Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230991/20/Ste

Linz, 03.03.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des R P, G, gegen den Bescheid (Straferkenntnis) des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 17. Dezember 2007, GZ S-07 VS1, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz – nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der Bescheid erster Instanz wird bestätigt.

II.              Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten erster Instanz einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unab­hängigen Verwaltungssenat in Höhe von 30 Euro (das sind 20 % der ver­hängten Geld­strafe) zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs. 1 und 2 VStG.


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 17. Dezember 2007, GZ S-07 VS1, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geld­strafe in der Höhe von 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 75 Stunden) unter Anrechnung der Vorhaft verhängt, weil er sich am 6. Oktober 2007 unter – im Spruch genau genannten Umständen – trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrgenommen haben, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 82 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes begangen.

Begründend führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen an, dass der der Bestrafung zugrunde liegende Sachverhalt auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere durch die dienstliche Wahrnehmung der Polizeiorgane zweifelsfrei erwiesen sei. Der nunmehrige Bw habe weder in seinem Einspruch noch in seiner Rechtfertigung im ordentlichen Verfahren den Ermittlungsergebnissen Substanzielles entgegen gehalten. Er habe lediglich angegeben, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe falsch seien.

Die Behörde schließt ihre Begründung mit einer ausführlichen Beweiswürdigung sowie mit Erwägungen zur Strafbemessung.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 18. Dezember 2007 persönlich zugestellt wurde, richtet sich ein – rechtzeitig eingebrachtes (Postaufgabe 27. Dezember 2007) – als „Einspruch“ bezeichnetes Anbringen. Darin hält der Bw – nach einer kursorischen und weitgehend unklaren Darstellung der Abläufe und seiner Beweggründe – fest, dass seinerseits „kein Verstoß gegen § 82/1 SPG“ vorliege.

2.1. Der Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Linz hat das von ihm als Berufung eingestufte Anbringen samt dem Verwaltungsakt erster Instanz zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

2.2. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

2.3. Mit Schreiben vom 11. Jänner 2008, VwSen-230991/2, wurde der Bw vom Unabhängigen Verwaltungssenat – nach Information über die Rechtslage und unter Hinweis auf allfällige Rechtsfolgen – aufgefordert die Berufung näher zu begründen, insbesondere eine genaue Schilderung der Vorkommnisse aus seiner Sicht, und einen begründeten Berufungsantrag nachzuholen.

In dem daraufhin eingelangten, „Berufungsantrag“ vom 21. Jänner 2008, teilte der Bw lediglich mit, dass er bereits im Schriftsatz vom 23. Dezember 2007 eine genaue Schilderung der Vorkommnisse aus seiner Sicht geleistet hätte. Weiter dann wörtlich: „Die Frage wogegen ich mich konkret wende, geht meines Erachtens auch eindeutig aus diesem Schrieb hervor. Ich zitiere: ‚Es liegt meiner Seits kein Verstoß gegen § 82/1 SPG vor’. Was soviel heißt wie, dass ich mich gegen die grundfalsche Anschuldigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet zu haben, stelle. Aufgrund dessen strebe ich die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahren und eine Haftentschädigung an.“

Damit wird inhaltlich – gerade noch erkennbar – die Aufhebung des angefochtenen Straf­erkenntnisses beantragt.

2.4. Das Rechtsmittel ist – wie bereits im Punkt 1.2 dargestellt – rechtzeitig.

2.5. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt, die vorgelegten Schriftsätze und aus dem Internet und von der Behörde erster Instanz beigeschaffte Fotos und Filmaufnahmen sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2008.

2.6. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien und aus den im Punkt 2.5 genannten Beweismitteln) sowie aus der öffentlichen mündlichen Verhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Am 6. Oktober 2007 fand in Linz eine Veranstaltung einer Burschenschaft statt, gegen die es auf der Landstraße (vom Hauptplatz bis zum Veranstaltungsort der Burschenschaft im Palais des kaufmännischen Vereins) zu einer Demonstration kam.

Etwa um 18.45 Uhr beobachteten zwei Polizeibeamte während ihres Streifendienstes mit dem Einsatzfahrzeug eine Gruppe (ca. 10 Personen) schwarz gekleideter, Kapuzen tragender, mit diesen Kapuzen und Schals „vermummter“ Personen auf der Landstraße, in etwa auf der Höhe des letzten Hauses vor der Mozartkreuzung in Richtung Norden zur Rudigierstraße gehen.

Auf Grund eines vermuteten Zusammenhangs mit der Gegendemonstration und zur Vorbeugung und Verhinderung möglicher gefährlicher Angriffe, wurden die Personen näher beobachtet. Als die Mitglieder der Gruppe das Polizeifahrzeug sahen, erhöhten sie ihr Gehtempo in Richtung Westen zur Herrenstraße. Da den Polizisten das Verhalten verdächtig schien, wurden die Personen von einem der einschreitenden Polizeibeamten (der Beifahrer des Streifenfahrzeugs war zu diesem Zweck ausgestiegen) auf der Höhe des Hauses Rudigierstraße 3 aufgefordert, zum Zweck einer Personenkontrolle stehen zu bleiben.

Ein Mitglied der Gruppe forderte daraufhin die anderen auf, weiter zu gehen und der Aufforderung der Polizeibeamten nicht nachzukommen. Die Mitglieder der Gruppe beschleunigten weiter ihre Schritte und versuchten, sich schnell Richtung Herrenstraße zu entfernen. Der Fahrer des Streifenfahrzeugs versuchte der Gruppe den Weg abzusperren und stellte das Fahrzeug vor der Einfahrt zur dortigen Tiefgarage auf dem Fahrbahn-/Gehsteigbereich, den „Fluchtweg“ sperrend ab. Die Mitglieder der Gruppe umgingen jedoch das Fahrzeug und entfernten sich weiter.

Zwei Mitglieder der Gruppe, darunter auch der nunmehrige Bw, wurden daraufhin um 18.50 Uhr von den beiden Polizisten (auch der Fahrer des Steifenfahrzeugs war mittlerweile ausgestiegen) im Kreuzungsbereich Rudigierstraße/Seilerstätte in der Form angehalten, dass die Polizisten sie mit den Händen jeweils an einem Oberarm festhielten. Die beiden äußerten darüber sofort lautstark ihren Unmut in der Form von Schimpfwörtern und durch wildes Gestikulieren mit den Armen. Die beiden wollten offenbar die Amtshandlung erschweren, sich dieser entziehen und durch ihr Verhalten auch den übrigen Mitgliedern der Gruppe die zeitliche Möglichkeit eröffnen, sich von den Polizisten zu entfernen. Von den Polizisten wurde sofort Verstärkung angefordert.

Die beiden Personen wurden in weiterer Folge wenige Meter zurück zum Streifenwagen verbracht. Der nunmehrige Bw wurde dort abgemahnt und über den Zweck des Einschreitens informiert. Er zeigte dort dem ihn kontrollierenden Polizisten einen Ausweis, dies jedoch unter Fortsetzung der Schimpfwörter und weiterhin wild gestikulierend.

Der Bw versuchte seit Beginn der Anhaltung mehrmals und immer wieder sich loszureißen, wiederholte die Schimpfwörter ebenfalls mehrmals und lautstark, versuchte sich so der Anhaltung wiederholt zu entziehen und die Personenkontrolle zu behindern. Da er sich nicht beruhigte, wurden ihm – nach nochmaliger Abmahnung – (am Rücken) Handfesseln angelegt. Er wurde daraufhin um 19.00 Uhr festgenommen und in weiterer Folge mit dem Arrestantenwagen weggebracht.

2.7. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, den gegenseitigen Behauptungen in den vorgelegten Stellungnahmen und der öffentlichen mündlichen Verhandlung einschließlich der dabei erhobenen weiteren Beweismittel.

Zusätzlich zum bis dahin vorhandenen Akteninhalt wurde zu den Vorkommnissen am Tattag vom erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenats Einschau gehalten in einen Artikel aus dem Textarchiv der Tageszeitung Oberösterreichische Nachrichten vom 8. Oktober 2007 sowie in von der Bundespolizeidirektion Linz beigeschafftes Filmmaterial über die Veranstaltung und die Demonstration. Beides wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung als Akteninhalt verlesen; auf die Vorführung des Filmmaterials in der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Parteien verzichtet.

Die Tatsache der Personenkontrolle wird auch vom Bw in seinen schriftlichen Stellungnahmen nicht bestritten und ergibt sich auch aus den Aussagen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Gleiches gilt im Ergebnis für die Frage der Abmahnung, die ua. in der Anzeige genau dokumentiert ist.

Widersprüche ergeben sich zwischen den Zeugenaussagen der Polizisten einerseits und der Zeugenaussage des Freundes des Bw und dessen eigener Aussage andererseits zur Frage, ob der Bw wild gestikuliert und Schimpfwörter gebraucht hat.

Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats folgt dabei im Ergebnis den Ausführungen der Polizisten, die als Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht und die sie im Fall einer Falschaussage treffende gerichtliche Sanktion die Geschehnisse schlüssig und widerspruchsfrei dargestellt haben. Die Polizisten haben überzeugend dargestellt, dass sie grundsätzlich und im konkreten Fall auch bei der in der Linzer Innenstadt zum Tatzeitpunkt herrschenden gespannten Gesamtlage eine relativ hohe Toleranzschwelle bei derartigen Amtshandlungen haben. Dieses Stimmungsbild untermauern auch die Filmaufnahmen. Wenn die Polizisten dann tatsächlich eingeschritten sind und den Bw anzeigten, so spricht alles dafür, dass sein Verhalten eben über der Toleranzschwelle gelegen war. Der Bw hätte alle weiteren Probleme dadurch vermeiden können, dass er die Identitätsfeststellung bei sich und seinem Freund nicht behindert und ruhig hinnehmen hätte können.

Die Aussagen der Polizisten sind klar und schlüssig. Es gibt keinen Hinweis oder Anhaltspunkte an den Schilderungen der geschulten Polizeiorgane zu zweifeln; im Übrigen kann vom erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenats auch keine Veranlassung gesehen werden, dass die Polizeibeamten ihnen unbekannte Personen wahrheitswidrig belasten würden.

Auch auf Grund der langjährigen Diensterfahrung der beiden Polizisten und der bekannten besonderen Brisanz der Lage (einschließlich der gegebenen Öffentlichkeit) zum Tatzeitpunkt kann nicht angenommen werden, dass sie eine Amtshandlung vorgenommen hätte, für die es keinen objektiven Anlass gegeben hätte.

Demgegenüber ist die Glaubwürdigkeit des Bw (und auch seines Freundes als Zeugen) insgesamt vor allem auch deswegen erschüttert, weil er sich lediglich darauf zurückzieht, dass er mit seinem Freund völlig ohne jeden Anlass überprüft wurde und nicht zur beobachteten Gruppe gehört hätte. Er konnte nicht schlüssig erklären, warum er überhaupt festgenommen (und sogar gefesselt) werden hätte sollen, wenn er – wie von ihm behauptet – sich ohnehin völlig ruhig verhalten habe. Im Übrigen hat er – insbesondere am Anfang des Verfahrens – jegliche Mitwirkung am Ermittlungsverfahren unterlassen und bei der Ersteinvernahme lediglich mitgeteilt, zur Sache nichts sagen zu wollen und nicht zu unterschreiben (Aktenvermerk vom 7. Oktober 2007). Gerade wenn sich der Sachverhalt tatsächlich so abgespielt hätte, wie der Bw in weiterer Folge dann behauptete, würde jede Person auf eine schriftliche Dokumentation geradezu drängen. Es steht jedem Beschuldigten zwar ohne weiteres zu, vom Recht der Verweigerung der Aussage Gebrauch zu machen und sich erst im weiteren Verfahren (allenfalls auch nach Einholung rechtskundiger Informationen) zu äußeren, dieser Punkt kann jedoch im Gesamtzusammenhang in die Beweiswürdigung einfließen. Gerade wenn sich der nunmehrige Bw seinerzeit nicht als Beschuldigter (weil aus seiner Sicht ja völlig unschuldig) fühlen musste, gab es keinen Grund, die Angelegenheit nicht aus seiner Sicht darzustellen und entsprechend zu dokumentieren.

Es kann – aus den bereits dargelegten Überlegungen (insbesondere der Erfahrung der Polizisten) – auch davon ausgegangen werden, dass eine Fixierung und Fesselung tatsächlich nur darum erfolgt ist, weil objektive Gründe (eben das geschilderte Verhalten des Bw) dies nötig machten. Diese Gründe müssen sich aus der Einzelfallbetrachtung im konkreten Umfeld ergeben, deren Einschätzung den erfahrenen Polizisten zugestanden wird. Insofern scheint ein Rückschluss von diesen Maßnahmen auf die Vorfälle, die zu ihrer Setzung geführt haben, zulässig.

Aus der Sicht des Oö. Verwaltungssenats ist daher der Version der Polizisten zu folgen.

3.  In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/ 1991, in der im vorliegenden Fall (vgl. § 1 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG; Tatzeitpunkt: 6. Oktober 2007) anzuwendenden Fassung zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2006, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnimmt, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

Zum Tatbild der zitierten Verwaltungsvorschrift gehört zunächst, dass ein Organ der öffentlichen Aufsicht in Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben einschreitet, was im vorliegenden Fall durch das Einschreiten zweier Polizeibeamter (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 3. Aufl, A.5.2.1 zu § 82 SPG) zum Zweck der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§§ 20 ff, §§ 27 ff und §§ 32 ff SPG) eindeutig gegeben ist.

Weiteres Tatbestandselement ist eine vorausgegangene Abmahnung. Abmahnung bedeutet so viel wie (Er-)Mahnung oder Zurechtweisung und besteht in der Aufforderung, ein Verhalten im Hinblick auf seine Gesetz- oder Ordnungswidrigkeit einzustellen, wobei die Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten einzustellen, den Hinweis auf dessen Unzulässigkeit impliziert. Das Gesetz schreibt den Ge­brauch bestimmter Worte für eine wirksame Abmahnung nicht vor, insbesondere muss sie nicht die Folgen weiteren Zuwiderhandelns zur Kenntnis bringen. Freilich muss dem Betroffenen die Abmahnung als solche erkennbar sein und bewusst werden. Im konkreten Fall musste dem Bw auf Grund der Gesamtsituation klar sein, dass er bereits (mehrfach) abgemahnt im Sinn dieser Bestimmung war.

Das zentrale Tatbestandsmerkmal einer Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 SPG besteht im aggressiven Verhalten. Unter aggressivem Verhalten ist ein solches zu verstehen, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines Polizeiorgans zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, dass diese Abwehr zufolge des Tons des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als „aggressives Verhalten“ gewertet werden muss (vgl. die Nachweis bei Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 3. Aufl, C 2 zu § 82 SPG). Das Gesetz verlangt aggressives Verhalten, einer „besonderen“ Aggressivität bedarf es aber nicht (vgl. Verwaltungsgerichtshof – VwGH vom 27. November 1989, 88/10/0184). Ein solches aggressives Verhalten liegt jedenfalls auch dann vor, wenn das Verhalten noch nicht als Anwendung von Gewalt oder als gefährliche Drohung (§ 269 des Strafgesetzbuchs [StGB] – Widerstand gegen die Staatsgewalt) zu qualifizieren ist.

Dabei ist eine aggressive Gestik tatbildlich, nicht aber in jedem Fall erforderlich. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist bereits das Schreien mit oder zu einem Aufsichtsorgan auch noch nach erfolgter Ab­mah­nung zur Erfüllung des Tatbestandes ausreichend, wobei der Inhalt der im Schreien vorgebrachten Argumente prinzipiell gleichgültig ist (VwGH vom 20. Dezember 1990, 90/10/0056).

Beschimpft der Beschuldigte die in rechtmäßiger Ausübung ihres Dienstes ein­schreitenden Polizeibeamten und verhält er sich diesen gegenüber aggressiv in­dem er mit den Händen heftig gestikuliert, so dass die Amtshandlung behindert wurde und stellt er dieses Verhalten trotz Abmahnung nicht ein, verwirklicht er das Tatbild des § 82 Abs. 1 SPG.

Entsprechend den Feststellungen und der Beweiswürdigung ist als erwiesen anzu­nehmen, dass der Bw jedenfalls auch nach der (ersten und sogar weiteren) Abmahnung(en) in einem lautstarken Ton die in Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben von den Polizeibeamten durchgeführte Amtshandlung (nämlich der ordnungsgemäßen Identitätsfeststellung) behindert hat.

Das Beschimpfen der Beamten in der Art und Weise, wie sie auch im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zitiert ist, im Zuge einer Amtshandlung und das damit verbundene Gestikulieren und der Gebrauch lauter Worte erfüllen den Tatbestand des § 82 Abs. 1 SPG. Dabei ist auch der Inhalt der schreiend vorgebrachten Äußerungen prinzipiell gleichgültig, indiziert allerdings wohl durchaus eine aggressive Haltung des Bw.

Das aggressive Verhalten des Bw war für die Behinderung ursächlich; die Amtshandlung wurde erschwert und verzögert, hinsichtlich der weiteren Mitglieder der ursprünglichen Gruppe im Ergebnis sogar verhindert.

Da auch die übrigen Tatbestandselemente der genannten Bestimmung zweifelsfrei vorliegen, hat der Bw somit tatbestandsmäßig gehandelt. Rechtfertigungsgründe sind nicht hervorgekommen. Ein Rechtsirrtum würde im Übrigen nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ausscheiden, da das im § 82 SPG gelegene Unrecht für jedermann leicht erkennbar ist (vgl. VwGH vom 25. November 1981, 81/10/0119).

Auf Grund des festgestellten Sachverhalts ist daher zweifelsfrei davon auszugehen, dass der Bw den objektiven Tatbestand verwirklicht hat.

3.2. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Ver­schulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahr­lässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Gebot dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs hat der Bw initiativ alles darzu­legen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch das Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die „Glaubhaftmachung“ nicht.

Der Bw hat in dieser Hinsicht nichts vorbringen können, was seine Ver­ant­wortung für die Verwaltungsübertretung verhindern würde. Im konkreten Fall kann wohl davon ausgegangen werden, dass der Bw die Verwaltungsübertretung zumindest grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich begangen hat, jedenfalls billigend in Kauf nahm, dass durch sein Verhalten eine Amtshandlung gestört und erschwert wurde.

Auch auf der Verschuldensebene teilt der Unabhängige Verwaltungssenat damit im Ergebnis die Ansicht der Behörde erster Instanz.

Die Strafbarkeit des Bw ist daher gegeben.

3.3. Die verhängte Strafe ist jedenfalls tat- und schuldangemessen. Die Geldstrafe von 150 Euro ist mit etwa Zwei/Drittel der Höchststrafe angesiedelt, da nach § 82 Abs. 1 SPG Geldstrafen bis 218 Euro verhängt werden können. In Anbetracht des vorgesehenen Strafrahmens scheint die Straffestsetzung insgesamt jedenfalls tat- und schuldangemessen. Gerade auch vor dem Hintergrund der allgemein anerkannten generellen Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im öffentlichen Raum und der Tatsache, dass im vorliegenden Fall das Verhalten und die Einstellung des Bw offenbar durch eine besondere Sorglosigkeit gekennzeichnet war, wäre wohl auch eine höhere Strafe vertretbar gewesen.

Im Übrigen hat der Bw auch keine Gründe vorgebracht, die gegen die Annahmen zur Strafhöhe durch die Behörde erster Instanz sprechen.

Abgesehen davon wären die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse ohnedies nur ausnahmsweise nach Maßgabe der einzelnen Milderungs- und Erschwerungsgründe nach den §§ 32 bis 35 StGB, wie etwa dem Milderungsgrund der drückenden Notlage iSd § 34 Abs. 1 Z 10 StGB zu berücksichtigen. Eine solche „drückende Notlage“ wurde vom Bw auch selbst nicht behauptet. Im Übrigen haben die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse im Zusammenhang mit der Wertung der Milderungs- und Erschwerungsgründe außer Betracht zu bleiben (Verwaltungsgerichtshof vom 3. November 2005, 2005/15/0106, vom 15. April 2005, 2005/02/0086 und vom 20. September 2000, 2000/03/0074).

Der Oö. Verwaltungssenat vertritt daher insgesamt die Auffassung, dass die belangte Behörde von ihrem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.

3.4. Aufgrund der demnach durchaus berechtigten Höhe der verhängten Strafe und auch aufgrund sowohl spezial- als auch generalpräventiver Überlegungen kam für den Oö. Verwaltungssenat eine Anwendung des § 21 VStG mangels Geringfügigkeit des Verschuldens nicht in Betracht. Dies vor allem deshalb, da nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats das tatbildmäßige Verhalten des Bw gerade nicht in dem dafür notwendigen Ausmaß erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückblieb, der in der Verwaltungsvorschrift unter Strafe gestellt ist (vgl. bereits 3.2 und 3.3). Es war daher nicht von der Strafe abzusehen und auch nicht mit Ermahnung vorzugehen.

3.5. Zusammenfassend wird daher festgestellt, dass der Bw nicht in seinen Rechten verletzt wurde, weshalb die Berufung als unbegründet abzuweisen und das ange­fochtene Straferkenntnis zu bestätigen war.

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG zusätzlich zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, das sind 30 Euro, vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Wolfgang Steiner

Beschlagwortung:

§ 82 Abs.1 SPG

 

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