Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230992/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 14.02.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des M A, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 10. Dezember 2007, Zl. Sich96-308-2007, wegen einer Übertretung des Sicherheits­polizeigesetzes, zu Recht erkannt:

 

 

I.     Der Berufung wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Straf­verfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 10. Dezember 2007, Zl. Sich96-308-2007, wurde dem Rechtsmittelwerber eine Ermahnung erteilt, weil er am 28. Oktober 2007 von 10.00 bis 12.00 Uhr im Gebiet der Gemeinde Raab ungerechtfertigt und in besonders rücksichtloser Weise die öffentliche Ordnung gestört habe, indem er von der Straße aus zu einem in einem Garten stehenden späteren Anzeigenleger hineingerufen habe, dass jener "umsonst auf der Welt wäre" und er "es ihm schon noch zeigen werde". Dadurch habe er nämlich eine Übertretung des § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes (BGBl.Nr. 566/1991, hier i.d.F. BGBl.Nr. I 158/2005 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb er nach § 21 VStG zu ermahnen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass auf Grund des geringfügigen Verschul­dens des Beschwerdeführers und der unbedeutenden Folgen der Tat von der Verhängung einer Strafe abzusehen und stattdessen eine Ermahnung zu erteilen gewesen sei.

 

1.2. Gegen diesen durch die Postaus­laufstelle der belangten Behörde erst am 4. Jänner 2008 abgesendeten und ihm folglich erst nach diesem Datum zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 15. Jänner 2008 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird vorgebracht, dass die Aussage des Privatanzeigers nicht den Tatsachen entspreche. Denn er habe weder am 27. noch am 28. Oktober 2007 ein Wort mit diesem gesprochen, weil er am ersten Tag gar nicht zu Hause gewesen sei und am darauf folgenden Tag von Verwandten Besuch bekommen habe. Es stimme zwar, dass er und sein Sohn gelegentlich auf die Beschimpfungen und Provo­kationen des Anzeigenlegers reagiert hätten. Persönlich habe aber bereits im Juli 2007 zum letzten Mal mit ihm gesprochen und er werde auch in Zukunft mit diesem Menschen kein einziges Wort mehr wechseln. Denn seit dieser vor 5½ Jahren zugezogen ist, habe er sämtliche Nachbarn belästigt und provoziert, wobei seine Beschimpfungen öfters weit über ein kultiviertes Benehmen hinausgingen.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Einstellung des Verwaltungsstraf­verfahrens beantragt.

 

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Zl. Sich96-308-2007; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrens­parteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis 218 Euro zu bestrafen, der durch ein besonders rücksichtloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

Gemäß § 85 SPG liegt jedoch eine derartige Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn ein Verhalten den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbaren Handlung bildet.

 

Nach § 115 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (im Folgenden: StGB), ist u.a. derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen, der öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen beschimpft. Gemäß § 69 StGB wird eine Handlung dann öffentlich begangen, wenn sie unmittelbar von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden kann. Nach § 115 Abs. 2 StGB wird eine Handlung vor mehreren Leuten begangen, wenn sie in Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen begangen wird und diese sie wahrnehmen können.

 

Nach § 30 Abs. 2 und Abs. 3 VStG ist eine Tat von den Behörden nur dann zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Berichte fallenden strafbaren Handlungen bildet. Ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage vom Gericht rechtskräftig entschieden worden ist. Falls die Behörde bereits vor dieser Entscheidung ein Straferkenntnis gefällt hat, darf die Behörde dieses vorläufig nicht vollziehen. Hätte danach im Ergebnis das Verwaltungsstrafverfahren nicht durchgeführt werden dürfen, so ist das Straferkenntnis außer Kraft zu setzen und das Verfahren einzustellen.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall wird dem Rechtsmittelwerber im angefochtenen Bescheid zur Last gelegt, dass er zu einem anderen in den Garten hineingerufen habe, dass jener "umsonst auf der Welt" sei und er "es ihm schon noch zeigen werde".

 

Selbst wenn man – wie die belangte Behörde – davon ausgeht, dass diese Anlastung tatsächlich zutrifft, so ist es doch offenkundig, dass die Wendung, dass der Anzeiger umsonst auf der Welt wäre, aus dem konkreten Zusammenhang nicht etwa als eine Aufforderung zu einer Diskussion über Fragestellungen der Existenzphilosophie o.ä., für Unbeteiligte als ein negatives Werturteil über diesen zu verstehen war. Da sie über den Gartenzaun hinweg erfolgte, hätte sie auch von jedermann, der sich in Hörweite befand, wahrgenommen werden können.

 

Unterstellt man daher das Zutreffen der von der Erstbehörde angenommen Handlung, so ist diese offensichtlich als eine Beleidigung i.S.d. § 115 Abs. 1 StGB zu qualifizieren (vgl. auch E. Foregger, in: F. Höpfel – E. Rack [Hrsg], Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl, Wien [Loseblattausgabe seit 1999], RN 2 ff zu § 115; O. Leukauf – H. Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Aufl., Eisenstadt 1992, 687), was gleichzeitig eine Bestrafung nach § 81 Abs. 2 StGB ausschließt.

 

Es kommt daher der gesetzliche Strafausschließungsgrund des § 85 SPG zum Tragen, sodass sich der angefochtene Bescheid aus diesem Grund als rechtswidrig erweist.

 

3.3. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn hinsichtlich einer Subsumierbarkeit der Tat unter § 115 StGB Zweifel bestünden, das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieser Frage durch das zuständige Gericht gemäß § 30 Abs. 2 VStG auszusetzen gewesen wäre (wobei der Behörde diesbezüglich kein Ermessen zukommt).

 

In diesem Zusammenhang wäre weiters zu bedenken, ob (die Erweislichkeit des Tatverhaltens immer vorausgesetzt) die gegenständliche Handlung – wenn diese nicht unter § 115 Abs. 1 StGB fiele – nicht vielmehr eine als Anstandsverletzung i.S.d. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 des Oö. Polizeistrafgesetz, LGBl.Nr. 36/1970, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 90/2001 (im Folgenden: OöPolStG), denn als eine Störung der öffentlichen Ordnung i.S.d. § 81 Abs. 1 SPG qualifiziert werden müsste. Als Anstandsverletzung gilt gemäß § 1 Abs. 2 Oö.PolStG jedes Verhalten in der Öffentlichkeit, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet. Zum Kriterium der "Öffentlichkeit" i.S.d. § 1 Abs. 1 OöPolStG hat der Verwaltungsgerichtshof übrigens in seinem Erkenntnis VwSlg 11472 A/1984 (vgl. W. Hauer – O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungs­verfahrens, 5. Auflage, Wien 1996, 1417 – nur Leitsatz) unter Hinweis auf VwSlg. 9684 A/1978 zwar zunächst klargestellt, dass der öffentliche Anstand grundsätzlich nur dann verletzt werden kann, wenn die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Dritte über den Kreis der Beteiligten hinaus gegeben ist. In besonderen Fällen ist die Öffentlichkeit einer Anstandsverletzung aber selbst dann zu bejahen, wenn auf Grund deren Eigenart, nämlich des mit der Tat verbundenen Belästigungseffekts, die Möglichkeit bestand, dass diese Handlung auch einer weiteren (unbeteiligten) Person bekannt werden kann. Daraus folgt aber insgesamt, dass in jenen Fällen, in denen die Anstandsverletzung in einer verbalen Beschimpfung besteht, diese jedenfalls dann als öffentlich anzusehen ist, wenn sie auch von einer vom Beleidiger und vom Beleidigten verschiedenen dritten Person unmittelbar wahrgenommen werden konnte; anderes gilt aber ausnahmsweise auch dann, wenn die Beschimpfung auf Grund ihrer Eigenart (der verwendeten Worte und/oder der Begleitumstände) objektiv dazu geeignet ist, dass sie (erst) in der Folge einem weiteren Personenkreis bekannt wird.

 

Dass der gegenüber einem anderen beleidigend gemeinte Vorwurf, dass dieser "umsonst auf der Welt wäre" somit eher eine Anstandsverletzung i.S.d. § 1 Abs. 1 OöPolStG als eine Ordnungsstörung gemäß § 81 Abs. 1 SPG bildet, erscheint sohin nahe liegend.

 

3.4. Aus allen diesen Gründen war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungs­strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  G r o f

 

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