Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521850/3/Br/Ps

Linz, 28.01.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn D K, geb., T, L, dzt. J L, P, L, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz, vom 11. Jänner 2008, Zl. FE 1363/2006, zu Recht:

 

Der Berufung wird Folge gegeben u. der Entzug der Lenkberechtigung, sowie die ausgesprochenen Verbote behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.3 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52 zuletzt geändert durch, BGBl. I Nr. 117/2002 – VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem in der Präambel bezeichneten Bescheid hat die Behörde erster Instanz dem Berufungswerber

·         die von der BPD Linz, am 7.12.2004, unter Zl., für die Klasse B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 6 Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheides entzogen;

·         ihm ausdrücklich das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges für die Dauer von 6 Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheides verboten;

·         ihm das Recht aberkannt von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen;

·         weiters wurde er aufgefordert den Führerschein unverzüglich der Behörde abzuliefern;

·         wurde einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Gestützt wurde diese Entscheidung auf §§ 7, 24, 25, 29, 30, 32 FSG; 64 Abs.2 AVG.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:

"Gem. § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung ( § 3 Abs. 1 Z 2 bis 4 ) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen. Diese Voraussetzungen sind: Verkehrszuverlässigkeit, gesundheitliche Eignung und fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

 

Gem. § 30 Abs. 1 FSG kann Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen das Recht, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für die Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen. Für die Aberkennung ist die Behörde zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Aufenthalt hat; sie hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten, falls nicht gem. Abs. 2 vorzugehen ist. Hat der betroffene Lenker keinen Wohnsitz in Österreich, ist seiner Wohnsitzbehörde auf Anfrage von der Behörde, die das Verfahren durchgeführt hat, Auskunft über die Maßnahme der Aberkennung zu erteilen.

 

Gem. § 30 Abs. 3 FSG hat die Behörde eine Entziehung auszusprechen, den Führerschein des Betroffenen einzuziehen und der Ausstellungsbehörde zurückzustellen, wenn das Verfahren gem. Abs. 1 den Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung betrifft. Nach Ablauf der Entziehungsdauer hat der Betroffene einen Antrag auf Ausstellung und Ausfolgung eines österreichischen Führerscheines gemäß § 15 Abs. 3 zu stellen, oder, falls die Entziehung 18 Monate oder mehr war, auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung.

 

Gem. § 32 Abs. 1 FSG ist Personen, die nicht im Sinne von § 7 FSG verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken unter Anwendung der §§ 24 Abs. 4, 25 Abs. 1, 26 und 29 Abs. 1 bis 3 FSG entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges ausdrücklich zu verbieten oder nur zu gestatten, wenn vorgeschriebene Bedingungen eingehalten werden oder nur für eine bestimmte Zeit oder zur unter zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen zu gestatten. Gem. § 7 Abs. 1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1.   die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder  durch   Trunkenheit  oder  einen   durch   Suchtmittel   oder  durch   Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.     sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

Gem. § 7 Abs. 3 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand:

 

eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat;

 

Gem. § 7 Abs. 4 FSG sind für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist."

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

Am 13.11.2007 langte bei der BPD Linz als Kraftfahrbehörde ein Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 16.10.2007, Zahl: 10 Bs 215/07z ein, welchem zu entnehmen ist, dass Sie rechtskräftig wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt wurden.

 

Dem zitierten Urteil ist zu entnehmen, dass Sie schuldig gesprochen wurden, am 21.2.2007 in Ried in Innkreis in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken dem C C dadurch, dass Sie ihn festhielten und ein Mittäter ihm 3 Faustschläge in das Gesicht versetzte, wodurch dieser Prellungen an der linken Gesichtshälfte erlitt, am Körper verletzt zu haben.

 

Grundlage für die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz war ein Urteil des Landesgerichtes Ried vom 31.7.2007, Zahl: 7 Hv 66/07d, gegen das von Ihnen wegen Schuld und des Ausspruchs über die Strafe ein Rechtsmittel ergriffen wurde. Das zitierte Urteil des Oberlandesgerichtes Linz bildet die Grundlage für das gegenständliche Verwaltungsverfahren. Dem Urteil ist unter anderem bei der Strafbemessung zu entnehmen, dass Sie seit 1998 5 einschlägige Vorstrafen wegen Körperverletzungsdelikte aufweisen. Mildernd wurde kein Umstand berücksichtigt.

 

Aufgrund Ihrer rechtskräftigen Verurteilung wegen Körperverletzung wurden Sie mit Schreiben vom 4.12.2007 aufgefordert, zum beabsichtigtem Entzug Ihrer Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit binnen 2 Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Diese Aufforderung wurde von Ihnen am 7.12.2007 persönlich übernommen. Mit Schriftsatz vom 13.12.2007 nahmen Sie Stellung und wird zusammenfassend festgehalten.

 

Zunächst wird von Ihnen nicht bestritten, dass Sie verurteilt wurden. In weiterer Folge schilderten Sie aus Ihrer Sicht, wie es zu gegenständlicher Körperverletzung gekommen ist. Abschließend gaben Sie an, dass Sie seit 7 Monaten kein Auto besitzen und stellten den Antrag, dass Ihnen der Führerschein nicht entzogen wird, da Sie eine Arbeit als Fahrbote anfangen und die Verkehrszuverlässigkeit ganz sicher gegeben ist.

 

Die Behörde hat hiezu wie folgt erwogen:

 

Aufgrund des rechtskräftigem Urteiles des Oberlandesgerichtes Linz vom 16.10.2007, Zahl: 10 Bs 215/07z ist davon auszugehen, dass Sie wegen Körperverletzung verurteilt wurden. Auch ist der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt für die erkennende Kraftfahrbehörde als gegeben anzunehmen. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz wurde Ihrer Berufung nur teilweise Folge gegeben und zwar nur hinsichtlich des Strafausspruches.

 

Dem Urteil des Oberlandesgerichtes Linz sowie der dem Akt beigeschlossenen Strafregisteranfrage ist zu entnehmen, dass Sie wiederholt wegen eines Aggressionsdeliktes, nämlich Körperverletzung, rechtskräftig verurteilt wurden. Gem. § 7 Abs. 3 Zif. 9 FSG ist bei einer Person die Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr gegeben, wenn sie unter anderem wiederholt ein Delikt gem. § 83 StGB begangen hat. Wie bereits angeführt, wurden Sie wiederholt wegen Körperverletzung verurteilt, weshalb Ihre Verkehrszuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist und spruchgemäß zu entscheiden war. Festgehalten wird, dass es im Straßenverkehr sehr häufig zu Konfliktsituationen kommen kann und ist es nicht Aufgabe eines Verkehrsteilnehmers, diese aufgetretene Situation mit Gewalt zu lösen. Hiezu gibt es entsprechende Sicherheitsdienststellen, Sicherheits- und Justizbehörden.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit allfällige berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, kein wie immer geartetes Beweisthema.

 

Das die Entziehung der Lenkberechtigung als Nebenwirkung mittelbar die Erwerbstätigkeit verhindert oder verhindern könnte, ist bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit sowie Festsetzung der Entziehungsdauer rechtlich bedeutungslos.

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor verkehrsunzuverlässigen Kraftfahrzeuglenkern.

 

Nach diesem Sachverhalt sind Sie nicht verkehrszuverlässig. Nicht verkehrszuverlässigen Kraftfahrzeuglenkern ist die Lenkberechtigung zu entziehen bzw. ist das Lenken von Kraftfahrzeugen zu untersagen. Aufgrund der Verwerflichkeit des Verhaltens und der Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen die Taten begangen wurden, wird die Verkehrszuverlässigkeit erst nach Ablauf der festgesetzten Zeit wieder erlangt.

 

Nicht verkehrszuverlässige Lenker von Kraftfahrzeugen stellen eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar. Sie sind daher sofort von der Teilnahme am Straßenverkehr als Fahrzeuglenker auszuschließen.

 

Aus Gründen der öffentlichen Verkehrssicherheit war bei Gefahr im Verzug einer Berufung die aufschiebende Wirkung zu versagen."

 

 

2. Der Berufungswerber wendet sich in der fristgerecht dagegen erhobenen Berufung gegen den ausgesprochenen Entzug. Im Ergebnis vermeint er, dass dieser Vorfall u. zwei "kleine Verurteilungen" diesen Entzug nicht rechtfertigen würden.

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte angesichts des unstrittigen Sachverhaltes unterbleiben (§ 67d Abs.2 Z1 letzter Satz AVG).

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Daran angeschlossen fanden sich die strafgerichtlichen Urteile und die Auszüge aus dem Führerscheinregister betreffend den Berufungswerber. Ergänzend wurde noch eine Vormerkungsabfrage bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land durchgeführt.

 

4. Wie sich bereits aus den unbestritten bleibenden Ausführungen im Akt ergibt, war der Berufungswerber vor nahezu einem Jahr daran beteiligt, dass ein Fahrzeuglenker durch Faustschläge verletzt wurde, als dieser mit seinem Fahrzeug vor dem Schutzweg angehalten hatte, um den Berufungswerber in einer Fußgängergruppe vor der Jahnturnhalle in Ried das Überqueren zu ermöglichen. Der Fahrzeuglenker öffnete das Seitenfenster, woraufhin ihn der Berufungswerber attackierte und ihm Verletzungen im Gesicht zufügte.

Der Berufungswerber wurde hierfür vom LG Ried zu sechs Monaten unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt (GZ: 7 Hv 66/07d v. 31.7.2007). Das Oberlandesgericht reduzierte das Strafausmaß am 16.10.2007 auf zwei Monate (GZ: 10 Bs 215/07 z). Dabei beurteilte das Berufungsgericht die Tatsache, dass der Berufungswerber 1.000 Euro Schmerzensgeldforderung des Verletzten anerkannte. Straferschwerend wurden vier einschlägige Vorstrafen wegen Körperverletzungen seit 1998 gewertet.

Dem Berufungswerber wurde im Jahr 2002 die Lenkberechtigung wegen Alkotestverweigerung für vier Monate und 2003 wegen Lenkens ohne Lenkberechtigung drei Monate entzogen.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung darf eine solche im Sinne des § 3 Abs.1 FSG nur Personen erteilt (und daher auch nur belassen) werden, die:

     ...

     2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

     ...

     Verkehrszuverlässigkeit

     § 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand

         ...

     (3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand

     ...

Z10 eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat;

     ...

     (4) Für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

     ...

     Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

     Allgemeines

     ...

     Dauer der Entziehung

     § 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

     ...

     (3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.     

     ...

 

5.2. Da hier die Tat zwischenzeitig zwölf Monate zurückliegt, ist laut Auffassung der Berufungsbehörde im Sinne der gesetzlichen Intention nicht mehr davon auszugehen, dass der Berufungswerber zum gegenwärtigen Zeitpunkt und darüber hinaus noch weitere drei Monate – ab dem Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Entzugsbescheides – weiterhin verkehrsunzuverlässig gelten könnte. Dem Zeitfaktor und dem Verhalten während eines solchen Zeitlaufes kommt bei einer derartigen Beurteilung eine entscheidende Bedeutung zu. Auch dazu ergeben sich, soweit die dazu überaus reichhaltige Judikatur noch überblickbar ist, Zeithorizonte im Bereich von bis zu zwei Jahren nach einem derartigen Ereignis, wobei sich ein Betroffener innerhalb dieser Zeitspanne wohl Verhalten muss (Grundner / Pürstl, Kurzkommentar zum FSG, 2. Auflage, Seite 85, E28 u.29 mit Hinweis auf VwGH 24.8.1999, 99/11/0168).

Da hier darüber hinaus die Tat nicht im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges stand, lässt die vom Berufungswerber als Fußgänger gesetzte Aggressionshandlung sachlich betrachtet nicht mehr den Schluss zu, dass er zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch als verkehrsunzuverlässig angesehen werden müsste. 

Für eine Verneinung der Verkehrszuverlässigkeit wird insbesondere durch VwGH 13.12.2005 2004/11/0081 illustrativ klargestellt, dass zeitlich zurückliegende Verurteilungen in deren Wertung bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit wenig ins Gewicht fallen (vgl. auch VwGH 23.5.2006, 2004/11/0201, mit Hinweis auf VwGH vom 16.12.2004, 2004/11/0178).

Für die Festsetzung der Entziehungsdauer ist die unter Berücksichtigung der Wertungskriterien gemäß einer iSd § 7 FSG 1997 zu erstellende Prognose maßgebend, wann der Betreffende die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangen werde; also wann er die Sinnesart gemäß § 7 Abs.1 Z10 u. Abs.4 FSG 1997, derentwegen die Verkehrsunzuverlässigkeit anzunehmen ist, überwunden haben wird (VwGH 6.7.2004, 2002/11/0130 mit Hinweis auf VwGH 20.9.2001, 2001/11/0119), m.a.W).

Unter Hinweis auf die oben schon erwähnte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelten Handlungen gegen Leib und Leben (§ 7 Abs.3 Z10 FSG) wohl grundsätzlich als bestimmte Tatsachen, auf Grund welcher auf eine Sinnesart des Betreffenden geschlossen werden kann, dass der Betreffende im Sinne des § 7 Abs.1 FSG beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden werde; dies insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr.

Die führerscheinspezifische Vorgeschichte des Berufungswerbers lässt hier aber nicht erkennen, dass er als Fahrzeuglenker durch Aggressionsdelikte bisher negativ in Erscheinung getreten wäre.

Mit Blick darauf ist aus der Sicht der Berufungsbehörde davon auszugehen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt beim Berufungswerber zumindest nicht gesichert auf eine Sinneshaltung geschlossen werden könnte, die seine Verkehrsunzuverlässigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Frage stellt (vgl. VwGH 20.3.2001, 99/11/0074 mwN, sowie VwGH 24.8.1999, 99/11/0216 und VwGH 20.9.2001, 2001/11/0119).

Die Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes kann im Zusammenhang mit Entzugsverfahren u. die Dauer der Entzüge von Lenkberechtigungen als durchaus sehr einzelfallbezogen bezeichnet werden.

So wurde etwa trotz anlässlich einer wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall in Verbindung mit § 87 Abs.1 StGB und der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs.1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs.1 StGB und des Vergehens nach § 50 Abs.1 Z1 und 4 Waffengesetz als schuldig erkannte Person ein erstmaliger Entzug der Lenkberechtigung in der Dauer von zwei Jahren als "erheblich zu lange" gewertet. Es wurde begründend wohl ausgeführt, dass von Kraftfahrzeuglenkern wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktsituationen eine nicht zu Gewalttätig­keiten neigende Sinnesart verlangt werden müsse (VwGH 23.4.2002, 2001/11/0346 mit Hinweis auf VwGH 26.2.2002, 2001/11/0379, mwN).

Auch wurde nach einer auf schwerer Körperverletzung basierende Verurteilung in der Dauer von 16 Monaten nach Tatbegehung ein ausgesprochener Entzug als rechtswidrig erkannt (VwGH 14.9.2004, 2004/11/0119). Ebenso eine Verurteilung nach § 83 Abs.1, § 84 Abs.2 Z1 StGB und ein erst nach Ablauf einer Zeit von 20 Monaten endender Entzug (VwGH 6.7.2004, 2002/11/0130, ebenso VwGH 20.9.2001, 2001/11/0119).

Dem Zeitfaktor und dem Verhalten während eines solchen Zeitlaufes kommt bei einer derartigen Beurteilung eine entscheidende Bedeutung zu.

Der unabhängige Verwaltungssenat vermag daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine ausreichende Grundlage mehr erblicken, dass der Berufungswerber nun für sechs Monate und demnach zumindest noch bis 15 Monate (laut Behörde erster Instanz 18 Monate) nach der begangenen Körperverletzung als verkehrsunzuverlässig prognostiziert werden müsste. Offenbar hat er doch zwischenzeitig noch unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen (VwSlg 15059 A/1998 mit Hinweis auf VwGH 25.8.1998, 97/11/0213 zum diesbezüglich gleichlautenden KFG).

Im ist jedenfalls ein Ergebnis zu vermeiden, dass ein Entzug zur zusätzlichen Strafe umfunktioniert würde bzw. dieser letztlich nur mehr als solcher zur Wirkung gelangte.

Somit scheint im Lichte der Judikatur keine gesetzliche Grundlage dafür zu bestehen, vor dem Hintergrund des bereits gesühnten Verhaltens des Berufungswerbers, auch noch für zumindest weitere drei Monate dessen Verkehrsunzuverlässigkeit erblicken zu wollen.

Wenngleich es sich bei einer Entzugsmaßnahme grundsätzlich um keine Strafe, sondern um eine Schutzmaßnahme der Verkehrsteilnehmer von einer verkehrs­unzuverlässigen Person handelt, sieht sich der unabhängige Verwaltungs­senat zum Hinweis veranlasst, dass dieses Regime in seiner Wirkung nicht in die Nähe des Verbotes einer Doppelbestrafung und damit in Konflikt zum Schutzbereich der EMRK geraten darf. Diese gilt es in jedem Einzelfall zu prüfen, wobei – wie schon dargelegt – dem Verkehrsverhalten ein höheres Gewicht zukommt als einem Verhalten, welches in Wahrheit mit dem Straßenverkehr nichts zu tun hat.

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich eben um keine Strafe, sondern um eine administrative Maßnahme zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor verkehrsunzuverlässigen Kraftfahrzeuglenkern.

Nicht geteilt vermag mangels realistischer Nachvollziehbarkeit letztlich die Auffassung der Behörde erster Instanz werden, warum ein Jahr nach einem Ereignis plötzlich Gefahr in Verzug vorliegen sollte, obwohl der Berufungswerber zwischenzeitig am Verkehr teilnahm. Davon könnte allenfalls dann die Rede sein, wenn das Ereignis im engen zeitlichen u. sachlichen Zusammenhag mit der Entzugsmaßnahme stehen würde (vgl. VwGH 2.7.1986, 85/11/0167 mit Hinweis auf VwSlg. 11237/a1983). Es würde das Schutzziel dieser Bestimmung verkannt, wenn der im Ergebnis disponierbare Zeitpunkt des Ausspruches des Entzuges – zeitlich losgelöst vom Ereignis, auf den er sich stützt – die Gefahr in Verzug definieren würde.  Damit wird letztlich einem Rechtsmittel der diesem inhärente Zweck genommen.

 

Der Berufung kam inhaltliche Berechtigung zu.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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