Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162498/6/Br/Ps

Linz, 16.10.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn R T, geb., I, L, vertreten durch Herrn Dr. W P, Rechtsanwalt, G, L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 10. August 2007, Zl. S-4205/07 VS1, nach der am 9. Oktober 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 – VStG.

 

II.      Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Über den Berufungswerber wurden mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz wegen Übertretungen 1.) nach § 76 Abs.6 und 2.) nach § 76 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von je 50 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 25 Stunden verhängt.

Wider den Berufungswerber wurde der nachfolgende Tatvorwurf erhoben:

      "Tatort:             Linz, Prinz Eugenbrücke, ca. 56 Meter nach der Kreuzung mit der Industriezeile.

        Tatzeit:           18.01.2007,16:10 Uhr

        Fahrzeug:

1.  Sie haben als Fußgänger die Fahrbahn im Ortsgebiet nicht an einer Kreuzung über­quert, obwohl die Verkehrslage ein sicheres Überqueren an der von Ihnen gewähl­ten Stelle nicht zweifellos zuließ.

2. Sie haben als Fußgänger außerhalb von Schutzwegen die Fahrbahn nicht auf dem kürzesten Weg überquert und dabei den Fahrzeugverkehr behindert."

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Der dem Spruch zu Grunde liegende Sachverhalt ist durch die Unfallanzeige vom 29.01.2007, das durchge­führte Ermittlungsverfahren, sowie ihre eigenen Angaben in der Niederschrift vom 6.02.2007 erwiesen. Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen begangen haben.

 

Gegen die Strafverfügung vom 13.02.2007 haben sie binnen offener Frist Einspruch erhoben diesen im We­sentlichen damit begründet, dass sie sich keiner strafbaren Handlung bewusst seien, weil ein überqueren im Ortsgebiet grundsätzlich nicht verboten sei, wenn der Schutzweg weiter als 25 m entfernt ist. In ihrem Fall hätte sich der Schutzweg 56 m weit entfernt befunden. Der Pkw Lenker hätte ihrer Ansicht nach seine Sorg­faltspflicht und Aufmerksamkeit vernachlässigt, weil jeder Autofahrer auf Sicht fahren müsse. Die Verkehrs­lage hätte ein Überqueren sehr wohl ermöglicht, weil sonst noch andere Verkehrsteilnehmer an diesem Un­fall verwickelt worden wären.

 

Auf Grund ihres Einspruches wurde das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet und ihrem ausgewiese­nen Rechtsvertreter die mit 10.4.2007 datierte Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt, in der diesem die Möglichkeit eingeräumt wurde, entweder binnen 2 Wochen ab Zustellung entweder anlässlich einer Einver­nahme oder schriftlich bis zu diesem Zeitpunkt eine entsprechende Rechtfertigung abzugeben, sowie weite­re der Verteidigung dienende Tatsachen und Beweismittel bekannt zu geben.

 

Der mit 19.4.2007 datierten Stellungnahme wurden im Wesentlichen die bereits im Einspruch vorgebrachten Argumente wiederholt.

 

Der daraufhin niederschriftlich, nach Wahrheitserinnerung als Zeuge einvernommene C S ver­wies auf seine am 22.01.2007 verfasse Niederschrift und erhob diese zu seiner zeugenschafltichen Aussa­ge­.

 

In der nach Kenntnisnahme des aktuellen Verfahrensstandes bzw. Akteninhaltes abgegebenen Stellung­nahme vom 23.07.2007 gaben sie im Wesentlichen wie folgt an: Die Verwaltungsübertretungen würden bestritten. Die Kollision hätte sich nicht auf den in Richtung Prinz Eugen führenden linken Fahrstreifen son­dern am rechten Fahrstreifen ereignet. Ob die am PKW entstandenen Schäden auf den Zusammenstoß zurückführen seien sei fraglich. Die Angaben des Pkw Lenkers würden nicht für eine Verurteilung des Be­schuldigten ausreichen. Der Beschuldigte hätte die für den allgemeinen Fahrzeugverkehr bestimmte Fahr­bahn nicht schräg überquert. Auch könne von einer Behinderung durch den Fußgänger keine Rede sein.

 

Gemäß § 76 Abs. 6 Satz 2 StVO haben Fußgänger Schutzwege oder für Fußgänger bestimmte Unter- oder Überführungen zu benützen, sofern solche Einrichtungen vorhanden sind. Ölst jedoch keine dieser Einrich­tungen vorhanden oder mehr als 25 m entfernt, so dürfen Fußgänger im Ortsgebiet die Fahrbahn nur an Kreuzungen überqueren, es sei denn, dass die Verkehrslage ein sicheres Überqueren der Fahrbahn auch an anderen Stellen zweifellos zulässt.

 

Gemäß § 76 Abs. 5 Satz 2 StVO haben Fußgänger außerhalb von Schutzwegen den kürzesten Weg zu wählen; hiebei dürfen sie den Fahrzeugverkehr nicht gefährden.

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu € 726,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 2 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstößt.

 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des zugrund liegenden Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser durch die Unfallanzeige vom 29.01.2007, die Aussage des unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen C S, sowie teilweise durch ihre eigenen Anga­ben in der Niederschrift vom 06.02.2007 erwiesen sind.

 

Abwägung des in Teilbereichen widersprüchlichen Vorbringens bezüglich des angelasteten Sachverhaltes.

war daher den schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des Zeugen, des überdies bei einer falschen Aussage strafrechtliche Folgen zu gewärtigen hätte, doch mehr Glauben beizumessen, als den Angaben des Beschuldigten der sich ebenso verantworten kann, wie es ihm für den Ausgang des Verfahrens am günstigsten erscheint.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefähr­dung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht somit dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und erscheint der Be­hörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Als mildernd bei der Strafbemessung war das Fehlen ha. verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen zu wer­ten; erschwerende Umstände lagen keine vor.

 

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen, für ihre Gattin sorgepflichtig sind und ein Einkommen von ca. € 1.300,- netto monatlich beziehen.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet."

 

2. In der dagegen durch die ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung bestreitet der Berufungswerber die Tatbegehung wie folgt:

"1. In der umseits bezeichneten Verwaltungsstrafsache erhebt der Einschreiter durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter innerhalb offener Frist (das Strafer­kenntnis vom 10.8.2007 wurde am 14.8.2007 zugestellt) das Rechtsmittel der

 

B e r u f u n g

an die Behörde II. Instanz.

 

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Einschreiter zur Bezahlung einer Geldstrafe von insgesamt € 100,-- verurteilt. Es werden ihm Verwaltungs­übertretungen nach §§ 76/6 Satz 2 und 76/5 Satz 2 StVO zur Last gelegt. Der Einschreiter soll am 18.1.2007 kurz nach 16.00 Uhr in Linz, Prinz Eugen­brücke ca. 56 Meter nach der Kreuzung mit der Industriezeile die Fahrbahn überquert haben, wobei er von dem von C S gelenkten PKW nieder­gestoßen und schwer verletzt wurde. Der verwaltungsstrafrechtliche Vorwurf geht dahin, daß der Einschreiter als Fußgänger die Fahrbahn im Ortsgebiet nicht an einer Kreuzung überquert hat, obwohl die Verkehrslage ein sicheres Über­queren an der von ihm gewählten Stelle nicht zweifelsfrei zuließ, und weil er als Fußgänger außerhalb von Schutzwegen die Fahrbahn nicht auf dem kürzesten Weg überquert und dabei den Fahrzeugverkehr behindert hat.

 

2. Die Berufung wird wie folgt ausgeführt:

 

In der Begründung wird lediglich auf den Spruch des Straferkenntnisses verwie­sen, ohne daß näher angeführt ist, welche bestimmten Tatsachen dem Strafer­kenntnis zugrunde gelegt werden. Es wird zwar auf die Rechtfertigung des Einschreiters verwiesen, die in wesentlichen Bereichen von den Angaben des C S abweicht, wobei aber beweiswürdigend lediglich ausgeführt wird, daß den Angaben des C S, der als Zeuge einvernommen wur­de, erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt.

Auch ein Straferkenntnis hat in der Begründung darzustellen, welche konkreten Tathandlungen von der Behörde als erwiesen angenommen werden. Weiters hat sich das Straferkenntnis beweiswürdigend sowohl mit den den Beschuldigten belastenden Umstände als auch mit seiner Rechtfertigung in einer Weise ausei­nanderzusetzen, die eine Nachprüfung der Beweiswürdigung ermöglicht.

 

Es reicht nicht aus, lediglich auf den Spruch des Straferkenntnisses (anstelle konkreter näherer Tatsachenfeststellungen, aus denen der Spruch des Tatbe­stands abgeleitet wird) zu verweisen und beweiswürdigend lediglich daraufhin­zuweisen, daß die Behörde keinen Anlaß hat, an der Richtigkeit des dem Straf­erkenntnis zugrundeliegenden Sachverhalts zu zweifeln, der - nach Meinung der Behörde I. Instanz — vom Zeugen C S angeblich vollinhaltlich bestä­tigt wird.

Allein der Umstand, daß das Straferkenntnis in Wahrheit keine Tatsachenfest­stellungen aufweist und daß sich die Beweis Würdigung nur auf den formelhaften Hinweis der (angeblich eindeutigen) Angaben des Zeugen C S be­schränkt, belastet das Straferkenntnis mit Mangelhaftigkeit. Da die Behörde auf die Angaben des Einschreiters in Wahrheit gar nicht eingeht, ist es auch nicht möglich, die Beweis Würdigung prüfend nachzuvollziehen. Insbesondere kann aus dem Straferkenntnis nicht entnommen werden, weshalb die rechtfertigenden Angaben des Einschreiters auszuschließen sind.

Dieser Mangel ist zum Nachteil des Einschreiters insofern von entscheidender Bedeutung, als auch im Verwaltungsstrafverfahren eine Verurteilung nur dann möglich ist, wenn mit absoluter Sicherheit feststeht, daß der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Tathandlungen tatsächlich begangen hat. Schon geringe Zweifel müssen zur Einstellung des Verfahrens führen.

 

Die angeblich „erhöhte Glaubwürdigkeit" des C S relativiert sich, da in Wahrheit C S materiell ebenso Beschuldigter ist und vom Einschreiter wegen Alleinverschuldens am Zustandekommen des Verkehrsun­falls in Anspruch genommen wird. Es ist daher nicht zu übersehen, daß - unge­achtet seiner formalen Zeugeneigenschaft - C S ein zumindest glei­ches Interesse wie der Einschreiter daran hat, nicht selbst für den Unfall verant­wortlich zu sein.

Im übrigen kann C S zum Unfallshergang in Wahrheit keine über­zeugenden und schon gar keine einer Überprüfung zugänglichen Angaben ma­chen. Objektiviert ist, daß C S in Annäherung an die Unfallstelle ein freies Sichtfeld von zumindest 56 m gehabt hat. Ob er tatsächlich vor dem Unfall noch gebremst hat und ob eine allfällige Bremsung noch Wirkung zeigen konnte, ist nicht erwiesen.

Es ist vielmehr davon auszugehen, daß C S den Einschreiter beim Queren der Fahrbahn völlig übersehen hat, ergibt sich doch aus seiner Schilde­rung - eine nähere Befragung ist dazu unterblieben - , daß aus der Sicht des Zeugen C S der Einschreiter plötzlich vor seinem PKW aufgetaucht ist. Bei nur einigermaßen aufmerksamer Fahrweise hätte C S den die Fahrbahn querenden Fußgänger viel früher und über eine verhältnismäßig lange Wegstrecke wahrnehmen müssen und können.

C S kann auch keine Angaben über die Gehrichtung des Einschrei­ters, sein Gehtempo und andere für die Beurteilung maßgeblichen Umstände machen. Auch das indiziert, daß er den Einschreiter völlig übersehen und erst unmittelbar vor der Kollision wahrgenommen hat. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die Angaben des C S zu sehen, wonach sich im Gegen­verkehr eine Fahrzeugkolonne befunden hat, die vom Einschreiter (möglicher­weise) passiert wurde.

Es ist keinesfalls von der Hand zu weisen, daß sich hinter dem Einschreiter bzw. nach erfolgter Kollision in der Gegenrichtung eine Kolonne gebildet hat. Da der Einschreiter offenbar erst ab diesem Zeitpunkt seine Aufmerksamkeit dem Fuß­gänger bzw. dem Unfallgeschehen zugewandt hat, bestand für ihn kein Anlaß, darauf zu achten, ob tatsächlich (im Gegensatz zu den Angaben des Einschrei-ters) im Gegenverkehr eine Fahrzeugkolonne stand oder fuhr. Genauso wenig kann der Einschreiter Angaben zur Gehrichtung des Fußgängers machen, was abermals mit hoher Wahrscheinlichkeit nahe legt, daß er - obwohl bei der An­näherung an die Unfallstelle dazu reichlich Gelegenheit bestand - die Fahrbahn völlig unzureichend beobachtet und den Fußgänger trotz Zurücklegung einer langen Wegstrecke einfach übersehen hat.

Bemerkenswert ist es, daß der Einschreiter an der ampelgeregelten Kreuzung in der rechten Spur sein Fahrzeug angehalten hat. Er erwähnt nichts von einem in der Folge bei Annäherung an die Prinz Eugenbrücke durchgeführten Spurwech­sel, zu dem zumindest in diesem Bereich kein Anlaß bestanden hätte. Es ist daher zumindest ebenso wahrscheinlich, daß, den Angaben des Einschrei­ters folgend, der PKW-Lenker die Fahrt auf der rechten Fahrspur fortgesetzt hat und daß es dort zur Kollision gekommen ist.

 

Es liegen auch keine objektiven Beweismittel dafür vor, daß der Einschreiter die Fahrbahn schräg überquert haben soll. Es ist nicht nachvollziehbar, worauf die Behörde die angeblich vorhandene, absolute Sicherheit, der Einschreiter habe auch diese Verwaltungsübertretung begangen, gründet.

Hätte die Behörde Feststellungen getroffen und verbleibende Unklarheiten, bei­spielsweise durch Erstellung eines Zeitwegdiagramms, geklärt, hätte sich neben den bereits aufgezeigten Ungereimtheiten ergeben, daß die Angaben des C S höchst ungenau sind und der für eine Verurteilung erforderlichen Verlässlichkeit entbehren.

Ist nicht zweifelsfrei und mit absoluter Sicherheit klärbar, daß der im Verwal-tungsstrafverfahren Beschuldigte die ihm zur Last gelegten Übertretungen be­gangen hat, ist eine Verurteilung nicht möglich. Der bloße formelhafte Hinweis auf die erhöhte Glaubwürdigkeit des Zeugen C S reicht jedenfalls im Strafverfahren für eine Verurteilung nicht aus, da - wie im vorliegenden Fall - Umstände vorliegen, die geeignet sind, die Verlässlichkeit der Angaben des Zeugen C S zu relativieren.       

 

Der Vorwurf nach § 76/5 Satz 2 StVO ist schon deshalb unbegründet, weil in keiner Weise feststeht, daß der Einschreiter die Fahrbahn nicht auf dem kürzes­ten Weg in gerader Linie überquert hat. Bereits bei seiner Befragung durch die Polizei hat der Einschreiter offen gelassen, daß er die Fahrbahn nicht auf kürzes­tem Weg überquert haben konnte. Abgesehen davon, daß diese Gesetzesbe­stimmung nicht so zu verstehen und nicht so anzuwenden ist, daß der Fußgänger den kürzesten Weg gleichsam mit Winkelmaß und Maßband sicherstellen muß, kann der Einschreiter lediglich nicht ausschließen, daß er noch auf der in Rich­tung Kreuzung führenden Busspur etwas schräg gegangen ist. Auch diese Unge­wisse und damit nicht erwiesene Möglichkeit reicht nicht aus, ihn wegen des angesprochenen Delikts zu verurteilen.

 

Richtig ist, daß ein Fußgänger im Ortsgebiet beim Queren der Fahrbahn darauf achten muß, daß die Verkehrslage ein sicheres Überqueren an der von ihm ge­wählten Stelle zulässt. Der Rückschluß, daß bereits der jedenfalls in erheblichem Maß vom Zeugen C S verschuldete Unfall den Nachweis des Tat­bestands erbringt, ist verfehlt.

Der Einschreiter hat in seiner Rechtfertigung daraufhingewiesen, daß C S jedenfalls ab der ampelgeregelten Kreuzung (bereits im Zuge des Abbie­gevorgangs) freie Sicht auf die spätere Unfallstelle gehabt hat. Hätte er den die Fahrbahn überquerenden Fußgänger nicht völlig übersehen, hätte bereits ein Gaswegnehmen oder eine geringfügige Bremsung ausgereicht, den Unfall zu verhindern, ganz abgesehen davon, daß C S zur Abgabe eines Hup­zeichens verpflichtet gewesen wäre. Von einer Behinderung des Fahrzeugver­kehrs kann in Auslegung des § 76/6 Satz 2 StVO dann nicht gesprochen werden, wenn ein sich nähernder PKW-Lenker, wozu er verpflichtet ist, durch Gasweg­nehmen oder eine geringfügige Betriebsbremsung dem Fußgänger das Queren der Fahrbahn ermöglichen kann. Der Einschreiter war als Fußgänger auch nicht verpflichtet, gleichsam ständig nach links und rechts zu blicken, weil er darauf vertrauen konnte, daß ein sich nähernder PKW-Lenker aufgrund der gegebenen Sichtverhältnisse eben dasjenige Verhalten zeigt, das von ihm im Sinne der Straßenverkehrsordnung zu verlangen ist. Auch in diesem Zusammenhang hätte die Erstellung eines einfachen Zeitwegdiagramms die Rechtfertigung des Einschreiters bestätigt, daß die Fortsetzung des Überquerens der Fahrbahn durch ihn keinesfalls rechtswidrig war, eben weil er auch darauf vertrauen konnte, daß ein sich nähernder PKW-Lenker im dargestellten Sinn reagiert, ohne daß des­halb von einer Behinderung des Fahrzeugverkehrs gesprochen werden kann.

 

Die Behörde I. Instanz lässt außer Acht, daß auch ein sich nähernder Fahrzeug­lenker gewisse „Mindestverhaltensmaßnahmen" zu beachten hat und daß der angesprochene Tatbestand dann nicht hergestellt ist, wenn ein sich nähernder PKW-Lenker beispielsweise durch Abstandnahme von einem weiteren Be­schleunigen seines Fahrzeuges das sichere Queren der Fahrbahn ermöglichen kann. Der Begriff des „sicheren Querens" der Fahrbahn wird von der Behörde I. Instanz zum Nachteil des Einschreiters zu eng und damit unrichtig ausgelegt.

Bei richtiger tatsächlicher und rechtlicher Beurteilung ist das Strafverfahren hin­sichtlich beider erhobenen Vorwürfe einzustellen.

 

3. Der Einschreiter stellt den

 

BERUFUNGSANTRAG,

 

seiner Berufung nach Beweisergänzung bzw. Beweiswiederholung Folge zu ge­ben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und die Verwal­tungsstrafsache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde I. Instanz zurückzuverweisen.

 

L, am 27.8.2007                                                                                R T"

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurde der unfallbeteiligte Fahrzeuglenker C. S als Zeuge und der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen.

Zur Nachvollziehung der Querungslinie und Entfernung zur Kreuzung wurden Luftbilder aus dem System DORIS beigeschafft.

 

3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).

 

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

 

Auf Grund des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens hat der Berufungswerber laut Anzeige um 16.10 Uhr die Prinz-Eugen-Straße auf der Höhe der Bushaltesstelle etwa im rechten Winkel in nördlicher Richtung zwischen den stadtauswärts in der Kolonne zum Stehen gekommenen Fahrzeugen überquert. Dies wäre gemäß dem maßstabsgetreuen Lichtbild zumindest 40 m vom Kreuzungsbereich (Schutzweg) entfernt. Er selbst bezeichnet dies mit 50 m und der Zeuge mit 80 m von der Kreuzung entfernt.

Das gegen den Zeugen S unter 449 41 BAZ 160/07v-1 eingeleitete gerichtliche Strafverfahren wurde am 21.2.2007 unter der Zahl S4205/07 gemäß § 90 Abs.1 StPO zurückgelegt. Die anlässlich der im Rechtshilfeweg im Verfahren vor der Behörde erster Instanz abgelegte zeugenschaftliche Aussage von C. S beschränkt sich ausschließlich auf den Hinweis seiner Angaben im Polizeiprotokoll. Eine solche Zeugenaussage ist im Ergebnis unbrauchbar, weil er dort als Beschuldigter einvernommen wurde und somit nicht erwartet werden kann, dass diese Aussage einen erhöhten Wahrheitswert hat. Darüber hinaus weist sie Divergenzen zu der h. abgelegten Zeugenaussage auf. So ist darin etwa vom Befahren der linken Spur der Prinz-Eugen-Straße und von einer Fahrgeschwindigkeit von nur 30 bis 40 km/h die Rede, während nunmehr der Zeuge wie auch der Berufungswerber den Unfall auf der rechten Spur erinnerlich zu haben glaubten.

Die Prinz-Eugen-Straße verläuft in Fahrtrichtung des Zeugen in Richtung Zentrum zweispurig. Als sich der Berufungswerber beim Überqueren der Straße offenbar bereits auf der rechten in Richtung Zentrum führenden Fahrspur befand, wurde er dort von dem vorher aus der Industriezeile nach links abbiegenden Zeugen Ch. S niedergestoßen und erheblich verletzt. Der Zeuge versuchte zwar noch durch eine Bremsung und eine Ausweichreaktion den Zusammenstoß mit dem Fußgänger zu vermeiden, dies gelang ihm jedoch nicht mehr. Als mit hoher Wahrscheinlichkeit kann als relativ gesichert gelten, dass der Fußgänger zum Zeitpunkt des Aufpralles bereits gestanden ist. Die Fahrgeschwindigkeit wird seitens des Zeugen in der polizeilichen Niederschrift mit 30 bis 40 km/h angegeben, anlässlich der Berufungsverhandlung konnte der Zeuge diesbezüglich keine Angaben mehr machen. Anlässlich der Berufungsverhandlung vermeinte der Zeuge, dass der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Kollision mit seinem Fahrzeug bereits gestanden sein könnte.

Zum Unfallszeitpunkt regnete es, wobei der Helligkeitsgrad und die exakte Vorfallszeit nicht wirklich schlüssig festgestellt werden konnten, weil etwa der Zeuge meinte, es müsse kurz vor 18.00 Uhr gewesen sein. Gegen diese Zeit spricht jedoch, dass zu diesem Zeitpunkt am 18. Jänner bereits völlige Dunkelheit herrschte.

Die Polizei erfuhr von diesem Unfall laut Anzeige um 16.25 Uhr, was wiederum eher für einen Unfallszeitpunkt eher knapp vorher, nicht jedoch 16.10 Uhr spricht.

Den Aussagen des Zeugen folgend können die zur Last gelegten Tatbestände nicht als erwiesen gelten. Der Umstand, dass der Berufungswerber als Fußgänger niedergestoßen wurde, vermag als Beweis dafür jedenfalls nicht herhalten.

Dem Berufungswerber war somit im Ergebnis in seinem Berufungsvorbringen zu folgen gewesen.

 

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Nach § 76 Abs.5 StVO 1960 haben Fußgänger die Fahrbahn in angemessener Eile zu überqueren. Außerhalb von Schutzwegen haben sie den kürzesten Weg zu wählen; hiebei dürfen sie den Fahrzeugverkehr nicht behindern.

Nach Abs.6 leg.cit., haben Fußgänger, wenn Schutzwege oder für Fußgänger bestimmte Unter- oder Überführungen vorhanden sind, diese Einrichtungen zu benützen. Ist jedoch keine dieser Einrichtungen vorhanden oder mehr als 25 m entfernt, so dürfen Fußgänger im Ortsgebiet die Fahrbahn nur an Kreuzungen überqueren, es sei denn, dass die Verkehrslage ein sicheres Überqueren der Fahrbahn auch an anderen Stellen zweifellos zulässt.

Da gemäß dem Beweisergebnis weder davon ausgegangen werden kann, dass der Berufungswerber die Fahrbahn hier nicht in "angemessener Eile" überquert hätte, erweist sich der nicht tatbestandsmäßig formulierte Schuldspruch im Punkt 1.) zumindest schon mit Blick auf das Tatbild als unhaltbar und letztlich auch nicht erwiesen.

Auch im Punkt 2.) hat einerseits die Entfernung zum Schutzweg deutlich mehr als 25 m betragen und es erfolgte die Überquerung sehr wohl auf dem kürzesten Wege, andererseits findet auch dieser Tatvorwurf im Tatbestand keine Deckung.

Auf die erheblichen Diskrepanzen in der Bezeichnung der Tatzeit ist daher rechtlich iSd § 44a Abs.1 u. 2 VStG nicht mehr weiter einzugehen.

Die Behörde erster Instanz vermischte hier offenbar in ihren Tatvorwürfen auch die Tatbilder des § 76 Abs.5 u. 6 StVO 1960, welche darüber hinaus hier – wenn überhaupt – in Idealkonkurrenz stehend mit einer Strafe zu ahnden gewesen wären.

 

5.1. Nach § 45 Abs.1 Z1 VStG ist die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens schon bei fehlendem Schuldbeweis zu verfügen. Eine Bestrafung auf Verdacht würde dem Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" entgegen stehen. Abschließend wäre noch darauf hinzuweisen, dass angesichts der durch den Berufungswerber erlittenen schweren Verletzung ein Strafbedarf vor dem Hintergrund des § 21a VStG gesehen werden müsste.

Als Konsequenz der hier mangels ausreichender Beweislage einer gesetzten Schutznormverletzung folgt daher, dass von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und dessen Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122). 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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