Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400824/20/WEI/Ps

Linz, 28.12.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des N B (auch B), Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft M & S OEG, wegen rechtswidriger Anhaltung in Schubhaft "jedenfalls seit 03.07.2006" im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Salzburg durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck nach Aufhebung des h. Erkenntnisses vom 11. Juli 2006 durch den Verfassungsgerichtshof zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Die Beschwerde wird Folge gegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit vom 3. bis 20. Juli 2006 für rechtswidrig erklärt.

 

II.                   Der Bund hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 673,80 Euro (darin enthalten 13 Euro Eingabengebühr) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 157/2005) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, hat nach eigenen Angaben im Asylverfahren am 25. April 2006 Sarajewo in Bosnien verlassen und fuhr nach N P in Serbien, von wo er gemeinsam mit Frau und Kind mit Hilfe eines Schleppers in einem Kastenwagen versteckt illegal bis nach Vöcklabruck in Österreich reiste. Über die Reiseroute könne er keine Angaben machen. Die Reise hätte sein Vater organisiert und dafür 3.000 oder 3.500 Euro bezahlt. Am 27. April 2006 um 18.00 Uhr stellte er beim Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West (BAA EASt West) einen Asylantrag und am 28. April 2006 fand die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

 

Bei dieser niederschriftlichen Erstbefragung durch Sicherheitsorgane gab er an, dass sich sein Reisepass im Kosovo befände. Sein Heimatland hätte er aus politischen Gründen verlassen. Er gehöre zur Minderheit der Bosniaken im Kosovo und könne nicht in den Kosovo zurück, weil er die albanische Sprache nicht beherrschte und im Jahr 2001 bedroht worden wäre. Im Jahr 1998 sollte er zur jugoslawischen Armee einrücken, hätte aber dem Einberufungsbefehl nicht Folge geleistet. Er wäre damals in Sarajewo gewesen und bei Kriegsende im Jahr 2000 in den Kosovo zurückgegangen. Dort wäre er 2001 von den Albanern bedroht worden, weil er angeblich bei der jugoslawischen Armee gewesen sein soll. Daraufhin flüchtete er wieder nach Sarajewo. Eine Bestätigung der demokratisch bosnischen Partei legte er vor.

 

1.2. Mit Schreiben vom 3. Mai 2006 teilte das BAA EASt West gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 mit, dass beabsichtigt sei, den Antrag des Bf auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Dublin Konsultationen mit Ungarn und Slowenien seit dem 3. Mai 2006 geführt werden würden. Die Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 oder 5 AsylG 2005 gelte auch als "eingeleitetes Ausweisungsverfahren". Dieses Schreiben erhielt der Bf am 12. Mai 2006.

 

1.3. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 12. Mai 2006, Zl. Sich 40-1835-2006, wurde gegen den Bf auf der Grundlage des § 76 Abs 2 Z 2 iVm § 80 Abs 5 FPG und § 57 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet. Den Schubhaftbescheid übernahm der Bf am 12. Mai 2006 persönlich. Anschließend wurde der Bf im Auftrag der belangten Behörde in das PAZ der BPD Salzburg überstellt.

 

In der Begründung äußerte die belangte Behörde Zweifel bezüglich der Angaben des Bf, der mit Lebensgefährtin und Tochter vorsätzlich illegal durch mehrerer Staaten nach Österreich reiste und zur Reiseroute angeblich nicht sagen konnte. Dass er keine durchreisten Länder oder Ortschaften nennen könnte und für Schlepperhilfe nach den Heimatverhältnissen ein Vermögen von 3.000 oder 3.500 Euro bezahlt worden wäre, könne nur in Frage gestellt werden. Bezogen auf die Reisedauer könne der Bf nur über die Mitgliedsstaaten Ungarn oder Slowenien ins Bundesgebiet gelangt sein. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass sein Asylbegehren mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden werde.

 

Das BAA EASt West habe gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 zu Zl. 06 04.577 und den Zlen. 06 04.574 und 75 Ausweisungsverfahren nach Ungarn und Slowenien gegen den Bf, seine Lebensgefährtin und seine Tochter eingeleitet und dies am 12. Mai 2006 dem Bf nachweislich mitgeteilt. Die Identität des Bf sei mangels eines vorhandenen Reisedokuments nicht gesichert. Der Bf, der nahezu mittellos sei und über keinen Krankenversicherungsschutz verfüge, überschreite nach Belieben illegal die Grenzen des Schengengebietes.

 

Auf Grund des bisher gezeigten Verhaltens sei zu befürchten, dass sich der Bf auf freiem Fuß belassen dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen werde. Zudem sei ein asylrechtliches Ausweisungsverfahren eingeleitet worden, wobei an der beschleunigten Durchführung ein besonderes öffentliches Interesse bestünde.

 

Von der Erlassung eines gelinderen Mittels habe Abstand genommen werden müssen, da zu befürchten sei, dass sich der Bf durch Abtauchen in die Illegalität dem fremdenbehördlichen Zugriff entzieht. Die Gefahr, dass der Bf auch in Österreich in die Illegalität abtauche sei sehr groß. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts sei im Fall des Bf schwierig. Seine wahre Identität sei nicht gesichert.

 

1.4. Aus dem aktenkundigen Ausdruck einer AIS-Auskunft ergibt sich, dass die Dublin Konsultationen negativ verliefen, weil Ungarn und Slowenien die Übernahme des Bf am 2. Juni 2006 ablehnten. In weiterer Folge hat das BAA EASt West den Termin zur Erstbefragung des Bf im Asylverfahren für 8. Juni 2006 anberaumt. Bei dieser Einvernahme gab der Bf an, dass er einen serbischen Reisepass und einen abgelaufenen Personalausweis zu Hause in D L (Bezirk P) im Kosovo hätte. Der Reisepass wäre 2000 oder 2001 in P ausgestellt worden.

 

In den Jahren 2002 bis 2006 habe er in Sarajewo studiert und sein Studium zum Ingenieur für Landwirtschaft am 5. April 2006 abgeschlossen. Während seines Studiums hätte er auf selbständiger Basis gearbeitet und eine Firma, die Betonteile herstellte, bis März 2006 betrieben. Er sei dann von Bosnien nach Österreich aus den selben Gründen geflüchtet, weshalb er den Kosovo verlassen habe. In Bosnien habe er ein normales Leben geführt studiert und nebenbei ein Firma aufgebaut. Bis Juli 2005 wäre alles normal gewesen. Dann hätte ihm ein Junge, den er nur vom Sehen gekannt und der nach einem Mord im Jahr 1997 nach Bosnien geflüchtet wäre, in Sarajewo gedroht, ihn an die Leute aus dem Kosovo zu verraten. Das Risiko, in Bosnien zu leben, wäre dadurch zu hoch geworden. Genauere Daten und konkrete Fakten konnte der Bf aber trotz Nachfragens nicht nennen. Im Jahr 2002 hätte ihn im Kosovo ein Freund vor den Leuten gewarnt, die ihn umbringen wollten. In Bosnien hätte er Angst gehabt, von den Albanern gefunden zu werden, die ihm aber unbekannt wären. Er hatte sich mit seinem Problem aber weder an die Polizei, noch an andere Institutionen und Organisationen (UNMIK, KFOR, KPS) gewandt.

 

Die Bestätigung der demokratischen Partei der Bosniaken in P vom 29. März 2006 hätte sein Vater zum Beweis seiner Bedrohung im Kosovo besorgt. Die Dolmetscherin übersetzte das Schriftstück. In der Bestätigung steht, dass die Sicherheit der Minderheit im Kosovo nicht so sei, wie man es sich wünscht und dass eine Rückkehr in den Kosovo nicht möglich sei. In seinem Heimatort D L lebten aber nur Bosniaken.

 

Von seiner Firma hätte er zwischen 10.000 bis 12.000 Mark auf der Seite gehabt. Davon hätte er seinen Lebensunterhalt in Bosnien bestritten. Den Rest des Geldes hätte er seinem Vater gegeben, der die Wohnung in Sarajewo habe. Er habe in Österreich keine Angehörigen oder Freunde und nur 30 Euro an Barmitteln. Seine Schwestern lebten in Deutschland und Schweden.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor dem BAA EASt West wurde dem Bf unter Hinweis auf Sachverständigengutachten in Verfahren vor dem UBAS die aktuelle Situation der Bosniaken im Kosovo zur Kenntnis gebracht. Den Bosniaken im Kosovo werde mit größerer Toleranz begegnet und sie zählten nach jüngster Einschätzung des UNHCR nicht mehr zu den Minderheiten mit besonderem Schutzbedürfnis. Bosniaken unterlägen weder unmittelbarer noch mittelbarer staatlicher Verfolgung. Die Sicherheitskräfte im Kosovo wären gewillt und in der Lage effektiven Schutz zu gewähren. Für die Aufrechterhaltung der Sicherheit sorgten auch KFOR, UNMIK-Police und das KPS (Kosovo Police Service), bei denn unabhängig von der Volksgruppenzugehörigkeit Schutz gesucht werden könnte.

 

Der Bf wollte dazu keine Stellungnahme abgeben. Sein Problem wäre ein persönliches und hätte mit der allgemeinen Lage nichts zu tun.

 

Mit Verfahrensanordnung erklärte das BAA EASt West daraufhin dem Bf, dass nach seiner Ansicht dem Vorbringen des Bf keine asylrelevante Verfolgung zu entnehmen sei. Gemäß § 29 Abs 3 Z 5 AsylG 2005 wurde ihm die Absicht mitgeteilt, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 abzuweisen und festzustellen, dass seine Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Kosovo zulässig sei und seine Ausweisung zu veranlassen.

 

1.5. Mit Bescheid des BAA EASt West vom 28. Juni 2006, Zl. 06.04.577, wurde der Antrag des Bf auf internationalen Schutz vom 27. April 2006 abgewiesen und gleichzeitig gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien und Montenegro nicht zuerkannt wird. Weiters wurde der Bf gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 ausgewiesen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung wurde nicht ausgesprochen.

 

Mit Informationsschreiben vom 28. Juni 2006 teilte das BAA EASt West der belangten Behörde mit, dass der Bescheid gemäß § 3 AsylG mit 29. Juni 2006 erlassen wird. Mit Telefax vom 4. Juli 2006 benachrichtigte das BAA EASt West die belangten Behörde, dass gegen den Asylbescheid am 3. Juli 2006 Berufung erhoben worden sei und dem in Schubhaft befindlichen Fremden eine Aufenthalts­berechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 zukomme. Das Berufungsverfahren ist derzeit noch offen.

 

1.6. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2006, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax am 5. Juli 2006 außerhalb der Amtsstunden (Einlangen daher 6. Juli 2006), erhob der Bf vertreten durch seine Rechtsvertreter "Schubhaft-Beschwerde" wegen Rechtswidrigkeit der Schubhaft und stellte folgenden Beschwerdeantrag:

 

"Es wolle festgestellt werden, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers (Bf.) in Schubhaft jedenfalls seit 03.07.2006 (Einbringung der Berufung im Asylverfahren) rechtswidrig ist und die weitere Anhaltung des Bf. in Schubhaft rechtswidrig ist bzw. die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen. Es wolle dem Rechtsträger der belangten Behörde der Ersatz der Verfahrenskosten auferlegt werden."

 

1.7. Am 20. Juli 2006 um 12.30 Uhr wurde der Bf auf Anordnung der belangten Behörde nach psychiatrischer Untersuchung wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen (vgl aktenkundige Entlassungsmeldung des SPK Salzburg, Anhaltezentrum, vom 20.07.2006, Zl. E1/29636/2006).

 

1.8. Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Juni 2007, Zlen. B 1330/06-13, B 1331/06-14, ho. eingelangt am 11. Juli 2007, wurden die sachlich gleichgelagerten Erkenntnisse des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. Juli 2006, Zl. VwSen-400824/5/WEI/Ps, und vom 7. Juli 2006, Zl. VwSen-400823/6/SR/Ri, aufgehoben und die Verletzung der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) festgestellt.

 

2.1. In der Begründung der Beschwerde wird die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig gehalten, da eine Abweisung des Asylantrages im Zulassungsverfahren vorgenommen wurde und der Antrag in diesem Fall gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz ASylG 2005 als zugelassen gelte, sobald der Berufung aufschiebende Wirkung zukommt. Die Asylbehörde habe der Berufung die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt. Da der Rechtsvertreter des Bf die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes am 3. Juli 2006 eingebracht habe, liege eine Berufung mit aufschiebender Wirkung vor. Gemäß § 27 Abs 4 erster Satz AsylG 2005 müsse das Ausweisungsverfahren eingestellt werden, wenn das Verfahren zugelassen wird.

 

Beim asylwerbenden Bf könne die Schubhaft nur auf § 76 Abs 2 FPG gestützt werden. Jene Fälle, in denen über einen Asylwerber die Schubhaft verhängt werden dürfe, seien in § 76 Abs 2 FPG erschöpfend geregelt. Gegen den Bf. liege weder eine durchsetzbare Ausweisung noch ein laufendes Ausweisungsverfahren vor, da das (derzeitige) Ausweisungsverfahren eingestellt werden müsse. Die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung der Schubhaft seien nicht gegeben, es würde die gesetzliche Grundlage fehlen. Spätestens durch die Einbringung der Berufung im Asylverfahren sei ein Sachverhalt eingetreten, infolge dessen die weitere Anhaltung des Bf nach § 76 Abs 2 FPG rechtswidrig sei.

 

2.2. Mit Schreiben vom 5. Juli 2006 hat die belangte Behörde ihren Fremdepolizeiakt per Telefax übermittelt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie der Beschwerde entgegen tritt und deren kostenpflichtige Abweisung beantragt. Die belangte Behörde vertritt die Rechtsansicht, dass durch Ausstellung der Aufenthaltsberechtigungskarte keine dahingehende verfahrensrechtliche Änderung eingetreten sei, welche eine weitere Anhaltung in Schubhaft unzulässig machen würde. Abschließend wird die kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde beantragt.

 

2.3. Mit Eingabe vom 6. Juli 2006 wiesen die Rechtsvertreter des Bf nochmals nachdrücklich auf die Gesetzeslage hin und wiederholten im Wesentlichen ihren Rechtsstandpunkt.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl I Nr.157/2005 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

 

1.      nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.      unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3.      gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 83 Abs 4 FPG).

 

Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und danach im PAZ Salzburg für die belangte Behörde in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft seit dem 3. Juli 2006 ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

1.      gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.      gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.      gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.      auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

4.3. Gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I Nr. 100/2005) ist ein Antrag auf internationalen Schutz das -auf welche Weise immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (vgl Z 15) und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten (vgl Z 16).

 

Asylwerber ist nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Gemäß § 17 Abs 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einer Sicherheitsbehörde oder bei einer Erstaufnahmestelle (§ 59) um Schutz vor Verfolgung ersucht. Nach § 17 Abs 2 leg.cit. ist der Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, wenn er vom Fremden persönlich - auch im Rahmen einer Vorführung (§ 43 Abs 2) - bei der Erstaufnahmestelle (§ 59) gestellt wird. Unterbleibt die Vorführung nach § 45 Abs 1 und 2 AsylG 2005 gilt der Antrag auf internationalen Schutz nach Durchführung der Befragung und gegebenenfalls der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung als eingebracht (§ 17 Abs 6 leg.cit.).

 

Gemäß § 13 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

 

Gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 AsylG 2005 erfolgt die Zulassung durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51).

 

Nach § 28 Abs 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz entscheidet, dass der Antrag zurückzuweisen ist, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 1 AsylG 2005 ersetzt eine Abweisung des Asylantrages im Zulassungsverfahren die Zulassungsentscheidung. Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 AsylG 2005 gilt der im Zulassungsverfahren abgewiesene Asylantrag als zugelassen, wenn oder sobald der Berufung gegen diese Entscheidung aufschiebende Wirkung zukommt.

 

4.4. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 FPG hat die Fremdenbehörde auf § 77 Abs 5 FPG Bedacht zu nehmen ist und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass der Bf bereits zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung Asylwerber war. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

 

Nach dem gegebenen Sachverhalt leitete das BAA EASt West bereits vor der Anordnung der Schubhaft gegen den Bf ein Ausweisungsverfahren nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein. Die belangte Behörde konnte sich bei der Anordnung der Schubhaft auf den Schubhaftgrund des § 76 Abs 2 Z 2 FPG stützten. Der am 12. Mai 2006 von der belangten Behörde erlassene Schubhaftbescheid wurde innerhalb der Beschwerdefrist von sechs Wochen nicht bekämpft. Er ist damit rechtskräftig und verbindlich geworden.

 

Grundsätzlich war von dem von der belangten Behörde dargelegten Sicherungsbedarf auszugehen. Die belangte Behörde hat den vorliegenden Sachverhalt zutreffend beurteilt und hat mit Recht angenommen, dass der Bf, den fremdenpolizeiliche Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen nicht kümmern, in keiner Weise gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es erscheint nahe liegend, dass sich der Bf fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen suchen werde, um auch den Einsatz der finanziellen Mittel für seine "Flucht" mit Frau und Kind nicht als nutzlose Aufwendung abschreiben zu müssen. Der konkrete Sicherungsbedarf war somit zunächst gegeben und die Anwendung gelinderer Mittel ausgeschlossen. Im Hinblick auf das im Zulassungsverfahren eingeleitete Ausweisungsverfahren und die Gesamtbeurteilung des Vorbringens und Verhaltens des Bf bestand nach wie vor ein Sicherungsbedarf.

 

Im aufgehobenen Erkenntnis vom 11. Juli 2006 führte der Oö. Verwaltungssenat zur Begründung seiner abweisenden Entscheidung aus:

 

"4.5. Aus den genannten Gründen dürfte auch die Anhaltung des Bf in Schubhaft bis zur Einbringung der Berufung gegen den negativen Asylbescheid erster Instanz am 3. Juli 2006 nicht bekämpft worden sein. Im Hinblick auf die nach dem § 51 AsylG 2005 ausgestellte Aufenthaltsberechtigungskarte wurde die Schubhaftbeschwerde eingebracht. Dabei argumentiert die Beschwerde unter Hinweis auf § 28 Abs 3 AsylG 2005 mit dem Formalargument, dass gemäß dem § 27 Abs 4 erster Satz AsylG 2005 das Ausweisungsverfahren mit Zulassung des Verfahrens eingestellt werden muss.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 AsylG 2005 gilt der im Zulassungsverfahren abgewiesene Asylantrag als zugelassen, wenn oder sobald der Berufung gegen diese Entscheidung aufschiebende Wirkung zukommt. Der mit 3. Juli 2006 eingebrachten Berufung kommt im gegenständlichen Fall aufschiebende Wirkung zu, weil diese von der Asylbehörde nicht ausgeschlossen worden ist.

 

Entgegen der Beschwerdeansicht ist damit der Schubhaftgrund nur scheinbar - bei vordergründiger Betrachtung des § 76 Abs 2 FPG - weggefallen. Die Beschwerde übersieht nämlich die im § 80 Abs 5 FPG geregelten Gründe für eine Aufrechterhaltung der Schubhaft.

 

Gemäß § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge ohnehin auch ein Verlängerungsfall nach § 80 Abs 4 Z 1 bis 3 leg.cit. vor. Wird der Berufung gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der unabhängige Bundesasylsenat eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

 

Wie unbestritten feststeht, hat die belangte Behörde die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG angeordnet und entsprechend dieser Bestimmung verhängt. Es liegt derzeit noch keine Berufungsentscheidung über den Asylantrag vor. Sollte diese für den Bf negativ ausfallen, dürfte die belangte Behörde die Schubhaft sogar noch weitere vier Wochen aufrecht erhalten. Die weitere Anhaltung des Bf kann demnach auf den § 80 Abs 5 FPG gestützt werden.

 

Das BAA EASt West hat den Asylantrag des Bf bereits im Zulassungsverfahren nach inhaltlicher Prüfung abgewiesen, weil das offenbar unbegründete Vorbringen des Bf keine asylrelevante Situation enthält. Gemäß § 28 Abs 3 AsylG 2005 ersetzt eine Abweisung des Asylantrages im Zulassungsverfahren die Zulassungsentscheidung. Da das BAA EASt West eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung gemäß § 38 AsylG 2005 nicht vorgenommen hat, war das Asylverfahren mit der Berufungseinbringung zugelassen. Ab diesem Zeitpunkt kommt dem Bf zwar das vorläufige Aufenthaltsrecht gemäß § 13 AsylG 2005 zu. Dies bedeutet aber noch nicht, dass Schubhaft schlechthin unzulässig wäre.

 

Entgegen der Ansicht des Bf stellt § 80 Abs 5 FPG nicht darauf ab, ob und welches Ausweisungsverfahren nach dem AsylG 2005 eingeleitet ist. § 80 Abs 5 FPG bringt eindeutig zum Ausdruck, dass die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden kann, wenn die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG verhängt wurde. Nur wenn der UBAS keine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt, ergibt sich e contrario aus § 80 Abs 5 letzter Satz FPG, dass die Schubhaft nicht mehr aufrecht erhalten werden darf.

 

Aber selbst wenn man der Ansicht des Bf folgen würde, ist damit für die gegenständliche Beschwerde nichts gewonnen. Es ist zwar zutreffend, dass gemäß § 27 Abs 4 AsylG 2005 ein gemäß § 27 Abs 1 Z 1 leg.cit. eingeleitetes Ausweisungsverfahren einzustellen ist, wenn das Verfahren zugelassen wird. Damit kann aber nur das Ausweisungsverfahren aus Anlass der Unzuständigkeit Österreichs (Zuständigkeit eines anderen Staates - § 5 AsylG 2005) gemeint sein, welches einzustellen wäre.

 

Wird der Asylantrag gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen, so ist gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 auch damit eine Ausweisung zu verbinden. Dieses Ausweisungsverfahren ist vom Ausweisungsverfahren aus Anlass einer Zurückweisung zu unterscheiden. Es ist demnach gegen den Bf nach wie vor ein Ausweisungsverfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 iSd § 76 Abs 2 FPG eingeleitet und anhängig, widrigenfalls im negativen Asylbescheid des BAA EASt West vom 28. Juni 2006, Zl. 06.04.577, die Ausweisung des Bf nach Serbien und Montenegro (Provinz Kosovo) nicht hätte verfügt werden können. Da der Asylbehörde schon im Zulassungsverfahren ein eindeutig unbegründetes Asylbegehren des Bf vorlag, hat sie im Zusammenhang mit der a limine Abweisung des Asylantrags auch eine Ausweisungsentscheidung im Rahmen des anhängigen Verfahrens getroffen.

 

Entgegen der impliziten Beschwerdeansicht führt das infolge der eingebrachten Berufung im Asylverfahren bestehende Aufenthaltsrecht des Bf gemäß § 13 AsylG 2005 noch nicht eo ipso zur Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft. Weder dem FPG noch dem AsylG 2005 ist zu entnehmen, dass die Schubhaftbestimmungen auf Asylwerber, die über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 13 AsylG 2005 verfügen, grundsätzlich nicht anwendbar sein sollen. Liegt – wie im vorliegenden Fall – ein konkreter Sicherungsbedarf vor, darf der Asylwerber dennoch in Schubhaft behalten werden.

 

Im Ergebnis war daher die vorliegende Schubhaftbeschwerde mit der Feststellung iSd § 83 Abs 4 FPG als unbegründet abzuweisen."

 

4.5. Der Verfassungsgerichtshof hat im aufhebenden Erkenntnis vom 15. Juni 2007 auf seine Auffassung im Erkenntnis vom 24. Juni 2006, Zl. B 362/06, Bezug genommen, wonach die in § 76 Abs 2 Z 4 FPG festgelegte Ermächtigung im Lichte des aus  dem Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist. Er betont, dass die in zitierten Erkenntnis angesprochenen Rahmenbedingungen im Hinblick auf alle in § 76 Abs 2 FPG durch den einfachen Gesetzgeber abschließend geregelten Ermächtigungen, Schubhaft über Asylwerber anzuordnen, zu beachten seien. Die zuständige Fremdenpolizeibehörde sei sohin stets dazu verpflichtet, die einzelnen Schubhafttatbestände verfassungskonform auszulegen und eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des betroffenen vorzunehmen.

 

Der Verfassungsgerichthof nimmt begründend eine denkunmögliche Anwendung einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsgrundlage durch den Oö. Verwaltungssenat an und führt dazu wie folgt aus.

 

                        "2.1. Solch ein Fehler ist der belangten Behörde vorzuwerfen: Sie geht auf das Wesentliche zusammengefasst davon aus, dass der die Dauer der Schubhaft regelnde § 80 Abs. 5 FPG – unabhängig von der Subsumtion unter einen der in § 76 Abs. 2 Z 1 bis 4 FPG geregelten Tatbestände – für sich alleine betrachtet eine Grundlage für die Aufrechterhaltung der Schubhaft über Asylwerber bilden kann.

 

                        Ihrer Auffassung nach 'stellt § 80 Abs. 5 FPG nicht darauf ab, ob und welches Ausweisungsverfahren nach dem AsylG 2005 eingeleitet ist'. Alleine der Umstand, dass die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 FPG rechtmäßig verhängt wurde, erlaube deren Aufrechterhaltung für die in § 80 Abs. 5 FPG vorgesehene Dauer.

 

                        2.2. Wenn die belangte Behörde meint, dass § 80 Abs. 5 FPG die Aufrechterhaltung der Schubhaft jedenfalls bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ungeachtet des Wegfalls der für die Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen erlaubt, unterstellt sie dieser Bestimmung einen verfassungswidrigen Inhalt.

 

                        § 80 Abs. 5 FPG ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass die über einen Asylwerber verhängte Schubhaft nur aufrechterhalten werden darf, wenn weiterhin ein in § 76 Abs. 2 Z 1 bis 4 FPG geregelter Tatbestand erfüllt ist.

 

                        Selbst wenn in der Bestimmung von einer Aufrechterhaltung der Schubhaft 'bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger negativer Entscheidung' die Rede ist, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er mit § 80 Abs. 5 FPG, der lediglich die Dauer der Schubhaft betrifft, quasi als 'Verlängerungstatbestand' einen weiteren – von den Schubhaftgründen des § 76 Abs. 2 FPG unabhängigen – Schubhafttatbestand schaffen wollte.

 

                        Die Auffassung der Behörde, 'dass der Gesetzgeber für besondere Fälle gewisse Ausnahmen zur Regel des § 80 Abs. 2 FPG vorsehen wollte, wonach die Schubhaft nur so lange aufrechterhalten werden dürfte, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann', erweist sich – insbesondere im Lichte des Erkenntnisses vom 24. Juni 2006, B 362/06 – als denkunmöglich.

 

                        3.1. In den vorliegenden Fällen wurde den Beschwerdeführern mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 25. April 2006 bzw. vom 3. Mai 2006 gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihre Asylanträge zurückzuweisen. Da ein Ausweisungsverfahren gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ex lege als eingeleitet gilt, wenn im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 AsylG 2005 erfolgt, waren die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft am 26. April 2006 bzw. am 12. Mai 2006 gegeben.

 

                        Den am 28. Juni 2006 bzw. am 3. Juli 2006 gegen die abweisenden Bescheide des Bundesasylamtes von den Beschwerdeführern erhobenen Berufungen kam allerdings gemäß § 36 Abs. 2 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zu. Damit galten die Asylverfahren gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 als zugelassen und den Beschwerdeführern wurde eine Aufenthalts­berechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 ausgefolgt.

 

                        3.2. In den Erläuterungen zu § 27 AsylG 2005 wird dazu Folgendes ausgeführt (RV 952 BlgNR 22. GP, 49; Hervorhebung nicht im Original):

 

                        'Ein Ausweisungsverfahren ist ex lege eingeleitet, wenn dem Asylwerber im Zulassungsverfahren mitgeteilt wird, dass beabsichtigt wird, seinen Antrag abzuweisen oder zurückzuweisen (§ 29 Abs. 3 Z 4 und 5). (...) Ex lege eingeleitete Ausweisungsverfahren enden mit der Zulassung des Verfahrens; andere Ausweisungsverfahren sind mit einem contrarius actus zu beenden; etwa wenn die negative Entscheidungsprognose wegfällt. Wird kein Ausweisungsverfahren mehr geführt, ist eine allfällige Schubhaft – die Voraussetzungen sind weggefallen – zu beenden. Die Asylbehörde hat die Fremdenpolizeibehörde zu verständigen. das Ende eines Ausweisungsverfahrens steht der späteren Wiedereinleitung nicht entgegen.'

 

                        Die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG sind demnach mit der Zulassung der Asylverfahren weggefallen.

 

                        3.3. Die belangte Behörde ist aber sodann auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zur Aufrechterhaltung der Schubhaft herangezogen werden konnte. Der Schubhaftgrund des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG hätte aber nur dann eine Grundlage für die Aufrechterhaltung der Schubhaft bieten können, wenn gegen die Beschwerdeführer eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung vorgelegen wäre.

 

                        Dies trifft in den vorliegenden Beschwerdefällen jedoch nicht zu, weil den gegen die Bescheide des Bundesasylamtes erhobenen Berufungen – wie bereits dargestellt – die aufschiebende Wirkung zukam (vgl. dazu § 36 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005, wonach eine Ausweisung durchsetzbar ist, wenn einer Berufung gegen eine Ausweisung die aufschiebende Wirkung nicht zukommt).

 

                        4. Dadurch, dass die Behörde – unter bloßem Hinweis darauf, dass die Schubhaft ursprünglich rechtmäßig verhängt wurde – von der irrigen Rechtsauffassung ausging, dass ihre Aufrechterhaltung jedenfalls für die in § 80 Abs. 5 FPG vorgesehene Dauer zulässig ist, hat sie die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt."

 

4.6. In Bindung an die dargelegte Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass mit der am 3. Juli 2006 eingebrachten Berufung gegen den abweisenden Asylbescheid des BAA EASt West vom 28. Juni 2006 das Asylverfahren als zugelassen galt, womit die Voraussetzungen der Schubhaftverhängung nach dem § 76 Abs 2 Z 2 FPG weggefallen sind.

 

Da auch kein anderer Schubhafttatbestand des § 76 Abs 2 FPG vorlag und der § 80 Abs 5 FPG nur als Verlängerungstatbestand bei aufrechtem Grund nach § 76 Abs 2 leg.cit. in Betracht kommt, war der Beschwerde Folge zu geben und die (weitere) Anhaltung des Bf in Schubhaft ab dem Einlangen der aufschiebende Wirkung habenden Berufung am 3. Juli 2006 bis zur Entlassung des Bf am 20. Juli 2006 für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Gemäß § 79a AVG iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (§ 79a Abs 2 AVG).

 

Beim nunmehrigen Verfahrensergebnis war dem Bf als der obsiegenden Partei gemäß dem § 79a Abs 5 AVG iVm § 1 Z 1 der geltenden UVS-Aufwandersatz­verordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) antragsgemäß der Ersatz des notwendigen Schriftsatzaufwandes in Höhe von 660,80 Euro zuzüglich der vom Bf zu entrichtenden Eingabengebühr (§ 79a Abs 4 Z 1 AVG) von 13 Euro für die Beschwerde, insgesamt daher der Ersatz eines Betrag von 673,80 Euro, durch den Bund als dem zuständigen Rechtsträger der belangten Behörde zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl. zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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