Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400931/4/Gf/Ga

Linz, 28.01.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des russischen Staatsangehörigen S A., vertreten durch die RAe Dr. K und Mag. W B., G, gegen seine Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt, dass die bisherige Anhaltung des Beschwerdeführer rechtswidrig war und zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine für eine weitere Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft maßgeblichen Gründe vorliegen.

 

II.      Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshaupt­mann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 660,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG; § 1 UVS-AufwandsersatzVO.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Der Beschwerdeführer ist am 4. Jänner 2008 ohne gültige Reisedokumente von Polen aus kommend ins Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag einen Asylantrag eingebracht.

 

Zuvor hatte er – wie mittels Fingerabdruckabgleiches festgestellt werden konnte –bereits in Polen einen Asylantrag gestellt. Da er sich jedoch in Polen nicht sicher gefühlt habe, weil es dort Beamte gebe, die aus Tschetschnien stammten und daher versuchen würden, Flüchtlinge aus diesem Land grundsätzlich wieder zurückzuschicken, habe er beschlossen, zu seinen Verwandten nach Wien, nämlich zu einem Neffen seiner Mutter und dessen Familie, weiterzureisen.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 8. Jänner 2008, Zl. Sich40-1010-2008, wurde über den Rechtsmittelwerber zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie deren Vollstreckung im Wege der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Über­stellung in das PAZ Steyr sofort vollzogen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass seine Identität mangels entsprechender Personaldokumente nicht als gesichert anzusehen sei. Außerdem verfüge er weder über einen Wohnsitz noch über die zur Bestreitung seines Aufenthalts erforderlichen finanziellen Mittel noch über soziale Beziehungen in Österreich. Durch das mehrfache Stellen eines Asylantrages habe er dokumentiert, dass er sich in Wahrheit nur ein Aufenthaltsrecht in Österreich erschleichen wolle. Es sei jedoch offenkundig, dass sein Asylantrag mangels Zuständigkeit österreichischer Behörden zurückzuweisen sein wird. Daraus lasse sich insgesamt ableiten, dass er sich offenbar einer Abschiebung nach Polen entziehen wolle. Die Gesamtheit seiner Verhaltensweise lasse sohin einen akuten Sicherungsbedarf erkennen, weshalb zur Sicherung des Ausweisungsverfahrens die Schubhaft zu verhängen gewesen sei.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 25. Jänner 2008 beim Oö. Verwaltungssenat eingegangene Beschwerde.

 

Darin wird zunächst vorgebracht, dass im gegenständlichen Fall anstelle der Schubhaftverhängung beispielsweise die Auferlegung der Verpflichtung zur Unterkunftnahme an einem bestimmten Ort und zur periodischen Meldung bei einem bestimmten Polizeikommanda in gleicher Weise zur Zielerreichung geeignet gewesen wäre – ganz abgesehen davon, dass ihm als Asylwerber ohnehin ein Rechtsanspruch auf Grundversorgung zukomme. Auch mache der Umstand, dass sich der Rechtsmittelwerber freiwillig zur Asylbehörde begeben und sich dort bis zur Inschubhaftnahme – also vom 4. bis zum 8. Jänner 2008 – unbeanstandet aufgehalten habe, deutlich, dass keine Rede davon sein könne, dass er sich dem Zugriff der Behörde zu entziehen versuchen werde. Außerdem lebe ein namentlich benannter Verwandter des Beschwerdeführers in Österreich, der dazu bereit wäre, ihn sowohl finanziell unterstützen als auch seine Wohnung mit ihm teilen würde.

 

Die Verhängung der Schubhaft erweise sich sohin als unverhältnismäßig, weshalb die kostenpflichtige Feststellung von deren Rechtswidrigkeit beantragt wird.

 

1.4. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Außerdem wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Ausreise des Beschwerdeführers aus Polen während des laufenden Asylverfahrens bereits die akute Fluchtgefahr für den Fall, dass dieses im Ergebnis nicht wunschgemäß abgeschlossen wird, signalisiert habe, sodass sich dieser insgesamt als nicht vertrauenswürdig erweise.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich40-1010-2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 157/205, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, u.a. das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft anzurufen.

 

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 und 4 FPG können auch Asylwerber u.a. zu dem Zweck festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, wenn gegen diese ein Ausweisungsverfahren bereits eingeleitet wurde bzw. anzunehmen ist, dass deren Antrag mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden wird.

 

Nach § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizei­kommando zu melden.

 

3.2. Im gegenständlichen Verfahren eines in Schubhaft angehaltenen Asylwerbers ist offenkundig, dass dessen Antrag mangels Zuständigkeit Österreichs zurückzuweisen sein wird, weil er bereits in Polen um Asyl angesucht hat. Auch die von der belangten Behörde unter Berücksichtigung aller Begleitumstände gezogene Schlussfolgerung, dass es sich beim Rechtsmittelwerber in Wahrheit um einen sog. "Wirtschaftsflüchtling" handelt, ist nicht nur nicht unvertretbar, sondern geradezu auf der Hand liegend.

 

3.2.1. Da jedoch eine konkrete gesetzliche Regelung, wie die Behörden mit Wirtschaftsflüchtlingen umzugehen haben, (zumindest bislang) fehlt, muss insoweit zur Lösung der damit verbundenen Rechtsprobleme auf die allgemeinen fremdenrechtlichen Grundsätze zurückgegriffen werden. Weil nun diesbezüglich nicht unterschieden wird, kann daher über Fremde, die formell – nämlich durch die Stellung eines Asylantrages – als Asylwerber anzusehen sind, grundsätzlich gemäß § 76 Abs. 2 FPG auch dann die Schubhaft verhängt werden, wenn diese in Wahrheit als Wirtschaftsflüchtlinge zu gelten haben.

 

Andererseits unterliegt aber eine derartige Anhaltung – wiederum mangels bestehender Sondervorschriften – denselben Regelungen, wie sie für fremdenpolizeiliche aufenthaltsbeendende Maßnahmen gelten. Dies bedeutet zum einen, dass zunächst sämtliche formellen Voraussetzungen für die konkret in Aussicht genommene aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegen müssen; darüber hinaus darf sich die Anhaltung – was in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen ist – nicht als eine unverhältnismäßige Maßnahme erweisen. Diesbezüglich hat der Verwaltungs­gerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Recht­sprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeenden­den Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verur­teilungen und einer fehlenden Ausreise­willigkeit für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattge­geben.

 

3.2.2. Insgesamt besehen bewirkt so das Fehlen gesonderter, auf Wirtschaftsflüchtlinge bezogener gesetzlicher Bestimmungen in der Praxis gerade in jenen aus rechtlicher Sicht in aller Regel unproblematischen Fällen, wo diese bereits in einem anderen Staat einen Asylantrag gestellt haben, dass diese faktisch i.d.R. nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand wieder außer Landes geschafft werden können, weil die Behörden dazu verpflichtet und gleichzeitig darauf angewiesen sind, Rechtsvorschriften anwenden zu müssen, die nicht sachadäquat sind. Denn das auf der Genfer Flüchtlingskonvention fußende Asylrecht hat nur die Regelung der Rechtsstellung von aus politischen, rassischen, religiösen o.ä. Gründen verfolgten Personen zum Gegenstand, nicht aber von solchen, die ihren Heimatstaat in der Absicht verlassen, in einem anderen Staat bessere ökonomische Bedingungen vorzufinden und zu diesem Zweck auch eine Umgehung von formellen Einreisebestimmungen, einen Missbrauch des Asylrechts u.a. in Kauf nehmen.

 

Mangels (bislang) anders lautender Rechtsvorschriften ist jedoch allein der Umstand, dass sich ein Fremder in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich verhält, diesem nur dann und selbst in jenem Fall nur insoweit anlastbar, als dies entsprechend gesetzlich vorgesehen ist. So kann z.B. wegen illegaler Einreise ins Bundesgebiet eine Verwaltungsstrafe verhängt, ein Ausweisungsverfahren eingeleitet, ein Asylantrag mangels Zuständigkeit eines anderen Staates zurückgewiesen, etc. – es können also Einzelmaßnahmen gesetzt werden, die jedoch seitens der Fremdenbehörde stets nur situationsangepasst zum Einsatz gebracht werden können und damit auch keine Gewähr dafür bieten, dass sie (isoliert oder in ihrem Zusammenwirken) das beabsichtigte Ziel auch tatsächlich erreichen.

 

3.2.3. Diese dargestellte – zudem unter der Kautel des Art. 18 Abs. 1 B-VG, wonach die Handlungen der Behörde bei sonst drohendem Grundrechtseingriff stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, stehende – Rechtslage bedingt zunächst, dass, wie sich aus dem zuvor angesprochenen VwGH-Erkenntnis ergibt und auch der Beschwerdeführer der Sache nach vorbringt, eine generalisierende Betrachtungweise von vornherein unzulässig ist. So darf z.B. aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht schon a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen finanziellen Mittel durch illegale Arbeit beschaffen wird; und aus dem Nichtvorhandensein eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes nicht darauf, dass er sich (allein deshalb) dem behördlichen Zugriff entziehen wird; und aus einer Einreise ohne die hiefür erforderlichen Dokumente darauf, dass er eine gegenüber der Rechtsordnung des Aufnahmestaates generell ablehnende oder zumindest gleichgültige Haltung einnimmt; etc.

 

Vielmehr muss die Fremdenbehörde, wenn sie – wie gegenständlich – als eine von mehreren Maßnahmen zur Außerlandesschaffung eines Fremden die Schubhaft anordnet, in jedem Einzelfall das Vorliegen der Voraussetzungen für diese gewählte aufenthaltsbeendene Maßnahme, sodann den aktuellen Sicherungsbedarf und schließlich noch konkret begründen, weshalb keine gelindere, in gleicher Weise zur Zielerreichung geeignete Maßnahme zum Tragen kommen konnte.

 

3.3. Im vorliegenden Fall wurde die Verhängung der Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z. 2 und Z. 4 FPG gestützt. Dies setzt zunächst voraus, dass entweder gegen den Fremden bereits ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde (Z. 2) oder dass anzunehmen ist, dass sein Asylantrag zurückgewiesen werden wird (Z. 4).

 

Da nach § 27 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG) eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG – die nach Ausweis des vorgelegten Aktes am 7. Jänner 2008 an den Beschwerdeführer erfolgte – ex lege als Einleitung eines Ausweisungsverfahrens gilt, konnte die Anordnung der Schubhaft gegen den Rechtsmittelwerber – was deren prinzipielle Zulässigkeit betrifft – gegenständlich sowohl auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG, aber auch auf § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG gestützt werden, weil es offensichtlich ist, dass sein Asylantrag infolge der Zuständigkeit Polens zu dessen Behandlung in Österreich zurückzuweisen sein wird.

 

3.4. Im vorliegenden Fall wurde die Schubhaft sachlich betrachtet „zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung“ erlassen.

 

Letztere Alternative kann im gegenständlichen Fall aber schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil bis dato noch gar keine aufenthaltsbeendende Maßnahme, die bereits vollstreckbar wäre, gesetzt wurde. Vielmehr wurden diesbezüglich bloß Konsultationen mit Polen aufgenommen.

 

Es bleibt daher der im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gegebene Sicherungsbedarf zu prüfen.

 

Ein solcher ist offenkundig umso größer, je weiter fortgeschritten dieses Verfahren ist und dabei einem negativen Ausgang zustrebt: Ein Sicherungsbedarf wird daher regelmäßig – d.h., wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die eine gegenteilige Annahme rechtfertigen – dann zu bejahen sein, wenn dem Fremden ein Ausweisungsbescheid zugestellt wird, mit dem gleichzeitig die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen wird, weil ihm dann klar sein muss, dass er in kurzer Zeit zwangsweise außer Landes geschafft wird, wenn er das Bundesgebiet nicht freiwillig verlässt (bzw. verlassen kann). Aus dieser Zwangslage könnte er sich i.d.R. eben nur dadurch befreien, dass sich der Fremde dem behördlichen Zugriff entzieht, was gerade durch die Verhängung der Schubhaft verhindert werden soll.

 

Umgekehrt ist aber – gleichsam am gegenüberliegenden Pol – ein derartiges Sicherungsbedürfnis beispielsweise regelmäßig dann nicht gegeben, wenn ein Aufenthalts- oder Ausweisungsverfahren noch nicht über das Stadium der persönlichen Einvernahme eines Fremden, der sich bisher legal in Österreich aufgehalten hat und hier über einen Wohnsitz und ein regelmäßiges Einkommen verfügt, hinausgekommen ist. Bei einer im Lichte des Art. 5 MRK und des PersFrSchG verfassungskonformen Interpretation kann daher ein Bedürfnis zu „Sicherung des Verfahrens“ in § 76 Abs. 2 FPG nicht allein schon deshalb, weil ein solches Verfahren formell eingeleitet wurde, angenommen werden, sondern es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Notwendigkeit der Sicherung eines derartigen Verfahrens durch eine freiheitsentziehende Maßnahme erst eintritt und dafür dann umso größer ist, je mehr sich dieses einem negativen Abschluss nähert bzw. umgekehrt aus grundrechtlicher Sicht umso weniger gerechtfertigt erscheint, je weiter es von einem derartigen Ergebnis noch entfernt bzw. dessen Ausgang überhaupt offen ist.

 

Im gegenständlichen Fall spricht gleichsam alles für einen negativen Ausgang des Verfahrens, und zwar in der Form, dass nicht eine inhaltliche Abweisung seines Asylantrages erfolgen, aber die Feststellung der Unzuständigkeit Österreichs zur Entscheidung darüber zu treffen sein wird. Diese ist gemäß § 5 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG ex lege mit einer Ausweisung zu verbinden. In diesem Zusammenhang wurde dem Beschwerdeführer seitens des Bundesasylamtes im Wege einer Mitteilung vom 7. Jänner 2008, Zl. 0800-191, zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt ist, dass sein Asylantrag zurückzuweisen ist, dass Konsultationen mit Polen geführt werden und diese Mitteilung als eingeleitetes Ausweisungsverfahren gilt (seitens des Fremdenbüros der Republik Polen wurde der Rückübernahme übrigens mit Schreiben vom 15. Jänner 2008, Zl. DPU-WPD-214/08-AB, dem Grunde nach zugestimmt).

 

Insgesamt besehen stellte sich daher die Situation für den Rechtsmittelwerber bis dato nicht so dar, dass er in Kürze mit einer faktischen und allenfalls auch zwangsweisen Außerlandesschaffung zu rechnen hätte. Damit besteht aber aus dessen subjektiver Sicht offenbar auch kein Grund dafür, sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen.

 

Objektiv betrachtet liegt seit knapp zwei Wochen die Zustimmung Polens zur Rückübernahme vor. Ob sich nun faktisch dadurch Schwierigkeiten ergeben, dass dessen Abschiebung für den Fall, dass diese auf dem Landweg erfolgen soll, der Zustimmung eines oder mehrerer weiterer Staaten bedarf oder dass die erforderlichen Reisedokumente noch nicht vorliegen, etc. (d.h. generell gesprochen: durch die Verwaltung bedingte Schwierigkeiten) kann ihm aber jedenfalls ebenso wenig zum Nachteil gereichen wie der Umstand, dass möglicherweise gerade durch den Umstand seiner (ex post betrachtet: voreiligen) Inschubhaftnahme möglicherweise in der Person des Rechtsmittelwerbers eine besondere Sensibilisierung dahin eingetreten ist, dass die österreichischen ebenso wie die polnischen Behörden offenbar seinen Wünschen nicht entsprechend gesonnen sind und er sich deshalb ihrem Zugriff tunlichst zu entziehen versuchen wird – ein solcherart rechtswidrigerweise begründeter Sicherungsbedarf wäre aus grundrechtlicher Sicht in gleicher Weise unbeachtlich wie die zuvor angesprochenen „Verwaltungsschwierigkeiten“.

 

In objektiver Hinsicht wurden von der Fremdenpolizeibehörde weiters die illegale Einreise, die Verschleierung des tatsächlichen Aufenthaltszwecks, die Mittellosigkeit, die in Bezug auf das polnische Asylverfahren bereits dokumentierte Flucht sowie die Absicht, sich einer Abschiebung nach Polen zu entziehen, als einen Sicherungsbedarf begründende Argumente ins Treffen geführt. Hiezu ergibt sich aus den – auch von der belangten Behörde unbestritten gebliebenen – Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner asylrechtlichen Ersteinvernahme durch die Polizeiinspektion S (vgl. die dementsprechende Niederschrift vom 5. Jänner 2008, Zl. E3/286/2008), dass er deshalb aus seiner Heimat Inguschetien (einer Teilrepublik der Russischen Föderation) vor den Tschetschenischen Behörden geflohen sei, weil er von diesen geschlagen und erniedrigt worden und nur durch Zahlung eines Lösegeldes freigekommen sei; dass er sich in der Folge auch ihn Polen nicht sicher gefühlt habe, weil es dort ehemals tschetschenische Beamte gebe, die versuchen würden, die Tschetschen von Polen aus wieder zurückzuschicken, weshalb er schließlich zu seinen Verwandten nach Österreich weiterreiste, da er sonst keine Bezugspersonen im EU-Raum kenne; dabei habe er seinen Reisepass, der ihm an der Grenze bzw. im polnischen Flüchtlingslager abgenommen worden sei, zurücklassen müssen; in Wien angekommen sei er aus eigenem mit dem Taxi zum Flüchtlingslager St. G gefahren und dort vorstellig geworden; zu diesem Zeitpunkt verfügte er über 20 Euro Bargeld. Es trifft daher zunächst zu, dass er illegal nach Österreich eingereist ist. Er hat sich jedoch hier nicht im Untergrund verborgen gehalten, sondern noch am selben Tag im Flüchtlingslager gemeldet und dort seine Personaldaten bekannt gegeben, wenngleich er diese nicht durch amtliche Dokumente entsprechend belegen konnte. Ihm kann daher konkret keineswegs eine völlig ablehnende Haltung oder Gleichgültigkeit gegenüber den österreichischen Ordnungsvorschriften unterstellt werden. Außerdem hat er schon bei seiner Ersteinvernahme vorgebracht, dass in Wien ein Neffe seiner Mutter und dessen Familie lebe und im Schubhaftbeschwerde-Schriftsatz auch dessen Namen, Geburtsdatum und Wohnadresse bekannt gegeben. Mittellosigkeit und fehlende Unterkunftsmöglichkeit könnten daher nur dann angenommen werden, wenn der Beschwerdeführer seitens der von ihm angeführten, in Wien lebenden Verwandten keinerlei finanziellen oder sozialen Unterstützungsleistungen erhalten würde. Diesbezüglich oder im Hinblick darauf, ob er seitens öffentlicher Institutionen – z.B. im Wege einer Aufnahme in die Bundesbetreuung – eine entsprechende Hilfestellung erfahren würde, hat die Behörde jedoch keine im Akt dokumentierten Ermittlungen durchgeführt. Weiters trifft zwar offenkundig zu, dass er den Ausgang des polnischen Asylverfahrens nicht abgewartet hat. Dazu ist er jedoch rechtlich ebenso wenig verpflichtet wie ihm das bereits zuvor ausführlich dargestellte Fehlen österreichischer Rechtsvorschriften zur Behandlung von Wirtschaftsflüchtlingen nicht dahin angelastet werden darf, dass er das Asylrecht missbraucht hätte – ganz abgesehen davon, dass ein derartiges Verhalten weder einen expliziten Haftgrund bildet noch dazu geeignet ist, ein Sicherungsbedürfnis zu dokumentieren. Denn auch sein Einwand, dass er sich in Polen nicht sicher fühle, kann nicht ohne weitere Ermittlungen als nicht stichhältig abgetan werden.

 

Somit verbleibt als einziger Grund, der die Notwendigkeit der Anhaltung des Rechtsmittelwerbers begründen könnte, nur dessen allfällige Weigerung, einer Ausweisung nach Polen freiwillig Folge zu leisten, sodass er sich einer zwangsweisen Abschiebung dadurch zu entziehen versuchen könnte, dass er zum fälligen Zeitpunkt einen behördlichen Zugriff auf seine Person vereitelt.

 

Dafür gibt es jedoch im gegenwärtigen frühen Stadium des Ausweisungsverfahrens – wie bereits zuvor ausgeführt – weder aus subjektiver noch aus objektiver Sicht entsprechend triftige Anhaltspunkte.

 

3.5. Aus allen diesen Gründen hatte daher der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG festzustellen, dass die bisherige Anhaltung des Beschwerdeführer rechtswidrig war und zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch keine für eine weitere Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft maßgeblichen Gründe vorliegen.

 

Der Oö. Verwaltungssenat verkennt dabei nicht die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, dass die faktische Umsetzung einer an sich klaren Rechtslage (Zurückweisung des Asylantrages und Abschiebung des als Wirtschaftsflüchtling zu qualifizierenden Rechtsmittelwerbers in den Staat der Erstantragstellung) aus verwaltungstechnischen Gründen in der Regel eine geraume Zeitdauer in Anspruch nehmen. Faktum ist aber auch, dass der Gesetzgeber den Asyl- und Fremdenbehörden zur Bewältigung dieser Aufgabe bisher keine zureichenden Mittel, insbesondere nicht die Möglichkeit an die Hand gegeben hat, die Anhaltung eines Fremden bis zu dessen tatsächlicher Abschiebung auch und allein aus dem Grund vornehmen zu können, weil es sich um einen Wirtschaftsflüchtling handelt. Dieser Bereich ist bislang nicht im Wege einer homogenen Einheit geregelt und dieses Defizit kann auch – wie gezeigt – durch ein Zusammenwirken von intentional für andere Problembereiche konzipierte Einzelvorschriften insgesamt nicht zureichend substituiert werden, sodass daraus resultierende Unzulänglichkeiten auch nicht den Behörden anzulasten sind.  

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. II 334/2003, im beantragten Umfang Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro (Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro; Stempelgebühr: 13,00 Euro) zuzusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

1.              Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2.              Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13,20 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

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