Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400928/4/Ste

Linz, 10.01.2008

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Beschwerde der Z Y, vertreten durch Dr. H B, Rechtsanwalt, L, wegen rechtswidriger Anhaltung in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Linz durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt; gleichzeitig wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft nicht vorliegen.

 

II.                  Der Bund hat der Beschwerdeführerin den Verfahrensaufwand in Höhe von 736,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 99/2006) iVm. §§ 67c und 79a AVG 1991 und der UVS-Aufwand­ersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bfin), eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, wurde aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmanns des Bezirks Vöcklabruck, AZ: Sich 40-3514-2007, am 2. Jänner 2008 in Schubhaft genommen. Der Spruch dieses Schubhaftbescheides lautet:

"Sie werden zur

            - Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung

            sowie zur

            - Sicherung der Abschiebung

            in Schubhaft genommen."

 

Als Rechtsgrundlage werden § 76 Abs 2 Z 2  iVm. Z 4 iVm. § 80 Abs. 5 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 iVm. § 57 AVG 1991 genannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde im Schubhaftbescheid (hinsichtlich der Detaildaten zum Teil in sich widersprüchlich) aus, dass die Bfin am 5. November 2007 mit einem bis 15. November 2007 (wohl gemeint: 12. Dezember 2007) gültigen Touristenvisum von Italien nach Österreich eingereist sei. Illegalen Aufenthaltes habe die Bfin am 24. Dezember 2007 ein Asylbegehren in der Erstaufnahmestelle West eingebracht. Dabei habe sie angeführt - abgesehen von einem Bargeldbetrag in der Höhe von 12,22 Euro – mittellos zu sein und staatliche Unterstützung begehrt. Daraufhin sei der Bfin, wenn auch nur vorübergehend, eine bundesbetreute Unterkunft in der Erstaufnahmestelle West zugewiesen worden. Über einen anderwärtigen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet der Republik Österreich verfüge sie nicht.

 

Zu Fluchtgründen und Reiseroute befragt habe die Bfin ausgeführt, im Heimatland nicht politisch verfolgt zu sein. Sie wäre im Heimatland aber unmenschlicher Behandlung durch die Familie ihres Ex-Mannes ausgesetzt gewesen, weswegen sie sich entschlossen hätte, zu ihren Eltern nach Österreich zu reisen. Ihre zwei minderjährigen Kinder hätte sie dazu im Heimatland bei ihrem Ex-Mann, der das Sorgerecht habe, zurückgelassen. Zunächst habe die Bfin erfolglos ein Visum in der Ukraine beantragt. Daher habe sie ein Touristenvisum vor der italienischen Botschaft in Moskau beantragt und dabei angeführt, ohne ihre Kinder nach Italien als Tourist reisen zu wollen. Die Glaubwürdigkeit ihrer Rückreise nach Russland habe die Bfin damit begründet, dass sie nach dem Urlaub wieder zu ihren beiden Kindern nach Russland zurückkehren wolle. Es sei am 4. Dezember 2007 ein Touristenvisum, gültig bis 12. Dezember 2007 (?), ausgestellt worden, mit welchem die Bfin am 5. November 2007 am Luftweg nach Rimini gereist sei, von wo sie von ihrem Vater abgeholt und mit diesem am 5. November 2007 nach Salzburg weitergereist wäre. Ihre Eltern wären mit ihren Geschwistern subsidiär schutzberechtigt in Österreich und hielten sich im Raum Salzburg auf.

 

Ihre Fluchtgründe und ihr Vorgehen in Österreich seien wörtlich zitiert die folgenden: "Ich habe vorwiegend wegen familiärer Probleme mit der Familie des Ex-Ehemannes und weil ich bei meinen Eltern leben möchte um Asyl angesucht. Ich wurde von der Familie meines Ex-Mannes verstoßen und auf die Straße gesetzt. Ich habe kein zu Hause mehr. Der Freund meines Vaters hat mich dann aufgenommen und mir geholfen."

 

Das Bundesasylamt EAST West führe seit 28. Dezember 2007 Konsultationen mit Italien. Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2007 hätte der Bfin das Bundesasylamt gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 zur Kenntnis gebracht, dass Italien seit 28. Dezember 2007 konsultiert und ein Ausweisungsverfahren nach Italien eingeleitet wäre. Weiters wäre der Bfin in ihrer Heimatsprache am 2. Jänner 2008 mitgeteilt worden, dass seitens des BAA die Zurückweisung des Asylbegehrens gemäß dem Dublin Abkommen nach Italien beabsichtigt sei. Denn es sei unbestritten, dass Italien für das Asylbegehren zuständig sei, da die Bfin über Italien in die Europäische Union eingereist sei. Deswegen sei davon auszugehen, dass sich die Bfin fortlaufend dem Verfahren entziehen werde, um sich, wenn auch illegal, fortlaufend in Österreich aufhalten zu können.

 

Die BH Vöcklabruck sei als örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde gleichgehend gemäß § 27 Abs. 7 AsylG 2005 vom BAA EAST West in Kenntnis gesetzt worden, dass gegen die Bfin ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 eingeleitet worden sei.

 

Am Mitgliedstaat Italien habe die Bfin kein Interesse; sie sei vielmehr nach eigenen Angaben ausschließlich an einem Aufenthalt in Österreich interessiert. Nur so sei auch zu erklären, dass die Bfin Italien zur Einreise als Durchzugsland benutzt und sofort ohne Aufenthalt in Italien und ohne Schutzsuche in Italien nach Österreich gereist sei. Nach eigenen Angaben sei einziges Reiseziel Österreich gewesen. Obwohl sie in ihrem Heimatland nicht verfolgt wäre und sich ihre Kinder in Russland aufhielten, hätte die Bfin niemals eine Rückreise in ihr Heimatland geplant gehabt; auch nach Italien wolle sie unter keinen Umständen ausgewiesen werden, zumal sich ihre Bezugspunkte in Österreich aufhielten. Nach Ablauf ihres Visums und illegalem Aufenthalt im Bundesgebiet habe sie ein Asylbegehren eingebracht, um einer drohenden Abschiebung zu entgehen.

 

Eine am 2. Jänner 2008 durchgeführte Überprüfung im bundesweiten zentralen Melderegister habe ergeben, dass die Bfin – abseits der ihr anlässlich der Einbringung ihres Asylantrages zunächst zur Verfügung gestellten bundesbetreuten Unterkunft in der EAST West – über keinen polizeilich gemeldeten Wohnsitz im Bundesgebiet der Republik Österreich verfüge.

 

Die Bfin halte sich, nachdem sie nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung für Österreich sei, seit 12. Dezember 2007 illegal im Bundesgebiet auf.

 

Von der Möglichkeit eines Auslandantrages sowie eines Antrages auf Familienzusammenführung habe die Bfin nicht Gebrauch gemacht.

 

Nachdem sich die Familie der Bfin im Bundesgebiet aufhalte und die Bfin nicht an einem Aufenthalt in Italien interessiert sei, geht die belangte Behörde davon aus, dass sich die Bfin fortlaufend – wenn auch illegal – im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalten würde.

 

1.2. Aufgrund der vorliegenden Fluchtgefahr sei daher am 2. Jänner 2008 die Schubhaft verhängt worden und sei die Bfin von Beamten der Polizeiinspektion St. Georgen i.A. in der EAST West, T, St. Georgen i.A. im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion Linz überstellt worden. Ein gelinderes Mittel wäre nicht gegeben. Für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verfüge die Bfin über keine ausreichenden Barmittel und eine rechtmäßige Beschäftigung könne sie nicht ausüben. Es sei daher der Schluss zulässig, dass die Bfin versuchen würde, durch Begehung strafbarer Handlungen ihren Unterhalt zu sichern. Die Verhängung der Schubhaft sei daher sowohl verhältnismäßig als auch erforderlich.

 

 

2.1. In der vorliegenden Beschwerde vom 6. Jänner 2008, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat am 8. Jänner 2008 (Telefax eingebracht am 7. Jänner 2008 nach Ende der Amtsstunden), stellt die Bfin die Anträge, der Unabhängige Verwaltungssenat möge a) feststellen, dass die über die Bfin mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, Fremdenpolizei, Außenstelle St. Georgen im Attergau, vom 2. Jänner 2007 (richtig wohl: 2008), Zl. Sich40-3514-2007, zugestellt am selben Tag, verhängte und seit diesem Tag aufrecht erhaltene Schubhaft rechtswidrig ist sowie b) die Schubhaft mit sofortiger Wirkung aufheben; c) den Rechtsträger der belangten Behörde verpflichten, der Bfin die Kosten für das Beschwerdeverfahren im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu Handen des Beschwerdeführervertreters zu bezahlen.

 

Begründend führt die Bfin im Wesentlichen aus, dass sie am 5. Dezember 2007 mit einem gültigen Touristenvisum von Italien nach Österreich gereist sei, wo sie in der Erstaufnahmestelle am 24. Dezember 2007 einen Asylantrag aufgrund asylrelevanter Verfolgung eingebracht habe, da sie in ihrem Heimatland aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von ihren Ehemännern misshandelten Frauen verfolgt wäre. Ihr Ehemann und ihre Schwiegereltern hätten sie jahrelang brutal misshandelt und ihre beiden minderjährigen Kinder, die sie in ihrem Heimatland unter dem Sorgerecht ihres Ehemannes zurückgelassen habe, gegen sie aufgehetzt. Aus Angst hätte sie nicht eher flüchten können.

 

Ihre Eltern und ihre Geschwister, denen Ende 2004 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei, seien in Österreich. Die Bfin sei bei ihren Eltern, wohnhaft in der W-straße, S, polizeilich gemeldet gewesen. Ihre Eltern seien von Anfang an bereit gewesen, für ihren Unterhalt in Österreich aufzukommen.

 

Unter Bezugnahme auf die Begründung der belangten Behörde führt die Bfin weiters aus, dass die Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft im konkreten Fall nicht vorliege, da die Schubhaft in keinem Verhältnis zum Zweck der Maßnahme stünde und nicht im Interesse des öffentlichen Wohles erforderlich wäre. Ein konkreter Sicherungsbedarf wäre in Form einer Einzelfallprüfung zu verneinen und hätten daher gelindere Mittel verhängt werden müssen.

 

Am 28. Dezember 2007 sei der Bfin mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich zurückzuweisen und am 2. Jänner 2008 sei sie durch die Exekutive festgenommen worden.

 

Die Bfin bezeichnet die Ausführungen der belangten Behörde, sie werde sich illegal im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalten und fortlaufend durch Untertauchen in die Kriminalität dem Verfahren entziehen, als nicht nachvollziehbar, da ihre gesamte Familie in Österreich lebe und für ihren Unterhalt aufkäme. Auch die asylrechtliche Zuständigkeit Italiens sei aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Konsultationen entgegen den Ausführungen der belangten Behörde noch keineswegs sicher.

 

2.2. Mit E-Mail vom 8. Jänner 2008 hat die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt übermittelt und eine Stellungnahme erstattet. In diesem verweist die belangte Behörde im Wesentlichen auf die Begründung des Schubhaftbescheides vom 2. Jänner 2008 und führt diese zum Teil noch näher aus.

 

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, der zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen ist (§ 83 Abs. 2 FPG), hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt und unstrittig ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 Z 1 FPG abgesehen werden.

 

3.2. Da sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Wesentlichen widerspruchsfrei aus den vorliegenden Dokumenten und den vorgelegten Schriftsätzen ergibt, verweist das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenat auf die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde (vgl. unter Punkt 1.1.). Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Bfin im Besitz eines gültigen Touristenvisums, ausgestellt von einer italienischen Behörde, legal in Österreich eingereist ist und von 13. Dezember 2007 bis 24. Dezember 2007 bei ihren Eltern, wohnhaft in S, W-straße, polizeilich gemeldet war. Seit 24. Dezember 2007 ist die Bfin in T, St. Georgen i.A. gemeldet. Seit 2. Jänner 2008 und auch im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat befindet sich die Bfin in Schubhaft.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat über die vorliegende Beschwerde erwogen:

 

4.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 99/2006, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Die Bfin ist Fremde und wird in Schubhaft angehalten. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.2. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 75/2007 (VfGH), ist ein Antrag auf internationalen Schutz das - auf welche Weise auch immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 14 leg. cit. ist ein Asylwerber ein Fremder ab Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Ein Antrag auf internationalen Schutz ist gemäß § 17 Abs 1 leg. cit. gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einer Sicherheitsbehörde oder bei einer Erstaufnahmestelle (§ 59) um Schutz vor Verfolgung ersucht.

 

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

4.3. Wie sich unwidersprochen aus der Aktenlage und aus der Beschwerdebegründung ergibt, war die Bfin zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung Asylwerberin.

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

4.4. Im vorliegenden Fall wird die Schubhaft konkret auf § 76 Abs. 2 Z. 2 und Z. 4 FPG gestützt und damit begründet, dass eine Zurückweisung des Asylantrags der Bfin aufgrund des Dublin-Abkommens beabsichtigt ist. In diesem Zusammenhang wurde der Bfin gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG 2005 zur Kenntnis gebracht, dass Konsultationen mit Italien seit 28. Dezember 2007 laufen und dass ein Ausweisungsverfahren nach Italien über die Bfin eingeleitet ist. Damit liegen entsprechend § 76 Abs. 2 Z. 2 und Z. 4 FPG sowohl die Voraussetzungen des eingeleiteten Ausweisungsverfahrens als auch der behördlichen Annahme der Zurückweisung des Antrags mangels Zuständigkeit Österreichs offensichtlich vor.

Überdies muss nach der höchstgerichtlichen Judikatur die belangte Behörde hinsichtlich einer verhängten Schubhaft im Einzelfall auch eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vornehmen (vgl. z.B. VfSlg. 17.288/2004, m.w.N.). Dies kommt einerseits durch die Verwendung des Wortes "kann" im Einleitungssatz des § 76 Abs. 2 FPG klar zum Ausdruck, andererseits insbesondere auch im Zusammenhang mit § 77 FPG.

Die Verhängung der Schubhaft erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn diese Maßnahme aus Gründen des Einzelfalls in Abwägung mit insbesondere verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten unverhältnismäßig ist oder an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel iSd. § 77 Abs. 1 FPG hätten angewendet werden können. Insoweit ist das in dieser Bestimmung von ihrem Wortlaut her vorgesehene Ermessen für die Behörde eingeschränkt und muss jeweils einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden. Ein Hinweis auf bloß allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte genügt dabei nicht, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen (vgl. bereits VfSlg. 14.981/1997).

Im konkreten Fall war im Ergebnis die Verhängung der Schubhaft unverhältnismäßig und wären für die Erreichung des von der Behörde angestrebten Ziels auch die im Gesetz vorgesehenen gelinderen Mittel denkbar. Gegenteiliges konnte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates – unter Bedachtnahme auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs – von der belangten Behörde im vorliegenden Bescheid nicht ausreichend dargelegt werden. Die Feststellungen, dass die Bfin ihre Einreise nach Italien/Österreich in Form eines Touristenvisums erschlichen habe und dass sie Österreich durch Abtauchen in die Illegalität unter keinen Umständen verlassen werde, sind – auch unter Berücksichtigung von § 57 AVG – als nicht ausreichend dafür zu qualifizieren, dass die Verhängung der Schubhaft erforderlich gewesen ist und die Anwendung gelinderer Mittel nicht zum Tragen kommen konnte. So vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die "bloße Ausreiseunwilligkeit" allein die Erforderlichkeit einer Schubhaftverhängung nicht rechfertigen kann (vgl. etwa VwGH vom 30. August 2007, 2006/21/0107).

Es finden sich im Sachverhalt keine ausreichend überzeugenden Argumente dafür, dass sich die Bfin – die legal mittels Touristenvisum in Österreich eingereist, sich bei ihren Eltern, die wohl für ihren Unterhalt sorgen würden, polizeilich gemeldet hat, schließlich einen Asylantrag gestellt und im Zuge dessen am 24. Dezember 2007 in T, St. Georgen i.A. gemeldet war – nunmehr den fremdenpolizeilichen Maßnahmen durch Untertauchen in die Illegalität entziehen würde. Dass die Bfin vom BAA in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein Ausweisungsverfahren nach Italien und entsprechende Konsultationen eingeleitet sind, begründet ebenfalls nicht nachhaltig, weshalb sie nunmehr untertauchen sollte. Insbesondere wurde von der belangten Behörde der Umstand, dass die Bfin legal in Österreich eingereist ist und hier auch bei ihren Eltern gemeldet war, nicht hinreichend gewürdigt. Auch ihre soziale Verankerung in Österreich (Eltern, Geschwister) wurde in der Begründung des Schubhaftbescheides nicht ausreichend bedacht. Gerade diese soziale Verankerung in Form der erkennbaren familiären Situation spricht im Rahmen einer Prognoseentscheidung eher dagegen, dass die Bfin – auf freiem Fuß belassen – sich durch Untertauchen in die Illegalität dem Ausweisungsverfahren zu entziehen suchen würde.

Auch wenn von einem – seit Eintritt der Ungültigkeit des Touristenvisums – nunmehr unrechtmäßigen Aufenthalt der Bfin in Österreich ausgegangen werden muss, ergeben sich daraus keine stichhaltigen Argumente, die die Erforderlichkeit der Verhängung der Schubhaft herbeiführen können.

Jedenfalls hätte zur Sicherung des Verfahrens – nach Abwägung aller Aspekte und vor dem Hintergrund der betroffenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte – aus derzeitiger Sicht auch mit der Verhängung gelinderer Mittel das angestrebte Ziel erreicht werden können.

4.5. Die Verhängung der Schubhaft wie auch die folgende Anhaltung waren nicht verhältnismäßig, da bei der gegebenen Sachlage, insbesondere dem oben näher geschilderten bisherigen und auf dieser Basis zu prognostizierenden Verhalten der Bfin, nicht festgestellt oder erwartet werden kann, dass dem Recht der Bfin auf Schutz der persönlichen Freiheit ein dieses verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht überwiegendes Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber steht. Wie schon dargelegt sind diese öffentlichen Interessen vom Verhalten der Bfin nicht konkret beeinträchtigt; die von der belangten Behörde angenommen Beeinträchtigung basiert auf der Basis der derzeit zur Verfügung stehenden Informationen ausschließlich auf generellen spekulativen Prognosen.

 

4.6. Die Verhängung der Schubhaft war unter Bedachtnahme auf die Alternativen des § 77 FPG und die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht erforderlich und somit auch gemäß § 76 Abs. 2 FPG rechtswidrig. Auch für eine weitere Anhaltung in Schubhaft fehlt damit eine rechtliche Grundlage.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis ist die Bfin als obsiegende Partei anzusehen und waren ihr nach § 79a AVG iVm. der UVS-Aufwandersatzverordnung Kosten in Höhe von insgesamt 736,40 Euro (660,80 Euro Schriftsatzaufwand und 75,60 Stempelgebühren) zuzusprechen.

 

 

6. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 75,60 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei. Diese Gebühren sind im zugesprochenen Aufwandersatz (vgl. 5.) bereits enthalten. Auf § 79a Abs. 4 Z. 1 AVG wird hingewiesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Wolfgang Steiner

 

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