Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420107/12/Gf/Atz VwSen420108/12/Gf/Atz

Linz, 05.07.1996

VwSen-420107/12/Gf/Atz

VwSen-420108/12/Gf/Atz Linz, am 5. Juli 1996
DVR.0690392
E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des H.

P. Ch. und des A. T., Sch.. 29, .... P., vertreten durch RA Dr. M. P., M. 2, .... M., wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 2. Juli 1996 sowie öffentlicher Verkündung am 5. Juli 1996 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird die Rechtswidrigkeit der am 14. April 1996 von Organen des Bezirkshauptmannes Vöcklabruck im Objekt Sch... 29, .... P., durchgeführten Hausdurchsuchung festgestellt.

II. Der Bund (Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat den Beschwerdeführern Kosten in Höhe von 18.800 S zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 4 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit der vorliegenden, auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten Beschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen eine von Gendarmeriebeamten am 14. April 1996 im Objekt Sch... 29, .... P., aus eigener Macht durchgeführte Hausdurchsuchung.

Diese erweise sich nach dem Beschwerdevorbringen insofern als rechtswidrig, als von vornherein kein richterlicher Hausdurchsuchungsbefehl vorgelegen sei; in weiterer Folge hätten daher auch keine Türen aufgebrochen und keine Gegenstände beschlagnahmt werden dürfen. Schließlich sei auch die in deren Zuge vorgenommene Verhaftung des Beschwerdeführers H.

P. Ch. gesetzwidrig - weil den Umständen nach nicht erforderlich - gewesen.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme beantragt.

2. Die belangte Behörde hat die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich20-1147-1996 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Juli 1996, zu der als Parteien der Vertreter der Beschwerdeführer, RA Dr. M.

P., und Mag. J. S. als Vertreter der belangten Behörde sowie als Zeuge Hptm. H. F. (GPK Vöcklabruck) erschienen sind.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführer sind aufgrund entsprechender zivilrechtlicher Vereinbarungen mit dem Hauseigentümer über das Objekt Sch... 29, .... P., verfügungsberechtigt.

Mit § 1 der Verordnung des Gemeinderats von Pöndorf vom 15. Februar 1995 wurde in diesem Haus die Anbahnung und Ausübung der Prostitution verboten.

In der Nacht vom 13. auf den 14. April 1996 wurde unter der Leitung des Zeugen von den Gendarmen des BGK Vöcklabruck eine Kontrolle mehrerer in diesem Rayon liegender Lokale, hinsichtlich derer ein Verdacht der illegalen Anbahnung oder Ausübung der Prostitution bestand, ins Auge gefaßt (und letztlich in Pöndorf und Unterach auch tatsächlich durchgeführt); hiezu wurden auch Beamte der Kriminalabteilung des LGK sowie der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich zugezogen. Als die Beamten am 14. April 1996 gegen 00.45 Uhr beim Objekt der Beschwerdeführer - diese waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugegen - eintrafen und Einlaß begehrten, wurde ihnen dieser von einer offenkundig als Türsteher fungierenden Person namens Bernhard Moser verweigert. Der Zeuge, der aufgrund dieses Verhaltens in Verbindung mit einem drei Tage zuvor erhaltenen anonymen Anruf vermutete, daß sich der mittels Haftbefehl gesuchte G.

G. H. im Haus befinden könnte, ordnete daraufhin eine Hausdurchsuchung aus eigener Macht gemäß § 141 Abs. 2 StPO an. In deren Zuge mußte eine im Inneren des Hauses befindliche Tür gewaltsam mittels Brecheisen geöffnet werden, wodurch diese beschädigt wurde. Die Person, nach der gefahndet wurde, konnte letztlich nicht vorgefunden werden.

Es wurden jedoch verschiedene, insbesondere im Zusammenhang mit verbotener Prostitution sowie Übertretungen des Waffenund Kulturschutzgesetzes stehende Gegenstände (1 Videorecorder samt 3 Cassetten mit Pornofilmen; 3 Langwaffen; 2 verbotene Waffen; 1 russische Ikone) beschlagnahmt und hierüber jeweils entsprechende Bestätigungen ausgestellt. Während des Beschlagnahmevorganges trafen auch die beiden Beschwerdeführer unter lautstarken Beschwerden und heftigen verbalen Attacken (T.) sowie mehrfachen Rempeleien (Ch.) ein. Als der Zeuge das Haus verließ, um die Garage und einen Schuppen zu inspizieren, versperrte Ch. - obwohl sich noch vier Beamte im Objekt befanden - die Haustür und begann dort, die Lichter abzudrehen. Der Zeuge, der einen älteren, herzkranken und unmittelbar vor der Frühpension stehenden Kollegen aufgeregt mit Ch. debattieren hörte und diesem zu Hilfe eilen wollte, öffnete daraufhin mit einem leichten Fußtritt die schon zuvor beschädigte Eingangstür. In der Folge kam es mit Ch. zu einem Handgemenge, in dessen Zuge gegen 2.05 Uhr die Festnahme ausgesprochen und der Beschwerdeführer schließlich vom Zeugen und zwei weiteren Beamten zu Boden gebracht wurde; dort liegend wurden ihm Handfesseln angelegt. Nach Beendigung der Amtshandlung wurde der Beschwerdeführer zwecks Aufnahme einer Niederschrift auf den Gendarmerieposten Frankenmarkt verbracht sowie gegen 3.45 Uhr wieder auf freien Fuß gesetzt und schließlich nach Hause gebracht.

Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aufgrund der glaubwürdigen und in sich widerspruchsfreien Angaben des unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugen.

Der Antrag des Vertreters der Beschwerdeführer auf Vertagung der Verhandlung zwecks zeugenschaftlicher Einvernahme des A.

T. war deshalb abzuweisen, weil hinsichlich dieser Person bereits eine ordnungsgemäße Ladung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung ergangen und jener zu dieser ohne Angabe von Gründen nicht erschienen ist. Einerseits war daher der Verdacht einer unbegründeten Verfahrensverzögerung naheliegend und auf der anderen Seite eine weitere Aufklärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nicht zu erwarten.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 1 des im Verfassungsrang stehenden Gesetzes zum Schutze des Hausrechtes, RGBl.Nr. 88/1862 (im folgenden:

HausRG), darf eine Hausdurchsuchung in der Regel nur kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehles durchgeführt werden.

Nach § 2 Abs. 2 HausRG kann zum Zweck der Strafgerichtspflege eine Hausdurchsuchung bei Gefahr in Verzug auch durch die Sicherheitsorgane aus eigener Macht u.a. dann vorgenommen werden, wenn gegen jemand ein Haftbefehl erlassen oder jemand im Besitz von Gegenständen betreten wird, die auf die Beteiligung an einer strafbaren Handlung hinweisen. Inhaltsgleiches regelt - auf der Stufe eines einfachen Gesetzes die Bestimmung des § 141 Abs. 2 der Strafprozeßordnung, BGBl.Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 507/1994 (im folgenden: StPO).

In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof einen strengen Maßstab zur Auslegung des Begriffsmerkmales "Gefahr in Verzug" entwickelt. Diese liegt insbesondere dann nicht vor, wenn ausreichend Zeit zur Einholung eines richterlichen Befehles besteht (vgl. schon VfSlg 7943/1976), wenn also ohne Gefährdung des Erfolges der Amtshandlung - zumindest fernmündlich (VfSlg 9934/1984) - ein richterlicher Befehl eingeholt werden kann (VfSlg 8298/1978; siehe dazu auch näher H. St., Der Schutz des Hausrechts, in: Machacek Pahr - Stadler (Hrsg.), Grund- und Menschenrechte in Österreich, Bd. II, Kehl 1992, 325 ff).

4.2. Im gegenständlichen Fall lag vor Beginn der Amtshandlung weder ein richterlicher Hausdurchsuchungsbefehl vor noch wurde vom Einsatzleiter versucht, einen solchen - zumindest fernmündlich - zu erlangen. Andererseits war die Gefahr, der nachgesuchten Person infolge der zeitlichen Verzögerung, die die wenigstens mündliche Einholung eines Durchsuchungsbefehles in Anspruch genommen hätte, deshalb nicht habhaft werden zu können, denkbar gering: Der Zeuge hat bei seiner Vernehmung selbst ausgeführt, daß am Gendarmerieeinsatz etwa 10 Beamte beteiligt waren. Es wäre daher ein Leichtes gewesen (und wurde im übrigen auch tatsächlich so praktiziert), das Objekt einstweilen zu umstellen und so ein Entkommen des Gesuchten - hätte sich dieser tatsächlich im verfahrensgegenständlichen Haus befunden - zu verhindern.

Wenngleich die Amtshandlung daher im übrigen - ohne hier auf Einzelheiten näher eingehen zu müssen - im Grunde offenkundig rechtmäßig durchgeführt wurde (insbesondere konnte die Festnahme des Beschwerdeführers Ch. jedenfalls vertretbarerweise auf § 81 bzw. § 82 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991, i.V.m. § 35 Z. 3 VStG gestützt werden; die Beschlagnahmen waren offenkundig durch § 16 Abs.4 des OÖ. Veranstaltungsgesetzes, LGBl.Nr. 75/1992, i.d.F. LGBl.Nr. 30/1995 i.V.m. § 39 Abs.2 VStG, durch § 13 Abs.1 des Waffengesetzes, BGBl.Nr. 443/1986 i.d.F. BGBl.Nr. 1107/1994, sowie durch § 10 des Ausfuhrverbotsgesetzes für Kulturgut, StGBl.Nr. 90/1918 i.d.F. BGBl.Nr. 253/1985, gedeckt), war daher der vorliegenden Beschwerde schon insofern stattzugeben, als im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Hausdurchsuchung aus eigener Macht ohne richterlichen Befehl gemäß § 2 Abs. 2 HausRG bzw. § 141 Abs. 2 StPO nicht vorlagen, sodaß sich die angefochtene Maßnahme aufgrund dieses formalen Mangels als gesetzwidrig erweist.

4.3. Der Oö. Verwaltungssenat hatte daher gemäß § 67c Abs. 4 AVG die am 14. April 1996 von Beamten der Bundesgendarmerie im Dienste der Strafjustiz durchgeführte, dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zurechenbare Hausdurchsuchung für rechtswidrig zu erklären.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren den Beschwerdeführen gemäß § 79a AVG i.V.m. § 1 der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995, Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in Höhe von 18.800 S (Schriftsatzaufwand: 8.400 S; Verhandlungsaufwand: 10.400 S) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Ergeht an:

1. H. P. Ch. und A. T., z.Hd. RA Dr. M. P., M. 2, .... M., mit Kopie der Verhandlungsschrift, mit RSb; 2. BH Vöcklabruck, z.Zl. Sich20-1147-1996, nachweislich.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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