Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110768/26/Kl/Pe

Linz, 02.01.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn O O S (D), vertreten durch F H & Partner Rechtsanwälte GmbH, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 29.11.2006, VerkGe96-117-1-2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 5.7.2007 zu Recht erkannt:

 

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

II.     Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 29.11.2006, VerkGe96-117-1-2006, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 7 Abs.1 Z1 und 23 Abs.1 Z3 und Abs.4 GütbefG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der B – T- u SgmbH (Unternehmer) mit dem Sitz in, am 28.6.2006 gegen 8.05 Uhr, auf der Innkreis-Autobahn A8, bei Strkm. 75,400, Gemeindegebiet Suben, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen und dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen, deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges: B – T- u S, Lenker: U E, eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (Sammelgut) von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in Deutschland (grenzüberschreitender gewerblicher Güterkraftverkehr) ohne Fahrerbescheinigung durchgeführt hat, obwohl der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Einspruch (gemeint: Berufung) eingebracht und gemäß dem Verbesserungsauftrag mit Schriftsatz vom 21.3.2007 verbessert bzw. mit Eingabe vom 2.5.2007 ergänzt. Es wurde die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde dargelegt, dass der Lenker U E seinen ordentlichen Wohnsitz in der Türkei habe und dort beschäftigt sei. Es bestehe kein Dienstverhältnis zur B – T- u SgmbH. Unter Hinweis auf die Judikatur des EuGH sei es unzulässig neue Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen. Die Forderung nach einer Fahrerbescheinigung ist einer Visumspflicht gleichzuhalten, die ebenfalls eine neue Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs des Art.1 Abs.1 des Zusatzprotokolls darstellt. Es wurde die Einvernahme des Lenkers und des Beschuldigten beantragt. Weiters wurde die Vereinbarung vom 1.1.2006 zur Bestellung des Herrn E U zum verantwortlichen Beauftragten vorgebracht, und zwar für den örtlichen Teilbereich Transitverkehr zwischen Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Türkei. Herr U war für den Einsatz und die Schulung der Fahrer, für den ordnungsgemäßen Zustand der eingesetzten Fahrzeuge sowie die ordnungsgemäße Beladung verantwortlich. Er hat gegenüber den in diesem Bereich tätigen Mitarbeitern eine entsprechende Anordnungsbefugnis.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 5.7.2007, zu welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter sowie die belangte Behörde geladen wurden. Der Berufungswerber ist nicht erscheinen, die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Der Rechtsvertreter hat an der Verhandlung teilgenommen. Weiters wurden die Zeugen Ü E und E U geladen und sind nicht erscheinen. Eine zwangsweise Durchsetzung im Ausland ist nicht möglich. Der Zeuge Insp. J B wurde geladen und als Zeuge einvernommen.

 

4.1. Es steht fest, dass am 28.6.2006 ein grenzüberschreitender gewerblicher Gütertransport durch die B – T- u SgmbH in, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Berufungswerber ist, von der Türkei nach Deutschland Langenbach durchgeführt wurde, wobei für den Lenker U E keine Fahrerbescheinigung vorlag und diese auch nicht mitgeführt und ausgehändigt wurde. Der Lenker ist nicht bei der B – T- u SgmbH beschäftigt sondern bei der Firma C R in der Türkei. Er hat einen türkischen Wohnsitz und wird von der Firma C R zur Verfügung gestellt, wobei die B – T- u SgmbH ihrerseits der Firma C R die Lkw zur Verfügung stellt. Der Transport wurde mit einer gültigen Gemeinschaftslizenz, gültig vom 27.3.2003 bis 26.3.2008, durchgeführt. Der Lenker gab bei seiner Betretung an, dass er erst kurze Zeit für die Firma B fahre und nicht gewusst habe, dass er eine Fahrerbescheinigung brauche.

 

Dieser Sachverhalt ist erwiesen aufgrund der Aussagen des Berufungswerbers, des glaubwürdigen Zeugen sowie der im Akt aufliegenden Urkunden. Insbesondere liegt im Akt erster Instanz eine Auskunft des Landratsamtes Schwandorf vom 12.7.2006 vor, wonach der Berufungswerber verantwortlicher Geschäftsführer der B – T- u SgmbH in ist, und für den Fahrer U E keine entsprechende Fahrerbescheinigung ausgestellt wurde.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.3 der zitierten Verordnung wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer

Z3     Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung             durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen          nicht einhält,

Z8     nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt         werden.

Strafbar nach Abs.1 Z3, Z6, Z8 oder Z11 ist ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren  Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgt (§ 23 Abs.3 GütbefG).

 

Gemäß § 23 Abs.4 GütbefG hat bei Übertretungen gemäß Abs.1 Z3 und Z8 bis Z11 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

5.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 15.11.2007, Zl. 2007/03/0127-7, ausgesprochen, dass eine Fahrerbescheinigung keine Gemeinschaftslizenz darstellt und sich daher die Rechtsansicht des Oö. Verwaltungssenates, wonach die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden Güterbeförderung, ohne dass – obgleich der Fahrer Drittstaatsangehöriger ist – eine Fahrerbescheinigung vorliegt, unter § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 GütbefG zu subsumieren sei, als nicht zutreffend erweist. Auch der Umstand, dass in § 25 Abs.2 GütbefG nunmehr die geänderte Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 881/2002 ausdrücklich zitiert ist, vermag daran nichts zu ändern, da bereits vor dieser Novelle des GütbefG mit der Bezugnahme auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/1992 (ohne einzelne Änderungen ausdrücklich anzuführen) eine im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zulässige dynamische Verweisung auf die jeweils gültige Fassung dieser Verordnung gegeben war, wie sich auch aus dem zitierten Erkenntnis vom 19.10.2004, Zl. 2004/03/0087, ergibt.

Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass sich aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 23 Abs.1 Z8 GütbefG ergibt, dass der Unternehmer der ihn treffenden Verpflichtung auch dann nicht nachkommt, wenn er eine erforderliche Fahrerbescheinigung gar nicht besorgt hat, sodass er sie dem Fahrer bei der Güterbeförderung auch nicht übergeben kann. Auch in diesem Fall hat er nicht dafür gesorgt, dass eine erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wird.

Zwar trifft es zu, dass für die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden grenzüberschreitenden Güterbeförderung, ohne dass der Unternehmer über eine Gemeinschaftslizenz verfügt, eine gesonderte Strafnorm in § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 Z1 GütbefG vorgesehen ist; da jedoch im Hinblick auf die Fahrerbescheinigung keine dieser Bestimmung entsprechende Spezialnorm vorliegt, ist eine Bestrafung nach § 23 Abs.1 Z8 GütbefG nicht ausgeschlossen.

 

5.3. Dem Berufungswerber wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt, dass er als Unternehmer mit dem Sitz in (D) am 28.6.2006 gegen 8.05 Uhr einen näher beschriebenen gewerbsmäßigen grenzüberschreitenden Gütertransport von Istanbul, Türkei, durch Österreich mit dem Zielort Langenbach in Deutschland durch den türkischen Lenker U E durchführen hat lassen, ohne im Besitz einer Fahrerbescheinigung zu sein.

Nach dem obzitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hat aber Berücksichtigung zu finden, dass dem Berufungswerber nicht eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 Z1 GütbefG vorzuhalten ist, sondern das Tatverhalten unter § 23 Abs.1 Z8 GütbefG zu subsumieren ist. Damit verbunden ist auch ein anderer Tatvorwurf, nämlich als Unternehmer nicht dafür Sorge getragen zu haben, dass der türkische Lenker die erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt hat. Eine entsprechende Verfolgungshandlung wurde mit Aufforderung zur Rechtfertigung am 17.6.2006, also noch innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 31 Abs.2 VStG gesetzt. Nach ständiger Judikatur des Oö. Verwaltungssenates war daher das angefochtene Straferkenntnis – weil die vorgeworfene Tat der Berufungswerber nicht begangen hat – aufzuheben, das Verwaltungsstrafverfahren aber nicht einzustellen. Das Verhalten ist mit der sohin noch offen stehenden Rechtschutzmöglichkeit des Berufungswerbers begründet.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Fahrerbescheinigung, Spruch

 

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