Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162661/4/Ki/Ps

Linz, 29.11.2007

 

                                                          E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der S S, W, P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, S, M, vom 22. Oktober 2007, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 2. Oktober 2007, Zl. VerkR96-5549-2007-Kb, wegen einer Übertretung der StVO 1960 zu Recht erkannt:

 

I.     Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen, das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

 

II.    Zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz hat die Berufungswerberin als Kosten für das Berufungsverfahren einen Beitrag von 7,20 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu entrichten.

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 19, 24 und 51 VStG.

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit Straferkenntnis vom 2. Oktober 2007, Zl. VerkR96-5549-2007-Kb, die Berufungswerberin für schuldig befunden, sie habe am 11. November 2006 um 03.31 Uhr den Pkw, Kennzeichen BR-, in Linz auf der A7, auf Höhe Metro-Markt, in Richtung Süd, gelenkt und die durch Verbotszeichen gemäß § 52 lit.a Z10a StVO 1960 kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 16 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu ihren Gunsten abgezogen worden. Sie habe dadurch § 52 lit.a Z10a StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde eine Geldstrafe in Höhe von 36 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt. Außerdem wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 3,60 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

 

I.2. Dagegen erhob die Rechtsmittelwerberin mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2007 Berufung mit dem Antrag, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge der Berufung Folge geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 2. Oktober 2007 aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

Inhaltlich werden eine Reihe von rechtstheoretischen bzw. verfassungsrechtlichen Problemen ins Treffen geführt.

 

In einer Äußerung vom 23. November 2007 verzichtete die Rechtsmittelwerberin auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über ihre Berufung und stellte die Richtigkeit des gegenständlichen Radarmessgerätes außer Streit und es wurde überdies eine Kopie einer Mitteilung der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. Juli 2007 vorgelegt.

 

In einer Berufungsergänzung vom 26. November 2007 wurden weitere Argumente hinsichtlich § 103 Abs.2 KFG 1967 vorgebracht.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde in Anbetracht des ausgesprochenen Verzichtes abgesehen.

 

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Bundespolizeidirektion Linz vom 17. Jänner 2007 zu Grunde. Danach wurde das Kraftfahrzeug, Kennzeichen BR-, am 11. November 2006 um 03.31 Uhr in Linz, A7 – Höhe Metro-Markt, Richtung Süd, mit einer Geschwindigkeit von 116 km/h gemessen. Tatsächlich wäre eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erlaubt gewesen. Die Messung erfolgte mit einem stationären Radargerät, MUVR6FA360.

 

Eine zunächst von der Bundespolizeidirektion Linz ergangene Strafverfügung (Zl. S0006854/LZ/0701/XXX vom 29. März 2007) wurde von der Berufungswerberin beeinsprucht und es wurde in der Folge seitens der Bundespolizeidirektion Linz mit Schreiben vom 2. Mai 2007 an Frau S eine Anfrage gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 gestellt, diese Anfrage wurde nicht beantwortet und es erging dann seitens der Bundespolizeidirektion Linz gegen sie eine Strafverfügung wegen einer Übertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967 (Zl. CSt6854/07 vom 27. Juni 2007). Auch diese Strafverfügung wurde beeinsprucht.

 

In weiterer Folge hat die Bundespolizeidirektion Linz mit Schreiben vom 10. Juli 2007 die beigeschlossene Anzeige zur Durchführung des Strafverfahrens gemäß § 29a VStG an die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn abgetreten. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

I.5. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer unter anderem als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1, Abs.1a, Abs.1b, Abs.2, Abs.2a, Abs.2b oder Abs.4 zu bestrafen ist.

 

Das Verkehrszeichen gemäß § 52 lit.a Z10a StVO 1960 (Geschwindigkeitsbeschränkung – Erlaubte Höchstgeschwindigkeit) zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

Im tatgegenständlichen Bereich war die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf der A7 mit 100 km/h durch Verordnung angeordnet. Eine Radarmessung hat ergeben, dass die Berufungswerberin diese zulässige Höchstgeschwindigkeit um 28 km/h überschritten hat. Die Ordnungsgemäßheit der Messung wird von der Berufungswerberin außer Streit gestellt, ebenso wird nicht bestritten, dass sie selbst das Fahrzeug gelenkt hat.

 

Die Rechtsmittelwerberin hat somit den zur Last gelegten Sachverhalt in objektiver Hinsicht verwirklicht und es sind auch keine Umstände hervorgekommen, welche sie im Bereich der subjektiven Tatseite entlasten würden.

 

Die Berufungswerberin vermeint jedoch, der gegenständliche Schuld- und Strafausspruch sei in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig.

Es liege ein Verstoß gegen Art. 4 des 7. ZP zur EMRK vor. Ein Verstoß gegen dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht liege deshalb vor, weil gegen sie bereits ein Verwaltungsstrafverfahren wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung vor der Bundespolizeidirektion Linz geführt und eingestellt worden wäre, nämlich zur Geschäftszahl S 0006864/LZ/07/XXX; dieses sei, wie aus einer Mitteilung dieser Behörde vom 30. Juli 2007 an ihren Verteidiger hervorgehe, eingestellt worden. Die Verwaltungsstrafbehörde sei an diese Verfahrenseinstellung gebunden und es verstoße die nun mit Berufung bekämpfte Bestrafung gegen das ne bis in idem Verbot.

 

Gemäß Art. 4 des 7. ZP zur EMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.
 
Der rechtstheoretisch korrekten Wiedergabe dieser Verfassungsbestimmung ist nicht entgegen zu treten, die Berufung übersieht jedoch offensichtlich, dass es sich bei dem von der Bundespolizeidirektion Linz zur Einstellung gebrachten Verfahren nicht um das gegenständliche handelt. Aus einem im Verfahrensakt aufliegenden Aktenvermerk vom 6. November 2007 bzw. auch aus der von der Berufungswerberin mit ihrer Äußerung vom 23. November 2007 vorgelegten Kopie einer Mitteilung der Bundespolizeidirektion Linz ist ersichtlich, dass es sich beim angesprochenen Verfahren – entgegen dem Vorbringen der Berufungswerberin – nicht um das Verfahren zur Geschäftszahl S 0006854/LZ/07/XXX sondern um jenes zur Geschäftszahl S 0006846/LZ/07/XXX handelt. Die Berufungswerberin dürfte hier in Anbetracht der Ähnlichkeit der Geschäftszahlen die Fälle verwechselt haben. In diesem Sinne liegt der behauptete Verstoß gegen Art. 4 des 7. ZP zur EMRK nicht vor.
 

Die Berufungswerberin vermeint weiters, es liege ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs.1 EMRK vor. Dieser Verstoß liege darin, dass die Bezirkshauptmannschaft mit der Verhängung einer Geldstrafe von 36 Euro gegen den Rechtsgrundsatz des Verbotes der reformatio in peius verstößt. Dies deshalb, weil die Bundespolizeidirektion Linz über sie in einer Anonymverfügung wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 52 lit.a Z10a StVO eine Geldstrafe von 29 Euro verhängt habe. Dass es sich dabei um eine Strafe iSd VStG (§ 49a) und des Art. 6 EMRK handle, stehe außer Zweifel und es sei nicht rechtmäßig, den Ungehorsam in Form der Nichtbegleichung einer Anonymverfügung mit der Erhöhung der Geldstrafe zu sanktionieren. Die Anhebung der Geldstrafe in der Strafverfügung stelle einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius dar.

 

Gemäß Art. 6 Abs.1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der gesamten Verhandlung oder eines Teiles derselben im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einem demokratischen Staat ausgeschlossen werden, oder wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen, oder, und zwar unter besonderen Umständen, wenn die öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde, in diesem Fall jedoch nur in dem nach Auffassung des Gerichts erforderlichen Umfang.

 

§ 49a VStG lautet wie folgt:

(1) Die Behörde kann, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, durch Verordnung zur Verfahrensbeschleunigung einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen bestimmen, für die sie durch Anonymverfügung eine unter Bedachtnahme auf § 19 Abs.1 im Vorhinein festgesetzte Geldstrafe bis zu 220 Euro vorschreiben darf.

(2) Hat die Behörde durch Verordnung gemäß Abs.1 eine Geldstrafe im Vorhinein festgesetzt, so kann sie von der Ausforschung des unbekannten Täters (§ 34) vorerst Abstand nehmen und die Geldstrafe ohne Festsetzung einer Ersatzstrafe durch Anonymverfügung vorschreiben, wenn

1. die Anzeige auf der dienstlichen Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht oder auf automatischer Überwachung beruht und

2. sowohl das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, als auch die nachteiligen Folgen, welche die Tat sonst nach sich gezogen hat, keine Bedachtnahme auf die Person des Täters erfordern.

(3) In der Anonymverfügung müssen angegeben sein:

1. die Behörde, die sie erlässt, und das Datum der Ausfertigung;

2. die Tat, die als erwiesen angenommen ist, ferner die Zeit und der Ort ihrer Begehung

3. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

4. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

5. die Belehrung über die in Abs.6 getroffene Regelung.

(4) Der Anonymverfügung ist ein zur postalischen Einzahlung des Strafbetrages geeigneter Beleg beizugeben. Der Beleg hat eine Identifikationsnummer zu enthalten, die automationsunterstützt gelesen werden kann. § 50 Abs.5 gilt sinngemäß.

(5) Die Anonymverfügung ist einer Person zuzustellen, von der die Behörde mit Grund annehmen kann, dass sie oder ein für sie gemäß § 9 verantwortliches Organ den Täter kennt oder leicht feststellen kann.

(6) Die Anonymverfügung ist keine Verfolgungshandlung. Gegen sie ist kein Rechtsmittel zulässig. Sie wird gegenstandslos, wenn nicht binnen vier Wochen nach Ausfertigung die Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs.4) erfolgt. Ist die Anonymverfügung gegenstandslos geworden, so hat die Behörde gemäß § 34 vorzugehen. Als fristgerechte Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs.4) gilt auch die Überweisung des Strafbetrages auf das im Beleg angegebene Konto, wenn der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer des Beleges enthält und der Strafbetrag dem Konto des Überweisungsempfängers fristgerecht gutgeschrieben wird.

(7) Wird der Strafbetrag mittels Beleges (Abs.4) fristgerecht eingezahlt, so hat die Behörde von der Ausforschung des unbekannten Täters endgültig Abstand zu nehmen und jede Verfolgungshandlung zu unterlassen.

(8) Die Anonymverfügung darf weder in amtlichen Auskünften erwähnt noch bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren berücksichtigt werden. Jede über Abs.5 und 6 hinausgehende Verknüpfung von Daten mit jenen einer Anonymverfügung im automationsunterstützten Datenverkehr ist unzulässig. Die Daten einer solchen Anonymverfügung sind spätestens sechs Monate nach dem Zeitpunkt, in dem sie gegenstandslos geworden oder die Einzahlung des Strafbetrages erfolgt ist, physisch zu löschen.

(9) Wird der Strafbetrag nach Ablauf der in Abs.6 bezeichneten Frist oder nicht mittels Beleges (Abs.4) bezahlt und weist der Beschuldigte die Zahlung im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nach, so ist der Strafbetrag zurückzuzahlen oder anzurechnen.

 

Bei der Anonymverfügung handelt es sich zwar um eine Art von einer Strafverfügung, welche aber gegen einen unbekannten Täter gerichtet ist. Die Behörde kann bzw. hat unter den gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen von der Ausforschung des Täters zunächst Abstand zu nehmen und eine Geldstrafe vorzuschreiben. Gegen die Anonymverfügung ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig und sie wird bei Nichtbezahlung (ebenso wie bei einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG) gegenstandslos.

 

In Anbetracht dessen, dass eine Anonymverfügung sich nicht gegen einen konkreten Täter richtet (keine Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG) bzw. diese im Falle einer Nichtbezahlung gegenstandslos wird, gilt nach Auffassung der erkennenden Berufungsbehörde das Verbot der reformation in peius (ebenso wie im Falle einer Organstrafverfügung) nicht bzw. liegt eine Verletzung des Art. 6 Abs.1 EMRK nicht vor.

 

In diesem Zusammenhang wird auch auf die diese Frage betreffende Judikatur der Höchstgerichte verwiesen (VwGH 1995/02/0538 vom 18.12.1995), wonach, ist eine Anonymverfügung gemäß § 49a Abs.6 VStG gegenstandslos geworden, es rechtlich unerheblich ist, in welcher Höhe in der Anonymverfügung eine Geldstrafe festgesetzt wurde und sohin auch, ob diese Geldstrafe der gemäß § 49a Abs.1 VStG erlassenen Verordnung entsprochen hat oder nicht. Die Anonymverfügung ist nämlich in einem solchen Fall nur ein dem nachfolgenden mit Bescheid abzuschließenden Strafverfahren vorgelagerter Verfahrensschritt, der keine weiteren Rechtswirkungen nach sich zieht (Hinweis auf Rechtsprechung zur Organstrafverfügung gemäß § 50 Abs.6 VStG, E 29.01.1993, Zl. 93/17/0010 – 0015, E VfGH 12.12.1975, VfSlg 7714/1975).

 

Die Berufungswerberin argumentiert auch, es liege darin eine Rechtswidrigkeit der über sie wegen Geschwindigkeitsüberschreitung verhängten Bestrafung, zumal es nicht zulässig sei, sowohl wegen des Grunddeliktes eine Bestrafung zu verhängen, als auch wegen Verweigerung der Lenkerauskunft, welche auf das selbe Grunddelikt zurückgehe. Ob ein gegen sie von der Bundespolizeidirektion Linz geführtes Verwaltungsstrafverfahren wegen Verweigerung der Lenkerauskunft eingestellt sei, entziehe sich ihrer Kenntnis.

 

Laut dem vorliegenden Verfahrensakt hat die Bundespolizeidirektion Linz gegen die Berufungswerberin in der gegenständlichen Angelegenheit eine Strafverfügung wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs.2 KFG erlassen
(Zl. Cst 6864/07 vom 27. Juni 2007), gegen die aber fristgerecht ein Einspruch erhoben wurde. Gemäß § 49 Abs.2 VStG trat daher diese Strafverfügung außer Kraft und es wurde in der Folge die Anzeige von der Bundespolizeidirektion Linz gemäß § 29a VStG an die nach dem Wohnsitz zuständige Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn abgetreten.

 

Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist ausschließlich die Bestrafung wegen der Übertretung der StVO 1960 (Grunddelikt). Aus dem Verfahrensakt geht nicht hervor, dass zur Zeit auch hinsichtlich einer Übertretung des § 103 Abs.2 KFG weiter ermittelt wurde. Gegebenenfalls wäre die Frage der Rechtmäßigkeit einer allfälligen Bestrafung wegen einer Übertretung des KFG 1967 in einem gesonderten Verfahren zu prüfen, wobei grundsätzlich festgestellt wird, dass eine Bestrafung wegen des Grunddelikts einerseits und wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft andererseits nicht schlechthin ausgeschlossen werden kann.

 

In diesem Sinne gehen auch die Ausführungen in der Berufungsergänzung vom 26. November 2007 ins Leere, zumal, wie bereits dargelegt wurde, Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die Übertretung der StVO 1960 und nicht jene des KFG 1967 ist.

 

Weiters erachtet die Berufungswerberin, der Beweis ihrer Lenkereigenschaft sei unter Umgehung der einfachgesetzlichen und Verfassungsrechtslage zustande gekommen und es bestehe daher ein Beweisverwertungsverbot. Die über sie verhängte Bestrafung verletze sie auch im Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs.1 EGMR, zumal sie von der Bundespolizeidirektion Linz unter Druck und Zwang (Geldstrafe bis 5.000 Euro) verpflichtet worden sei, ein Geständnis ihrer Lenkereigenschaft abzugeben.

 

Gemäß Art. 8 Abs.1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs.2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 
In diesem Zusammenhang wird auf die aktuelle Judikatur des EGMR (O’Halloran und Francis) verwiesen. Der EGMR hat in diesen Fällen entschieden, dass die (britische) Regelung betreffend die Lenkerauskunft nicht gegen Art. 6 Abs.1 EMRK verstößt. Diese Urteile (Beschwerdenummern 15809/02 und 25624/02) sind auch für den gegenständlichen Fall heranzuziehen. Die Argumente, welche laut dieser Judikatur für die Zulässigkeit der Lenkerauskunft sprechen, gelten sinngemäß auch hinsichtlich Art. 8 EMRK. In Art. 8 Abs.2 EMRK ist unmittelbar vorgesehen, dass Einschränkungen des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Gesetz zulässig sind. Es besteht jedenfalls im Interesse der Verkehrssicherheit ein öffentliches Interesse dahingehend, dass straßen- bzw. kraftfahrrechtliche Übertretungen wirkungsvoll geahndet werden können und daher den Behörden ein gesetzliches Hilfsmittel zur Ausforschung des Täters zur Verfügung steht. Außerdem ist auch zu berücksichtigen, dass es für die Beurteilung der Angemessenheit nicht auf die abstrakte Höchststrafe sondern auf den konkreten Einzelfall ankommen wird. Ein Druck und Zwang, welcher in nicht verfassungskonformer Weise in das Privat- und Familienleben der Berufungswerberin eingreifen würde, kann demnach nicht festgestellt werden.
 

Geltend gemacht wird auch eine Verletzung des Rechtes auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK, weil sie keine Möglichkeit habe, sich im innerstaatlichen Verfahren gegen die relevierten Konventionsverletzungen zur Wehr zu setzen.

 

Sind die in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten verletzt worden, so hat der Verletzte gemäß Art. 13 EMRK das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.

 

Dieses Vorbringen ist im konkreten Falle insofern nicht von Relevanz, zumal, wie oben dargelegt wurde, keine Verletzung von Konventionsbestimmungen bzw. sonstigen Verfassungsbestimmungen festgestellt werden kann. Allgemein wird jedoch festgehalten, dass die österreichische Rechtsordnung eine Reihe von Verfahrens- und Organisationsbestimmungen enthält, durch welche ein wirksamer Rechtsschutz für die Betroffenen grundsätzlich sichergestellt wird.

 

Zur Frage der Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn bzw. Zulässigkeit der Abtretung gemäß § 29a VStG wird festgestellt, dass nach Auffassung der erkennenden Berufungsbehörde die angesprochene Unzuständigkeit nicht vorliegt.

 

Gemäß § 29a VStG kann die zuständige Behörde, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird, das Strafverfahren oder den Strafvollzug an die sachlich zuständige Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Hauptwohnsitz oder Aufenthalt hat.

 

Ob die Voraussetzungen des § 29a VStG zutreffen, bestimmt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Delegierung. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine erfolgte Delegierung dem Gesetz entsprach, ist somit nicht der der Delegierung nachfolgende tatsächliche Verfahrensverlauf, sondern ausschließlich die auf die Aktengrundlagen im Zeitpunkt der Delegierung gestützte Erwartung des Eintrittes einer wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens.

Eine Übertragung des Strafverfahrens wegen einer im Straßenverkehr begangenen Übertretung an die zuständige Wohnsitzbehörde lässt grundsätzlich eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens iSd § 29a VStG zu (VwGH vom 11.07.2001, Zl. 97/03/0230).

 

In Anbetracht des Wohnsitzes der Berufungswerberin im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn bzw. auch des Kanzleisitzes des Rechtsvertreters erachtet die erkennende Berufungsbehörde, dass unter Berücksichtigung der Aktengrundlage zum Zeitpunkt der Abtretung diese jedenfalls im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zulässig war.

 

Der Schuldspruch ist demnach zu Recht erfolgt.

 

I.6. Was die Straffestsetzung (§ 19) VStG anbelangt, so muss darauf hingewiesen werden, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, insbesondere auf Autobahnen, immer wieder Ursache für Verkehrsunfälle mit schwerwiegenden Folgen ist. Aus generalpräventiven Gründen ist daher, um die Straßenverkehrsteilnehmer entsprechend zu sensibilisieren, eine entsprechend strenge Bestrafung geboten. Weiters sind auch spezialpräventive Umstände zu berücksichtigen. Durch die Bestrafung soll die betroffene Person zur Einhaltung der Rechtsvorschriften motiviert werden.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Berufungswerberin geschätzt. Dieser Schätzung wurde nicht entgegen getreten.

 

Verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen scheinen im Verfahrensakt nicht auf, weshalb davon auszugehen ist, dass der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit gegeben ist, straferschwerende Umstände werden keine festgestellt.

 

Unter Berücksichtigung des Ausmaßes der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn bei dem gegebenen Strafrahmen durchaus vom Ermessen im Sinne des Gesetzes bei der Strafbemessung Gebrauch gemacht hat. Eine Herabsetzung sowohl der Geld- als auch der Ersatzfreiheitsstrafe wird daher, insbesondere auch in Anbetracht der erwähnten Präventionsgründe nicht in Erwägung gezogen und es wird zusammenfassend festgestellt, dass die Berufungswerberin weder durch den Schuldspruch noch durch die Straffestsetzung in ihren Rechten verletzt wurde.

 

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

II. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

                                                     Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

                                                                   Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

 

 

 

                                                                Mag. K i s c h

 

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