Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162729/8/Br/Ps

Linz, 28.12.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn G J, geb., S, P, vertreten durch RA Dr. W M, P, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23.10.2007, Zl. VerkR96-1621-2005, nach der am 27.12.2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 – VStG.

 

II.      Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis  der Bezirkshauptmannschaft Freistadt wegen der Übertretung nach § 106 Abs.2 iVm § 134 Abs.3d KFG 1967 eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro und 16 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 25.02.2005, um 23.50 Uhr, als beförderte Person im Pkw, Kennzeichen, nächst dem Hause Marktplatz 12, im Ortsgebiet von St. Georgen an der Gusen, wie bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 Straßenverkehrsordnung 1960 festgestellt wurde, den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet habe, obwohl der von ihm benützte Sitzplatz mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet war und keine Ausnahmebestimmung in Betracht kam und er weiters die Zahlung einer Organstrafverfügung verweigert habe, obwohl ihm eine solche angeboten wurde.

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Der im Spruch angeführte Sachverhalt steht aufgrund der Anzeige des Gendarmeriepostens St. Georgen a,d.G. vom 27.02.2005, die auf der dienstlichen Wahrnehmung eines Organes der Straßenaufsicht beruht, sowie des Ermittlungsverfahrens fest.

 

Sie haben gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 14.03.2005, in der Ihnen die im Spruch beschriebene Tat zur Last gelegt wurde, in offener Frist Einspruch erhoben. Sie führen darin im wesentlichen aus, dass Sie den Sicherheitsgurt bestimmungs- und ordnungsgemäß verwendet hätten. Weiters könne Ihnen keine Verweigerung der Zahlung der Organstrafverfügung zur Last gelegt werden, da Sie ohnehin angegurtet gewesen seien und daher keine Rechtsvorschrift verletzt hätten. Sie ersuchen daher von der Geldstrafe abzusehen.

 

Aufgrund Ihres Einspruches wurde das von der Bezirkshauptmannschaft Perg als Tatortbehörde gegen Sie eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren zur Durchführung des ordentlichen Verfahrens an die Bezirkshauptmannschaft Freistadt als Wohnsitzbehörde abgetreten.

 

Die Behörde hat folgenden erwogen:

 

Gemäß § 106 Abs. 2 Kraftfahrgesetz (KFG) 1967 ist, wenn ein Sitzplatz eines Kraftfahrzeuges mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet ist, so sind Lenker und beförderte Person, die einen solchen Sitzplatz benützen, je für sich zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Sicherheitsgurtes verpflichtet, sofern nicht Absatz 5 Anwendung findet. Die Verletzung dieser Pflicht begründet, jedoch nur soweit es sich um einen allfälligen Schmerzensgeldanspruch handelt, im Fall der Tötung oder Verletzung des Benutzers durch einen Unfall ein Mitverschulden an diesen Folgen im Sinne des § 1304 ABGB. Das Mitverschulden ist soweit nicht gegeben, als der Geschädigte (sein Rechtsnachfolger) beweist, dass die Folge in dieser Schwere auch beim Gebrauch des Sicherheitsgurtes eingetreten wäre.

 

Nach § 134 Abs.3d Kraftfahrgesetz (KFG) 1967 begeht, wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges oder als mit einem Kraftfahrzeug beförderte Person

1.   die im § 106 Abs. 2 angeführte Verpflichtung, oder

2.   die im § 106 Abs. 7 angeführte Verpflichtung

nicht erfüllt, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 Verwaltungsstrafgesetz mit einer Geldstrafe von 35,00 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72,00 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden zu verhängen.

 

Gemäß § 97 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung 1960 sind Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffende Amtshandlungen oder zwecks Durchführung von Verkehrserhebungen zum Anhalten aufzufordern.

 

Der Meldungsleger Inspektor C S hat anlässlich seiner zeugenschaftlichen Vernehmung erklärt, dass sein Standort am Marktplatz in St. Georgen an der Gusen im Bereich des Marktbrunnens gewesen sei. Sie seien am Beifahrersitz des angezeigten Pkw's gesessen welcher auf der L569 in Richtung St gefahren und am Marktplatz in St. Georgen an der Gusen nach links in Richtung Bahnhofstraße abgebogen sei. Er hätte gesehen, dass der Lenker telefoniert hätte, weshalb er eine Anhaltung durchgeführt hätte. Bei der Anhaltung hätte er eindeutig sehen können, dass Sie als Beifahrer nicht angegurtet gewesen seien. Die Bezahlung einer Organstrafe sei von Ihnen verweigert worden.

 

Die Behörde hegt keinen Zweifel an der Richtigkeit und Glaubwürdigkeit der Aussage des einvernommenen Zeugen, zumal dieser seine Angaben unter Wahrheitspflicht und unter der strafrechtlichen Sanktion des § 289 StGB stehend gemacht hat, während es Ihnen demgegenüber frei steht, sich als Beschuldigter im Verwaltungsstrafverfahren beliebig zu verantworten, ohne irgendwelche nachteilige Folgen befurchten zu müssen.

 

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes steht für die erkennende Behörde fest, dass sie die Ihnen angelastete Tat zu verantworten haben.

 

Gemäß § 19 VStG 1991 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren "§§40 bis 46" sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes, sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Mit der Tat war eine Schädigung und Gefährdung der Interessen des Staates und Ihrer eigenen Interessen verbunden, Verletzungen bei Verkehrsunfällen hintanzuhalten, zumindest aber zu verringern. Verstöße gegen die Gurtenanlegepflicht sind daher entsprechend zu ahnden, auch wenn die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat. Zum Ausmaß des Verschuldens ist festzustellen, dass Sie die verfahrensgegenständliche Übertretung zumindest fahrlässig begangen haben.

 

Mangels konkreter Angaben über die Höhe des Einkommens wurde dieses auf 1.090,00 Euro monatlich geschätzt und der Strafbemessung zugrundegelegt.

Die Erschwerungs- und Milderungsgründe wurden gegeneinander abgewogen und dabei die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit als Milderungsgrund gewertet. Ein Erschwerungsgrund wurde nicht gefunden.

 

Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde eine dem Unrechtsgehalt der Tat entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt.

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten stütz sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

 

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden."

 

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung tritt der Berufungswerber dem Schuldspruch mit folgenden Ausführungen entgegen:

"In der außen bezeichneten Verwaltungsstrafsache wurde meinem bevollmächtigten Vertreter am 2.11.2007 das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23.10.2007, Aktenzeichen: VerkR96-1621-2005, zugestellt.

Innerhalb der offenen Berufungsfrist von zwei Wochen erhebe ich durch meinen bevollmächtigten Vertreter gegen dieses Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23.10.2007, Aktenzeichen: VerkR96-1621-2005,

 

Berufung

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23.10.2007, Aktenzeichen: VerkR96-1621-2005, wurde ich schuldig erkannt, dass ich am 25.2.2005, um 23.50 Uhr, als beförderte Person im PKW mit dem Kennzeichen nächst dem Hause Marktplatz 12 im Ortsgebiet von St. Georgen an der Gusen, wie dies bei einer Anhaltung gem. § 97 Abs.5 StVO 1960 festgestellt wurde, den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet habe, obwohl der von mir benützte Sitzplatz mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet war und keine Ausnahmebestimmung in Betracht gekommen ist, und ich weiters die Zahlung einer Organstrafverfügung verweigert habe, obwohl mir eine solche angeboten wurde, sodass ich hierdurch die Rechtsvorschrift des § 106 Abs. 2 KFG verletzt habe, und es wurde deswegen über mich eine Geldstrafe von 50,- verhängt.

Dieser Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23.10.2007, Aktenzeichen: VerkR96-1621-2005, wird mit dieser Berufung zur Gänze angefochten.

Als Berufungsgründe werden insbesondere die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die unrichtige Sachverhaltsfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

 

Zum Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

 

Die im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt getroffene Feststellung, dass ich am 25.2.2005 um 23.50 Uhr nächst dem Hause Marktplatz 12 im Ortsgebiet von St. Georgen an der Gusen als beförderte Person in einem Personenkraftwagen den Sicherheitsgurt nicht bestimmungsgemäß verwendet habe, ist unrichtig.

Bei meiner Beschuldigtenverantwortung habe ich ausdrücklich vorgebracht, dass ich bis zum Anhalten, also bis zum Stillstand des Personenkraftwagens, in dem ich mich als Beifahrer befunden habe, den Sicherheitsgurt angelegt hatte.

Diese Tatsache hätte der Zeuge R L, der Lenker des Fahrzeuges, in dem ich mich als Beifahrer befunden habe, bestätigen können.

Ich habe daher in meiner Stellungnahme vom 13.9.2007 den Beweisantrag auf die Einvernahme des R L als Zeugen zum Beweis dafür, dass ich als Beifahrer in dem von ihm gelenkten Personenkraftwagen den Sicherheitsgurt bis zum Stillstand des von ihm gelenkten Personenkraftwagens angelegt hatte, gestellt.

Dieser Beweisantrag wurde von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt im Verwaltungsstrafverfahren und im Straferkenntnis einfach ignoriert, sodass sowohl das Verwaltungsstrafverfahren als auch das Straferkenntnis mit einer Mangelhaftigkeit behaftet sind.

Darüber hinaus habe ich auch noch weitere Beweisanträge gestellt, die von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt völlig unbeachtet geblieben sind, obwohl die diesbezüglich zu erzielenden Beweisergebnisse auf die Entscheidung im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren maßgeblich Einfluss gehabt hätten.

 

Zum Berufungsgrund der unrichtigen Sachverhaltsfeststellunq aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung:

 

In meiner Stellungnahme vom 13.9.2007 habe ich den Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheines auf dem Marktplatz in St. Georgen an der Gusen unter Beiziehung eines technischen Amtssachverständigen bei Dunkelheit gestellt.

Diesen Beweisantrag habe ich damit begründet, dass gerade im gegenständlichen Fall für den Polizeibeamten C S vor dem Stillstand des Personenkraftwagens gar nicht erkennbar war, ob ich als Beifahrer des Personenkraftwagens während der Fahrt den Sicherheitsgurt angelegt hatte oder nicht, weil am 25.2.2007 um ca. 23.00 Uhr auf dem Marktplatz in St. Georgen an der Gusen durch die diffusen Lichtverhältnisse und Spiegelungen der Straßenbeleuchtungen aus der Position des Polizeibeamten C S gar nicht feststellbar war, ob ich als mit einer dunklen Kleidung angezogener Beifahrer den Sicherheitsgurt angelegt hatte oder nicht.

Auch dieser Beweisantrag wurde von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt einfach ignoriert.

Von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt wurde im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, dass sie keinen Zweifel an der Richtigkeit der Glaubwürdigkeit der Aussage des einvernommenen Zeugen C S hegt, zumal dieser seine Angaben unter Wahrheitspflicht und unter der strafrechtlichen Sanktion des § 289 StGB stehend gemacht hat, während es mir freigestanden ist, mich als Beschuldigter im Verwaltungsstrafverfahren beliebig zu verantworten, ohne irgendwelche nachteilige Folgen befürchten zu müssen.

Diese Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft Freistadt finden jedoch im Rechtsgrundsatz, dass eine Beweiswürdigung der Behörde überprüfbar sein muss, keine Deckung mehr.

Die Feststellung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, dass ich den Sicherheitsgurt nicht angelegt hatte, beruht daher auf einer mangelhaften Beweiswürdigung.

 

III.      Zum Berufunqsqrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

 

Die der Bezirkshauptmannschaft Freistadt unterlaufenen Verfahrensfehler, die gegen mehrere Grundsätze eines Rechtsstaates verstoßen, werden von mir nicht nur unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sondern auch unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht.

Aus all diesen Gründen stelle ich daher den

 

Antrag

 

das mit dieser Berufung angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 23.10.2007, Aktenzeichen: VerkR96-1621-2005, zur Gänze zu beheben und das gegen mich anhängige Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der mir zur Last gelegten Verwaltungsübertretung einzustellen.

 

M, am 16.11.2007                                                              G J"

 

3. Vorweg ist zum Gang des erstinstanzlichen Verfahrens festzustellen, dass dieses von der Tatortbehörde (der Bezirkshauptmannschaft Perg) am 20.4.2005 nach § 29a VStG an die Bezirkshauptmannschaft Freistadt abgetreten wurde.

Dort blieb der Akt offenbar bis zur Stellung eines Rechtshilfeersuchens am 23.1.2007 auf Einvernahme des Meldungslegers an die Bezirkshauptmannschaft Perg unbearbeitet. Am 6.8.2007 langte der Akt in Entsprechung des Einvernahmeersuchens wieder an die Bezirkshauptmannschaft Freistadt zurück.

Folglich wurde der Berufungswerber per Schreiben vom 30.8.2007 zur  Bekanntgabe der Einkommens- u. Vermögensverhältnisse aufgefordert und vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Ob darin die Niederschrift mit BezInsp. S vom 6.7.2007 angeschlossen war, kann dem Akt nicht entnommen werden. Diesbezüglich rügt u.a. der Rechtsvertreter des Berufungswerbers einen Mangel im erstinstanzlichen Verfahren.

Durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erstattete der Berufungswerber mit Schriftsatz vom 13.9.2007 ein umfassendes Vorbringen mit entsprechenden Beweisanträgen.

Ohne diesen nachzukommen, erließ sodann die Behörde erster Instanz das angefochtene Straferkenntnis.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der Berufungsverhandlung. Der einschreitende Polizeibeamte BezInsp. S wurde zeugenschaftlich einvernommen. Ebenfalls wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung der persönlich erschienene Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen. Ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teil.

 

3.2. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung war hier trotz der 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafen zwecks unmittelbarer Darstellung und entsprechender Würdigung des  Berufungsvorbringens in Wahrung eines fairen Verfahrens iSd Art. 6 EMRK geboten.

 

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

 

4.1. Der Berufungswerber befand sich bei der fraglichen Fahrt als Beifahrer in seinem Pkw, welcher vor nunmehr fast drei Jahren von R L im Ortsgebiet von St. Georgen an der Gusen gelenkt wurde.

Weil L als Lenker auf dieser laut Berufungswerber nur für eine kurze Wegstrecke konzipiert gewesenen Fahrt telefonierte, erfolgte die Anhaltung durch den in St. Georgen a.d. Gusen im Verkehrsüberwachungsdienst tätigen Meldungsleger.

Der Berufungswerber trug damals eine dunkle Oberbekleidung und das Fahrzeug gelangte nach dem Anhaltezeichen erst hinter dem Meldungsleger zum Stillstand.  Diese Anhaltung erfolgte bei Dunkelheit, sodass es logisch betrachtet trotz Ortsbeleuchtung als höchst unwahrscheinlich zu bezeichnen wäre, im Fahrzeuginneren auf einer dunklen Kleidung einen Sicherheitsgurt selbst bei langsamer Vorbeifahrt aus einer realistisch anzunehmenden Entfernung von etwa fünf Metern in beweistauglicher Sicherheit erkennen zu können.

Die Angaben des Berufungswerbers und des Meldungslegers stimmen im Übrigen dahingehend überein, dass beim Berufungswerber zum Zeitpunkt der Vorbeifahrt am Standort des Meldungslegers in einem Abstand von unter zehn Metern "die Verwendung oder Nichtverwendung des Gurtes" tatsächlich nicht wahrgenommen wurde. Alleine schon deshalb erweist sich die Feststellung "bei der Anhaltung", den Angurtstatus wahrgenommen zu haben, als zumindest mehrdeutig. Gemeint wäre wohl gewesen "nach der Anhaltung"! Erst nach der Anhaltung begab sich nämlich der Meldungsleger auf die Fahrerseite und hob vom telefonierenden Lenker ein Organmandat ein. Dabei wurde auch der Vorhalt erhoben, dass der Beifahrer den Gurt nicht angelegt gehabt habe.

Dieser verantwortet sich dahingehend, den Gurt unmittelbar vor dem Stillstand des Fahrzeuges bereits abgenommen zu haben, um die Fahrzeugpapiere vorzubereiten.

Lediglich in Hinblick auf diese Verantwortung des Berufungswerbers gegenüber dem Meldungsleger gehen die Darstellungen auseinander. Der Meldungsleger will gemäß seiner Zeugenaussage über seinen Vorhalt an den Berufungswerber, nicht angegurtet gewesen zu sein, vom Berufungswerber nichts davon gehört haben, sich erst beim Anhalten abgegurtet zu haben.

In der vom Meldungsleger drei Tage nach dem Vorfall verfassten Gendis-Anzeige finden sich wohl Hinweise über Angaben von Lenker und Beifahrer. Dies mit dem Hinweis, dass man sich ja ohnedies kenne. Handaufzeichnungen über den Verlauf der Amtshandlung vermochte der Meldungsleger ebenfalls nicht mehr vorzuweisen. Da zwischenzeitig fast drei Jahre verstrichen sind, waren diese laut Meldungsleger wohl auch nicht mehr verfügbar und eine konkrete Erinnerung an den damaligen Vorfall seitens des Zeugen wohl kaum mehr zu erwarten.

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus wahrscheinlich, dass einerseits nach der erst drei Tage nach dem Vorfall verfassten Anzeige nicht mehr sämtliche Details über deren Verlauf in Erinnerung waren bzw. den Eingang in den schematisierten Anzeigetext nicht gefunden haben. Im Übrigen räumt der Meldungsleger selbst ein, über den Gurt des Beifahrers während der Vorbeifahrt noch keine Wahrnehmung gemacht zu haben.

Daher war im Zweifel jedenfalls dem Berufungswerber in seiner Verantwortung zu folgen. Nicht zuletzt ist es durchaus lebens- u. praxisnah, dass im Zuge eines unmittelbar bevorstehenden Anhaltens ein Beifahrer schon mal den Gurt noch knapp vor dem oder unmittelbar nach dem Stillstand eines Fahrzeuges löst. Dem Ziel dieser Vorschrift wird damit wohl kaum zuwider gehandelt, da doch auch ganz kurze Bewegungen des Fahrzeuges von der Gurtenpflicht ausgenommen sind. 

Schließlich entspricht auch seine Darstellung über den Verlauf der Amtshandlung durchaus der Lebensnähe, zumal ein derartiger Hinweis, um einer Bestrafung zu entgehen, ja geradezu auf der Hand liegt. Warum sollte sich der Berufungswerber der Kosten und Mühen dieses Verfahrens unterziehen, ohne gleichzeitig das am nächsten liegende zu tun, nämlich schon gegenüber dem Organ der Straßenaufsicht sofort klar zu machen, den Gurt auf der Fahrt angelegt gehabt zu haben.

Vor dem Hintergrund der bereits in weniger als zwei Monaten eintretenden absoluten Verjährung und der an sich plausiblen Verantwortung des Berufungswerbers konnte die zeugenschaftliche Vernehmung des damaligen Lenkers unterbleiben.

 

4.2. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

 

4.2.1. Der Verstoß gegen die Verpflichtung zum Gebrauch des Sicherheitsgurtes ist nur dann strafbar, wenn diese Gesetzesverletzung im Zuge einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO festgestellt wird.  Von einer Wahrnehmung im Zuge der Anhaltung muss jedoch in teleologischer (zielorientierter) Gesetzesauslegung auch dann die Rede sein, wenn es sich etwa erweist, dass im Zuge des Anhaltungsprozesses die Gurten erst angelegt wurden (vgl. etwa UVS Niederösterreich v. 12.2.1993, Senat-BN-92-002). Diese Feststellung ist mit Blick auf die in der Berufung offenbar gegensätzliche Rechtsauffassung zu treffen.

Aber dennoch ist der Berufungswerber mit seinen Darstellungen im Recht.

Der § 134 Abs.3d KFG 1967 lautet:

Wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges oder als mit einem Kraftfahrzeug beförderte Person

  1. die im § 106 Abs.2 angeführte Verpflichtung, oder

  2. die im § 106 Abs.7 angeführte Verpflichtung

nicht erfüllt, begeht, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 35 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen.

Hier kann jedoch der Tatvorwurf nicht als erwiesen gelten. Daher ist nach § 45 Abs.1 Z1 VStG mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. B l e i e r

 

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