Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400938/4/Ste

Linz, 18.03.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Be­schwerde des V I, vertreten durch Dr. K K und Mag. W B, Rechtsanwälte, G, wegen Anhaltung in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Linz durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

I.                  Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft wird für rechtswidrig erklärt; gleichzeitig wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen.

 

II.              Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 673,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs 1 und 83 Abs 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm. §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Vöcklabruck vom 21. Jänner 2008, Sich 40-1075-2008, wurde die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs 2 Ziffer 2 und 4 FPG über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde im Schubhaftbescheid neben dem entscheidungswesentlichen Sachverhalt im Wesentlichen aus, dass aufgrund der bereits in der Vergangenheit erfolgten illegalen Grenzübertritte innerhalb der Europäischen Union (von Polen bis nach Österreich am Landweg) seitens des Bf davon auszugehen ist, dass dieser offensichtlich in keiner Weise gewillt sei, die Rechtsordnung des Gastlandes bezüglich des Fremdenrechtes zu respektieren. Hinzu komme, dass der Bf sich bereits in Polen dem Asylverfahren entzogen habe und in die Illegalität abgetaucht sei sowie eindeutig kundgetan habe, dass er keinesfalls nach Polen zurückkehren wolle. Aus dem Verhalten des Bf sei somit der Schluss zulässig, dass er sich den fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen wolle und einen klassischen "Asyltourismus" praktiziere. Des Weiteren erhöhe die Tatsache, dass ein Bruder und eine Schwester des Bf in Österreich wohnhaft seien die Gefahr des Untertauchens in die Illegalität im Bundesgebiet Österreich, da dieser verwandtschaftliche Bezug umso mehr Österreich als "Zielland" präferiere und nicht das für die Prüfung des Asylbegehrens zuständige Land Polen. Insofern sei akuter und konkreter Sicherungsbedarf gegeben. Ein gelinderes Mittel käme alledem zufolge nicht in Betracht, zumal ein solches auch die Gefahr beinhalten würde, dass der Bf nach einem möglichen Abtauchen in die Illegalität dem österreichischen Staat finanziell zur Last fallen könnte bzw. dass er zur Bestreitung des Unterhaltes straffällig werden könnte.

2.1. In der vorliegenden Beschwerde vom 13. März 2008, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax am 14. März 2008, stellt der Bf die Anträge, der Unabhängige Verwaltungssenat möge 1. die Schubhaftverhängung sowie 2. die gesamte bisherige Anhaltung für rechtswidrig erklären, 3. feststellen, dass die Voraussetzungen für die Fortdauer der Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen, sowie 4. erkennen, der Bund bzw. die belangte Behörde ist schuldig, die dem Bf durch das Verfahren entstandenen Kosten im unten (im Einzelnen) verzeichneten gesetzlichen Ausmaß zu Handen der Rechtsvertreter binnen zu bestimmender Frist bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründend führt der Bf diesbezüglich insbesondere aus, dass der für das Verhängen einer Schubhaft erforderliche Sicherungsbedarf nicht gegeben sei. Der Bf habe sich seiner Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet niemals widersetzt und habe vielmehr bereitwillig alle Fragen der Behörden beantwortet sowie kein Verhalten an den Tag gelegt, welches auf eine Entziehung der fremdenpolizeilichen Maßnahmen deuten würde. Sogleich nach der Einreise nach Österreich hätte er einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht und den bereits gestellten Asylantrag in Polen nicht verschwiegen. Auch sei der Bf durch seinen Anspruch auf Unterkunft und Versorgung in der Erstaufnahmestelle sozial abgesichert, sodass dadurch und anlässlich seines tatsächlichen Aufenthaltes in der Erstaufnahmestelle kein Sicherungsbedarf gegeben sei. Hinzu kommt, dass der Bruder und die Schwester des Bf als anerkannte Flüchtlinge in Österreich leben würden und diese bereit und in der Lage wären, dem Bf Unterkunft zu bieten und für seinen Unterhalt zu sorgen. Dieser familiäre Rückhalt würde gegen die Annahme eines Sicherungsbedarfes sprechen, da der Bf folglich ja in Österreich bleiben möchte. Alledem zufolge sei mangels Vorliegens eines Sicherungsbedürfnisses die Schubhaftverhängung bzw. die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig. Im Übrigen stelle die von der belangten Behörde angeführte mangelnde Ausreisewilligkeit nach der höchstgerichtlichen Judikatur ebenso wenig einen ausreichenden Grund für die Verhängung der Schubhaft dar, wie die Tatsache, dass der Bf über kein gültiges Reisedokument verfügt.

Selbst wenn ein allfälliger Sicherungsbedarf zu bejahen wäre, hätte die belangte Behörde im konkreten Fall mit der Anwendung gelinderer Mittel des Auslangen finden müssen. Der Anordnung etwa sich regelmäßig bei einer Sicherheitsbehörde zu melden, wäre der Bf jedenfalls nachgekommen.

Aufgrund der in Österreich lebenden Geschwister des Bf wäre auch eine auf die Selbsteintrittspflicht gestützte Zuständigkeit Österreichs nach der Dublin II VO denkbar, sodass die auf die Unzuständigkeit Österreichs betreffend der Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gestützte Verhängung der Schubhaft auch deshalb rechtswidrig sei.

2.2. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat den bezughabenden Verwaltungsakt am 17. März 2008 übermittelt und eine kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde beantragt.

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, der zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen ist (§ 83 Abs 2 FPG) hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt und unstrittig ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs 2 Z 1 FPG abgesehen werden.

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

Der Bf, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste am 14. Jänner 2008 illegal nach Österreich ein und brachte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz beim Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, in Thalham ein. Zuvor, am 20. Dezember 2007, hatte der Bf bereits in Polen einen Asylantrag gestellt, woraufhin er in einem Flüchtlingslager in D untergebracht wurde. Am 13. Jänner 2007 verließ er die von den polnischen Behörden zur Verfügung gestellte Unterkunft und reiste per Bahn nach Österreich ein, wo er nach Stellung des Asylantrages in der bundesbetreuten Unterkunft in der Erstaufnahmestelle West untergebracht wurde.

Am 21. Jänner 2008 wurde dem Bf die Mitteilung des Bundesasylamtes vom 16. Jänner 2008, Zl: 0800.551, gemäß § 29 Abs 3 Ziffer 4 AsylG 2005 ausgefolgt, wonach beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen Unzuständigkeit Österreichs nach der Dublin II-VO gemäß § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen. In der Folge wurde die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck seitens des Bundesasylamtes von der Einleitung des Ausweisungsverfahrens nach § 10 AsylG in Kenntnis gesetzt.

Der Rechtsmittelwerber besitzt weder ein Aufenthaltsrecht für Österreich, noch kann er ein Nationalreisedokument vorweisen, da sich sein Pass laut eigenen Angaben in Polen befindet. Er ist mittellos. Seinen Angaben zufolge möchte er aus Angst in Polen verfolgt zu werden und dort keine ausreichende medizinische Versorgung zu erhalten, dorthin keinesfalls zurück und außerdem befinden sich sein Bruder und seine Schwester ebenfalls in Österreich.

Am 21. Jänner 2008 wurde der Bf, zur Verhängung der Schubhaft und zur weiteren Verwahrung in dieser, festgenommen. Er befindet sich auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats in Schubhaft.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat über die vorliegende Beschwerde erwogen:

3.1. Gemäß § 82 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat nach § 83 Abs 4 FPG jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

Der Bf ist Fremder und wurde in Oberösterreich festgenommen und wird seit 21. Jänner 2008 in Schubhaft angehalten. Seine am 14. Jänner 2008 eingelangte Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

3.2. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung war der Bf, wie sich unwidersprochen aus der Aktenlage und der Beschwerdebegründung ergibt, Asylwerber. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

Im konkreten Fall hat sich die belangte Behörde bei der Schubhaftverhängung auf § 76 Abs 2 Z 2 und Z 4 FPG gestützt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass eine Zurückweisung des Asylantrages des Bf aufgrund des Dublin-Abkommens beabsichtigt ist. In diesem Zusammenhang wurde dem Bf gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 nachweislich zur Kenntnis gebracht, dass Konsultationen mit Polen seit dem 16.01.2008 laufen und ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden ist. Auch die belangte Behörde wurde gemäß § 27 Abs 7 AsylG 2005 über das Ausweisungsverfahren des Bf informiert. Damit lagen entsprechend § 76 Abs 2 Z 2 und Z 4 FPG sowohl die Voraussetzungen des eingeleiteten Ausweisungsverfahrens als auch der behördlichen Annahme der Zurückweisung des Antrags mangels Zuständigkeit Österreichs offensichtlich vor, sodass grundsätzlich eine Schubhaftverhängung rechtlich möglich war.

3.3 Nach der neueren und nunmehr ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) sind allerdings sämtliche Schubhafttatbestände des § 76 Abs 2 FPG final determiniert. Sie rechtfertigen die Verhängung von Schubhaft nur "zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung". Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat darüber hinaus, in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf (vgl: dazu das Erkenntnis des VwGH vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043).

Die Verhängung der Schubhaft erweist sich als rechtswidrig, wenn diese Maßnahme aus Gründen des Einzelfalls in Abwägung mit insbesondere verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten unverhältnismäßig ist oder an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel iSd § 77 Abs 1 hätten angewendet werden können. Diesbezüglich ist das in dieser Bestimmung vom Wortlaut "kann" vorgesehene Ermessen für die Behörde eingeschränkt und muss jeweils einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden.

Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gemäß Abs 3 leg. cit. kommt als gelinderes Mittel insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

Im konkreten Fall war im Ergebnis die Verhängung der Schubhaft unverhältnismäßig. Für die Erreichung des von der Behörde angestrebten Ziels wären auch die im Gesetz vorgesehenen gelinderen Mittel, etwa die Auferlegung der Verpflichtung zur Unterkunftnahme an einem bestimmten Ort und zur periodischen Meldung bei einem bestimmten Polizeikommando, denkbar gewesen. Gegenteiliges konnte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Verwaltungssenats – unter Bedachtnahme auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts – von der belangten Behörde nicht ausreichend dargelegt werden.

Zum Einen rechtfertigt der Umstand, dass ein Asylwerber bereits in einem anderen Land die Gewährung von Asyl beantragt hat, für sich nicht den Schluss, dass er unrechtmäßig in einen anderen Staat weiterziehen und sich so dem Verfahren entziehen werde (VfGH vom 28. September 2004, B 292/04). Auch vermag "bloße Ausreiseunwilligkeit" eine Schubhaftverhängung nicht zu rechtfertigen (VwGH vom 30. August 2007, 2006/21/0107). Selbst das kumulative Vorliegen von illegaler Einreise, das Fehlen erforderlicher Dokumente, mangelnde berufliche Integration im Inland, fehlende Krankenversicherung und Mittellosigkeit kann nach Ansicht des VwGH nicht generell zur zulässigen Verhängung der Schubhaft führen, da diese nicht zu einer "Standardmaßnahme" gegen Asylwerber werden darf (VwGH vom 24. Oktober 2007, 2006/21/0239).

Zum Anderen lässt die belangte Behörde wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht, die im Sinn der gebotenen Einzelfallprüfung zu berücksichtigen gewesen wären. So ist bei der Prüfung des konkreten Sicherungsbedarfes das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (VwGH 27. Februar 2007, 2006/21/0311). Der Bf ist unbestritten am Tag seiner Einreise von sich aus mit den österreichischen Behörden in Kontakt getreten und hat einen Asylantrag gestellt. Auch hat er wahrheitsgemäße Angaben über seine Identität und den bereits in Polen gestellten Asylantrag erstattet. Insofern ist er zwar illegal in Österreich eingereist, er hat sich hier jedoch nicht im Untergrund verborgen gehalten, sondern ist noch am selben Tag bei der Erstaufnahmestelle West in Thalham vorstellig geworden. Folglich kann dem Bf nicht unterstellt werden, dass er offensichtlich in keiner Weise gewillt sei die Rechtsordnung des Gastlandes im Bereich des Fremdenrechts zu respektieren. Zwar trifft es zu, dass der Bf den Ausgang des polnischen Asylverfahrens nicht abgewartet hat, allerdings hat er diesbezüglich ausgeführt, dass er sich in Polen nicht sicher fühle und er dort auch keine medizinische Versorgung erhielte. Diese Einwände rechtfertigen aus seiner subjektiven Sicht eine Weiterreise nach Österreich. Im Übrigen wurden die familiären Anknüpfungspunkte zu den – nach dem Vorbringen des Bf als "anerkannte Flüchtlinge" – in Österreich lebenden beiden Angehörigen des Bf einerseits zu gering im Hinblick auf eine mögliche finanzielle Unterstützung des Bf gewichtet. Andererseits kann dem Bf nicht ohne konkrete triftige Anhaltspunkte a priori ein Untertauchen in die Illegalität im Bundesgebiet der Republik Österreich unterstellt werden bzw. ebenso wenig, dass er ein gelinderes Mittel dazu und zur illegalen Bestreitung seines Unterhaltes benützen werde oder könnte.

Entsprechend der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es konkreter und stichhaltiger Gründe welche die Prognose rechtfertigen, dass sich ein Asyl­werber dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde. In einer Entscheidung reichen sogar das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme, strafgerichtliche Verurteilungen und fehlende Ausreisewilligkeit hierfür allein nicht aus (VwGH 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081). Dem entsprechend rechtfertigen im vorliegenden Fall die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Entscheidungsgründe – insbesondere die illegale Einreise nach vorausgehender Asylantragstellung in Polen zusammen mit der Ausreiseunwilligkeit – keine derartige Prognoseentscheidung zu Lasten des Bf. Auch die seitens der belangten Behörde aufgestellten Vermutungen bezüglich des drohenden Abtauchens des Bf in die Illegalität, vermögen mangels konkreter Anhaltspunkte das Risiko des Untertauchens nicht schlüssig zu begründen.

3.4. Die Verhängung der Schubhaft wie auch die folgende Anhaltung waren nicht verhältnismäßig, da bei der gegebenen Sachlage, insbesondere dem oben näher geschilderten bisherigen und auf dieser Basis zu prognostizierenden Verhalten des Bf, nicht festgestellt oder erwartet werden kann, dass dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit ein dieses verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht überwiegendes Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber steht. Wie schon dargelegt sind diese öffentlichen Interessen vom Verhalten des Bf nicht konkret beeinträchtigt; die von der belangten Behörde angenommen Beeinträchtigung basiert auf der Basis der derzeit zur Verfügung stehenden Informationen ausschließlich auf generellen spekulativen Prognosen. Die Verhängung der Schubhaft war unter Bedachtnahme auf die Alternativen des § 77 FPG und die Verhältnismäßigkeitsprüfung daher nicht erforderlich, sodass der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs 3 AVG deren Rechtswidrigkeit festzustellen hatte. Auch für eine weitere Anhaltung in Schubhaft fehlt damit eine rechtliche Grundlage.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ist der Bf als obsiegende Partei anzusehen und waren ihm nach § 79a AVG iVm. der UVS-Aufwandersatzverordnung Kosten in dem von ihm verzeichnet Ausmaß von insgesamt 673,80 Euro zuzusprechen. Der darüber hinausgehende Anteil an den Stempelgebühren (vgl. unten Punkt 5) konnte – mangels Antrag (vgl. § 79a Abs. 6 AVG) nicht zugesprochen werden.

5. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 20,40 Euro (13,20 Euro für den Schriftsatz und 7,20 für zwei Bogen einer Beilage) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei. Diese Gebühren sind zum Teil im zugesprochenen Aufwandersatz (vgl. 4.) bereits enthalten. Auf § 79a Abs. 4 Z. 1 AVG wird hingewiesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Wolfgang Steiner

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum