Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521607/16/Fra/Bb/RSt

Linz, 19.11.2007

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn Y A,  geb. , vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. J R, W, L, vom 30.3.2007, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 21.3.2007, Zl. VerkR21-1006-2006/Be, VerkR21-1007-2006/Be, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung mangels gesundheitlicher Eignung und weiterer Anordnungen, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 19.6.2007 und ergänzender Erhebungen, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG iVm §§ 3 Abs.1 Z3 und 8 FSG iVm § 3 Abs.1 Z4 FSG-GV.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit Bescheid vom 21.3.2007, Zl. VerkR21-1006-2006/Be, VerkR21-1007-2006/Be dem Berufungswerber (Bw) die Lenkberechtigung der Klasse B bis zum Vorliegen eines positiven amtärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, mit Wirkung vom 27.3.2007 (= Zustellung des Bescheides) entzogen, ausgesprochen, dass bis zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung, keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf, das Recht aberkannt, von einer allfällig erworbenen ausländischen Lenkberechtigung in Österreich, für den Zeitraum, in dem auch keine österreichische Lenkberechtigung erteilt werden darf, Gebrauch zu machen und das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Motorfahrrädern, ebenso gerechnet ab Bescheidzustellung bis zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung verboten. Überdies wurde der Bw gemäß § 29 Abs.3 FSG aufgefordert, seinen Führerschein unverzüglich bei der Polizeiinspektion S abzuliefern.

Einer allfälligen Berufung gegen den Bescheid wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig – durch seinen ausgewiesenen Vertreter – eingebrachte Berufung des Bw, in welcher zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass bei der verkehrspsychologischen Testung ein Teil der Fragen in deutscher Sprache gestellt worden seien, obwohl er aufgrund nach wie vor vorhandener Sprachbarrieren nicht in der Lage sei, maßgebliche Fragen in deutscher Sprache zu beantworten.

Er bestreitet ferner ausdrücklich das Fehlen der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Das Anlass gebende Strafverfahren sei nunmehr vom Landesgericht Wels eingestellt worden bzw. sei er vom strafrechtlichen Vorwurf der Gefährdung der körperlichen Sicherheit freigesprochen worden. Aus einer ungerechtfertigten Anzeige seien somit zu Unrecht Zweifel an seiner gesundheitlichen Eignung erhoben worden.

Der Bw beantragte die Erteilung der aufschiebenden Wirkung bzw. die gänzliche Aufhebung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hatte durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden  (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 19.6.2007, an welcher der Bw sowie dessen Rechtsvertreter teilgenommen und zum Sachverhalt gehört wurden. Ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat an der Verhandlung nicht teilgenommen.

 

Ferner wurde Beweis erhoben durch ergänzende Erhebungen, wie Einholung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme gemäß § 17 FSG-GV und eines neuerlichen amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen für die Klasse B sowie Wahrung des Parteiengehörs an den Bw zu diesen Ermittlungsergebnissen.

 

5. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

 

Der Bw ist laut Führerscheinzentralregister im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klasse B, welche am 22.2.2006 erteilt wurde. Der Führerschein mit der Seriennummer 06126304 wurde am 24.4.2006 zu Zahl 06/126304 von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land ausgestellt.

 

Laut entsprechender Strafanzeige des Bezirkskommandos Wels-Land, PI S, wurde der Bw am 10.10.2006 wegen des Verdachtes der gefährlichen Drohung und Gefährdung der körperlichen Sicherheit im Sinne des StGB bei der Staatsanwaltschaft Wels angezeigt. Gemäß dieser Anzeige habe der Bw seine Ehefrau durch eine verbale Drohung in Furcht und Unruhe versetzt und anlässlich einer gemeinsamen Autofahrt als Beifahrer – nach einer wörtlichen Auseinandersetzung – bei einer Fahrgeschwindigkeit von 120 km/h in das Lenkrad gegriffen und damit das von seiner Gattin gelenkte Fahrzeug verrissen. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich auch der gemeinsame Sohn und die Tochter seiner Ehefrau mit im Fahrzeug befunden.   

 

Diese Vorfälle nahm die Führerscheinbehörde der Bezirkshauptmannschaft  Wels-Land zum Anlass, die gesundheitliche Eignung des Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B zu überprüfen, indem sie mit einem Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG vorging, wogegen zunächst Rechtsmittel erhoben wurde, dieses in der Folge durch den Bw jedoch zurückgezogen wurde. Der Bescheid erwuchs damit – durch Zurückziehung des Rechtsmittels - in Rechtskraft.

 

Am 28.2.2007 unterzog sich der Bw bei der verkehrspsychologischen Untersuchungs- und Nachschulungsstelle, Angewandte Psychologie und Forschung GmbH, AAP, 5020 Salzburg der verkehrspsychologischen Untersuchung. Diese Untersuchung kam zusammengefasst zum Ergebnis einer unzureichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Bw. Aus verkehrspsychologischer Sicht sei der Bw deshalb derzeit "nicht geeignet" zum Lenken von Kraftfahrzeugen der   FS-Gruppe 1, Klasse B.

 

Unter Zugrundelegung dieser verkehrspsychologischen Stellungnahme erstattete der Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, Herr Dr. B K – nach Untersuchung des Bw - am 15.3.2007 das amtsärztliche Gutachten nach § 8 FSG. Laut diesem Gutachten sei der Bw derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 – Klasse B "nicht geeignet". Begründet wurde die Nichteignung mit den dargelegten unzureichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen.   

 

Entsprechend dem amtärztlichen Gutachten erließ die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land am 21.3.2007 den nunmehr angefochtenen Bescheid, wogegen die oben näher bezeichnete Berufung erhoben wurde.

 

Über Einwendungen des Bw die verkehrspsychologische Testung betreffend, hielt die Verkehrspsychologin Frau Dr. V K, der Verkehrspsychologischen Untersuchungs- und Nachschulungsstelle AAP, 5020 Salzburg in der – im Rahmen des Berufungsverfahrens – eingeholten Stellungnahme vom 23.5.2007 kurzerhand fest, dass der Bw am 28.2.2007 von 11.21 bis 13.01 Uhr die computergestützt vorgegebenen Testverfahren in seiner Muttersprache (Türkisch) bearbeitet habe. Die Testleiterin habe den Bw durchgehend betreut, allfällig benötigte Hilfe habe jederzeit gegeben werden können. Der Bw habe – wie aus der Beobachtung hervorging – die Testverfahren engagiert bearbeitet. Sprach- und Verständnisschwierigkeiten bei der Bearbeitung der computergestützt vorgegebenen Verfahren seien nicht aufgetreten. Die Nichteignung habe aus der unzureichenden kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Bw resultiert. Das Explorationsgespräch sei aufgrund ausreichender Deutschkenntnisse in deutscher Sprache absolviert worden.  

 

Im Hinblick auf die Vorbringen des Bw anlässlich der mündlichen Verhandlung am 19.6.2007, wurde er aufgefordert, eine neuerliche verkehrspsychologische Stellungnahme vorzulegen. Gegen die beantragte Beiziehung eines Dolmetschers beim Untersuchungstermin bestand kein Einwand. Die neuerliche verkehrspsychologische Testung am 8.9.2007, durchgeführt von der Verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle Gute Fahrt, 4040 Linz, ergab nunmehr aus verkehrspsychologischer Sicht eine (uneingeschränkte) Eignung des Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B. Ergänzend wurde (jedoch) bemerkt, dass aufgrund der durch die Lebensumstände hervorgerufenen und vom Bw selbst angegebenen hohen psychischen Belastung eine Gefährdung für eine negative Persönlichkeitsentwicklung gegeben sei; bei diesbezüglichen Hinweisen sei jedenfalls eine neuerliche Überprüfung der psychischen Eignungsvoraussetzungen zu empfehlen.

 

Am 29.10.2007 wurde der Bw amtsärztlich untersucht. Die amtsärztliche Sachverständige, Frau Dr. C K, der Abteilung Landessanitätsdirektion des Landes Oberösterreich hat darüber und unter Zugrundelegung der nunmehr vorliegenden verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 13.9.2007 das Gutachten vom 2.11.2007, San-235452/1-2007-Krc/Kir, erstellt. Gemäß diesem Gutachten ist der Bw derzeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, Klasse B sowie zum Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen geeignet. Frau Dr. K hielt fest, dass sich im Zuge der Untersuchung beim Bw – außer sehr geringen Deutschkenntnissen – keine besonderen Auffälligkeiten gezeigt hätten.

6. In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich darüber wie folgt erwogen:

 

6.1. Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).

 

Gemäß § 8 Abs.1 FSG hat der Antragsteller vor der Erteilung einer Lenkberechtigung der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Klassen von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.

 

Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist gemäß § 8 Abs.2 FSG das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen.

 

Gemäß § 8 Abs.3 FSG hat das ärztliche Gutachten abschließend auszusprechen:

"geeignet", "bedingt geeignet", "beschränkt geeignet" oder "nicht geeignet".

 

Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund gemäß § 8 Abs.3 Z1 FSG gesundheitlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen ohne Einschränkung geeignet, so hat das Gutachten "geeignet" für diese Klassen zu lauten.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z4 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

 

6.2. Das nunmehr durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B sowie zum Lenken von Motorfahrrädern und vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist.

 

Das eingeholte amtsärztliche Gutachten vom 2.11.2007 berücksichtigt die entsprechende verkehrspsychologische Stellungnahme vom 13.9.2007. Das Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar. Der Bw hat diesem Gutachten auch nicht widersprochen, er verzichtete im Rahmen des Parteiengehörs auf die Einbringung einer weiteren Stellungnahme. Das Amtsarztgutachten ist damit beweiskräftig und war der Entscheidung zugrunde zu legen. Folglich war der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land aufzuheben.

 

Bei diesem Ergebnis ist auch der Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 64 Abs.2 AVG gegenstandslos und es erübrigte sich damit diesbezüglich abzusprechen.

 

Festzuhalten ist abschließend jedoch noch, dass seitens der Verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle Gute Fahrt, 4040 Linz, bei allfälligen Hinweisen auf eine künftige negative Persönlichkeitsentwicklung des Bw eine neuerliche Überprüfung der psychischen Eignungsvoraussetzungen empfohlen wurde.  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Fall sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Dr.  F r a g n e r

 

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