Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162747/10/Ki/Da

Linz, 13.02.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung der A S, K, K, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. A K und Mag. M K, S, S, vom 3. Dezember 2007 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 19. November 2007, VerkR96-5775-2007, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 7. Februar 2008 durch Verkündung zu Recht erkannt:

 

 

I.   Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

 

II.  Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten­beiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 19. November 2007, VerkR96-5775-2007, wurde die Berufungswerberin für schuldig befunden, sie habe am 5.2.2007 um ca. 11.50 Uhr den PKW, Kennzeichen  auf dem Parkplatz vor dem Billamarkt neben der Hauptstraße im Ortsgebiet von Micheldorf gelenkt und es nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen die nächste Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift der Unfallbeteiligten oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, unterblieben ist. Sie habe dadurch § 4 Abs.5 StVO iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 wurde eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weiters wurde gemäß § 64 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Rechtsmittelwerberin mit Schriftsatz vom 3.12.2007 Berufung bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems erhoben, es wird die Behebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens angestrebt.

 

Begründet wird die Berufung im Wesentlichen damit, dass der Rechtsmittelwerberin keine objektiven Umstände zu Bewusstsein gekommen sind, aus denen sie den Verkehrsunfall und den damit verbundenen Sachschaden hätte erkennen können.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung an Ort und Stelle am 7. Februar 2008. An dieser Verhandlung nahmen der Rechtsvertreter der Berufungswerberin sowie ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems teil, als Sachverständige waren zwei verkehrstechnische Amtssachverständige des Landes Oö. beigezogen. Die Berufungswerberin selbst war wegen Krankheit entschuldigt. Als Zeuge wurde H W einvernommen.

 

2.5. Aus dem vorliegenden Verfahrensakt bzw. als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Das die Berufungswerberin inkriminierende Verhalten wurde der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems durch Anzeige der Polizeiinspektion Kirchdorf an der Krems vom 14.3.2007 zur Kenntnis gebracht. Danach habe der Zeuge W H angegeben, dass er der Berufungswerberin zugesehen habe, wie sie beim Ausparken aus einer Parklücke den PKW einer namentlich genannten Person beschädigt habe. Er habe sich das Kennzeichen notiert und dem Geschädigten gegeben. Letzterer habe angegeben, dass sein PKW beschädigt wurde.

 

Bei seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung gab der Zeuge W an, er sei damals mit seiner Tochter zum Billa gefahren und seine Tochter habe das Fahrzeug beim Billaparkplatz abgestellt gehabt. Das Fahrzeug der Berufungswerberin sei zu diesem Zeitpunkt am letzten oder vorletzten Parkplatz gestanden, links vom abgestellten Fahrzeug der Berufungswerberin seien zwei weitere Parkplätze frei gewesen und er habe seiner Tochter geraten, sie solle den linken dieser beiden Parkplätze benützen, zumal das Fahrzeug der Berufungswerberin auf ihrem Parkplatz ziemlich schief abgestellt gewesen sei. Er sei im Fahrzeug sitzen geblieben, dies am Beifahrersitz des Fahrzeuges seiner Tochter (Opel Vectra). Er habe sich das Fahrzeug der Berufungswerberin angeschaut und dabei festgestellt, dass die Zierkappen so halbrund an zwei Stellen ausgebrochen gewesen wären und habe sich gedacht, dass diese vermutliche Frau schon öfters auf Randsteine aufgefahren sei. Ein paar Minuten später sei dann ein Herr mit einem roten Auto, welches später beschädigt worden war, gekommen und dieser sei dann zögerlich in den noch freien Parkplatz eingefahren. Auf ausdrückliches Befragen erklärte er, dass er nicht ausschließen könne, dass diese Person am anderen Fahrzeug angefahren sei. Es sei dann die Dame gekommen, welche das Fahrzeug wie bereits erwähnt abgestellte hatte und er habe beobachten können, wie sie in den Mittelspiegel geschaut hat und letztlich auch über die Schulter nach rechts. Als diese Dame aus dem Parkplatz herausfuhr, habe er feststellen können, dass das neben ihm stehende Fahrzeug geschaukelt habe. Die Dame sei nochmals nach vor und dann in der Folge verkehrt Richtung Hauptstraße hinausgefahren. Auf Grund dieses Vorfalles habe er vermutet, dass die Dame das neben ihm stehende Fahrzeug beschädigt habe. Er habe sich dann das vermutlich beschädigte Fahrzeug angeschaut und am Fahrzeug des angeblich Geschädigten habe er einen schwarzen Farbabrieb (schwarze Flecken) feststellen könne.

 

Ausdrücklich erklärte der Zeuge, dass er vom Vorfall nichts gehört habe.

 

Der beigezogene verkehrstechnische Amtssachverständige, TAR. Dipl.-Ing. R H, stellte in der Folge unter Berücksichtigung der Örtlichkeit nachstehendes Gutachten:

 

"Wenn man der Schilderung des Zeugen beim heutigen Lokalaugenschein folgt, dass er am Beifahrersitz sitzend die Wankbewegung des neben ihm stehenden Fahrzeuges beobachten konnte, dass wahrscheinlich durch das Touchieren im Zuge des Ausparkmanövers der Bw erfolgte, ist aus technischer Sicht zu sagen, dass auf Grund vorliegender bekannter Untersuchungen Wankbewegungen von Personen, die sich im Fahrzeug aufhalten, sehr schlecht wahrgenommen werden. Unfallversuche im Kleinkollisionsbereich, wie er sich gegenständlich darstellt, zeigen darauf hin, dass im Fahrzeug sitzende Personen Wankbewegungen von einem daneben stehenden Fahrzeug sehr schlecht bis gar nicht erkennen. Aus diesen Untersuchungen geht daher hervor, dass die grundsätzliche Wahrnehmung einer Wankbewegung nicht ausgeschlossen ist, dass es aber wie durch Probanden ermittelt wurde, sehr sehr schwierig ist diese Wankbewegung auch wirklich gezielt wahrnehmen zu können.

 

Zu der Frage, wie sich die Höhendifferenz bei den angegebenen Kollisionsstellen erklären lässt, ist zu sagen, dass hier der statische Vergleich nicht herangezogen werden darf. Wie beim heutigen Lokalaugenschein ersichtlich, bestehen Unebenheiten in der Parkfläche, sodass das Fahrzeug der Bw mit der linken Seite möglicherweise noch etwas höher gestanden als ein Vergleich auf ebener Fläche das erwarten lässt. Über die Beladungsverhältnisse der Fahrzeuge ist nichts bekannt und über den Einfluss der über die Profiltiefe der Reifen (eher neuwertige Reifen oder eher abgefahrener Reifen, Höhenunterschied ca. 10 mm) kann definitiv auch nichts konkret besagt werden. Es ist nur die Möglichkeit zu berücksichtigen, dass sich dadurch ebenfalls Unterschiede in Bezug auf einen rein statischen Vergleich ergeben. Der Unterschied in der Höhe beträgt ca. 50 mm, diese 50 mm können sich zum einen dadurch erklären, dass durch die Wankbewegung des ausparkenden Fahrzeuges sich eine Außenkonturverschiebung in der Größenordnung bis zu 20 mm ergibt, durch Unebenheiten und Änderungen im Beladungszustand sowie auf Grund einer nicht ebenen Stellung des angestoßenen Fahrzeuges lässt sich in Summe diese Höhendifferenz erklären. Es schließt also nicht diese Höhendifferenz im statischen Bereich von 5 cm aus, dass das Fahrzeug der Bw am gegenständlichen Fahrzeug auch den Kontakt hergestellt hat bzw. dort angefahren ist.

 

Unter Zugrundelegung der vorliegenden Schadensfotos kann nicht gesagt werden, welcher Schaden dezidiert durch die gegenständliche Kollision (Streifkollision) verursacht worden ist. Wie auf den Fotos ersichtlich, zeigen die Stoßstangen starke Gebrauchsspuren und es kann augenscheinlich einer der Gebrauchsspuren nicht dem gegenständlichen Ausparkmanöver bzw. der gegenständlichen Berührung zugeordnet werden. Zu der Frage, ob aus dem gegenständlichen Schadensbild konkret ein Schadensbild der gegenständlichen Anstoßkollision sicher zugeordnet werden kann, ist aus technischer Sicht festzustellen, dass das nicht möglich ist, auf Grund der Vorschäden bzw. ersichtlichen Gebrauchsspuren eine Gebrauchsspur herauszufiltern und die dem gegenständlichen Anstoß zuzuordnen."

 

2.6. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass die Feststellungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen schlüssig sind und nicht im Widerspruch zu den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen stehen. Der Sachverständige konnte sich im Zuge des Augenscheins im Bereich des vorgeworfenen Tatortes von der konkreten Situation informieren und er hat diese Information seinem Gutachten zugrunde gelegt.

 

Was die Aussage des Zeugen anbelangt, so mag es zutreffen, dass er die von ihm beschriebene Bewegung des Fahrzeuges subjektiv als solche wahrgenommen hat, daraus lässt sich jedoch unter Berücksichtigung der Äußerungen des Sachverständigen noch nicht ableiten, dass tatsächlich eine Beschädigung des betreffenden Fahrzeuges eingetreten ist. Konkrete akustische oder optische Wahrnehmung eines Anstoßes bzw. einer Berührung der Fahrzeuge konnte der Zeuge nicht machen.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die in Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Eine wesentliche Voraussetzung für die in § 4 Abs.5 StVO 1960 normierte Melde-(bzw. Verständigungs)pflicht ist, dass tatsächlich ein Sachschaden entstanden ist. Erst in weiterer Folge wäre dann zu prüfen, ob die Unfallbeteiligten bzw. die betreffende Person objektiv gesehen vom Verkehrsunfall bzw. Sachschaden Kenntnis erlangen musste.

 

Im vorliegenden Falle hat der Zeuge lediglich eine Schaukelbewegung beim neben ihm stehenden Fahrzeug subjektiv wahrgenommen. Andererseits hat der verkehrstechnische Amtssachverständige zu der Frage, ob aus dem gegenständlichen Schadensbild konkret ein Schadensbild der gegenständlichen Anstoßkollision sicher zugeordnet werden kann, aus technischer Sicht festgestellt, dass dies nicht möglich sei, auf Grund der Vorschäden bzw. ersichtlichen Gebrauchsspuren eine Gebrauchsspur herauszufiltern, welche dem gegenständlichen Anstoß zuzuordnen wäre.

 

Grundsätzlich ist festzustellen, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz in dubio pro reo anzuwenden ist, wonach wenn die Verwaltungsübertretung der Beschuldigten nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit nachgewiesen werden kann, das Verfahren einzustellen ist.

 

3.2. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde ua. von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten keine Verwaltungsübertretungen bilden.

 

Nachdem, wie oben dargelegt wurde, nicht nachgewiesen werden kann, dass der beim vom Zeugen beschriebenen Fahrzeug bestehende Sachschaden tatsächlich von der Beschuldigten verursacht wurde, ist eine ursächliche Beteiligung an einem Verkehrsunfall, wie vorgeworfen wurde, nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit feststellbar. Aus diesem Grunde konnte der Berufung unter gleichzeitiger Behebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens Folge gegeben werden.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Alfred Kisch

 

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