Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162739/4/Br/Ps

Linz, 31.12.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn P F, geb. 3.7.1967, p.A. M GmbH, S, P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 28.8.2007, Zl. VerkR96-1754-2007-Fs, nach der am 31.12.2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.        Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 – VStG.

 

II.      Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten wird dem Berufungswerber für das Berufungsverfahren ein Kostenbeitrag von 18 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) auferlegt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wegen der Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG 1967 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 90 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden verhängt,  weil er als das nach § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der M GmbH, etabliert in P, S, als Zulassungsbesitzerin des Kraftfahrzeuges, Kennzeichen, unterlassen habe, der Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 6.3.2007, Zahl VerkR96-1574-2007, welche ihm am 12.3.2007 zugestellt wurde, nämlich binnen zwei Wochen, gerechnet vom Tage der Zustellung dieses Schreibens – das war bis zum 26.3.2007 – schriftlich oder telegraphisch der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, nachzukommen, Auskunft darüber zu erteilen, wer das ggst. Kraftfahrzeug am 18.2.2007, um 14:09 Uhr, im Gemeindgebiet Lengau, Ortsgebiet Heiligenstatt, auf der B 147, bei km 6.900 lenkte oder wer diese Auskunft erteilen könne.

 

1.1. In der Begründung des Straferkenntnisses führt die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Die M GmbH, etabliert in P, S wurde als Zulassungsbesitzerin des Kraftfahrzeuges, Kennzeichen mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 6.3.2007, Zahl VerkR9 6-1574-2007, welches am 12.3.2007 zugestellt wurde, aufgefordert, binnen zwei Wochen gerechnet vom Tage der Zustellung dieses Schreibens, das war bis 26.3.2007, schriftlich oder telegraphisch der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mitzuteilen, wer das ggst. Kraftfahrzeug am 18.2.2007, um 14:09 Uhr, im Gemeindgebiet Lengau, Ortsgebiet Heiligenstatt, auf der B 147, bei km 6.900 gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann.

 

Da die M GmbH keine Auskunft iSd. § 103 Abs. 2 KFG erteilte und eine Anfrage an das zuständige Landesgericht ergab, dass Sie zur Vertretung der M GmbH nach außen berufen sind, wurde Ihnen mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 21.5.2007, Zahl VerkR96-1754-2007 die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung zur Last gelegt.

Gegen diese Strafverfügung erhoben Sie innerhalb offener Frist Einspruch und begründeten diesen dahingehend, dass Sie in P ein Boardinghaus betreiben würden und im Besitz von mehreren Mietfahrzeugen seien, die von verschiedenen Personen auch kurzfristig genutzt würden, weshalb Sie nicht nachvollziehen könnten, wer dieses Fahrzeug zum besagten Zeitpunkt genutzt hat.

 

Nach einem Einspruch gegen eine Strafverfügung tritt diese außer Kraft und ist das Strafverfahren, wenn die Tat erwiesen ist, mit der Erlassung eines Straferkenntnisses abzuschließen ist. Der im Straferkenntnis vorgeschriebene Verfahrenskostenbeitrag von 10 % gründet im § 64 VStG.

Mit Schreiben vom 27.7.2007, welches am 7.8.2007 zugestellt wurde, wurde Ihnen der Akteninhalt unter den rechtlichen Hinweis zu § 103 Abs. 2 KFG zur Kenntnis gebracht und Ihnen die Möglichkeit eingeräumt, hiezu binnen einer Frist von 14 Tagen, ab Zustellung, Stellung zu nehmen. Gleichzeitig wurden Sie daraufhingewiesen, dass, sollte eine diesbezügliche Äußerung nicht erfolgen, das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren ohne die weitere Anhörung fortgeführt werden wird.

 

Im Telefonat vom 20.8.2007 teilten Sie der Behörde sinngemäß mit, dass Sie nicht verstehen würden warum Sie die Strafverfügung erhalten hätten, worauf Ihnen die Sach- und Rechtslage mitgeteilt wurde.

 

Mit Schreiben vom 20.8.2007 rechtfertigten Sie sich im wesentliche dahingehend, dass

-     Sie das Fahrzeug Kennzeichen nie in Betrieb genommen hätten.

-     da Ihnen keine Unterlagen als Beweismittel zur Verfügung gestanden seien, Sie keine Auskunft erteilen hätten können.

-     Ihnen die entsprechenden Gesetzesstellen nicht bekannt seien und Sie auch nicht wüssten,   wo diese eingesehen werden könnten.

 

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt bzw. abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilten, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann (...). Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu fuhren. (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

Gemäß § 9 Abs.1 VStG: Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Die Auskunftspflicht wird durch die Erklärung der Partei, sie könne nicht mehr angeben, wer den Pkw gelenkt/abgestellt verwendet hat verletzt.

 

Tatort der Verweigerung der Auskunft nach § 103 Abs. 2 KFG ist der Sitz der anfragenden Behörde. VwGH, 31.1.1996, 93/03/0156 ZVR 1996/74.

 

Die von der österreichischen Kraftfahrbehörde an den in Deutschland wohnenden KFZ-Zulassungsbesitzer an den in Deutschland wohnenden KFZ-Zulassungsbesitzer veranlasste Zustellung einer Aufforderung zur Bekanntgabe des Lenkers unmittelbar durch die Post ist zulässig und verstößt nicht gegen Bestimmungen des zwischen Österreich und Deutschland abgeschlossenen Rechtshilfevertrages in Verwaltungssachen. Das Vorbringen des Zulassungsbesitzers, die deutsche Rechtsordnung kenne eine „Lenkerauskunft" nicht, geht ins Leere, da der Tatort der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung in Österreich gelegen ist, so dass insoweit österreichisches Recht anzuwenden ist. VwGH, 27.6.1997, 97/02/0220.

 

Da keine Auskunft erteilt wurde, wer das Kraftfahrzeug zum besagten Tag gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilten kann, haben Sie so hin die Ihnen zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu verantworten.

 

Zur Strafbemessung ist anzuführen, dass Grundlage hiefür gem. § 19 VStG idgF. stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schute die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Weiters sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe, das Ausmaß des Verschuldens und die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen. Der gesetzliche Strafrahmen des § 134 Abs. 1 KFG reicht bis zu 5.000 Euro.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde auf Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (laut Schätzung, mtl. Nettoeinkommen ca. 1.000 Euro, kein Vermögen, Sorgepflichten) Bedacht genommen. Strafmildernd war die bisherige Unbescholtenheit zu werten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

 

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung vermeint der Berufungswerber, die ihm angelastete Verwaltungsübertretung und die damit herangezogene Strafe in den Feststellungen der Behörde als unrichtig zu erachten.

Da er zum vorgeworfenen Straftatbestand das Fahrzeug nicht gelenkt und den Straftatbestand nicht begangen habe, erkenne er die Bestrafung nicht an.

Zum Vorwurf der Auskunftsverweigerung könne die Behörde den Tatbestand der Auskunftsverweigerung nicht daraus schöpfen, da ihm unbekannt sei, wer zu diesem Zeitpunkt das dem Unternehmen gehörende Fahrzeug gelenkt habe. Nachdem  ihm die den Tatbestand feststellende Behörde keine entsprechenden Hilfsmittel zur Identifikation (Lenkerfoto durch Radar oder Derartiges) zur Verfügung stellen habe können, könne diese ihm nicht auferlegen, eine sachdienliche Aufzeichnung, die zur Tatbestandsfeststellung erforderlich wäre, zu führen. Dies würde ihm eine Last auferlegen, die einem Behördenorgan zukommen würde.

 

Aufgrund seines bereits getätigten Einspruchs und der jetzt getätigten Berufung im Rahmen dieses Straferkenntnisse stelle er im Rahmen der Berufung den Antrag, die Strafe einzustellen und ihm eine entsprechende Entscheidung zukommen zu lassen.

 

Für den Fall, dass es zu keiner Einstellung des Verfahrens komme, die seinem Standpunkt im angewandten Recht entspricht, würde er rechtlichen Beistand heranziehen.

 

2.1. Mit diesem Vorbringen vermag er jedoch vor dem Hintergrund der hier anzuwendenden Rechtslage dem Schuldspruch nicht mit Erfolg entgegen getreten.

 

3. Da  keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der  Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes und die Befragung des Berufungswerbers im Rahmen der am 31.12.2007 durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung. Daran nahm auch eine Vertreterin der Behörde erster Instanz teil.

 

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

 

4.1. Unbestritten ist der Anfragegrund betreffend das von der Gesellschaft gehaltene Fahrzeug, deren Geschäftsführer der Berufungswerber ist.

Als unstrittig kann im Lichte des Ergebnisses der Berufungsverhandlung auch die persönliche Übernahme der Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe per 12.3.2007 gelten (roter Rückschein über die Zustellung der Aufforderung). Darin findet sich eine ausführliche Rechtsbelehrung und der Hinweis, dass die Nichtbekanntgabe als Verwaltungsübertretung strafbar ist.

Der Berufungswerber verantwortete sich auch im Rahmen der Berufungsverhandlung im Ergebnis damit, dass er die Entlehnung eines Fahrzeuges durch seine Kunden allenfalls nur auf Grund der Tankrechnung rekonstruieren könnte. Immer, wenn ein Fahrzeug entlehnt würde, wird dieses vom Benutzer voll getankt und die Tankrechnung abgelegt. Ein Fahrtenbuch wird aber nicht geführt, dies sei mit der zuständigen Behöre (Finanzbehörde) so vereinbart.

Eine Nachschau auf einer solchen Tankrechung sei aber  im Zuge der Lenkerauskunft nicht erfolgt. Der Berufungswerber verweist in diesem Zusammenhang auf die in Deutschland diesbezüglich fremde Rechtsvorschrift, wonach eine Mitwirkung an der Ausforschung eines Lenkers durch den Zulassungsbesitzer nicht vorgesehen sei.

Nicht darzulegen vermochte der Berufungswerber jedoch,  dass er irgendwelche Anstrengungen unternommen hätte, um der an ihn gerichteten schriftlichen Aufforderung der Behörde erster Instanz  vom 6.3.2007 nachzukommen.

Faktum ist andererseits jedoch auch, dass sich im Verfahrensakt kein Radarfoto befindet, welches auf die der Anfrage zu Grunde liegende Fahrt bzw. den Lenker dieser Fahrt rückschließen lassen könnte.

Zur Verfolgung dieses Lenkers wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 22 km/h) wäre die hierfür zuständige Behörde ausschließlich auf die an den Berufungswerber gerichtete Anfrage angewiesen gewesen, welche letztlich durch die Verweigerung der Auskunft verunmöglicht wurde.

Im Lichte der Verantwortung des Berufungswerbers ist davon auszugehen, dass eher keine dem Berufungswerber nahe stehende Person, auf die mit Blick auf eine Zeugenaussage  ein allfälliges Entschlagungsrecht zugetroffen hätte, als Lenker namhaft zu machen gewesen wäre. Offenbar handelte es  sich um eine Kundschaft der vom Berufungswerber als Geschäftsführer vertretenen Gesellschaft.

Letztlich kann sich der Berufungswerber vor dem Hintergrund der in der Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe inhärenten Rechtsbelehrung auch nicht mit dem Hinweis entschuldigen, er könne nach einigen Monaten nicht mehr sagen, wer der Lenker zum fraglichen Zeitpunkt war. Dies hätte er wohl an den Tankrechnungen zu rekonstruieren vermocht.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

 

5.1. Die Behörde erster Instanz weist zutreffend darauf hin, dass die  Behörde  Auskünfte darüber verlangen kann, wer zu  einem bestimmten  Zeitpunkt  ein  nach dem  Kennzeichen  bestimmtes  Kraftfahrzeug  gelenkt  oder  einen   nach  dem  Kennzeichen  bestimmten  Anhänger  verwendet  hat bzw. zuletzt  vor  einem  bestimmten  Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat.  Diese  Auskünfte,  welche  den Namen und  die  Anschrift  der  betreffenden  Person    enthalten     müssen,     hat   der  Zulassungsbesitzer  –  im   Falle   von  Probe‑   oder  von  Überstellungsfahrten  der  Besitzer  der  Bewilligung  –  zu  erteilen;  kann  er diese Auskunft nicht erteilen, so hat  er  die  Person  zu  benennen, die die  Auskunft  erteilen  kann,  diese  trifft  dann  die Auskunftspflicht;  die  Angaben  des  Auskunftspflichtigen  entbinden  die  Behörde  nicht,  diese  Angaben  zu  überprüfen,  wenn dies nach  den  Umständen  des  Falles  geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich,  im  Falle  einer  schriftlichen Aufforderung binnen  zwei  Wochen  nach  Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft  ohne  entsprechende  Aufzeichnungen  nicht gegeben  werden  könnte,  sind  diese Aufzeichnungen zu führen. Gemäß der dem Gesetz beigefügten sogenannten Verfassungsbestimmung treten gegenüber  der  Befugnis der Behörde derartige Auskünfte  zu  verlangen, Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. 

 

5.1.1. Die  Gestaltung des letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG 1967 als  Verfassungsbestimmung  erachtete  der  Verfassungsgerichtshof  im Einklang  mit  den  Baugesetzen  des  B‑VG  stehend und (derzeit) nicht im  Widerspruch  zu  Art. 6  EMRK.  Der  Verfassungsgerichtshof hebt das  in  dieser  Bestimmung   rechtspolitische   Anliegen   des  Gesetzgebers,  welchem  dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft  in  dieser  Form  nachkommen zu können glaubt,  besonders  hervor,  bemerkt  jedoch  auch kritisch die Problematik der  Durchbrechung  des  Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B‑VG und den  durch  eine  Strafsanktion  ausgeübten  Zwang   zur  Ablegung  eines  Geständnisses  (VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988,  Zl. G72/88 u.a.). Nach bisher ständiger  Rechtsprechung des  Verwaltungsgerichtshofes liegt  der  Bestimmung  des § 103 Abs.2 KFG die  Absicht  des  Gesetzgebers zugrunde,  sicherzustellen,  dass   der  verantwortliche   Lenker   eines   Kraftfahrzeuges  jederzeit  festgestellt  werden  kann (vgl.  u.a.  Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191).

Da jedoch im Stadium der Lenkererhebung durch die Namhaftmachung eines Lenkers zumindest noch keine unmittelbare "Selbstbeschuldigung" bzw. die "Auslieferung" einer nahe stehenden Person in ein Strafverfahren noch nicht erfolgt und daher ein allenfalls nachfolgendes Strafverfahren gegen eine durch diese Anfrage namhaft zu machende (gemachte) Person jedenfalls (noch) nicht unmittelbar präjudiziert wird,  scheinen in diesem Fall auch keine Gegensätze zu den  Grundsätzen der EMRK gegeben.

In diesem Sinne ist auch das Urteil des EGMR v. 8.4.2004, Nr. 38544/97 – WEH gegen Österreich – begründet worden. Danach ist mit der Benennung des Fahrzeuglenkers noch nicht zwingend eine "strafrechtliche Anklage" und damit keine Konventionswidrigkeit hinsichtlich der wohl damit zum Teil verbundenen Durchbrechung des Rechtes im Falle einer drohenden Selbstbeschuldigung schweigen zu dürfen, verbunden.

Kein Widerspruch zur EMRK wurde bereits im Erkenntnis des Verfassungs­gerichtshofes – VfGH v. 29.09.1988,  Zl. G72/88, zumindest nicht aus innerstaatlicher Sicht, erblickt.

Dieser Intention  schließt  sich  auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes  Oberösterreich in seiner Rechtsprechung  an,  weil  aus  der  Sicht  der  Praxis  eine effektive Verkehrsüberwachung   sonst  nicht  ausreichend  gewährleistet  scheint. 

In dieses Konzept müssen alle die österreichischen Straßen benützenden Fahrzeuge  (auch  Ausländer) einbezogen werden können (vgl. auch VwGH 28.2.1997, 96/02/0508).  Gemäß  § 2     Abs.1   VStG  sind,  sofern  die  Verwaltungsvorschriften  nicht  anderes bestimmen – hier  ist  keine  Ausnahme  gegeben  –  nur die  im  Inland  begangenen  Verwaltungsübertretungen  strafbar. Nach § 2 Abs.2 VStG  ist  eine  Übertretung  im  Inland  begangen, wenn  der  Täter  im  Inland  gehandelt hat ODER HÄTTE HANDELN SOLLEN ODER WENN DER  –  zum  Tatbestand gehörende – ERFOLG IM  INLAND  EINGETRETEN  IST.  Bei Verweigerung der Erteilung der Lenkerauskunft  gilt  –  anders   als   nach   der   früheren   Rechtsprechung  des  Verwaltungsgerichtshofes  (VwGH 7. Juli 1989, Zl. 89/18/0055) – nicht  der  Ort, an welchem etwa eine solche Aufforderung  dem  "Verpflichteten"  zugekommen ist, sondern – als Tatort gilt –  der  Sitz  der anfragenden Behörde, als Ort der  geschuldeten  Handlung  (VwGH 14. Juni 1995, Zl. 95/03/0102 u. VwGH [verst.  Senat]  31.  Jänner  1996,  Zl.   93/03/0156). 

 

5.1.2. Wenngleich dem Berufungswerber in seinem Vorbringen durchaus gefolgt werden kann, wo nach der deutschen Rechtslage eine solche Pflicht nicht nur fremd, sondern diese darüber hinaus dort mit dem Grundgesetz nicht in Einklang steht, gewinnt er damit nichts angesichts der hier anzuwendenden österreichischen Rechtslage. Wegen des Hinweises der Strafbarkeit bereits im Auskunftsbegehren könnte sich der Berufungswerber ebenfalls nicht auf § 52 und § 55 d StPO – wonach ein Zeugenentschlagungsrecht auch bei bloßen Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten besteht, falls mit einer solchen Zeugenaussage die Gefahr wegen eines solchen Deliktes belangt zu werden einherginge – auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum oder ein mangelndes Verschulden mit Erfolg berufen.

Auch dem hier sinngemäß vorgetragenen Einwand auf die Einschränkung des staatlichen Gebotsbereiches (Territorialitätsprinzip) vermag den Berufungswerber nicht zum Erfolg verhelfen (VwGH 26.5.1999, 99/03/0074).

Der  staatliche  Gebotsbereich  erstreckt sich in  der  Figur des "Schutzprinzips"  auch  auf  außerhalb  des Staates befindliche Personen, sofern sich deren Handeln gegen  ein  inländisches  Rechtsgut  richtet (Walter‑Mayer,  Grundriss   des  Bundesverfassungsrechtes,   8.  Auflage,   RZ   176).  Anknüpfungsfaktum  ist hier die offenkundig zumindest vom Willen des Berufungswerbers getragene Verwendung seines Pkw`s im  Bundesgebiet   der  Republik  Österreich.  Aus dieser Verwendung leiten sich jedenfalls Ingerenzpflichten  gegenüber  der  österreichischen  Rechtsordnung ab (vgl.  etwa  VwGH  11.5.1993,  Zl.90/08/0095).  Ausgelöst wurde die Lenkeranfrage durch die mit dem Fahrzeug des Berufungswerbers vermutlich begangene Verletzung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften. Diese am Gesetzeszweck orientierte Auslegung ist einerseits gemäß der  obzitierten  Judikatur   des   Verfassungsgerichtshofes  (Zl.  G72/88) bindend, andererseits ergibt sich mit  der  Verwendung  eines  Kraftfahrzeuges im Hoheitsgebiet eines anderen Staates ein Ingerenzverhältnis zu den einschlägigen  Gesetzen  dieses  Staates, was wiederum einen  ausreichenden   inländischen  Anknüpfungsgrund begründet. Die Einbeziehung auch ausländischer Fahrzeugverantwortlicher in dem vom § 103 Abs.2 KFG erfassten Regelungsinhalt ist hier als Ausübung der staatlichen Souveränität in Form der Berufung auf das völkerrechtlich anerkannte Schutzprinzip begründet.

Der Berufungswerber vermag sich angesichts des Hinweises  bezüglich  der  Strafbarkeit  der   Verweigerung  der  Lenkerbekanntgabe bereits in  der  Aufforderung   zur   Bekanntgabe   des  Fahrzeuglenkers  nicht iSd § 6 VStG entschuldigend  auf  einen  diesbezüglichen Rechtsirrtum berufen.

 

6.  Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage  für  die  Bemessung  der Strafe stets das Ausmaß der mit  der  Tat  verbundenen    Schädigung   oder  Gefährdung   derjenigen  Interessen,  deren  Schutz die Strafdrohung dient, sowie  der  Umstand,  inwieweit  die  Tat sonst nachteilige  Folgen  nach  sich  gezogen  hat.  Überdies  sind die nach  dem  Zweck  der  Strafdrohung   in   Betracht  kommenden   Erschwerungs‑  und  Milderungsgründe,  soweit  sie nicht schon  die  Strafdrohung  bestimmen,  gegeneinander  abzuwägen.  Auf   das  Ausmaß  des  Verschuldens  ist  Bedacht zu nehmen. Unter  Berücksichtigung  der  Eigenart  des   Verwaltungsstrafrechtes   sind   die  Bestimmungen  der  §§  32  bis   35  StGB  (Strafgesetzbuch)  sinngemäß anzuwenden.

 

6.1.  Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, dass die von  der Behörde erster Instanz verhängte Strafe in der Höhe von 72 Euro als sehr niedrig bemessen bewertet werden muss. Selbst wenn hier angesichts des Vertrauens auf die in Deutschland herrschende Rechtslage bloß von einem geringen Verschulden auszugehen sein mag, kann der hier verhängten Geldstrafe nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.

Immerhin reicht der Strafrahmen bis 5.000 Euro. Selbst das hier nicht zur Verfolgung gelangende Grunddelikt wäre – trotz eines nur bis 726 Euro reichenden Strafrahmens – durchaus höher zu bestrafen gewesen. Der Unwertgehalt einer Verweigerung der Lenkerbekanntgabe kann wegen des  öffentlichen  Interesses, insbesondere dem Interesse der Pflege  der  Verkehrssicherheit und der sich daraus ableitenden Pflicht zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr in einer solcherart herbeigeführten Vereitelung der Strafverfolgung nicht bloß als geringfügig abgetan werden. Daher kann hier trotz des Milderungsgrundes der verwaltungsstraf­rechtlichen Unbescholtenheit eine  Überschreitung  des  Ermessensspielraumes in der Strafzumessung seitens der Behörde erster Instanz nicht erblickt werden. Der Berufung musste daher ein Erfolg sowohl in der Schuld- als auch in der Straffrage versagt bleiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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