Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110780/3/Kl/Rd/Pe

Linz, 09.01.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des A S, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei H O B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 20.4.2007, VerkGe96-56-1-2007, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz, zu Recht erkannt:

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 20.4.2007, VerkGe96-56-1-2007, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden, wegen einer Verwaltungs­übertretung gemäß § 7 Abs.1 Z1 iVm § 23 Abs.1 Z3 und Abs.4 GütbefG verhängt, weil er als Unternehmer mit dem Sitz in, am 21.3.2007 gegen 09.17 Uhr auf der Innkreis-Autobahn A8, bei Strkm 75,150, Gemeindegebiet Suben, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen und dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen, deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges: A S, Lenker: M U, welcher Staatsangehöriger eines Drittstaats (Staatsbürgerschaft: Türkei) ist, eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (Textilien) von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in Deutschland (grenzüberschreitender gewerblicher Güterverkehr) ohne Fahrerbescheinigung durchgeführt hat, obwohl der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde hiezu vom Rechtsvertreter des Bw ausgeführt, dass die in der genannten Entscheidung angeführten Gründe zur Begründung einer strafbaren Handlung nicht tragfähig seien. Diesbezüglich werde darauf hingewiesen, dass die Zumutbarkeit, Rechtsmittel einzulegen – speziell im Hinblick auf die Verfahrenskosten – nur dann gegeben sei, wenn dieses Rechtsmittel zumindest einige, wenn auch prozentual geringe, Aussicht auf Erfolg biete. Dies sei aber vorliegend gerade nicht der Fall. Dies verdeutliche ua die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15.8.2003. Ein derartiges „PingPong-Spiel“ mit dem Bw sei weder zumutbar noch vermöge dies die Strafbarkeit desselben zu rechtfertigen. In der BRD sei derzeit weder von den zuständigen Behörden eine Fahrerbescheinigung zu erlangen noch werden von den Gerichten die Verpflichtung der Behörden zur Ausstellung einer Fahrerbescheinigung zuerkannt. Die geforderte Inanspruchnahme eines Rechtszuges erscheine daher von vornherein aussichtslos, sodass unter Beachtung der Kostenfolge einer ablehnenden Entscheidung, diese dem Bw gerade nicht zumutbar sei. Darüber hinaus lasse die angefochtene Entscheidung eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Einzelfall vermissen und die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Bw außer Acht. Würde der Bw dem im angefochtenen Straferkenntnis angesprochenen Gebot nachkommen, hätte dies schwerwiegende berufliche und finanzielle Konsequenzen zur Folge. Der Bw wäre in diesem Fall zur Einstellung seiner unternehmerischen Tätigkeit gezwungen. Die Nachfrage nach Lkw-Fahrer übersteige in der BRD die Zahl der Bewerber derzeit deutlich. Als Gründe für den Mangel an Berufsfahrern gelten die abschreckenden Arbeitszeiten bei mäßiger Bezahlung sowie das schlechte Image des Berufs. Vor Abschluss des Agenturvertrages mit der Firma BAG Transport habe der Bw versucht, Fahrer für die in Rede stehenden Strecken zu finden und einzusetzen. Allerdings würden sich hier keine Fahrer finden, die bereit seien, die langen Touren in die Türkei ständig zu fahren, da dies eine nahezu ständige Trennung von dem hiesigen familiären und sozialen Umfeld zur Folge habe. Bei den von der BAG Transport eingesetzten Fahrern sei dies nicht der Fall.

Sinn und Zweck der gegenständlichen Bestimmung liege darin, dass die Möglichkeit einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Beschäftigung außerhalb des Mitgliedstaates bestehe, in dem der Verkehrsunternehmer ansässig sei. Dies kann und darf jedoch nicht dazu führen, dass der Bw zur Einstellung seiner unternehmerischen Tätigkeit gezwungen sei, weil es ihm nicht möglich sei, hier entsprechende motivierte Arbeitnehmer bzw Fahrer zu finden.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte abgesehen werden, weil in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und im Übrigen der Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.1 Z1 und Abs.3 Z1 VStG).

 

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z1 GütbefG, ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 sind.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Z3 und Z8 und Abs.4 GütbefG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von mindestens 1.453 Euro bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchführt bzw. nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mit geführt werden.

 

Gemäß § 25 Abs.2 GütbefG ist, soweit in diesem Bundesgesetz auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verwiesen wird, diese Verordnung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002, anzuwenden.

 

Gemäß Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002 (kurz EU-VO genannt), unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaats ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.3 EU-VO wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt werden.

 

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 15.11.2007, Zl. 2007/03/0127-7, dahingehend festgelegt, dass eine Fahrerbescheinigung keine Gemeinschaftslizenz darstellt und sich daher die Rechtsansicht des Oö. Verwaltungssenates, wonach die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden Güterbeförderung, ohne dass – obgleich der Fahrer Drittstaatsangehöriger ist – eine Fahrerbescheinigung vorliegt, unter § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 GütbefG zu subsumieren sei, als nicht zutreffend erweist. Auch der Umstand, dass in § 25 Abs.2 GütbefG nunmehr die geänderte Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 881/2002 ausdrücklich zitiert ist, vermag daran nichts zu ändern, da bereits vor dieser Novelle des GütbefG mit der Bezugnahme auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/1992 (ohne einzelne Änderungen ausdrücklich anzuführen) eine im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zulässige dynamische Verweisung auf die jeweils gültige Fassung dieser Verordnung gegeben war, wie sich auch aus dem zitierten Erkenntnis vom 19.10.2004, Zl. 2004/03/0087, ergibt.

Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass sich aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 23 Abs.1 Z8 GütbefG ergibt, dass der Unternehmer der ihn treffenden Verpflichtung auch dann nicht nachkommt, wenn er eine erforderliche Fahrerbescheinigung gar nicht besorgt hat, sodass er sie dem Fahrer bei der Güterbeförderung auch nicht übergeben kann. Auch in diesem Fall hat er nicht dafür gesorgt, dass eine erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wird. Zwar trifft es zu, dass für die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden grenzüberschreitenden Güterbeförderung, ohne dass der Unternehmer über eine Gemeinschaftslizenz verfügt, eine gesonderte Strafnorm in § 23 Abs.1 Z3 iVm § 7 Abs.1 Z1 GütbefG vorgesehen ist; da jedoch im Hinblick auf die Fahrerbescheinigung keine dieser Bestimmung entsprechende Spezialnorm vorliegt, ist eine Bestrafung nach § 23 Abs.1 Z8 GütbefG nicht ausgeschlossen.

 

4.3. Im Grunde der vorzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes war daher die dem Berufungswerber angelastete Tat unter § 23 Abs.1 Z8 GütbefG zu subsumieren und ihm vorzuhalten, dass er nicht dafür gesorgt hat, dass eine Fahrerbescheinigung mitgeführt wird. Eine solche Tatanlastung ist aber innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs.2 VStG nicht erfolgt.

 

Es hat daher der Berufungswerber die ihm im Straferkenntnis angelastete Tat nicht begangen und war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 und 3 VStG einzustellen.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Fahrerbescheinigung, Tatumschreibung

 

 

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