Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-510092/11/Br/Ps

Linz, 27.02.2008

 

 

 

 

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier aus Anlass der Berufung des Herrn M A K, geb., E, W, vertreten durch die Rechtsanwälte Mag. Dr. F & Mag. Dr. G, G, L, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 20.12.2007, Zl. BZ-VerkR-04010-207, wegen Abweisung des Ansuchens um Erteilung einer Fahrschulbewilligung beschlossen:

 

1.   Das Verfahren wird unterbrochen.

 

2.  Der Europäische Gerichtshof wird ersucht, folgende Rechtsfragen zu klären:

 

 

Rechtsgrundlage:

Art. 234 EG; § 38a AVG

 

 

Begründung:

 

Sachverhalt:

1. Der am 3.4.1964 in I (Türkei) als A K geborene Berufungswerber ist österreichischer Staatsbürger (Staatsbürgerschaftsnachweis MA 2-Stb-1957/97). Aus Gründen des besseren beruflichen Fortkommens beantragte er die Änderung seines Vornamens[1].

Er ist seit dem Jahr 1995 in wirtschaftlich führender Funktion der Fahrschule C in W mit insgesamt drei Außenkursen (L, M, G) tätig.

Gegenstand ist hier die Berufung gegen den abweisenden Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels auf die am 24.10.2007 abermals beantragte Erteilung der Fahrschulbewilligung für die Führerscheinklassen A u. B.

Der Antragsteller hat in seinen ergänzenden Berufungsausführungen auch den Antrag angeregt, diese Rechtsfrage an den Europäischen Gerichtshof heranzutragen.

 

2. Einem früheren inhaltsgleichen Antrag des Berufungswerbers musste mit h. Erkenntnis v. 26.1.2005, VwSen-510070/13/Br/Sta, ein Erfolg versagt werden. Vom Unabhängigen Verwaltungssenat wurde in diesem Verfahren jedoch vorweg ein Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof mit Blick auf die Verfassungsmäßigkeit des § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 gestellt.

 

2.1. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass der im § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 festgelegte Diplomzwang sachlich nicht gerechtfertigt sei, weil er verfassungsrechtlich geschützte Bereiche verletze.

Der Verfassungsgerichtshof erblickte hinter dieser Bestimmung jedoch trotz der Berufsausübungsfreiheit für EU-Bürger, welche einigen deutschen Fahrschulbetreibern in Österreich Fuß fassen ließ, keine Inländerdiskriminierung u. wies diesen Antrag mit seinem Erkenntnis vom 16.12.2004, G66/04, ab. Wenn der Verfassungsgerichtshof darin auf den § 109 Abs.5 KFG 1967 verwies – und möglicherweise darin den Sitz der Diskriminierung andeutete –, weil die inländischen Qualifikationserfordernisse des § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 auch für solche Bewerber zu beachten seien, zumal die Erteilung der Bewilligung eine Gleichwertigkeitsprüfung ihrer bisherigen Qualifikation gemäß § 109 Abs.5 KFG 1967 anhand der nationalen Ausbildungserfordernisse voraussetze. Ob und gegebenenfalls inwiefern ausländische Bewerber bei dieser Gleichwertigkeitsprüfung bevorzugt seien, habe der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. – ausgehend von seiner unzutreffenden Prämisse – nicht konkret und substantiiert behauptet. Mit diesen subtilen Andeutungen einer Gleichheitswidrigkeit wurde die Problematik des Diplomzwangs wohl unter Rückzug auf formale Aspekte nicht aufgegriffen und blieb somit im Rechtsbestand.

Auch die noch vor dem EU-Beitritt Österreichs vom Oö. Verwaltungssenat zu den Verfahren, VwSen-510002/4/Sch/Rd, VwSen-510013/3/Gf/Km und VwSen-510015/6/Fra/Ka, betreffend diese Rechtsnorm gestellten Prüfungsanträge wurden vom Verfassungsgerichtshof abgewiesenen (Erk. VfGH 19.6.1995, G198/94).

 

2.2. Hervorzuheben gilt es an dieser Stelle, dass realistisch besehen die geforderte technische Ausbildung (Höhere Technische Lehranstalt – HTL, Technische Universität u.dgl.) nur in frühen Lebensjahren erlangt werden kann und das Fehlen einer solchen schulischen Vorbildung einen Betroffenen, der sich später erst in diesem Bereich etabliert hat, für alle Zeit von der Möglichkeit, eine Fahrschulbewilligung erteilt zu bekommen, ausschließt u. ihn daher letztlich permanent diskriminiert und ihn potenziell im freien Wettbewerb behindert.

Dies insbesondere vor dem Hintergrund der durch den Beitritt zur Europäischen Union geänderten Freiheiten, die anderen Unionsbürgern dieses Recht mit geringeren Grundschulqualifikationen eröffnen. Andererseits, weil der sogenannte Diplomzwang keine Relevanz für die Qualität der Führerscheinausbildung erkennen lässt. Die Begründung des Bescheides lt. ON 8 verdeutlicht dies sehr anschaulich.

In seiner Berufung verwies auch damals schon der Antragsteller auf die sich aus dem EU-Recht ergebenden Grundfreiheiten der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, sowie die RL Nr. 92/51/EWG vom 19.6.1992 über die Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 7 B-VG hin.

 

3. Kurzdarstellung der Ausbildungs- und Berufslaufbahn des Berufungswerbers:

 

Der Berufungswerber erlangte nach der Grundschule einen Lehrabschluss als Karosseriespengler. Anschließend hielt er sich längere Zeit am G auf, wo er als Kraftfahrer tätig war. Ab 1990 war er als Linienbuslenker bei der S beschäftigt, wobei er ab diesem Zeitpunkt auch schon als Fahrlehrer bei verschiedenen Fahrschulen tätig war.

Auf Grund seiner türkischen Herkunft und der entsprechenden Sprachkenntnis ergab sich für seinen damaligen Arbeitgeber – einer Fahrschule in L – ein beträchtlicher Umsatzzuwachs, was im Zusammenhang mit spezifischen Umständen dieser Fahrschule zu einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Berufungswerber führte.

In weiterer Folge kam es dann zu einer entsprechenden Kooperation mit seinem damaligen Arbeitgeber. Diese Zusammenarbeit mündete schließlich in die wirtschaftlich und auch fachlich selbständige Führung der in W etablierten Fahrschule "C".

Diese Feststellungen wurden aus dem hier im Jahr 2005 geführten Verfahren getroffen[2].

Zwischenzeitig absolvierte der Berufungswerber weitere Ausbildungen und er erwarb zusätzlich einschlägige Ausbildungsberechtigungen. Demnach liegen neue Tatsachen vor, sodass einer neuerlichen Antragstellung der Grundsatz der entschiedenen Sache (res judicata) nichts entgegen steht.

Die vom Berufungswerber neu erworbene akademische Ausbildung im Immobilienmanagement entspricht gemäß der die Berufungsbehörde bindende Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (Mitteilung an die Behörde erster Instanz vom 12.12.2007) nicht den Gleichwertigkeitskriterien iSd § 109 Abs.2 KFG 1967[3]. Auch die kürzlich erworbene Berechtigung, Fahrschullehrer auszubilden, lässt für ihn betreffend das gesetzliche Diplomerfordernis nichts gewinnen.

 

4. Wegen der nach § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 fehlenden Schulausbildung (Vorbildung) hat er fortwährend einen sogenannten Fahrschulleiter einzusetzen.

Anzumerken gilt es dazu, dass sich dessen Funktion laut glaubhafter Darstellung des Antragstellers in der Praxis auf  einen reinen Formalakt reduzieren lässt, wobei für diese "Leitertätigkeit" erhebliche Honorare in Rechnung gestellt werden. Ist doch der Träger des wirtschaftlichen Risikos (der Fahrschulinhaber) letztlich auf einen solchen Leiter fast schicksalhaft angewiesen.

Darin mag der Grund für die so vielfach bis zu den Höchstgerichten zu beseitigen versuchten Rechtsvorschriften erblickt werden. Warum trotz grundsätzlich geänderten Ausbildungsvoraussetzungen und offenbar anderer Praxis im EU-Ausland diesbezüglich der Gesetzgeber untätig blieb, ist von antragstellenden Behörden nicht auszuführen. Es könnten dahinter wohl nachhaltige Interessen einer etablierten Gruppe dieses Verkehrskreises vermutet werden.

 

5. Bewertung der Qualifikation des Berufungswerbers aus h. Sicht.

 

Der Berufungswerber M A K verfügt bei lebensnaher und sachbezogener Betrachtung nach h. Überzeugung seit dem Erwerb der Fahrschullehrerberechtigung für alle Klassen über alle zur Leitung einer Fahrschule erforderlichen "fachlichen Fähigkeiten". Diese werden durch die zwischenzeitig auch abgeschlossene – jedoch nicht gleichwertige – akademische Ausbildung und die Berechtigung, Fahrschullehrer auszubilden, ergänzt und abgerundet.

In Deutschland etwa würde er damit wohl – einen Wohnsitz vorausgesetzt – eine Fahrschule bewilligt erhalten müssen[4].

Als bemerkenswert gilt es festzuhalten, dass ihm jüngst mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 11.1.2008, VerkR-270.233/9-2008-Aum/Re, sogar die Ermächtigung zur Ausbildung von Fahrlehrern und Fahrschullehrern für die Führerscheinklassen A und B bis zum 13.1.2013 erteilt wurde.

Mutet es doch paradox an, wenn er einerseits Personen ausbilden darf, welche in der Folge Fahrschulunterricht erteilen, er jedoch mangels (formal) ausreichend technischer Vorbildung keine Fahrschulbewilligung erteilt bekommen kann, wo jene von ihm unterrichteten Lehrer wiederum die Fahrschüler [an seiner eigenen Fahrschule] unterrichten, welche er ob der fehlenden (schulischen) Vorbildung nicht alleinverantwortlich führen darf.

 

6. Der in der österreichischen Rechtslage normierte "Diplomzwang" schließt demnach alle jene Personen von der Leitung der eigenen Fahrschule für alle Zukunft aus, obwohl sie diese über viele Jahre erfolgreich mit ihrem eigenen wirtschaftlichen Risiko betreiben u. die Unterrichts- und Ausbildungstätigkeiten durchführen.

Gemäß der plausiblen Darstellung des Berufungswerbers im Verfahren des Jahres 2005 kann diese Rechtslage objektiv besehen durchaus ursächlich sein, die wirtschaftliche Existenz seines erfolgreich aufgebauten Unternehmens zu gefährden. Dies vor dem Hintergrund, dass gegenüber anderen die Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts in Anspruch nehmenden Mitbewerbern ein Wettbewerbsnachteil als evident gelten kann.

 

7. Konkret beschäftigte der Berufungswerber im Jahr 2005 etwa 24 Mitarbeiter, wobei der für ihn derzeit tätige Leiter der Fahrschule als deutscher Staatsbürger über die Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechtes in den Genuss dieser Funktion gelangte, ohne dabei den "Diplomzwang" zu erfüllen[5]. Die umfassende Begründung dieses Bescheides verdeutlicht die unsachlich anmutende Diskriminierung eines österreichischen Mitbewerbers besonders signifikant.

Für diese „unumgängliche Funktion“ war diese "Leiterfunktion" laut Angaben des Berufungswerbers zum Zeitpunkt des h. Vorverfahrens[6] vertraglich mit 2.000 Euro pro Monat dotiert.

Diese sich in einer bloßen Formalanforderung erschöpfende Praxis entzieht sich nicht nur weit jeglicher inhaltlichen Überprüfbarkeit und führt zum Teil kurios anmutender vertraglicher Ausgestaltungen, sondern darf durchaus dem Inhalt nach in Frage gestellt werden. Es gilt im Fachkreis als offenes Geheimnis, dass diese Funktion nicht selten von hoch betagten Personen wahrgenommen wird, deren aus der Jahrzehnte zurückliegenden Erlangung des Diploms empirisch besehen sich wohl kaum auf die Ausbildungsqualität der Fahrschüler auswirken wird.

Wie der Berufungswerber im Vorverfahren durch die Vorlage von Zeitungsausschnitten belegte, werden (wurden) solche Funktionen am Markt offenbar regelrecht gehandelt[7].

Der Berufungswerber vermochte damit bereits im Erstverfahren und vermag auch in diesem Verfahren eine unsachliche Benachteiligung durch diese Rechtslage darzutun; insbesondere wird diese gegenüber deutschen Mitbewerbern  wirksam.

Im Ergebnis lässt sich das Antragsvorbringen des Berufungswerbers dahingehend zusammenfassen, dass (s)ein Fahrschulleiter in Wahrheit substanziell keine Funktion wahrnimmt oder zumindest realiter nicht wahrnehmen kann, die fachlich nicht ebenso gut auch mit einer „bloßen“ Fahrschullehrerqualifikation wahrgenommen werden könnte. Im Falle des hier für den antragstellenden Berufungswerber diese Funktion wahrnehmenden deutschen Staatsbürgers – A K –, der im Wege des Gemeinschaftsrechtes kein solches Diplom benötigt, tritt dies in geradezu paradoxer Form zu Tage (s. Bescheid ON 8).

Insbesondere lässt der empirische europaweite Vergleich der Verkehrsunfallstatistik den vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Mehrwert des sogenannten Diplomzwangs in Österreich als nicht zutreffend erscheinen.

Diese gesetzliche Barriere führe daher aus der Sicht des Berufungswerbers zu einer nachhaltigen Benachteiligung gegenüber Mitbewerbern. So habe etwa im Wege der Niederlassungsfreiheit auch einer deutschen Fahrschulbetreiberin in Österreich eine Fahrschulbewilligung erteilt werden müssen (vgl. UVS Oö. v. 21.6.1996, 510018/Fra/Ka).

 

8. Rechtlicher Rahmen:

 

Nach § 109 Abs.1 lit.e des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 6/2008, darf eine Fahrschulbewilligung (§ 108 Abs.3) nur natürlichen Personen und nur Personen erteilt werden, die "... den Abschluss eines Diplom- oder Masterstudiums im Bereich Maschinenbau oder Elektrotechnik an einer österreichischen Technischen Universität, oder den Abschluss eines Bachelorstudiums im Bereich Maschinenbau oder Elektrotechnik haben oder das Diplom einer Fachhochschule für Maschinenbau oder für Elektrotechnik besitzen oder die Reife- oder Diplomprüfung an einer österreichischen Höheren technischen und gewerblichen Lehranstalt mit einem maschinenbaulichen, mechatronischen, elektrotechnischen oder elektronischen Ausbildungsschwerpunkt erfolgreich bestanden haben, unbeschadet zwischenstaatlicher Vereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung akademischer Grade, ..."

 

9. Die anzuwendende Rechtslage stellt daher im Sinne der Berufungsausführungen auch nach Auffassung der antragstellenden Behörde nicht nur eine potenzielle, sondern eine tatsächliche Diskriminierung eines Gemeinschaftsbürgers auf Grund dessen österreichischen Staatangehörigkeit dar.

Nach Artikel 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sind die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates prinzipiell unzulässig. Nicht übersehen wird, dass innerstaatliche Gestaltungsräume  frei bleiben.

Nach Artikel 12 des "Unionsvertrages" (ABl 2006 C-321 E/1) ist unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

Extensiv interpretiert sollte demnach ein Unionsbürger zumindest nicht in unsachlicher Weise durch die Rechtslage seines Staates unbillig benachteiligt und in den wirtschaftlichen Freiheiten eingeschränkt werden dürfen.

 

10. Vor dem Hintergrund der herrschenden Rechtslage hat – wie im Punkt 2. schon dargetan – der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. im Ergebnis inhaltsgleichen Berufungsverfahren den Herrn M A K betreffend, am 26.1.2005, VwSen-510070/13/Br/Sta, einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt und diese Bedenken umfassend aufzuzeigen versucht.

Der Verfassungsgerichtshof teilte diese Bedenken einer Verfassungswidrigkeit (Art. 7 B-VG u. Art. 6 StGG) jedoch nicht.

Der Gerichtshof schloss sich in seiner Begründung der Auffassung der Bundesregierung an u. erachtete die bereits im Erkenntnis VfSlg. 14165/1995 zum Ausdruck gebrachte verfassungsrechtliche Beurteilung übertragbar. Dies ohne Berücksichtigung des zwischenzeitigen Beitritts Österreichs zur EU.

 

10.1. Der Gerichtshof führte in seiner umfangreichen – aber realiter nicht wirklich überzeugenden – Begründung im Ergebnis aus, "es entspreche dem allgemeinen Wunsch der Bevölkerung, nach einer möglichst großen Sicherheit im Straßenverkehr nur durch eine umfassende und solide Ausbildung von Bewerbern um eine Lenkberechtigung sowohl in rechtlicher als auch in technisch-theoretischer Hinsicht – im öffentlichen Interesse gelegen – offenbar nur durch eine Reifeprüfung an einer HTL maschinen- oder elektrotechnischer Richtung erblicken zu können, hervor. Offenbar wird dies nur mit einer umfassenden Ausbildung in Physik, Mechanik, Mathematik, Getriebetechnik und Motorenbau, Pneumatik, Hydraulik, Regeltechnik und Elektronik gewährleistet erachtet, weil eine solche Ausbildung auch die Fähigkeit beinhalte, neues Wissen aufzunehmen und weiterzugeben. Das Reifeprüfungszeugnis sei in Österreich für Vortragende und Ausbildner fast aller Arten der schulischen Ausbildung eine Grundvoraussetzung. Im Allgemeinen bedürfe die Ausbildung eines breiten Wissensspektrums, aus welchem kleine, miteinander zusammenhängende Elemente an die zu Unterweisenden zu vermitteln sind. So wird vor diesem Hintergrund offenkundig nur die in § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 geforderte spezielle technische Ausbildung als Grundvoraussetzung dafür anerkannt, dass die in der KDV 1967 geregelten Lehrpläne hinsichtlich der fahrschulmäßigen Ausbildung eingehalten werden können."

 

            Diese Sichtweise scheint jedoch durch die ebenfalls oben schon dargestellten empirischen Tatsachen nicht stichhaltig.

 

11. Die auch für dieses Verfahren  unverändert gebliebene Rechtslage vermag daher trotz der zwischenzeitig nachgewiesenen akademischen, jedoch vor der herrschenden Rechtslage nicht als gleichwertig anerkennbare, Zusatzqualifikation zu keiner positiven Antragserledigung führen.

 

12. Wenngleich in der nunmehr vorliegenden Berufung unter Hinweis auf § 109 Abs.2 KFG vermeint wird, dass die Schul- u. Berufsausbildungen sowie Befähigungen und die berufliche Praxis mit dem Erfordernis des § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 gleichwertig anzusehen wären, steht dem die Rechtslage und insbesondere die Bindung an die Vorfragebeurteilung durch das Bundesministerium für Wissenschaft u. Forschung [siehe Fn 3] und die Judikatur entgegen (VwGH 20.9.2001, 2000/11/0283).

 

12.1. Detailsauszug aus dem Berufungsvortrag:

"…….

Ø      Fahrschullehrerberechtigung für die Klassen A und B

Ø      Lehrbrief für den Lehrberuf Karosseur

Ø      Absolvierung des Lehrgangs universitären Charakters „MBA in General Management"

Ø      Absolvierung des Lehrgangs universitären Charakters „Akademischer Immobilienmanager"

Ø      Befugnis zur entgeltlichen Ausbildung von Fahrlehrern und Fahrschullehrern für die Klassen A und B gemäß Bescheid des LH von Oberösterreich vom 11.1.2008, VerkR-270.233/9-2008-Aum/Re

Ø      Fahrlehrerschein für alle Klassen des Landesratsamts Passau

Ø      Befugnis zur Tätigkeit als Ausbildungsfahrlehrer/Leiter einer Ausbildungsfahrschule in Deutschland

Ø      Beschäftigung als Fahrlehrer und Fahrschullehrer in Österreich seit 1985, sohin während einer Gesamtdauer von 22 Jahren

 

Aus den genannten Ausbildungen sowie der Dauer der einschlägigen praktischen Berufstätigkeit des Berufungswerbers ist ersichtlich, dass der Berufungswerber jedenfalls über eine gleichwertige andere Schulausbildung im Sinne des § 109 Abs.2 KFG und über die persönliche Befähigung zur Leitung einer Fahrschule und damit für die Erteilung einer Fahrschulbewilligung für die Klassen A und B verfügt, sodass die vom Berufungswerber beantragte Bewilligung zu erteilen ist.

 

Dies ergibt sich nicht nur aus dem Grundrecht auf Freiheit der Berufsausbildung, sondern auch aus dem Gleichheitsgrundsatz, wonach gleichwertige Ausbildungen, die eine berufliche Befähigung jedenfalls ergeben, als Befähigungsnachweis anzuerkennen sind.

 

Auf die vorgelegten Bescheinigungen und Urkunden wird ausdrücklich verwiesen; bei Bedarf kann der Berufungswerber gerne weitere Urkunden und Nachweise beibringen.

 

2. Verstoß gegen die Freiheit des europäischen Dienstleistungsverkehrs (Inländer-Schlechterstellung / Angleichungsbedarf für das Funktionieren des Binnenmarkts:

Der angefochtene Bescheid verstößt auch gegen europarechtliche Grundsätze:

 

So ist aus den vom Berufungswerber genannten Ausbildungen und den vorgelegten Urkunden ersichtlich, dass der Berufungswerber nicht nur über den deutschen Fahrlehrerschein für die Klassen A und B verfügt, sondern auch über die Berechtigung, in Deutschland und in Österreich theoretischen und praktischen Fahrschulunterricht zu erteilen und sogar Fahrlehrer auszubilden und daher sowohl in Deutschland als auch in Österreich als Leiter einer Fahrlehrer-Ausbildungsschule tätig zu sein.

 

Insbesondere ist mit diesen Berechtigungen auch die Befugnis verbunden, in Deutschland eine Fahrschule zu gründen und zu betreiben bzw. zu leiten.

 

Wenn der Berufungswerber aber sowohl in Österreich als auch in Deutschland berechtigt ist, Fahrschüler, aber auch Fahrlehrer bzw. Fahrschullehrer auszubilden und dafür über die erforderliche theoretische und praktische Qualifikation verfugt, ist nicht einsichtig, warum im die fachliche Befähigung fehlen soll oder die Berechtigung verweigert wird, Fahrschüler in Österreich auszubilden und daher eine Fahrschulbewilligung in Österreich zu erhalten.

 

Durch die Abweisung der beantragten Bewilligung mit dem angefochtenen Bescheid wird damit im Ergebnis eine deutsche Berechtigung EG-vertragswidrig negiert, da der Berufungswerber als Träger einer deutschen Bewilligung seine ihm in Deutschland zustehenden Befugnisse nicht in Österreich ausüben kann. Damit wird gegen die Dienstleistungsfreiheit im Sinne des EG-Vertrags verstoßen."

 

13. Der Artikel 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gilt als unmittelbar anzuwendende Norm des Gemeinschaftsrechtes, sodass im Falle eines Verstoßes des § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 gegen das Verbot von Beschränkungen von Grundfreiheiten diese innerstaatliche Norm – auf Grund der herrschenden Rechtslage, welche durch die höchstgerichtliche Judikatur gesichert gilt – in der Berufungserledigung nicht zur Anwendung gelangen dürfte.

Der innerstaatliche Gesetzgeber nimmt mit dem durch § 109 Abs.1 lit.e KFG 1967 normierten Diplomzwang in der Praxis durch die Nominierung von sogenannten Fahrschulleitern (Personen mit den schulischen Voraussetzungen und nicht selten im hohen Alter, sodass sich deren Tätigkeit auf den Bezug eines bloßen Nebeneinkommens reduziert) eine nachhaltige Diskriminierung gegenüber anderen Gemeinschaftsbürgern in Kauf. An der sachlichen Rechtfertigung eines solchen Ergebnisses hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich insb. angesichts der Praxisrealität weiterhin manifeste Bedenken[8].

 

13a. Der § 109 KFG wurde seit 1988 [Zeitspanne der elektronischen Abfragemöglichkeit] zwölf mal geändert.

In der Stammfassung BGBl 297/1967 lautete der § 109 Abs.1 lit.e: "… das Ingenieurdiplom oder das Doktorat der Fakultät für Maschinenwesen und Elektrotechnik einer österreichischen Technischen Hochschule besitzen oder die Reifeprüfung an einer österreichischen Höheren technischen Lehranstalt maschinen- oder elektrotechnischer Richtung erfolgreich bestanden haben, …"

13b. Vor der nunmehrigen Fassung bis zum 31.7.2007 lautete diese Bestimmung: "… das Diplom der Fakultät für Maschinenbau oder für Elektrotechnik einer österreichischen Technischen Universität oder das Diplom einer Fachhochschule für Maschinenbau oder für Elektrotechnik besitzen oder die Reifeprüfung an einer österreichischen Höheren technischen Lehranstalt maschinen- oder elektrotechnischer Richtung erfolgreich bestanden haben, …"

13c. Mit BGBl. I Nr. 57/2007 erhielt er die in diesem Verfahren anzuwendende Fassung: "… den Abschluss eines Diplom- oder Masterstudiums im Bereich Maschinenbau oder Elektrotechnik an einer österreichischen Technischen Universität, oder den Abschluss eines Bachelorstudiums im Bereich Maschinenbau oder Elektrotechnik haben oder das Diplom einer Fachhochschule für Maschinenbau oder für Elektrotechnik besitzen oder die Reife- oder Diplomprüfung an einer österreichischen Höheren technischen und gewerblichen Lehranstalt mit einem maschinenbaulichen, mechatronischen, elektrotechnischen oder elektronischen Ausbildungsschwerpunkt erfolgreich bestanden haben, unbeschadet zwischenstaatlicher Vereinbarungen über die  gegenseitige Anerkennung akademischer Grade, …"

13d. Mit BGBl. I Nr. 103/1997 wurde dem § 109 der Absatz 5 eingefügt:

"Der Landeshauptmann (seit BGBL I Nr. 80/2002, in Kraft ab.1.8.2002 [Verwaltungsreformgesetz] die Bezirksverwaltungsbehörde) hat bei Prüfung der persönlichen Voraussetzungen gemäß Abs. 1 lit. e bis h auch die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem anderen EWR-Vertragsstaat erworbenen Qualifikationen im Sinne der Richtlinie des Rates Nr. 92/51/EWG, ABl. Nr. L 209 vom 24. Juli 1992, S 25, über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung der Richtlinie 89/48/EWG, entsprechend zu berücksichtigen und zu beurteilen, ob und inwieweit diese den nationalen Erfordernissen entsprechen. Er hat hierüber binnen vier Monaten zu entscheiden."

 

13.1. Trotz in jeder Richtung geänderter Ausbildungsmodalität von Fahrerlaubnisinhabern bzw. Bewerber um eine Lenkberechtigung u. seit der sogenannten "Computerprüfung" weitgehend der technischen Details entledigten Ausbildungsmodalität, blieb der Diplomzwang für den Betreiber einer Fahrschule seit nunmehr über 40 Jahre in der Substanz unverändert. Mit den im Abs.5 leg.cit. eingeführten Anerkennungskriterien werden vielmehr die inländisch Betroffenen sogar "ex lege" schlechter gestellt, weil diese von der Anerkennung "beruflicher Befähigungsnachweise" dezidiert ausgeschlossen bleiben.

 

13.2. Die Auffassung des Berufungswerbers, wonach er sich nicht nur aus dem Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung, sondern auch aus dem Gleichheitsgrundsatz verletzt sieht, weil gleichwertige Ausbildungen, die eine berufliche Befähigung jedenfalls ergeben, als Befähigungsnachweis nicht anzuerkennen sind, scheint sohin nicht von der Hand zu weisen.

Er erblickt einen Verstoß gegen die Freiheit des europäischen Dienstleistungsverkehrs (Inländer-Schlechterstellung/Angleichungsbedarf für das Funktionieren des Binnenmarkts):

Der angefochtene Bescheid steht seiner Ansicht nicht im Einklang mit europarechtlichen Grundsätzen, was in der Berufung wie folgt begründet wird:

"So ist aus den vom Berufungswerber genannten Ausbildungen und den vorgelegten Urkunden ersichtlich, dass der Berufungswerber nicht nur über den deutschen Fahrlehrerschein für die Klassen A und B verfügt, sondern auch über die Berechtigung, in Deutschland und in Österreich theoretischen und praktischen Fahrschulunterricht zu erteilen und sogar Fahrlehrer auszubilden und daher sowohl in Deutschland als auch in Österreich als Leiter einer Fahrlehrer-Ausbildungsschule tätig zu sein.

 

Insbesondere ist mit diesen Berechtigungen auch die Befugnis verbunden, in Deutschland eine Fahrschule zu gründen und zu betreiben bzw. zu leiten.

 

Wenn der Berufungswerber aber sowohl in Österreich als auch in Deutschland berechtigt ist, Fahrschüler, aber auch Fahrlehrer bzw. Fahrschullehrer auszubilden und dafür über die erforderliche theoretische und praktische Qualifikation verfugt, ist nicht einsichtig, warum im die fachliche Befähigung fehlen soll oder die Berechtigung verweigert wird, Fahrschüler in Österreich auszubilden und daher eine Fahrschulbewilligung in Österreich zu erhalten.

 

Durch die Abweisung der beantragten Bewilligung mit dem angefochtenen Bescheid wird damit im Ergebnis eine deutsche Berechtigung EG-vertragswidrig negiert, da der Berufungswerber als Träger einer deutschen Bewilligung seine ihm in Deutschland zustehenden Befugnisse nicht in Österreich ausüben kann. Damit wird gegen die Dienstleistungsfreiheit im Sinne des EG-Vertrags verstoßen."

 

14. Das antragstellende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oö. erachtet die Ausführungen des Berufungswerbers daher durchaus als sachgerecht u. sieht sich zu dieser Antragstellung veranlasst.

Da es sich hierbei um eine bislang nicht geklärte Auslegungsfrage im Zusammenhang mit einer Fahrschulbewilligung handelt, wird der Europäische Gerichtshof gemäß Art. 234 EGV ersucht, die oben gestellten Fragen zu beantworten.

 

15. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. übersieht jedoch keineswegs, dass angesichts der österreichischen Staatsbürgerschaft des Antragstellers die sogenannte Inländerdiskriminierung zumindest gemäß dem Art. 85 des EWG-Vertrages (alt) vom Schutzbereich des Gemeinschaftsrechts nicht unmittelbar erfasst war (EuGH 19.3.1992 – C-60/91).

Hier scheint jedoch eine den Bogen des Gemeinschaftsrechts überspannende Beeinträchtigung der Grundfreiheiten u. des fairen Wettbewerbes wirksam zu werden.

 

Die Fortsetzung des Verfahrens wird gemäß § 38a Abs.1 AVG nach Vorliegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes erfolgen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 



[1] Bescheid des Magistrats der Stadt Wels, MA2-Pst-1011-1997, v. 23.6.1997

[2] Verfahrensakt VwSen-510070

[3] letzter Absatz des Schreibens ON 3 des Aktes der Behörde erster Instanz

[4] § 11 u. 12 deutsches FahrlG (ON 11)

[5] Bescheid der Stadt Wels v. 21.10.2004, BZ-VerkR-415-2004, (ON 8)

[6] Dies anlässlich der damals durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (ON 9)

[7] zwei Zeitungsannoncen (2002) über Fahrschulbewilligungen (ON 10)

[8] siehe Fn 7 u. ON 10

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