Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251508/23/Kü/Ri

Linz, 29.11.2007

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn B T, B, Ungarn, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G S, N, W, vom 30. Oktober 2006, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 18. Oktober 2006, SV96-5-2006, wegen einer Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27. April 2007, zu Recht erkannt:

 

I.          Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:    § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 18. Oktober 2006, SV96-5-2006, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen fünf Übertretungen nach § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z1 lit.a Ausländerbeschäftigungs­gesetz Geldstrafen in Höhe von jeweils 2.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 67 Stunden verhängt, weil er es als Verantwortlicher der T E KFT mit Sitz in B, Ungarn, und somit als gemäß § 9 VStG nach außen hin berufenes Organ verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten hat, dass von dieser Firma die Ausländer

1. L H, geb. …,

2. S J, geb. …,

3. J J, geb. …,

4. A S, geb. …,

5. G G S, geb. …,

alle ungarische Staatsangehörige, vom 2.1.2006 bis 14.1.2006 in V, B, als Fleischer beschäftigt wurden, ohne dass für die Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung ausgestellt war, die Ausländer waren auch nicht im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines, eine Anzeigebestätigung bzw. eine Bewilligung als Schlüsselkraft, eine Aufenthaltsbewilligung unbeschränkt, ein Daueraufenthalt-EG oder ein Niederlassungsnachweis lagen nicht vor.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter des Berufungswerbers eingebrachte Berufung mit der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde offensichtlich verkenne, dass die Republik Ungarn mit 1. Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten sei. Bei sämtlichen Arbeitern, die Gegenstand des angefochtenen Bescheides sein, handle es sich um ungarische Staatsbürger, sohin um EU-Bürger und die Strafe gegen ihn sei als Geschäftsführer der T E KFT mit Sitz in B, Ungarn, somit einer Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union verhängt worden.

 

Hinsichtlich ungarischer Staatsbürger bzw Unternehmen mit Sitz in Ungarn würden zwar auf Grund der Beitrittsverträge der Republik Ungarn mit der Europäischen Union gemäß Anhang X (Liste nach Artikel 24) Beschränkungen betreffend die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EGV) bestehen. Diese Beschränkungen seien aber im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden.

 

Gemäß § 13 des Anhanges X würden ungarische Unternehmen hinsichtlich des freien Dienstleistungsverkehrs im Verhältnis zu Österreich Beschränkungen für einzelne geschützte Sektoren unterliegen. Zu diesen geschützten Sektoren zähle jedenfalls nicht das Fleischergewerbe bzw die Lebensmittelindustrie. Aus diesem Grunde sei ein ungarisches Unternehmen, das im Fleischereigewerbe bzw. Lebensmittelindustrie tätig sei, auf der gleichen Grundlage wie ein Unternehmen aus einem der alten Eu-Mitgliedsstaaten berechtigt Aufträge in Österreich durchzuführen bzw. Dienstleistungen zu erbringen und dazu Arbeitnehmer nach Österreich zu entsenden.

 

Die von der T E KFT erbrachte Leistung falle somit in die Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 49 EGV. Dies würde umso mehr von der belangten Behörde dadurch bestätigt, dass diese nicht bezweifelt, dass die T E KFT auch Arbeitgeber der gegenständ­lichen ungarischen Arbeitnehmer sei. Daran ändere auch die von der belangten Behörde vorgebrachte Begründung nichts, dass es sich bei der von der T E KFT bzw deren Mitarbeiter erbrachten Leistungen nicht um ein Werk handle. Einerseits sei dies im Hinblick auf Artikel 49 EGV völlig irrelevant, andererseits stelle das Zerlegen von Tierkörpern, im konkreten Fall vornehmlich Schweinen, durchaus eine selbständige, in sich abgeschlossene Tätigkeit, somit ein Werk dar.

 

Gemäß Artikel 49 EGV seien alle Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der  Gemeinschaft verboten.

Gemäß Artikel 50 EGV seien Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrages Leistungen, die gegen Entgelt erbracht würden, falls sie nicht den Vorschriften des freien Waren- und Kapitalverkehrs oder der Freizügigkeit der Personen unterliegen würden. Als Dienstleistungen gelten insbesondere gewerbliche Tätigkeiten und handwerkliche Tätigkeiten.

 

Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die von der T E KFT erbrachte Dienstleistung, nämlich das Zerlegen von Schweinehälften, unter diesen Begriff falle.

 

Weil die Tätigkeit der T E KFT, dem freien Dienstleistungsverkehr unterliege, sei es völlig irrelevant, ob die belangte Behörde vermeint, dass es sich beim Zerlegen von Schweinen um ein Werk handle oder nicht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 die Berufung samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer mündlichen Verhandlungen am 27. April 2007, an welcher der Bw und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des Finanzamtes teilgenommen haben. Im Zuge dieser mündlichen Verhandlung wurde der ungarische Staatsangehörige A S als  Zeuge einvernommen.

 

4.1. Der Berufungswerber ist laut Auszug aus dem Firmenbuch (Stichtag 18.11.2005) handelsrechtlicher Geschäftsführer der T E KFT mit dem Sitz in B, Ungarn. Geschäftszweig dieser Firma ist die Fleischaufbereitung und Konservierung. Der Berufungswerber vertritt die Gesellschaft seit 9. 6. 1997 selbständig.

Im Firmenbuch ist eine inländische Zweigniederlassung unter der Firma T E KFT mit der Geschäftsanschrift L,  W, eingetragen.

Dem Auszug aus dem Gewerberegister (Registerstand: 25.4.2005) ist zu entnehmen, dass die T E Kft. mit Sitz in W, das Gewerbe Fleischer gem. § 94 Z19 GewO 1994 am Standort V, B, angemeldet hat.

 

Trotz dieser eingetragenen Zweigniederlassung in Österreich werden sämtliche unternehmerischen Entscheidungen der Firma T ausschließlich vom Sitz in B aus getroffen, dort ist auch die Geschäftsleitung angesiedelt. Vom Sitz in B aus werden sämtliche Verträge mit anderen Firmen abgeschlossen und auch die einzelnen Arbeitnehmer entsendet. Bei der eingetragenen Zweigniederlassung in Österreich handelt es sich um keine Betriebsstätte der Firma T in Österreich.

 

Von der Firma T wurde mit dem inländischen Vertragspartner, der F P GmbH & Co KG mit Sitz in V, B, ein Dienstleistungsvertrag abgeschlossen, welcher zum Inhalt hatte, dass die Firma T mit eigenen Arbeitskräften in eigener Verantwortung in der Betriebsanlage der F P GmbH & Co KG in V die Feinzerlegung von Fleischmaterialien vornimmt.

 

Von der Firma T wurde vor der Aufnahme der Arbeitstätigkeiten ihrer Arbeiter bei der Firma P am 8.11.2005 Anzeigen an das zuständige Arbeitsmarktservice geschickt.

 

Vom Arbeitsmarktservice wurden sämtliche Verträge und ein Grundrissplan über den Zerlegebereich der Betriebsanlage der Firma P verlangt. Nach Prüfung dieser Unterlagen wurden vom Arbeitsmarktservice Gmunden der Firma T E Kft, B als Arbeitgeberin mit 29. November 2005 datierte EU-Entsendebestätigungen für die ungarischen Staatangehörigen L H, S J, J J, A S und G G S für die berufliche Tätigkeit als Fleischer für die Zeit vom 29. November 2005 bis 20. Mai 2006 für den örtlichen Geltungsbereich G Produktionsstandort V, B, ausgestellt.

 

Am 2.1.2006 haben die ungarischen Arbeiter der Firma T ihre Tätigkeit in V aufgenommen. Vom Zollamt Wels wurde am 14.1.2006 die Betriebsstätte der Firma P einer Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterzogen. Von den kontrollierenden Zollorganen wurde festgestellt, dass es sich bei den Arbeitstätigkeiten der ungarischen Arbeiter um eine bewilligungspflichtige Arbeitskräfteüberlassung handeln soll.

 

4.2.  Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verträgen sowie den genannten schriftlichen Urkunden. Die Ausführungen des Vertreters des Berufungswerbers im Zuge der mündlichen Verhandlung, wonach sämtliche Unternehmensentscheidungen von Ungarn aus getroffen werden und sich dort der Sitz des Unternehmens befindet, sind insofern glaubwürdig, als auch die vorliegenden EU-Entsendebestätigungen, welche vom Arbeitsmarktservice Gmunden ausgestellt wurden, von der T E KFT, vom Standort B aus beantragt wurden und auch der T KFT an die Adresse B zugestellt wurden.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 3 Abs.1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt"  oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" oder einen Niederlassungsnachweis besitzt.

 

Nach § 2 Abs.2 AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung

a)    in einem Arbeitsverhältnis,

b)    in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis,

c)    in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs.5 leg.cit.

d)    nach den Bestimmungen des § 18 leg.cit. oder

e)    überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs.4 des Arbeitskräfte­überlassungsgesetzes, BGBl.Nr. 196/1988.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 VStG sind, soferne Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar.

 

Nach § 2 Abs. 2 VStG ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen, oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Dem Berufungswerber wird von der Erstinstanz vorgeworfen, fünf ungarische Staatsangehörige als Fleischer in V beschäftigt zu haben, ohne im Besitz der erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere gewesen zu sein. Die Erstinstanz stützt ihr Straferkenntnis darauf, dass die Firma T eigene Arbeitskräfte an die Firma P GmbH & Co KG in V zur Arbeitsleistung überlassen hat, somit von einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs.2 lit.e AuslBG. Gemäß § 2 Abs. 2 lit.e  AuslBG gilt auch die Verwendung überlassener Arbeitskräfte als Beschäftigung im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes.

 

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist im Falle von Übertretungen des § 28 AuslBG im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers der Tatort, denn dort wird in der Regel auch die gegebenenfalls nach diesem Gesetz verpönte Beschäftigung ausländischer Auslandskräfte eingegangen bzw. wäre von dort aus die allenfalls erforderliche Beschäftigungsbewilligung zu beantragen (VwGH 15.9.1994, 94/09/0140, 19.1.1995, 94/09/0258).

 

Wenn die tatsächliche Leitung eines Unternehmens jedoch von einem anderen Ort als dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz des Unternehmens ausgeübt wird, so hat dies zur Folge, dass als Ort der Beschäftigung dieser tatsächliche Sitz der Unternehmensleitung und auch dieser Ort als jener Ort, von welchem aus die allenfalls erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen hätten beantragt werden müssen, anzunehmen ist (VwGH 14.11.2002, 2001/09/0099, 22.1.2002 2000/09/0147).

 

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass bezügliche der T E KFT, es zwar inländische Anknüpfungspunkte in Form einer Zweigniederlassung in W bzw. einen im Gewerberegister eingetragenen Standort in V gibt, welcher allerdings nur im Zusammenhang mit der Tätigkeit der ungarischen Arbeitnehmer bei der Firma P zu sehen ist. Die Unternehmensleitung ist in B angesiedelt und werden von diesem Standort aus sämtliche unternehmerische Entscheidungen getroffen. Für den Fall, dass der Firma T angelastet wird, als Überlasser für den Einsatz der ungarischen Arbeitnehmer am Betriebsstandort der Firma P in V ohne die entsprechenden arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen verantwortlich zu sein, kommt als Tatort im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie der Unternehmensstruktur der Firma T nur der Firmensitz B in Betracht. Vom Sitz in B aus hätte die Unternehmensleitung die erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen für die Arbeitsleistungen ihrer Arbeiter in Österreich zu beantragen gehabt. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass auch die im gegenständlichen Fall nicht für ausreichend befundenen EU-Entsendebestätigungen vom Sitz in B aus beantragt wurden. Daher kann im gegenständlichen Fall als Tatort iSd § 2 Abs.2 VStG nur der Unternehmenssitz B angenommen werden.

 

Nach den Regelungen des § 2 Abs.1 VStG sind jedoch nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine ausdrückliche gesetzliche Sonderregelung, wie im § 2 Abs.1 erster Halbsatz VStG verlangt, ist dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht zu entnehmen. Eine Bestrafung des Berufungswerbers als handelsrechtlicher Geschäftsführer der T E KFT mit Sitz in B scheidet daher mangels Tatort im Inland aus. Aus diesem Grunde war der Berufung stattzugeben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Kühberger

 

 

 

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