Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400936/4/Gf/Mu/Se

Linz, 29.02.2008

Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des s Staatsangehörigen F G, vertreten durch RA Dr. B R, gegen seine Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

I.            Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung des Rechtsmittelwerbers in Schubhaft vom 4. Jänner 2008, 17.30 Uhr, bis zum 18. Jänner 2008, 7.00 Uhr, als rechtswidrig festgestellt.

II.        Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshaupt­mann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer antragsgemäß Kosten in Höhe von 610,00 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG; § 1 UVS-AufwandsersatzVO.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer ist am 12. August 2007 unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne gültige Reisedokumente ins Bundesgebiet eingereist und hat noch am selben Tag einen Asylantrag gestellt.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. November 2007, Zl. 0707338, wurde dieser Asylantrag abgewiesen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den K festgestellt, die Ausweisung ausgesprochen und einer allfälligen Berufung gegen diesen negativen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Es lag sohin ab diesem Zeitpunkt ein vollstreckbarer Ausweisungsbescheid vor, was auch der Fremdenpolizeibehörde am gleichen Tag bekannt gegeben wurde.

In der Folge wurde die Fremdenpolizeibehörde mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 26. November 2007, Zl. 0707338, darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Unabhängige Bundesasylsenat der Berufung des Rechtsmittelwerbers gegen den negativen Asylbescheid die aufschiebende Wirkung zuerkannt und folglich das Ausweisungsverfahren gemäß § 27 Abs. 4 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. 100/2005 (im Folgenden: AsylG) vom eingestellt hat.

Daraufhin wurde ihm am 12. Dezember 2007 vorübergehend eine bundesbetreute Unterkunft in F zugewiesen.

Laut dem im Akt erliegenden "Rückkehrhilfe-Erhebungs­formular" vom 3. Jänner 2008 hat der Beschwerdeführer am Vortag seine – zwischenzeitlich beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige – Berufung gegen den negativen Asylbescheid zurückgezogen, am nächsten Tag (3. Jänner 2008) jedoch neuerlich einen Asylantrag beim Bundesasylamt eingebracht. Zu letzterem teilte das Bundesasylamt der belangten Behörde mit Schreiben vom 4. Jänner 2008, Zl. 0800133, mit, dass beabsichtigt sei, den zweiten Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und eine durchsetzbare Ausweisung zu erlassen.

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 4. Jänner 2008, Zl. Sich40-2478-2007, wurde über den Rechtsmittelwerber zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Über­stellung in das PAZ Linz sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass er bereits in der Vergangenheit durch mehrfache illegale Grenzübertritte zu erkennen gegeben habe, dass er nicht gewillt sei, die Rechtsordnung des Gastlandes zu respektieren, sondern lediglich soziale Hilfe und ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet anstrebe. Denn er habe auch die ihm zugewiesene Unterkunft bewusst aufgegeben und gleichzeitig um eine Unter­bringung in einer Erstaufnahmestelle ersucht. Nachdem ihm zudem mitgeteilt geworden sei, dass sein Folgeantrag zurückgewiesen werden wird, habe daher die Gefahr bestanden, dass er in die Illegalität abtauchen werde. Denn er sei allein stehend und verfüge über keinerlei finanzielle Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts, sodass zu befürchten sei, dass er sich – in Freiheit belassen – dem im Zuge der Abschiebung erforderlichen zwangsweisen behördlichen Zugriff zu entziehen versuchen werde. Die Gesamtheit seiner Verhaltensweise (illegale Einreise, Verschleierung des tatsächlichen Aufenthalts­zweckes, Mittellosigkeit) lasse sohin einen akuten Sicherungsbedarf erkennen, weshalb zur Sicherung des Ausweisungsverfahrens die Schubhaft zu verhängen gewesen sei.

1.3. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 25. Februar 2008 beim Oö. Verwaltungssenat eingegangene Beschwerde.

Darin wird vorgebracht, dass er zwar am 30. Dezember 2007 seine Berufung gegen den negativen Asylbescheid vom 19. November 2007 formell zurückgezogen habe. An diesem Tag habe er sich allerdings in einer psychischen Ausnahmesituation befunden, weshalb er auch schon am nächsten Tag wiederum einen Asylantrag gestellt habe. Denn bei seiner Einvernahme am 15. Jänner 2008 sei hervorgekommen, dass er sich damals bei seinem Aufenthalt in F von einem Dritten bedroht gefühlt und nur deshalb seine Berufung zurückgezogen habe. Daher sei in der Folge auch der Unabhängige Bundesasylsenat zu der Auffassung gelangt, dass die Zurückziehung nicht freiwillig erfolgt sei. Die belangte Behörde hätte daher jedenfalls seit Mitte Jänner ebenfalls davon ausgehen müssen, dass die Zurückziehung der Berufung nie rechtwirksam geworden sei und sohin seit diesem Zeitpunkt auch keine durchsetzbare Ausweisung mehr vorgelegen habe. Darüber hinaus hätten bloß zur Verfahrenssicherung auch gelindere Mittel als die Schubhaftverhängung hingereicht.

Aus diesem Grund wird die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung zumindest vom 17. Jänner bis zum 19. (gemeint wohl: 18.) Jänner 2008 beantragt.

1.4.1. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat den Bezug habenden Akt des fremdenpolizeilichen Verfahrens (in dem allerdings wesentliche Dokumente des Asylverfahrens fehlten, sodass manche Fakten bloß indirekt erschlossen werden konnten) vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Darin wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Absichten und Verhaltensweisen des Rechtsmittelwerbers ständig wechselten und daher insgesamt nicht seriös einzuschätzen seien. Zudem sei der Beschwerdeführer am 18. Jänner 2008 freiwillig - im Wege des sog. "Rückkehrprogrammes" – in den K zurückgekehrt. Überdies liege der Verdacht vor, dass er sich dort schon am nächsten Tag mittels unrichtiger Angaben eine Wiedereinreisebewilligung erschlichen habe.

1.4.2. Zusätzlich geht aus diesem Akt hervor, dass – was sich auch mit dessen eigenen Vorbringen deckt – der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers dem Bundesasylamt (erst) am 17. Jänner 2008 eine Stellungnahme zur Frage der (Un‑)Wirksamkeit der Zurückziehung der Berufung gegen den negativen Asylbescheid übermittelt hat. Davon ausgehend ist es aber jedenfalls nicht lebensfremd, anzunehmen, dass die Fremdenpolizeibehörde von dieser Stellungnahme vor dem 18. Jänner 2008 um 7.00 Uhr – dem Zeitpunkt der Entlassung des Rechtsmittelwerbers aus der Schubhaft zwecks freiwilliger Rückkehr in den K – noch keine Kenntnis hatte.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich40-2007; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 82 Abs. 1 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat u.a. mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 und 3 FPG können auch Asylwerber u.a. zu dem Zweck festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, wenn gegen diese nach den Bestimmungen des AsylG bereits ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde – wobei nach § 29 Abs. 3 Z. 4 und 5 AsylG ein Ausweisungsverfahren ex lege als eingeleitet gilt, wenn dem Asylwerber (formlos) mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag entweder  zurück- oder abzuweisen – oder gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung verhängt worden ist.

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei einem bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizei­kommando zu melden.

3.2. Aus der Sicht der belangten Behörde lag im gegenständlichen Fall zum Zeitpunkt der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft, nämlich ab dem 4. Jänner 2008, 17.30 Uhr, sowohl eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 5 AsylG – nämlich jene des Bundesasylamtes vom 17. Oktober 2007, Zl. 070738-EWEST – als auch eine durchsetzbare Ausweisung vor (s.o., Pkt. 1.1.).

3.2.1. Dies wird auch vom Rechtsmittelwerber im Grunde nicht bestritten. Er bringt jedoch vor, dass die Fremdenpolizeibehörde zumindest seit seiner Stellungnahme vom 17. Jänner 2008 zur Frage der (Un-)Wirksamkeit der Zurückziehung seiner Berufung hätte wissen müssen, dass keine durchsetzbare Ausweisung mehr vorgelegen sei (s.o., Pkt. 1.4.2.).

3.2.2. Damit ist der Beschwerdeführer im Ergebnis zunächst aus folgenden Gründen im Recht:

Zwar kann der Fremdenpolizeibehörde daraus kein Vorwurf gemacht werden, dass sie seitens der Asylbehörden erst zu einem Zeitpunkt darüber informiert wurde, dass die vom Rechtsmittelwerber vorgenommene Zurückziehung der Berufung möglicherweise unwirksam ist und somit infolge der nachträglichen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für diese durch den Unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 37 Abs. 1 AsylG schon – gleichsam rückwirkend – im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides keine durchsetzbare Ausweisung vorlag. Umgekehrt vermag dies freilich auch nichts daran zu ändern, dass diese infolge einer gesetzlich festgelegten Zuständigkeitszersplitterung offenbar systematisch bedingte, insgesamt mangelhafte Koordination zwischen Bundesasylamt, Unabhängigem Bundesasylsenat und Fremdenpolizeibehörde keinesfalls zu Lasten des Rechtsmittelwerbers gehen kann.

An die Feststellung des – zur Beurteilung dieser Rechtsfrage primär zuständigen – Unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Februar 2008, Zl. 315970-1/12Z-XVIII/58/07, dass die Zurückziehung der Berufung des Beschwerdeführers rechtsunwirksam war, ist der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 38 i.V.m. § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG gebunden.

3.2.3. Damit ist für den Rechtsmittelwerber im Ergebnis jedoch noch nichts gewonnen, weil § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG als lex specialis vorsieht, dass die Verhängung einer Schubhaft über Asylwerber nicht nur dann, wenn eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt, sondern bereits dann zulässig ist, wenn das Ausweisungsverfahren bloß eingeleitet ist; dies ist jedoch z.B. nach § 27 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 29 Abs. 3 Z. 5 AsylG ex lege schon dann der Fall, wenn die Asylbehörde dem Fremden formlos mitgeteilt hat, dass die Abweisung seines Asylantrages beabsichtigt ist. Die dementsprechende Mitteilung des Bundesasylamtes, Zl. 0707338, lag jedoch bereits seit dem 17. Oktober 2007 – und damit lange vor dem Zeitpunkt seiner Inschubhaftnahme am 4. Jänner 2008 – vor, sodass damit insgesamt besehen die formellen Voraussetzungen für seine Anhaltung vorlagen.

3.3. Hinsichtlich der Frage, ob die Inschubhaftnahme auch in inhaltlicher Hinsicht rechtmäßig war, insbesondere, ob diese dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprach, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die von der belangten Behörde unter Berücksichtigung aller Begleitumstände gezogene Schlussfolgerung, dass es sich beim Rechtsmittelwerber in Wahrheit um sog. "Wirtschaftsflüchtlinge" handeln könnte, zumindest nicht völlig abwegig (siehe jedoch unten, 3.3.5.).

3.3.1. Da jedoch eine konkrete gesetzliche Regelung, wie die Behörden mit Wirtschaftsflüchtlingen umzugehen haben, (zumindest bislang) fehlt, muss insoweit zur Lösung der damit verbundenen Rechtsprobleme auf die allgemeinen fremdenrechtlichen Grundsätze zurückgegriffen werden. Weil nun diesbezüglich nicht unterschieden wird, kann daher über Fremde, die formell – nämlich durch Stellung eines Asylantrages – als Asylwerber anzusehen sind, grundsätzlich auch dann die Schubhaft verhängt werden, wenn diese materiell betrachtet in erster Linie als Wirtschaftsflüchtlinge zu gelten haben.

Andererseits unterliegt aber eine derartige Anhaltung – wiederum mangels bestehender Sondervorschriften – denselben Regelungen, wie sie generell für fremden­polizeiliche aufenthaltsbeendende Maßnahmen gelten. Dies bedeutet zum einen, dass zunächst sämtliche formellen Voraussetzungen für die konkret in Aussicht genommene aufenthaltsbeendende Maßnahme (hier: der Schubhaftgrund des §  76 Abs. 2 Z. 2 FPG – siehe dazu oben, 3.2.3.) vorliegen müssen (vgl. zur "finalen Determinierung" der Schubhaft, d.h. dass diese nur aus den in § 76 Abs. 1 und 2 FPG taxativ genannten Gründen verhängt werden darf, z.B. VwGH v. 20. Dezember 2007, 2006/21/0359, und v. 24. Oktober 2007, 2006/21/0067). Darüber hinaus darf die Anhaltung – was in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen ist – nicht als eine unverhältnismäßige Maßnahme erweisen und nur im Sinne einer ultima-ratio-Maßnahme zum Einsatz gebracht werden (vgl. VfGH v. 15. Juni 2007, B 1330/06), d.h. dass die alternative Heranziehung gelinderer Mittel nur dann nicht zum Tragen kommt, wenn das Sicherungsbedürfnis anders nicht erreichbar ist (vgl. VwGH v. 24. Oktober 2007, 2007/21/0370). Diesbezüglich hat der Verwaltungs­gerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Recht­sprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeenden­den Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verur­teilungen (weil die Inschubhaftnahme nicht der Aufdeckung, Verhinderung oder Sanktionierung von Straftaten dienen darf; vgl. VfSlg 13715/1994 und VwGH v. 22. November 2007, 2006/21/0189) und einer fehlenden Ausreise­willigkeit (insbesondere, solange noch nicht feststeht, ob die Abschiebung zulässig und die Ausreise zu überwachen ist sowie ein konkreter Sicherungsbedarf besteht) für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremden­polizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattge­geben.

3.3.2. Insgesamt besehen bewirkt so das Fehlen gesonderter, auf Wirtschafts­flüchtlinge bezogener gesetzlicher Bestimmungen in der Praxis gerade in jenen aus rechtlicher Sicht in aller Regel unproblematischen Fällen, wo die Fremden bereits in einem anderen Staat einen Asylantrag gestellt haben, dass diese faktisch i.d.R. nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand wieder außer Landes geschafft werden können, weil die Behörden dazu verpflichtet und gleichzeitig darauf angewiesen sind, Rechtsvorschriften anwenden zu müssen, die nicht sachadäquat sind. Denn das auf der Genfer Flüchtlingskonvention fußende Asylrecht hat nur die Regelung der Rechtsstellung von aus politischen, rassischen, religiösen oä Gründen verfolgten Personen zum Gegenstand, nicht aber von solchen, die ihren Heimatstaat in der Absicht verlassen, in einem anderen Staat bessere ökonomische Bedingungen vorzufinden und zu diesem Zweck auch eine Umgehung von formellen Einreisebestimmungen, einen Missbrauch des Asylrechts u.a. in Kauf nehmen.

Mangels (bislang) anders lautender Rechtsvorschriften ist jedoch allein der Umstand, dass sich ein Fremder in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich verhält, diesem nur dann und selbst in jenem Fall nur insoweit anlastbar, als dies entsprechend gesetzlich vorgesehen ist. So kann z.B. wegen illegaler Einreise ins Bundesgebiet eine Verwaltungsstrafe verhängt, ein Ausweisungsverfahren eingeleitet, ein Asylantrag mangels Zuständigkeit eines anderen Staates zurückgewiesen, etc. – es vermögen also Einzelmaßnahmen gesetzt werden, die jedoch seitens der Fremdenbehörde stets nur situationsangepasst zum Einsatz gebracht werden können und damit auch keine Gewähr dafür bieten, dass sie (isoliert oder in ihrem Zusammenwirken) das beabsichtigte Ziel auch tatsächlich erreichen; insbesondere darf die Schubhaftverhängung nicht als eine "Standardmaßnahme" gegen Asylwerber (vgl. VwGH v. 24. Oktober 2007, 2006/21/0239) oder als eine präventive Vorbereitungshandlung zur erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (vgl. VwGH v. 26. September 2007, 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden.

3.3.3. Diese dargestellte – zudem unter der Kautel des Art. 18 Abs. 1 B-VG, wonach die Handlungen der Behörde bei sonst drohendem Grundrechtseingriff stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, stehende – Rechtslage bedingt zunächst, dass, wie sich aus dem zuvor angesprochenen Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ergibt, eine generalisierende Betrachtungsweise von vornherein unzulässig ist. So darf z.B. aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht schon „unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze“ (vgl. nochmals VwGH v. 24. Oktober 2007, 2006/21/0067) a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen finanziellen Mittel durch illegale Arbeit beschaffen wird; und aus dem Nichtvorhandensein eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes nicht darauf, dass er sich (allein deshalb) dem behördlichen Zugriff entziehen wird; und aus einer Einreise ohne die hiefür erforderlichen Dokumente darauf, dass er eine gegenüber der Rechtsordnung des Aufnahmestaates generell ablehnende oder zumindest gleichgültige Haltung einnimmt; etc.

Vielmehr muss die Fremdenpolizeibehörde, wenn sie – wie gegenständlich – als eine von mehreren Maßnahmen zur Außerlandesschaffung eines Fremden die Schubhaft anordnet, in jedem Einzelfall das Vorliegen der Voraussetzungen für diese gewählte aufenthaltsbeendende Maßnahme, sodann den aktuellen Sicherungsbedarf und schließlich noch konkret begründen, weshalb keine gelindere, in gleicher Weise zur Zielerreichung geeignete Maßnahme zum Tragen kommen konnte. Dabei ist beispielsweise die Frage einer allfälligen beruflichen Tätigkeit und/oder einer – allenfalls auch wechselnden – Wohnmöglichkeit im Inland (bei Verwandten oder Bekannten) als Aspekte der sozialen Integration des Fremden jeweils von Amts wegen zu ermitteln (vgl. VwGH v. 26. September 2007, 2004/21/0150).

3.3.4. Im vorliegenden Fall wurde die Schubhaft sachlich betrachtet „zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung“ erlassen.

Letztere Alternative konnte im gegenständlichen Fall faktisch schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil – wie sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt ergibt – bis zum Zeitpunkt der Entlassung des Beschwerde­führers aus der Schubhaft tatsächlich noch gar keine aufenthaltsbeendende Maßnahme, die bereits vollstreckbar gewesen wäre, gesetzt worden war.

Es bleibt daher der im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung erforderliche Sicherungsbedarf zu prüfen.

Ein solcher ist offenkundig umso größer, je weiter fortgeschritten dieses Verfahren bereits ist und dabei einem negativen Ausgang zustrebt: Ein Sicherungsbedarf wird daher regelmäßig – d.h., wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die eine gegenteilige Annahme rechtfertigen (wie z.B. eine amtsbekannt lang dauernde Übermittlung von Heimreisezertifikaten durch bestimmte Staaten) – dann zu bejahen sein, wenn dem Fremden ein Ausweisungsbescheid zugestellt wird, mit dem gleichzeitig die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen wurde, weil ihm dann klar sein muss, dass er regelmäßig in kurzer Zeit zwangsweise außer Landes geschafft wird, wenn er das Bundesgebiet nicht freiwillig verlässt (bzw. verlassen kann). Aus dieser Zwangslage könnte er sich i.d.R. eben nur dadurch befreien, dass sich der Fremde dem behördlichen Zugriff entzieht, was gerade durch die Verhängung der Schubhaft verhindert werden soll.

Umgekehrt ist aber – gleichsam am gegenüberliegenden Pol – ein derartiges Sicherungsbedürfnis beispielsweise regelmäßig dann nicht gegeben, wenn ein Aufenthalts- oder Ausweisungsverfahren noch nicht über das Stadium der persönlichen Einvernahme eines Fremden, der sich beispielsweise bisher legal in Österreich aufgehalten und hier über einen Wohnsitz und ein regelmäßiges Einkommen verfügt hat, hinausgekommen ist. Bei einer im Lichte des Art. 5 MRK und des PersFrSchG gebotenen verfassungskonformen Interpretation kann daher ein Bedürfnis zu „Sicherung des Verfahrens“ in § 76 Abs. 2 FPG nicht allein schon deshalb, weil ein solches Verfahren zumindest bereits formell eingeleitet worden ist, angenommen werden, sondern es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Notwendigkeit der Sicherung eines derartigen Verfahrens durch eine freiheitsentziehende Maßnahme umso größer ist, je näher sich dieses einem negativen Abschluss nähert bzw. umgekehrt aus grundrechtlicher Sicht umso weniger gerechtfertigt erscheint, je weiter es von einem derartigen Ergebnis noch entfernt bzw. dessen Ausgang überhaupt offen ist.

3.3.5. Im gegenständlichen Fall sprach ex ante, d.h. zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung betrachtet manches für die Annahme, dass es sich beim Beschwerdeführer in Wahrheit um einen Wirtschaftsflüchtling handelt; andererseits konnte aber auf Grund der Angabe des Fluchtgrundes bei seiner Ersteinvernahme (vgl. die Niederschrift der PI St. Georgen i.A. vom 14. August 2007, Zl. E1/2007-SF, S. 4) – nämlich, dass sein Vater in seinem Heimatstaat einen anderen getötet habe und er nun die Rache von dessen Familienangehörigen fürchte – im Falle von dessen Zutreffen nicht von vornherein von der Abweisung das Asylantrages ausgegangen werden (wenngleich sich dieser ex post betrachtet durch den Umstand, dass der Rechtsmittelwerber nunmehr freiwillig in seinen Heimatstaat zurückgekehrt ist, wiederum stark relativiert).

Insgesamt besehen stellte sich damit aber die Situation für den Rechtsmittelwerber jedenfalls zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft am 4. Jänner 2008 jedenfalls nicht so dar, dass er schon in Kürze mit einer faktischen und allenfalls auch zwangsweisen Außerlandesschaffung zu rechnen gehabt hätte. Damit bestand aber aus dessen subjektiver Sicht offenbar auch kein Grund dafür, sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen.

3.3.6. In objektiver Hinsicht wurden von der Fremdenpolizeibehörde weiters die Illegalität der Einreise und des Aufenthalts, die Verschleierung des tatsächlichen Aufenthaltszwecks, die Mittellosigkeit und die fehlende Unterkunftsmöglichkeit als einen Sicherungsbedarf begründende Argumente ins Treffen geführt.

In diesem Zusammenhang trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer illegal nach Österreich eingereist ist und über keine gültigen Aufenthaltsdokumente verfügt. Er hat sich jedoch hier nicht im Untergrund verborgen gehalten, sondern sich unmittelbar im Flüchtlingslager gemeldet und zum Nachweis seiner Identität immerhin seinen Personalausweis vorgelegt. Ihm kann daher konkret keineswegs eine völlig ablehnende Haltung oder Gleichgültigkeit gegenüber den österreichischen, das Fremdenwesen betreffenden Ordnungsvorschriften unterstellt werden. Auch Mittellosigkeit und fehlende Unterkunftsmöglichkeit konnte die belangte Behörde nicht in vertretbarer Weise annehmen, weil der Rechtsmittelwerber einen Anspruch auf Unterbringung in der Bundesbetreuung hatte, ihm auch eine entsprechende Stelle zugewiesen worden war und er sich an dieser bis zu seiner Inschubhaftnahme auch tatsächlich aufgehalten hat. Dass er in diesem Zusammenhang möglicherweise die Gratifikationen des Asylrechts missbräuchlich in Anspruch genommen haben könnte, stand jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest – ganz abgesehen davon, dass ein derartiges Verhalten weder einen expliziten Haftgrund bildet noch dazu geeignet ist, ein Sicherungsbedürfnis zu dokumentieren (vgl. dazu auch VwGH v. 24. Oktober 2007, 2006/21/0239, wo eine Gegenüberstellung und Abwägung von illegaler Einreise, Fehlen einer beruflichen Integration sowie von finanziellen Mitteln und einer Unterkunft einerseits gegenüber dem freiwilligen Aufsuchen der Asylbehörde, einer angebotenen Wohnmöglichkeit bei Bekannten und einer Nichtfeststellung dahin, dass der Fremde unwahre Angaben gemacht hätte, insgesamt zu einer Rechtswidrigerklärung der Inschubhaftnahme geführt hat).

Somit verblieb als einziger Grund, der die Notwendigkeit der Anhaltung des Rechtsmittelwerbers begründen könnte, nur dessen allfällige Weigerung, einer Ausweisung in den K freiwillig Folge zu leisten, sodass er sich einer zwangsweisen Abschiebung dadurch zu entziehen versuchen könnte, dass er zum fälligen Zeitpunkt einen behördlichen Zugriff auf seine Person vereitelt.

Wie aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt ersichtlich ist, wurden von dieser jedoch weder vor noch während des Zeitraumes seiner Anhaltung in Schubhaft irgendwelche konkrete Maßnahmen in die Richtung gesetzt, um eine Ausweisung zu erlassen, geschweige denn, diese zugleich auch als durchsetzbar auszugestalten.

Somit erweist sich diese Maßnahme schon in Ermangelung eines während der Anhaltung in Schubhaft konkret begründbaren Sicherungsbedürfnisses als rechtswidrig, ganz abgesehen davon, dass eine Abwägung bezüglich der Anwendung gelinderer Mittel (bloß formal,) in inhaltlicher Hinsicht (jedoch) tatsächlich nicht erfolgt ist.

3.4. Aus allen diesen Gründen hatte daher der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG festzustellen, dass die Anhaltung des Beschwerde­führers in Schubhaft rechtswidrig war.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis wären dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. II 334/2003, Kosten in Höhe von 660,80 Euro (Schriftsatzaufwand) zuzu­sprechen gewesen; da sich der dementsprechende Antrag des Rechtsmittel­werbers jedoch explizit nur auf „610,- Euro“ bezieht, waren ihm lediglich Kosten in dieser Höhe zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1.             Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.             Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 16,80 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr.  G r o f

 

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