Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251479/13/Py/Jo

Linz, 16.11.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn DI R F, S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. E M, Mag. E A, S, P, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 23. August 2006, GZ: GE-1340/05, wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (AuslBG), nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Oktober 2007 zu Recht erkannt:

 

 

        I.      Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungs­strafverfahren eingestellt.  

 

      II.      Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrens­kostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45, und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 23. August 2006,   GZ: Ge-1340/05, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 18 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.b Ausländerbeschäftigungsgesetz drei Geldstrafen in Höhe von je 1.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 24 Stunden verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma "H" in S, G G, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten habe, dass diese Firma die Arbeitsleistungen der t Staatsbürger K J, geb. am, V K, geb. am , J M, geb. am , zumindest in der Zeit vom 01.11.2005 bis 09.11.2005 auf der Baustelle in V beim dortigen Kraftwerk in Anspruch nahm, ohne dass für diese Ausländer arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen vorgelegen seien. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 300 Euro auferlegt.

 

In der Begründung führt der angefochtene Bescheid unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtslage aus, dass dem im Straferkenntnis festgestellte Sachverhalt eine Anzeige des Zollamtes Krems zugrunde liegt. Es seien zum Tatzeitpunkt für die ausländischen Staatsbürger keine erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen vorgelegen und der Bw habe zumindest fahrlässig diese Übertretungen der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes herbeigeführt. Als strafmildernd werde seine völlige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet, straferschwerende Umstände seien nicht hervorgekommen.

 

2. Dagegen wurde rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung Berufung erhoben und die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt. Als Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass es sich bei den Arbeitsleistungen der ausländischen Staatsangehörigen um solche des liberalisierten Dienstleistungssektors gehandelt habe. Die Firma H sei auch nicht Auftraggeberin der Firma R, bei welcher die Arbeiter beschäftigt waren, gewesen, sondern habe die Firma A mit der Lieferung und Montage eines einfeldrigen Schlauchwehrs beauftragt. Es würde daher keinerlei Vertragsverhältnis zwischen der Firma H und der Firma R bestehen. Darüber hinaus habe es die Erstbehörde verabsäumt, ein Sachverständigengutachten aus dem Bereich Wasseranlagenbau zum Beweis dafür einzuholen, dass es sich bei den Arbeiten um solche des liberalisierten Dienstleistungssektors gehandelt habe. Jedenfalls sei das Verschulden des Bw im Hinblick auf die ihm bekannte Handhabe in Deutschland, wonach für diese Arbeiten keine arbeitsmarktbehördlichen Bewilligungen mehr erforderlich seien, als äußerst gering einzustufen, weshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu eine Herabsetzung der verhängten Strafen beantragt werde.

 

3. Der Bürgermeister der Stadt Steyr hat mit Schreiben vom 20. September 2006 die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Da je Beschäftigten keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 2007. An dieser habe der Bw und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der Finanzverwaltung teilgenommen. Weiters wurde Herr DI T K als Amtssachverständiger für Wasserbau der öffentlichen mündlichen Verhandlung beigezogen.  

 

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung legte der Rechtsvertreter des Bw mit Schreiben vom  31. Oktober 2007 dem zuständigen Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates eine – bereits davor telefonisch angekündigte - schriftliche Stellungnahme der Landesgeschäftsstelle des AMS hinsichtlich der Einordnung der gegenständlichen Tätigkeit in die Systematik der ÖNACE vor.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma "H" mit Sitz in S, G G. Unternehmensgegenstand der Firma ist die Projektierung von Schlauchwehren zur Regulierung des Staupegels von Gewässern sowie die Lieferung und Montage sämtlicher dafür erforderlicher Komponenten.

 

Im November 2005 wurde von der Firma H ein Schlauchwehr für das Kraftwerk M in V projektiert. Für die Lieferung und Montage wurde mit dem t Unternehmen A ein Werkvertrag abgeschlossen, der auch die Weitergabe von Leistungen an die t Firma R als Subunternehmer beinhaltete.

 

In der Zeit vom 01.11.2005 bis 09.11.2005 wurde das Schlauchwehr von den drei Arbeitnehmern der t Firma R, K J, geb. am , V K, geb. am  und J M, geb. am  auf der Baustelle des Kraftwerkes M in V montiert.

 

Bei der Lieferung und Montage einer Schlauchwehranlage handelt es sich um eine liberalisierte Dienstleistung, die nicht unter die Tätigkeit des Baugewerbes einschließlich verwandter Wirtschaftszweige fällt.

 

 

6. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

6.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26. November 1997,                 Zl. 97/03/0241 erkannt, dass der "Schluss der Beweisaufnahme" im Sinne des               § 51h Abs.2 VStG nicht die Berücksichtigung späterer, sich noch vor der Verkündung des Bescheides ergebender Beweise hindert. Gleiches hat für den Formalakt des "Schlusses der Verhandlung" gemäß § 51h Abs.4 VStG zu gelten. In Wahrung des Grundsatzes der Amtswegigkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheit, wonach die Verwaltungsstrafbehörden den objektiv gegebenen Tatbestand und die subjektive Tatseite einer Verwaltungsübertretung festzustellen haben, war daher auch das erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom Bw vorgelegte Beweismittel vom Unabhängigen Verwaltungssenat in seine Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.

 

Der am Verfahren beteiligten Organpartei wurde daher vom Unabhängigen Verwaltungssenat in Wahrung des Parteiengehörs das vom Bw vorgelegte Schreiben des AMS am 31. Oktober 2007 zur Stellungnahme übermittelt. In dieser mit Schreiben vom 9. November 2007 übermittelten Stellungnahme des Finanzamtes Waldviertel wird dazu ausgeführt, dass nach Ansicht der Organpartei die gegenständlichen Arbeiten nicht dem liberalisierten Sektor zuzuordnen sind, was auch in der mündlichen Verhandlung durch den Sachverständigen bestätigt wurde. Allerdings liege - im Hinblick auf die gegenteilige Ansicht der für die Erteilung der arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen zuständigen Geschäftsstelle des AMS – ein Verschulden an der gegenständlichen Tat nicht vor. Das Nichtvorliegen einer im liberalisierten Sektor erforderlichen EU-Entsendebestätigung sei nicht Gegenstand dieses Verwaltungsstrafverfahrens gewesen.

 

6.2. Gemäß § 32a Abs.6 AuslBG ist für die Beschäftigung von EU-Bürgern gemäß Abs.1 oder von Drittstaatsangehörigen, die von einem Arbeitgeber mit Betriebssitz in der tschechischen Republik, in der Republik Estland, in der Republik Lettland, in der Republik Litauen, in der Republik Ungarn, in der Republik Polen, in der Republik Slowenien oder in der slowakischen Republik zur vorübergehenden Erbringung von Dienstleistungen in einem Dienstleistungssektor, für den nach Nr. 13 des Übergangsarrangements zum Kapitel Freizügigkeit im Beitrittsvertrag (Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte in den Anhängen V und VI, VIII bis X sowie XII bis XIV) Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 49 EG-V zulässig sind, in das Bundesgebiet entsandt werden, § 18 Abs.1 bis 11 anzuwenden. In einem Dienstleistungssektor, in dem Einschränkungen nicht zulässig sind, ist § 18 Abs.12 anzuwenden.

 

Gemäß § 18 Abs.12 AuslBG ist für Ausländer, die von einem Arbeitgeber mit Betriebssitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt werden, keine Entsendebewilligung erforderlich. Die Entsendung ist jedoch vom Ausländer oder von dessen Arbeitgeber oder vom inländischen Auftraggeber des Arbeitgebers vor der Arbeitsaufnahme bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, in dessen Sprengel die Arbeitsleistungen erbracht werden, anzuzeigen. Die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat die Anzeige binnen zwei Wochen zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung).

 

6.3. Das Vorliegen einer – nicht dem liberalisierten Sektor unterworfenen – Tätigkeit der gegenständlichen t Staatsbürger auf der Baustelle beim Kraftwerk V wurde von der Landesgeschäftstelle des AMS , wenn auch erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, schriftlich bestätigt. Aus den oben erwähnten Rechtsgrundsätzen war dieses – für die Beurteilung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung maßgebliche – Ergebnis daher noch in die Entscheidung miteinzubeziehen. Aufgrund der, auch mit Beispielen unterlegten, Bewertung der gegenständlichen Tätigkeit durch die zuständige Arbeitsmarktbehörde kann seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates das Vorliegen einer Tätigkeit im Sektor Baugewerbe einschließlich verwandter Wirtschaftszweige gemäß europäischem NACE-Code 45 Punkt 1-4 und die im Anhang zur Richtlinie 96/71/EG zutreffender Weise nicht festgestellt werden.

 

Da eine Inanspruchnahme der Arbeitsleistungen der drei t Staatsangehörigen entgegen § 18 Abs 1 iVm § 28 Abs.1 Ziff.1 lit.b AuslBG durch den Bw im gegenständlichen Fall somit nicht vorliegt, war das Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren einzustellen, zumal das Nichtvorliegen einer Entsendebestätigung gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG nicht Gegenstand dieses Verfahrens war.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

7. Der Ausspruch über die Verfahrenskosten ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Panny

 

 

 

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