei welcher die Arbeiten festgelegt wurden, nämlich dass Aufräumarbeiten und der Weiterbau durchgeführt wird. Dies war vormittags. Am 23.und 24.8.2006 befand sich der Berufungswerber nicht auf der Baustelle. Für die Baustelle verantwortliche Personen waren der Projektleiter und der Polier. Zum Kontrollzeitpunkt am 24.8.2006 wurden die namentlich angeführten Arbeitnehmer mit Bauarbeiten, die im Straferkenntnis unter Punkt A) bis D) vorgeworfen wurden, beschäftigt. Es ist erwiesen, dass zum Tatzeitpunkt Absturzsicherungen nicht vorhanden waren. Die Gerüstebaufirma war gerade mit dem Anliefern des Gerüstes und dem Beginn des Eingerüstens beschäftigt. Sicherheitseile und Sicherheitsgurte wurden von den Arbeitnehmern am Dach nicht getragen. Der Polier gab Anweisung, eine Schutzfolie auf das Flachdach aufzubringen. Für den 24.8.2006 war das Einziehen der Stiege vorgesehen und wurde dies vom Erdgeschoss aus begonnen. Gleichzeitig mit den Absicherungsmaßnahmen durch die Gerüstefirma am 24.8.2006 sollte auch die Absicherung nach innen vorgenommen werden. Sicherheitsseile waren auf der Baustelle nicht vorhanden, weil diese am Vortag zur Kontrolle in die Firma mitgenommen wurden. Der Polier hat 25 bis 30 Jahre Erfahrung im Zimmereigewerbe und ist ca. 8 Jahre beim Unternehmen beschäftigt. Der Arbeitnehmer F ist Leasingarbeiter und war bereits 5 bis 6 Jahre bei der Firma tätig. Der Projektleiter hat die Baustelle von einem Kollegen übernommen, er hatte sie weder am 21., 22., 23. oder 24.8.2006 besucht. Die Besprechung am 22.8.2006 fand ohne ihn zwischen dem Polier und dem Berufungswerber statt, wobei die Sicherungsmaßnahmen wie die Eingerüstung festgelegt wurden. Je nach Größe der Baustelle kommt der Berufungswerber fünf- bis sechsmal vorbei. Sicherheitseinrichtungen werden nach Baufortschritt von den Projektleitern organisiert und mit dem Polier besprochen. Im gegenständlichen Fall allerdings hat der Polier die Sicherheitseinrichtungen bestimmt. Sind keine Gerüste vorhanden oder möglich, so bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, sich bei vorhandenen Balken bei den Fertigteilen anzuhängen, wobei die Anschlagpunkte vom Polier vor Ort bestimmt werden.

Die Arbeitnehmer werden grundsätzlich auf die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen vom Polier und dem Projektleiter sowie auch der Firmenleitung kontrolliert und bei Nichteinhaltung ermahnt. Eine konkrete Kontrolle zu den angeführten Tagen fand auf der Baustelle nicht statt.

Im Unternehmen gibt es auch Schulungen, bei welchen die Projektleiter, die Poliere und die Geschäftsleitung teilnehmen. Auch wird die Arbeitsmedizin- und Sicherheitsfachkraft beigezogen. Für die Durchführung des Gelernten auf der Baustelle ist der Polier verantwortlich. Die Planung für den Gerüsteinsatz erfolgt durch den Projektleiter. Sind zwischenzeitig Sicherheitsmaßnahmen notwendig, muss sich der Polier melden.

 

4.2. Der Sachverhalt ist durch die aufliegenden Fotos sowie durch die Zeugenaussagen erwiesen. Die Zeugen wirken glaubwürdig und waren widerspruchsfrei. Insbesondere decken sich diese Aussagen auch mit jenen des Berufungswerbers.

 

4.3. Mit Schreiben des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten vom 10.8.2006 wurde der Berufungswerber auf das Erfordernis der Absicherung bei Absturzgefahr hingewiesen (Punkt 1).

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

 

Gemäß § 7 Abs.2 BauV liegt Absturzgefahr vor:

1.    bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- oder Erdboden, wie Schächten, Kanälen …, bei Öffnungen in Geschossdecken, wie Installationsöffnungen, oder in Dächern, wie Lichtkuppel oder Sheddachöffnungen,

4.    an sonstigen Arbeitsstätten, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

 

Gemäß § 8 Abs.1 BauV sind geeignete Absturzsicherungen tragsichere und unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen oder Vertiefungen oder Umwehrungen (Geländer) an den Absturzkanten, die aus Brust-, Mittel- und Fußwehren bestehen. Anstelle von Absturzsicherungen nach § 8 sind stabile Abgrenzungen durch Brustwehren aus Holz, Metallrohr, gespannten Seilen oder Ketten zulässig (§ 9 Abs.1 BauV). Können Absturzsicherungen nach § 8 oder Abgrenzungen nach § 9 aus arbeitstechnischen Gründen nicht verwendet werden, müssen Schutzeinrichtungen zum Auffangen abstürzender Personen und Materialien vorhanden sein, wie Fanggerüste oder Auffangnetze, sowie bei Dächern Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden (§ 10 Abs.1 BauV).

 

Gemäß § 87 Abs.2 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

Gemäß § 161 BauV sind Übertretungen dieser Verordnung nach § 130 Abs.5 Z1 ASchG zu bestrafen.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Im Grunde des erwiesenen Sachverhaltes hat der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nach den obzitierten Bestimmungen erfüllt. Er hat die Verwaltungsübertretungen auch verwaltungsstrafrechtlich gemäß § 9 Abs.1 VStG zu verantworten, da er handelsrechtlicher Geschäftsführer der G G & M GmbH ist. Weil sich die jeweiligen Verwaltungsübertretungen gegen mehrere namentlich genannte Arbeitnehmer richten, war hinsichtlich jedes Arbeitnehmers von einer gesonderten Übertretung gemäß dem in § 22 VStG geregelten Kumulationsprinzip auszugehen.

 

5.2. Der Berufungswerber macht aber mangelndes Verschulden geltend, weil seine Arbeitnehmer unterwiesen sind, für die Baustelle der Projektleiter und der Polier verantwortlich sind und auch eine Eingerüstung durch eine Gerüstfirma festgelegt wurde. Die Verlegung einer Schutzfolie habe er nicht angeordnet und sei vom Polier eigenmächtig durchgeführt worden. Diese Ausführungen können allerdings eine Entlastung des Berufungswerbers nicht bewirken.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Berufungswerber initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftslegen notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmer­schutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten den verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinne dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Berufungswerbers nicht aus, dass er einen geeigneten Polier und Projektleiter eingesetzt hat, dass die Sicherheitsvorkehrungen vorweg bei einer Besprechung zu Beginn der Arbeiten bestimmt wurden, und dass Polier und Projektleiter immer wieder bei Schulungen über die Bestimmungen aufgeklärt werden. Es hätte nämlich vielmehr eines weiteren Nachweises bedurft, dass der Berufungswerber tatsächlich Kontrollen durchführt, wie oft er diese Kontrollen durchführt und welche konkreten Maßnahmen er getroffen hat, um unter den vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der Verwaltungs­vorschriften gewährleisten zu können. Ein entsprechender Nachweis, dass der Berufungswerber selbst die Baustelle auf die Einhaltung der Vorschriften auch kontrolliert, insbesondere dass er auch den Projektleiter und den Polier kontrolliert, fehlt. Es hat das Beweisverfahren gezeigt, dass nach der Besprechung am 22.8.2006 eine Kontrolle durch den Berufungswerber nicht durchgeführt wurde. Insbesondere vergewisserte er sich auch nicht über den Fortschritt der Arbeiten und über die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen. Auch fand eine Kontrolle durch den eingesetzten Projektleiter weder an den Vortagen noch am Tattag statt. Vielmehr gab dieser selbst an, dass er im konkreten Fall Sicherheitsvorkehrungen nicht angeordnet hat, weil der Berufungswerber dies machte. Es war daher der Polier selbständig zuständig. Eine Kontrolle des Poliers fand ebenso wenig statt. Dies zeigt auch, dass nach Fortschritt auf der Baustelle auch mit dem Einziehen der Stiege begonnen wurde, ohne dass Schutzvorkehrungen vorhanden waren und dass auch gegen Witterungseinflüsse eine Schutzfolie auf dem Dach aufgebracht wurde, ohne dass dies angeordnet wurde und ohne dass Sicherheitsvorkehrungen vorhanden waren. Die mangelnde Kontrolle ist auch daraus ersichtlich, dass der Polier selbständig agierte und Anweisungen getroffen hat, obwohl gerade das Kontrollsystem nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch dazu eingerichtet werden soll, dass ein eigenmächtiges Verhalten von Arbeitnehmern nicht möglich ist. So war gerade das Nichtvorhandensein des Kontrollsystems dafür Ursache, dass ohne die nötigen Sicherheitsmaßnahmen Arbeiten am Tattag vorgenommen wurden, die für diesen Tag noch nicht vorgesehen waren. Auch sonstige Maßnahmen wurden weder vom Berufungswerber vorgebracht noch hat das Beweisverfahren solche hervorgebracht. Es wurden daher vom Berufungswerber nicht alle notwendigen Maßnahmen gesetzt, die mit gutem Grund unter den vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften erwarten lassen. Insbesondere fehlen Maßnahmen, wie vorzugehen ist, wenn die Arbeiten besser vorangehen als der vorgefertigte Zeitplan bzw. wie vorzugehen ist, wenn die vorgesehene Gerüstung tatsächlich noch nicht auf der Baustelle vorhanden ist bzw. montiert ist. Solche Anordnungen fehlten und es wurde auch kein Kontakt seitens des Poliers mit der Firma und dem Berufungswerber hergestellt.

 

Wenn der Berufungswerber hingegen sich dahingehend verteidigt, dass ihm eine weitere Kontrolle nicht zumutbar sei, so ist ihm entgegenzuhalten, dass gerade eine solche Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen vom Verwaltungsgerichtshof verlangt wird, um sich vom gesetzlich vermuteten Verschulden zu entlasten. Das Kontrollsystem dient genau dazu, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen setzen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Es war daher vom Verschulden des Berufungswerbers auszugehen.

 

Schließlich ist aber der Berufungswerber auf die Kontrolle des Arbeitsinspektorates vom 10.8.2006 und das diesbezüglich ergangene Aufforderungsschreiben des Arbeitsinspektorates hinzuweisen, welches bereits im Punkt 1 auf die entsprechenden Absicherungen auf der gegenständlichen Baustelle hinweist. Selbst diese Aufforderung hat den Berufungswerber nicht bewogen, seine weiteren Anweisungen auf der Baustelle auf die Umsetzung zu kontrollieren bzw. den Baufortschritt auf die Eingerüstung bzw. die Eingerüstung auf den Baufortschritt abzustimmen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde hat in der Begründung des Straferkenntnisses auf den besonderen Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretungen hingewiesen, insbesondere auf die Verletzung des Schutzzweckes, nämlich Gefährdung der Gesundheit der Arbeitnehmer. Sie konnte den Milderungsgrund der Unbescholtenheit nicht werten, weil eine Vormerkung vorhanden ist. Allerdings hat sie den Umstand berücksichtigt, dass eine einschlägige Verwaltungsvorstrafe, also ein Erschwerungsgrund nicht vorliegt. Die persönlichen Verhältnisse hat der Berufungswerber trotz Aufforderung nicht bekanntgegeben und wurden daher ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 4.000 Euro und keine Sorgepflichten zugrunde gelegt. Auch in der Berufung machte der Berufungswerber zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Angaben. Hingegen gab der Berufungswerber in der mündlichen Verhandlung die Sorgepflicht für die Gattin und ein Kind an. Es waren aber auch die Firmenanteile einzurechnen. Selbst unter Berücksichtigung dieser persönlichen Verhältnisse erscheinen aber die verhängten Geldstrafen pro Übertretung nicht überhöht bzw. der vom Berufungswerber vorgebrachte Umstand nicht geeignet, eine Herabsetzung der jeweils verhängten Geldstrafe zu bewirken. Im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat und die besondere Gefährdung durch die teilweise hohen Absturzhöhen sind die verhängten Geldstrafen erforderlich, um den Berufungswerber zu einem gesetzeskonformen und pflichtgemäßen Verhalten anzuleiten. Die jeweils verhängten Geldstrafen je Übertretung liegen im untersten Bereich des Strafrahmens und betragen nicht einmal 10 % des gesetzlich vorgesehen Strafrahmens. Sie sind daher nicht überhöht sondern tat- und schuldangemessen. Es waren daher die verhängten Geldstrafen und die jeweils vorgesehenen Ersatzfreiheitsstrafen zu bestätigen.

Ein Überwiegen der Milderungsgründe war nicht festzustellen und daher von einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht Gebrauch zu machen. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das Verhalten des Beschuldigten nicht weiter hin dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzung war daher von einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG nicht auszugehen. Vielmehr hat – wie schon ausgeführt – das Verfahren gezeigt, dass der Berufungswerber genau jenen Schutzzweck der Norm verletzt hat, der den Bestimmungen zugrunde gelegt wurde, und sein Tatverhalten genau dem Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung entspricht.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 1.080 Euro, festzusetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 25.06.2008, Zl.: 2007/02/0373-5

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