Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162595/4/Ki/Jo

Linz, 18.02.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des H S, A, K, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. G J. T, L, L, vom 19. Oktober 2007 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 3. Oktober 2007, VerkR96-286-2007, wegen Übertretungen der StVO 1960 zu Recht erkannt:

 

 

I.   Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.  Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskosten­beiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG;

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis vom 3. Oktober 2007, VerkR96-286-2007, hat die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach dem Berufungswerber zur Last gelegt, er sei am 25.08.2006 um 13.00 Uhr auf der Pyhrnpaß Straße B138, ca. bei Str. Km 1,534, bei der Kreuzung mit der Traunufer Straße L563 als Lenker des Lastkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen  (A)

1. mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe weder ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, noch habe er den anderen Beteiligten bzw. dem Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nachgewiesen;

2. mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe sein Fahrzeug nicht sofort angehalten.

 

Er habe dadurch

1.     § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO und

2.     § 4 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO

verletzt.

 

Gemäß §§ 99 Abs.3 lit.b bzw. 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 wurden Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Außerdem wurde gemäß § 64 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2007 Berufung erhoben und unter anderem eine Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses sowie Einstellung des Verwaltungsstraf-verfahrens beantragt.

 

Im Wesentlichen wurde bemängelt, dass seitens der Behörde nie objektiviert worden wäre, ob der von S V behauptete Schaden an ihrem Fahrzeug tatsächlich am 25. August 2006 eingetreten sei und es wurde weiters bemängelt, dass kein KFZ-Sachverständigengutachten eingeholt wurde.

 

Darüber hinaus wurde auch argumentiert, dass, sollte es zu einer Beschädigung gekommen sein, den Beschuldigten kein wie immer geartetes Verschulden treffen könne, weil er den Anstoß nicht bemerkt hat bzw. auch nicht bemerken konnte.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder primäre Freiheitsstrafen noch 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einholung eines Gutachtens eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen. Die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung konnte entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt eine Anzeige der Polizeiinspektion Thalheim bei Wels vom 6. Jänner 2007 zu Grunde. Danach gab die Beteiligte, S V, an, dass sie auf der Pyhrnpaß-Bundesstraße Richtung Wels gefahren sei. Bei der Kreuzung mit der Traunufer Landesstraße habe sie wegen Rotlichtes angehalten. Vor ihr sei ein LKW, KZ.: , gestanden. Plötzlich sei dieser zurückgefahren und nach rechts in die Traunufer Landesstraße Richtung Weißkirchen eingebogen und weiter gefahren. Sie habe mehrmals gehupt, dies sei vom LKW-Lenker nicht beachtet worden. Als dieser zurückgefahren sei, habe er die vordere Stoßstange des Audi A4 mit dem unteren Fahrschutz des LKW beschädigt. Sie habe nicht zurückfahren können, da hinter ihr ebenfalls ein weiteres Fahrzeug gestanden sei. Sie sei dem LKW noch nachgefahren und habe noch mehrmals dabei gehupt. Dieser sei jedoch unvermindert weiter gefahren. Dann habe sie umgedreht und den Vorfall der Polizei gemeldet.

 

Der Berufungswerber gab laut Anzeige bei seiner Einvernahme an, er habe rechts in die Traunufer Landesstraße einbiegen wollen. Da er den Kreuzungsradius unterschätzt habe, hätte er mit dem LKW reversieren müssen. Er habe dabei nicht bemerkt, dass er beim Reversieren mit einem anderen Fahrzeug zusammengestoßen sei.

 

Die nach dem Tatort zuständige Behörde (Bezirkshauptmannschaft Wels-Land) hat das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 29a VStG im Hinblick auf den Wohnort des Beschuldigten an die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach abgetreten. Diese Behörde hat nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Im Berufungsverfahren hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich einen verkehrstechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung ersucht, den gegenständlich behaupteten Verkehrsunfall anhand des vorliegenden Verfahrensaktes gutächtlich zu beurteilen.

 

Der verkehrstechnische Amtssachverständige des Amtes der Oö. Landesregierung, Dipl.-HTL.-Ing. R H, führt dazu in einem Gutachten vom 11. Februar 2008, Verk-010191/1278-2007-2008, Nachstehendes aus:

 

"Der LKW – Klasse N 3, mit einem zuhl Gesamtgewicht von ca. 26 Tonnen ist im gegenständlichen Kreuzungsbereich ein kurzes Stück zurückgefahren und kollidierte dabei mit dem hinter dem LKW stehenden PKW.

 

Zu der Frage der Wahrnehmbarkeit ist aus technischer Sicht folgendes festzustellen:

 

Der BW konnte auf Grund des großen Masseunterschiedes der am Stoß beteiligten Fahrzeuge den Anstoß als "Anfahrruck" am PKW nicht wahrnehmen.

Das Anstoßgeräusch kann für den BW im Umgebungslärm untergegangen sein. Ein Nachweis dass durch das Anstoßgeräusch eine Schallpegelgrenze überschritten wurde, die eindeutig der Wahrnehmbarkeit zuzuordnen ist, kann für den BW nicht erbracht werden.

 

Die Stellung der Fahrzeuge ist nicht genau bekannt. Wenn die Fahrzeuge zueinander versetzt standen, befand für den LKW-Lenker möglicherweise die Möglichkeit den Anstoß optisch über einen Außenspiegel wahrzunehmen.

Dazu müßte man die Stellung der Fahrzeuge (Querversatz) rekonstruieren. Auf Grund der vorliegenden Unterlagen ist der Nachweis einer optischen Wahrnehmung nicht zu führen.

Wenn der PKW sehr knapp hinter dem PKW stand und keinen Querversatz aufwies, war der PKW für den LKW-Lenker möglicherweise über die Außenspiegel nicht erkennbar.

In diesem Fall hätte er die Möglichkeit, dass sich hinter dem LKW ein anderes Fahrzeug oder eine Person befindet, die er auf Grund der Bauform und Abmessungen des LKW nicht sehen kann, nicht ohne weiters ausschließen dürfen.

Der BW hätte sich in diesem Fall vor dem Rückwärtsfahren überzeugen müssen ob der dafür erforderliche Platz vorhanden ist und er durch das Reversieren niemand gefährdet."

 

2.6. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt aufliegenden Unterlagen sowie aus der gutächtlichen Beurteilung des verkehrstechnischen Amtssachverständigen des Amtes der Oö. Landesregierung Dipl.-HTL.-Ing. R H. Das Gutachten, welches unter Zugrundelegung des erstbehördlichen Verfahrensaktes erstellt wurde erscheint dem erkennenden Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich schlüssig und nicht den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen widersprechend. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung bestehen somit keine Bedenken, das Gutachten der Entscheidung zu Grunde zu legen.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs.1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht des § 4 Abs.1 lit.a und des § 4 Abs.5 StVO 1960 ist als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 23.05.2002, 2001/03/0417).

 

Es mag im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, ob der Rechtsmittelwerber tatsächlich das Fahrzeug der Anzeigerin beschädigt hat, es ist im vorliegenden Falle zu überprüfen, ob er erkennen konnte oder erkennen hätte müssen, dass er an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt war.

 

Diesbezüglich führte der verkehrstechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten aus, dass der Berufungswerber aufgrund des großen Masseunterschiedes der am Stoß beteiligten Fahrzeuge den Anstoß als "Anfahrruck" am PKW nicht wahrnehmen konnte und er führte weiters aus, dass aufgrund der vorliegenden Unterlagen der Nachweis einer optischen Wahrnehmung des Verkehrsunfalles nicht zu führen ist.

 

Der Sachverständige stellt aus seiner technischen Sicht fest, dass der Berufungswerber aufgrund der Bauform und Abmessungen des LKW nicht ausschließen konnte, dass sich hinter dem LKW ein anderes Fahrzeug oder eine Person befindet und er hätte sich vor dem Rückwärtsfahren überzeugen müssen, ob der dafür erforderliche Platz vorhanden sei und er durch das Reversieren niemand gefährdet.

 

Dazu muss jedoch festgestellt werden, dass dieser Umstand, welcher auch seitens der erkennenden Berufungsbehörde als Sorgfaltswidrigkeit des Berufungswerbers, beurteilt wird, im Zusammenhang mit den Verpflichtungen des § 4 StVO 1960 bzw. mit dem Erkennenmüssen der Verursachung eines Verkehrsunfalles nicht in Zusammenhang gebracht werden darf.

 

Die dem Berufungswerber – möglicherweise – anzulastende Sorgfaltsverletzung wäre allenfalls als Verstoß gegen § 14 Abs.3 StVO 1960 zu werten.

 

Eine Übertretung dieser Norm wurde Herrn S jedoch nicht vorgeworfen.

 

3.2. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 StVO 1960 hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Unter Berücksichtigung der Feststellungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen muss davon ausgegangen werden, dass der Berufungswerber im vorliegenden konkreten Falle die allfällige Verursachung eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden nicht erkennen konnte und dieser Umstand bedingt, dass die zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen wurden.

 

Die Beurteilung, ob der Beschuldigte allenfalls gegen § 14 Abs.3 StVO 1960 verstoßen hat, ist nicht Gegenstand des Berufungverfahrens und wäre überdies diesbezüglich bereits Verjährung i.S. § 31 VStG eingetreten.

 

Aus diesem Grunde konnte der Berufung Folge gegeben werden und das angefochtene Straferkenntnis war bei gleichzeitiger Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu beheben.

 

4.1. Im Übrigen fällt auf, dass (jedenfalls nach den vorliegenden Verfahrensunterlagen) der Vorfall vom 25. August 2006 der Behörde erst mit Anzeige der Polizeiinspektion Thalheim bei Wels vom 6. Jänner 2007 zur Kenntnis gebracht wurde. Warum zwischen vorgeworfener Tatbegehung und Anzeige ein Zeitraum von mehr als 4 Monaten liegt, kann jedoch hier im Hinblick auf das Verfahrensergebnis dahingestellt bleiben.

 

4.2. Der Ordnung halber wird weiters darauf hingewiesen, dass Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses jedenfalls mit einer zur Aufhebung führenden Rechtswidrigkeit belastet wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Alternativvorwurf der Unterlassung der Anzeigeerstattung bei der nächsten Sicherheitsdienststelle oder des Nachweises von Name und Anschrift gegenüber dem Geschädigten dem § 44a Z1 VStG widerspricht (VwGH vom 14. Dezember 2007, 2007/02/0105). Der im Straferkenntnis erhobene Vorwurf, der Beschuldigte habe "weder die nächste Polizeidienststelle verständigt, noch den anderen Beteiligten bzw. dem Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nachgewiesen", stellt einen derartigen Alternativvorwurf dar.

 

5. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Alfred Kisch

 

Beschlagwortung:

§ 4 Abs.5 StVO 1960 – " ....weder verständigt, noch ... nachgewiesen" – unzulässiger Alternativvorwurf.

 

 

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