Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-590183/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 05.02.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der Mag. M A, vertreten durch RA Dr. E-B-O,  gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Perg vom 23. November 2007, Zl. SanRB01-13-20-2007 (mitbeteiligte Parteien: Mag. C H, und Mag. H L, letztere vertreten durch RA Dr. W V), wegen der Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in M (voraussichtliche Betriebsstätte im D-E, ) zu Recht erkannt:

 

 

            Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid           aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die       belangte Behörde zurückverwiesen wird.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 2 AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2007 hat die Rechtsmittelwerberin einen Antrag auf Erteilung einer Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke mit der voraussichtlichen Betriebsstätte in der P in M gestellt.

 

Dagegen haben die beiden mitbeteiligten Parteien jeweils Einspruch erhoben und diesen damit, dass ihr Versorgungspotential künftig erheblich weniger als 5.500 Personen betragen würde bzw. damit begründet, dass seitens der in M bereits bestehenden öffentlichen Apotheke deshalb kein Einspruch erhoben werden wird, weil diese vom Ehegatten der Konzessionswerberin betrieben wird.

 

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 23. Novem­ber 2007, Zl. SanRB01-13-20-2007, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin abge­wiesen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund eines ent­sprechenden Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer deshalb kein Bedarf für die neu zu errichtende öffentliche Apotheke bestehe, weil ansonsten das Versor­gungspotential der im Einzugsgebiet bereits bestehenden Apotheke in M (die vom Ehegatten der Rechtsmittelwerberin geführt wird, der keinen Einspruch erhoben hat) unter das gesetzlich geforderte Mindestmaß sinke.

 

1.3. Gegen diesen ihr am 27. November 2007 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 11. Dezember 2007 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie deshalb, weil derzeit bei der Europäischen Kommis­sion hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit des österreichischen Apothekenbedarfssystems mit dem Gemeinschafts­recht ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich anhängig sei, um Fristerstreckung zur Abgabe einer Stellungnahme zum Ergebnis der erstbehördlichen Beweisaufnahme ersucht habe. Die belangte Behörde habe jedoch ohne Beantwortung dieses Fristerstreckungsansuchens oder nochmalige Aufforderung zur Erstattung einer Stellungnahme einfach den bekämpften Bescheid erlassen. Somit sei ihr de facto keine Mög­lichkeit eingeräumt worden, ihren Standpunkt zum Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer darzulegen. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen für die Konzessionierung der von ihr neu beantragten öffentliche Apotheke gegeben, weil die bereits bestehende Apotheke dadurch, dass diese keine Einspruch erhoben habe, offenkundig erkennen lassen habe, dass sich diese nicht in ihrer Existenz gefährdet fühle. Auch der Verfassungs­gerichtshof habe bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 15103/1998 ausgeführt, dass ausschließlich der Konzessionswerber zu beurteilen habe, ob und wenn ja, wie er seine Apotheke auch ohne ein garantiertes Mindestversor­gungspotential wirtschaftlich führen kann. Außerdem komme man auf diese Weise auch der vom Verfassungsgerichtshof intendierten Lösung, dass weder die bestehende noch die neue Apotheke über ein Mindest­versorgungspotential verfügen müsse, näher, womit auch dem verfassungs­gesetzlich gebotenen Gleichheitsrecht entsprochen werde. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde bei der Beurteilung nur vom Gutachten der Apotheker­kammer ausgegangen ist und der Umstand, dass die bestehende Apotheke keinen Einspruch erhoben habe, überhaupt nicht beachtet worden sei.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Erteilung der begehrten Apothekenkonzession beantragt.

 

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Perg zu Zl. SanRB01-13-2007; da sich bereits aus diesem ergab, dass der angefochtenen Bescheid aufzuheben ist, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 2 Z. 1 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Allseits unstrittig ist im gegenständlichen Fall, dass in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat, sich zum Zeitpunkt der Antragsstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte keine ärztliche Hausapotheke befindet und die nächstgelegene öffentliche Apotheke mehr als 500 Meter entfernt ist.

 

3.2. Unter derartigen Umständen darf einem Antragsteller die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke nach § 10 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 2 Z. 3 des Apothekengesetzes, RGBL.Nr. 5/1907, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 90/2006 (im Folgenden: ApG), nur dann versagt werden, wenn für diese deshalb kein Bedarf besteht, weil sich die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen auf weniger als 5.500 verringert.

 

Diesbezüglich wird in dem von der Landesgeschäftsstelle Oberösterreich der Österreichischen Apothekerkammer erstellten Gutachten vom 1. August 2007, Zl. III-5/2/2-185/5/07 (im Folgenden: Gutachten der Apothekerkammer), im Wege einer Prognoseentscheidung ausgeführt, dass jedenfalls zu erwarten ist, dass das Versorgungspotential der in M bereits bestehenden öffentlichen Apotheke unter 5.500 Personen sinken, nämlich nur mehr aus 3.684 ständigen Einwohnern innerhalb des 4-km-Polygons sowie aus 374 zusätzlich zu versorgenden Personen im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG bestehen wird.

 

Diese Prognose wird von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen. Sie bringt jedoch vor, dass der Eigentümer dieser bestehenden Apotheke keinen Einspruch gegen ihr Konzessionsansuchen erhoben und somit zu erkennen gegeben hat, dass er sich nicht in seiner Existenz gefährdet fühle.

 

3.3. Insgesamt besehen ist damit allein die Rechtsfrage strittig, ob § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG – wie die belangte Behörde meint – in einem objektiven Sinn dahin auszulegen ist, dass ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke immer schon dann zu verneinen ist, wenn das Versorgungspotential einer der bereits bestehenden öffentlichen Apotheken (unabhängig davon, ob dies vom Betroffenen auch prozessual releviert wurde) unter 5.500 Personen sinken würde, oder – wovon die Rechtsmittelwerberin ausgeht – in einem subjektiven Sinn dahin, dass lediglich dann kein dementsprechender Bedarf vorliegt, wenn die Einschränkung des Versorgungs­potentials von einem solchen Konzessionsinhaber auch tatsächlich und in berechtigter Weise geltend gemacht worden ist. 

 

3.3.1. Rein sprachlich ist § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG als eine Feststellung gefasst, nämlich dahin, dass ein Bedarf nicht besteht, wenn die Zahl der von der bestehenden öffentlichen Apotheke zu versorgenden Personen weniger als 5.500 betragen wird. Diese Formulierung lag auch schon dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1998, G 37/97 u.a. (= VfSlg 15103/1998) zu Grunde, mit dem diese Regelung im Wesentlichen mit der Begründung als verfassungskonform festgestellt wurde, dass Regelungen, die im Bereich der Heilmittelversorgung die Zulassung zur Erwerbsausübung auch von dem Umstand abhängig machen, ob eine Existenzgefährdung bestehender Apotheken eintritt, sowohl im öffentlichen Interesse liegen und zur Zielerreichung der Sicherung einer bestmöglichen Heilmittelversorgung geeignet sind sowie zudem nicht unverhältnismäßig in die Erwerbsausübungsfreiheit eingreifen. In diesem Zusammenhang hat der VfGH auch ausgeführt, dass es im öffentlichen Interesse liegt, dass die bestehenden Apotheken auch im Falle einer Neuerrichtung weiterhin ihrer Betriebspflicht nachkommen und ein optimales Medikamentenlager, d.h. die benötigten Medikamente in einwandfreier Beschaffenheit, rasch, überall, jederzeit und zu erschwinglichen Preisen für den Konsumenten bereithalten können, was Betriebe mit einer bestimmten Mindestgröße voraussetzt (vgl. VfSlg 15103/1998, 216 f).

 

3.3.2. Daraus wird insgesamt deutlich, dass der VfGH – systematisch betrachtet – die Anordnung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG als eine Vorschrift qualifiziert, die einen (zulässigen) Eingriff in ein Grundrecht (nämlich jenes der Erwerbsfreiheit gemäß Art. 6 StGG) normiert, nicht aber (bzw. jedenfalls nicht von ihrer Grundintention her) eine Bestimmung des objektiven Rechts darstellt; sie verkörpert sohin eine Schutznorm zugunsten bestehender Apotheken und nicht eine Regelung öffentlicher Interessen (bzw. nur insoweit, als dieser ein Interessensausgleich zwischen eingeschränkter Grundrechtsgewährleistung und zulässiger Eingriffsermächtigung zu Grunde liegt).

 

3.3.3. Davon ausgehend liegt es aber jeweils in der Entscheidungsfreiheit des einzelnen Grundrechtsträgers selbst, ob er einen Eingriff in seine Sphäre auch prozessual geltend machen will oder nicht. Dies bedeutet, dass bei der Bedarfsprüfung nach § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG nur solche Inhaber von bestehenden Apotheken als schützenswert einzubeziehen sind, die im Verfahren zur Erteilung einer Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke einen formellen Einspruch gemäß § 48 Abs. 2 ApG erhoben haben.

 

3.3.4. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der dieser Bestimmung zu Grunde liegenden Überlegung, wonach dadurch die Existenzfähigkeit einer Apotheke nicht durch den Gesetzgeber garantiert, sondern vielmehr der Einschätzung des Konzessionswerbers bzw. Konzessionsinhabers überlassen wird (vgl. dazu das bereits angeführte Erkenntnis VfSlg 15103/1998, 219). Sinkt etwa das Versorgungspotential unter 5.500 Personen, so hat der Betreiber aus eigenem zu entscheiden, ob er die Apotheke als ein wirtschaftlich leistungsfähiges Unternehmen weiterführen kann und will; eine amtliche Zurücknahme der Konzession allein aus diesem Grund kommt nämlich nach § 19 ApG nicht in Betracht. Erhebt daher der Inhaber einer bestehenden Apotheke im Verfahren zur Konzessionserteilung für eine Neuapotheke keinen Einspruch nach § 48 Abs. 2 ApG, so dokumentiert er damit, dass er sich in der Möglichkeit, seinen Betrieb auch weiterhin lukrativ zu führen, als nicht gefährdet erachtet. Von welchen subjektiven Motiven er sich bei dieser Entscheidung leiten lässt, ist hingegen aus rechtlicher Sicht unbeachtlich.

 

3.4. Die Österreichische Apothekerkammer hat in ihrem Gutachten vom 1. August 2007, Zl. III-5/2/2-185/5/07, lediglich die Bedarfssituation jener bereits bestehenden Apotheke, deren Inhaber keinen Einspruch erhoben hat, erhoben. Diese ist jedoch – wie zuvor unter 3.3. dargetan – nicht maßgeblich.

 

Hinsichtlich der beiden mitbeteiligten Parteien sind aber auch seitens der belangten Behörde keine Ermittlungen getätigt worden, sodass dementsprechende Feststellungen insgesamt besehen gänzlich unterblieben sind. 

 

Aufgrund der sohin offenkundig notwendigen ergänzenden Erhebungen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  G r o f

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 16. Juni 2009, Zl.: B 508/08-8

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 21.10.2009, Zl.: 2009/10/0166-5

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