Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222185/2/Bm/Sta

Linz, 15.04.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn U B, vertreten durch Rechtsanwälte Z & M Rechtsanwälte KEG, G,  L, gegen den Bescheid des Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz vom 11.9.2007, GZ. 00/2007, mit welchem ein Antrag auf Wiederaufnahme eines Verwaltungsstrafverfahrens abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.2.2008,  zu Recht erkannt:

 

I.                  Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II.              Der Berufungswerber hat einen Kostenbeitrag von 73 Euro zum Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 iVm § 69 Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG;

zu II.: § 64 Abs.2 und 6  VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Berufungswerbers vom 13.8.2007 auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen. Bezogen ist der Wiederaufnahmeantrag auf die Strafverfügung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 7.3.2007, GZ. 00/2007 BzVA.

 

2. Begründend führt die belangte Behörde dazu aus, dass die gegenständliche Strafverfügung, betreffend eine Bestrafung nach der Gewerbeordnung 1994, am 12.4.2007 rechtskräftig geworden sei. Der angefochtene Bescheid referiert den Inhalt des Wiederaufnahmeantrages vom 13.8.2007 und nimmt Bezug auf die Zeugenaussage des S B, des R K und des G P vom 1.10.2007. In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, dass die GewO in § 9 Abs.1 und § 370 Abs.2 selbstständige Regelungen hinsichtlich der Delegierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der nach außen zur Vertretung berufenen Organe juristischer Personen treffe, und damit für den Bereich des Gewerberechtes § 9 Abs.2 VStG nicht anwendbar sei. Der Berufungswerber habe im gegenständlichen Fall gegen die Strafverfügung keinen Einspruch erhoben, wodurch die zu beweisende Tatsache der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im abgeschlossenen Verfahren gar nicht geltend gemacht worden sei und somit auch nicht mehr Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens sein könne. Insgesamt gesehen hätte jedoch ein Einspruch mit dem Vorbringen der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragen nichts an der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Antragstellers geändert. Auf Grund der in sich schlüssigen und glaubhaften Zeugenaussage von Herrn B S sei weiters davon auszugehen, dass die in Rede stehende Zustimmungserklärung erst nach dem Tatzeitpunkt unterschrieben worden sei, nämlich Anfang 2007 und wäre somit auch bei fristgerechtem Einspruchsvorbringen aus diesem Grund ebenfalls nicht entscheidungsrelevant gewesen.   

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde vom Berufungswerber im Wege seines anwaltlichen Vertreters innerhalb offener Frist Berufung eingebracht und diese im Wesentlichen damit begründet, die erstinstanzliche Behörde habe nach Kenntnis des Einschreiters in diesem Verfahren keinerlei Beweise aufgenommen. Der Einschreiter sei nie aufgefordert worden, zu etwaigen Zeugeneinvernahmen im Rahmen anderer Verfahren eine Stellungnahme abzugeben; derartige Beweisergebnisse seien dem Einschreiter vor Erlassung des angefochtenen Bescheides auch nicht zugestellt worden. Die erstinstanzliche Behörde habe daher das Recht auf Parteiengehör verletzt. Insoweit die erstinstanzliche Behörde auf die Zeugenaussage des B Sl verweise, wonach die Zustimmungserklärung erst nach dem Zeitpunkt unterschrieben worden sei, unterlasse es die Behörde, sich mit den übrigen Beweisergebnissen auseinanderzusetzen.  Insbesondere widerspreche diese Angabe der Zeugenaussage des R K. Darüber hinaus habe die erstinstanzliche Behörde es unterlassen, die betreffend den Einschreiter bzw. den Zeugen B S aufliegenden Daten hinsichtlich (ehemalig) angemeldeter Gewerbe zu berücksichtigen.

Im Herbst 2007 habe der Einschreiter beabsichtigt, das Lokal "C A" in der K Straße  zu übernehmen und das entsprechende Gewerbe hiefür anzumelden. In Vorbereitung auf die für 1.12.2004 geplante Geschäftseröffnung bzw. Neuübernahme habe G P, der Steuerberater des Beschuldigten, diesem geraten, einen "verantwortlichen Beauftragten" für dieses Lokal zu bestellen. Demgemäß habe der Beschuldigte noch vor dem 1.12.2004 eine entsprechende Vereinbarung mit S B getroffen. Dieser habe vor dem 1.12.2004 die entsprechende Bestellungsurkunde unterfertigt. In weiterer Folge habe sich der Einschreiter entschieden, dass doch nicht er dieses Lokal übernehme. Demgemäß sei seinerzeit auch keine Gewerbeanmeldung durch den Beschuldigten erfolgt. Vielmehr sei zwischen dem Beschuldigten und B S vereinbart worden, das Letzterer das Lokal übernehme, woraufhin B S mit 1.12.2004 auch eine entsprechende Gewerbeanmeldung vorgenommen habe. Der Berufungswerber habe sodann im Frühjahr 2006 das Lokal von B S übernommen. Gleichzeitig sei die seinerzeitige Vereinbarung, wonach B S verantwortlicher Beauftragter des Beschuldigten sein sollte (mündlich) erneuert worden, die auf Grund der bereits an die Behörde übermittelte Bestellungsurkunde ohnedies bereits dokumentiert gewesen sei. Der Beschuldigte habe sich Anfang Jänner 2007 entschieden, den Betrieb des Lokales "C A" wieder zu beenden, was dann auch Ende Jänner 2007 erfolgt sei. Mit 31.1.2007 sei vom Einschreiter das Gewerbe abgemeldet worden. Ein Grund, nach Beendigung dieser Gewerbetätigkeit für das C A einen verantwortlich Beauftragten zu bestellen, sei nicht ersichtlich. Es sei daher auch vollkommen unzutreffend, dass der Beschuldigte erst im Jahr 2007 die Bestellung vorgenommen hätte. Die diesbezügliche Aussage des Zeugen S B sei daher inhaltlich unzutreffend. Im Übrigen seien diese Angaben auch nicht mit den Angaben des R K in Einklang zu bringen, wonach dieser die Bestellungsurkunde am 1.12.2004, wie auch handschriftlich darauf vermerkt, der Behörde übergeben habe. Richtig sei, dass die Tatsache der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im abgeschlossenen Verfahren gar nicht geltend gemacht worden sei. Der Berufungswerber habe während des abgeschlossenen Strafverfahrens nicht über die Bestellungsurkunde oder eine Abschrift hievon verfügt. Auf Grund der seinerzeitigen Rücksprache des Berufungswerbers bei seinem Steuerberater habe Ersterer auch akzeptieren müssen, dass diese Urkunde im Verwaltungsstrafver­fahren nicht vorgelegt werden könne. Dergestalt wäre eine dementsprechende Behauptung im abgeschlossenen Verfahren vollkommen aussichtslos gewesen. Der Berufungswerber sei daher nicht gezwungen gewesen, ein aussichtsloses Vorbringen zu erstatten. Der Umstand, dass diese Tatsache bzw. diese Bestellungsurkunde im vorangegangenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sei, gereiche dem Einschreiter nicht zum Verschulden.

Richtig sei, dass die Gewerbeordnung gesonderte Vorschriften für juristische Personen bzw. Personengesellschaften des Handelsrechts über deren Vertretung enthalte. Dessen ungeachtet könnten auch die nach den Vorschriften der Gewerbeordnung nach außen für den Gewerbeinhaber vertretungsbefugten Personen einen verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs.2 VStG bestellen. Sei kein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt, so sei allenfalls ein verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs.2 VStG verantwortlich. Der angegebene Umstand, hätte daher sehr wohl eine Auswirkung auf die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Berufungswerbers gehabt.

Es werde daher beantragt, dem seinerzeitigen Antrag vom 13.8.2007 vollinhaltlich stattzugeben, in eventu

den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 11.9.2007 aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

 

4. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und in die von den Parteien vorgelegten Unterlagen sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.2.2008, zu welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter erschienen sind. Weiters wurden die Zeugen G P, R K und B S geladen und unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht einvernommen.

 

5.1. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt die gegenständlich relevante Strafverfügung samt zugehörigen Aktenstücken bei. Weiters findet sich im Akt der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag sowie ein mit "Bestellungsurkunde" überschriebenes und undatiertes Schriftstück. Dieses Schriftstück ist - nur – von S B  unterzeichnet. Weiters findet sich darauf der handschriftliche Vermerk: "Übergeben am 1.12.2004" mit einer Paraphe.

 

Das Schriftstück hat folgenden Text:

"1. U B, geboren am , bestellt hiermit als Geschäftsführer der 'G D S' G GmbH & Co KG S B, geboren am , gemäß § 9 VStG zum "Verantwortlichen Beauftragten" für die Einhaltung sämtlicher arbeitsrechtlicher Bestimmungen, insbesondere betreffend Arbeitssicherung, Arbeitszeit und Beschäftigungsbewilligung sowie für sämtliche sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen im Betrieb der Fa. "G D S" Gebäudereinigungs GmbH & Co KG.

 

2. U B, geboren am ; bestellt hiermit als Inhaber des Gastgewerbes "C A" in  L, K Straße , S B, geboren am , gemäß § 9 VStG zum "verantwortlichen Beauftragten" für die Einhaltung sämtlicher gewerberechtlicher sowie sämtlicher sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen im C A.

 

S B erklärt hiezu seine ausdrückliche Zustimmung."

 

Weiters im Akt enthalten sind folgende "eidesstättige Erklärungen":

"Der endesgefertigte Steuerberater G P, geb. am ,  L, K, erklärt hiermit an Eides statt:

 

1.        Im Herbst 2004 – jedenfalls vor 1. Dezember 2004 – wurde die Bestellungsurkunde, mit der S B von U B zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden war, an Steuerberater G P zum Zweck der Anzeige an das Zollamt Linz übergeben.

2.        R K hat am 1.12.2004 eine Kopie der Bestellungsurkunde in der Einlaufstelle des Zollamtes Linz übergeben. Der handschriftliche Vermerk am Original der Bestellungsurkunde "übergeben am 1.12.2004" wurde von R K angebracht.

3.        Das Original der Bestellungsurkunde mit dem handschriftlichen Vermerk von R K wurde in der Steuerberatungskanzlei G P verwahrt. Das Schriftstück ist jedoch versehentlich in einen falschen Handakt eingelegt worden. Anlässlich der Nachfrage des U B bei Steuerberater G P im Zusammenhang mit dem jeweils eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren teilte G P – nach entsprechender Einsicht in die U B betreffenden Handakten – fest, dass er weder eine bezughabende Urkunde habe, noch sonst eine Auskunft darüber erteilen könne, ob bzw. wann die Bestellungsurkunde beim Zollamt Linz eingelangt sei.

4.        Ende Juli 2007 "entdeckte" Steuerberater G P das Original der Bestellungsurkunde in einem nicht U B betreffenden Handakt. Am 1.8.2007 hat Steuerberater G P U B hievon verständigt und ihm dieses Schriftstück ausgehändigt."

Diese Erklärung ist am 9.8.2007 unterfertigt worden.

 

"Der endesgefertigte R K, geb. am ,  H, erklärt hiermit an Eides statt:

1.          R K hat am 1.12.2004 eine Kopie der Bestellungsurkunde, gemäß der S B von U B zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden ist, in der Einlaufstelle des Zollamtes Linz übergeben. Der handschriftliche Vermerk am Original der Bestellungsurkunde "übergeben am 1.12.2004" wurde von R K angebracht.

2.          Das Original der Bestellungsurkunde mit dem handschriftlichen Vermerk von R K wurde in der Steuerberatungskanzlei G P verwahrt. Das Schriftstück ist jedoch versehentlich in einen falschen Handakt eingelegt worden.

3.          Ende Juli 2007 "entdeckte" Steuerberater G P das Original der Bestellungsurkunde in einem nicht U B betreffenden Handakt. Am 1.8.2007 hat Steuerberater G P U B hievon verständigt und ihm dieses Schriftstück ausgehändigt."

Diese Erklärung ist am 9.8.2007 unterfertigt worden.

"Der endesgefertigte S B, geboren am , wohnhaft in  L, H, erklärt hiermit an Eides statt:

1.          Im Herbst 2004 – jedenfalls vor 1. Dezember 2004 – wurde S B von U B zum verantwortlichen Beauftragten einerseits für die Firma "G D S" G GmbH & Co KG und andererseits für den Gastbetrieb "C A" bestellt; B S hat mit Unterfertigung der entsprechenden Bestellungsurkunde seine ausdrückliche Zustimmung hiezu erteilt.

2.          Das Original dieser Bestellungsurkunde wurde wenige Tage nach Unterfertigung an Steuerberater G P zum Zweck der Anzeige an das Zollamt Linz übergeben."

Diese Erklärung wurde am 9.8.2007 unterzeichnet.

"Der endesgefertigte U B, geboren am , wohnhaft in  L, erklärt hiermit am Eides statt,

1.          Im Herbst 2004 – jedenfalls vor 1. Dezember 2004 – wurde S B von U B zum verantwortlichen Beauftragten einerseits für die Firma "G D S" G GmbH & Co KG und andererseits für den Gastbetrieb "C A" bestellt. B S hat mit Unterfertigung der entsprechenden Bestellungsurkunde seine ausdrückliche Zustimmung hiezu erteilt.

2.          Das Original dieser Bestellungsurkunde wurde wenige Tage nach Unterfertigung an Steuerberater G P zum Zweck der Anzeige an das Zollamt Linz übergeben.

3.          Anlässlich der Nachfrage des U B bei Steuerberater G P im Zusammenhang mit den eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren teilte G P – nach entsprechender Einsicht in die U B betreffenden Handakten – festgestellt, dass er weder eine bezughabende Urkunde habe, noch sonst eine Auskunft darüber erteilen könne, ob bzw. wann die Bestellungsurkunde beim Zollamt Linz eingelangt sei.

4.          Am 1.8.2007 hat Steuerberater G P U B hievon verständigt, dass er das Original der Bestellungsurkunde in einem nicht U B betreffenden Handakt gefunden hat, und ihm dieses Schriftstück ausgehändigt."

Dieses Schriftstück wurde am 9.8.2007 unterzeichnet.

 

 

In der mündlichen Verhandlung wurde ein Auszug aus dem Zentralen Gewerberegister vorgelegt, aus dem ersichtlich ist, dass der Berufungswerber im Zeitraum vom 3.5.2006 bis 13.4.2007 Gewerbeinhaber für das Gastgewerbe im Standort K Straße , L, war. Für den Zeitraum 1.12.2004 bis 19.1.2006 besaß der Zeuge B S die Gewerbeberechtigung für das oben angegebene Gastgewerbe in oa Standort.

Im Akt enthalten sind die Niederschriften über die Vernehmung der Zeugen S B, R K und G P vom 1.10.2007.

 

S B sagte vor der belangten Behörde aus:

"... die Bestellurkunde wurde in der mir vorgelegten Form unterzeichnet. Ich war mir zum Zeitpunkt der Unterschrift auch bewusst, was ich unterschreibe. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich etwa Anfang 2007 die vorgelegte Bestellurkunde unterzeichnet, da das Lokal in der K Straße erst im Herbst 2006 in Betrieb gegangen ist. Ich kann definitiv angeben, dass ich erst nach der Inbetriebnahme des C A diese Urkunde unterschrieben habe.

 

 

Von R K wurde am 1.10.2007 vor der belangten Behörde ausgesagt:

"Die mir vorgelegte Bestellurkunde wurde von mir tatsächlich zu dem handschriftlich angebrachten Vermerk – 01.12.2004 übergeben mit meiner Paraphe – an das Zollamt Linz, H,  L, weitergeleitet. Die eidesstattliche Erklärung wurde von mir, soweit ich mich erinnern kann, am 09.08.2007 abgegeben. Ich wurde diesbezüglich von meinem Chef und, soweit ich noch weiß, von Herrn Mag. Z um diese Erklärung ersucht.

Ich kann mir nicht erklären, warum in der Bestellurkunde, datiert mit 01.12.2004 übergeben, das Lokal "C A", K Straße, L, das nachweislich erst am 03.05.2006 angemeldet wurde, aufscheint."

 

G P sagte am 1.10.2007 vor der belangten Behörde zeugenschaftlich einvernommen aus:

"Irgendwann im Zeitraum 2003 oder 2004 habe ich an B die Empfehlung gegeben, dass er Herrn S B für den Fall seiner Abwesenheit ein Dokument hinsichtlich der Vertretung von Behörden etc. ausstellen sollte. Ich habe ihm daher empfohlen, dass er sich ein derartiges Dokument von einem Juristen aufsetzen lassen solle.

An ein konkretes Datum, wann die mir vorgelegte Urkunde meinem Büro übergeben wurde, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich weiß lediglich, dass ich diese Urkunde im Juli 2007 gefunden habe.

Angeben kann ich, dass ursprünglich geplant war, dass das Lokal in der K Straße von Herr B geführt werden sollte. Ich habe ihm davon abgeraten und so wurde das Lokal ab 01.12.2004 bis 19.01.2006 von Herrn B S persönlich geführt. Er war in diesem Zeitraum Gewerbeinhaber.

Auf Vorhalt, dass es bemerkenswert ist, dass Herr B bereits im Jahr 2004 eine Bestellurkunde für das C A erstellt habe, wo er allerdings erst ab Mai 2006 das Lokal geführt habe, wird angegeben, dass der genaue Zeitpunkt der Erstellung der Bestellurkunde nicht mehr erinnerlich sei, jedoch im Hinblick auf das oben gesagte, wahrscheinlich sei.

Zu meinen Angaben in der eidesstattlichen Erklärung gebe ich an, dass ich auf Grund des Vermerkes auf der Bestellurkunde – gemeint ist der 01.12.2004 – zum Schluss gekommen bin, dass die Übergabe demnach vor diesem Zeitpunkt hat erfolgen müssen."

In der mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat legte der Berufungswerber dar, das Wiederaufnahmeverfahren wegen des drohenden Gewerbeberechtigungsentzugs hinsichtlich der Firma G anzustrengen; ein entsprechendes Verfahren sei eingeleitet. Die Dramatik der Situation sei dem Berufungswerber erst Ende Juni 2007 zu Bewusstsein gekommen.

Die Straferkenntnisse habe der Berufungswerber rechtskräftig werden lassen, weil er keine Schwierigkeiten mit der Behörde habe bekommen wollen. Die Strafe nach der Gewerbeordnung sei akzeptiert worden, weil nicht mehr die Absicht bestanden habe, das Lokal wieder zu öffnen.

Dass er das Argument, er habe einen verantwortlichen Beauftragten bestellt, gegenüber der Behörde ins Treffen geführt hätte, brachte der Berufungswerber nicht vor. Ausdrücklich sagte der Berufungswerber, er habe während der laufenden Strafverfahren gewusst, dass die Urkunde existiert. Er habe von diesem Argument aber keinen Gebrauch machen wollen, weil er seine Ruhe habe wollen.

Erst wegen des Gewerbeentzugsverfahrens habe der Berufungswerber den Steuerberater kontaktiert. Zuvor, wegen der einzelnen Verwaltungsstrafen, sei er gar nicht beim Steuerberater gewesen. Dieser habe dem Berufungswerber sogar Vorhaltungen gemacht, warum er solange gewartet habe und er erst jetzt komme.

Der Steuerberater habe dem Berufungswerber bei der genannten Vorsprache empfohlen, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Der Berufungswerber sei daher im Juli 2007 mit der Bestellungsurkunde zum Rechtsanwalt gegangen. Über die Reihenfolge: Besuch beim Steuerberater wegen des Gewerbeentzugsverfahrens – Kontaktierung des Rechtsanwalts – Auffindung der Urkunde machte der Berufungswerber widersprüchliche Angaben.

Zur Herstellung der Bestellungsurkunde sagte der Berufungswerber, es sei vereinbart gewesen, dass der Steuerberater "etwas schreibt". Der Steuerberater habe die Urkunde verfasst. Später sagte der Berufungswerber, er wisse nicht, wer die Urkunde verfasst habe.

Der Berufungswerber habe die Urkunde erstmals 2007 gesehen. Diese Aussage korrigierte der Berufungswerber dahingehend, er habe die Urkunde bereits 2004 gesehen, als er gemeinsam mit seinem Sohn beim Steuerberater gewesen sei. Andererseits sagte der Berufungswerber, als er die Urkunde das erste Mal gesehen habe, sei er alleine beim Steuerberater gewesen.

Beim Steuerberater hätten der Berufungswerber und sein Sohn die Urkunde unterschrieben. Nach Vorhalt räumte der Berufungswerber ein, es könne sein, dass nur der Sohn die Urkunde unterschrieben hätte. Später sagte der Berufungswerber, er glaube, er habe die Urkunde nicht unterschrieben. Jedenfalls habe er kein Exemplar mit seiner Unterschrift zur Verfügung.

Wie viele Exemplare unterschrieben worden seien, wisse der Berufungswerber nicht. Er nehme aber an, dass er ein weiteres Exemplar im Personalakt seines Sohnes liegen gehabt habe. Andererseits sagte der Berufungswerber, er habe erst im Juli 2007 ein Exemplar der Urkunde erhalten.

Der Berufungswerber habe nicht gewusst, dass die Urkunde irgendwo abgegeben werden müsse. Er habe sich darauf verlassen, dass mit den Unterschriftsleistungen den Anforderungen Genüge getan ist.

Im Zusammenhang mit der Einvernahme seines Sohnes betonte der Berufungswerber, dass es nur ein Mal eine Bestellung seines Sohnes zum verantwortlichen Beauftragten gegeben habe.

Der Sohn des Berufungswerbers, B S, sagte zunächst aus, er habe die Bestellungsurkunde 2004 unterschrieben. Nach Vorhalt seiner Aussage vor dem Magistrat Linz sagte der Zeuge aus, er habe für die Firma G 2007 unterschrieben, für das Lokal A 2004. Seine Aussage vor dem Magistrat Linz habe sich nur auf die Firma G bezogen. Der Zeuge habe "praktisch" zwei Mal unterschrieben. Nach Vorhalt der Urkunde sagte der Zeuge, er "glaube" diese Unterschrift 2004 geleistet zu haben. Diese Urkunde habe er nur ein Mal unterschrieben. Bei seiner Einvernahme vor dem Magistrat Linz habe er keine Sprachprobleme gehabt.

An den Ort der Unterschrift und das Beisein anderer Personen dabei vermochte sich der Zeuge nicht zu erinnern.

Der Zeuge H (Magistrat Linz) sagte aus, er habe bei seiner Einvernahme des Zeugen B S am 1.10.2007 diesem die gegenständliche Bestellungsurkunde physisch vorgelegt. B S habe die Bestellungsurkunde wiedererkannt und ausdrücklich gesagt, sie erst 2007 unterschrieben zu haben. Der Zeuge könne sich daran deshalb mit Sicherheit erinnern, weil er davon ausgegangen sei, dass B S zur Tatzeit selbst Gewerbeinhaber war. Sprachprobleme habe es nicht gegeben, B S lebe ja schon seit 20 Jahren in Österreich und sei österreichischer Staatsbürger.

Der Zeuge P (der Steuerberater) sagte aus, er wisse nicht mehr, von wem die Urkunde verfasst worden sei. Er nehme an, dass die Urkunde nicht in seiner Kanzlei verfasst wurde, weil er dem Berufungswerber geraten habe, einen Juristen heranzuziehen. Er glaube auch nicht, dass die Urkunde von einem Mitarbeiter der Kanzlei verfasst wurde.

Auch an den Vorgang der Unterfertigung der Bestellungsurkunde könne er sich nicht mehr erinnern. Der Zeuge habe auch keine Kenntnis davon, auf wie vielen Exemplaren eine Unterschriftsleistung erfolgte.

Auch wie die Urkunde in den Besitz der Kanzlei gelangt ist, wisse der Zeuge nicht. Sie sei im Rahmen einer periodischen Aktendurchsicht "aufgetaucht". Die Auffindung der Urkunde sei "reiner Zufall" gewesen. Die Auffindung der Urkunde dürfte durch K erfolgt sein. Der Zeuge selbst habe nicht einmal gewusst, dass die Urkunde in seiner Kanzlei abgelegt war.

Eine Beauftragung eines Mitarbeiters mit der Abgabe der Urkunde bei der Zollbehörde sei dem Zeugen nicht erinnerlich. Der Zeuge könne auch nicht sagen, auf welche Weise eine Abgabe der Urkunde bei der Zollbehörde erfolgte – dass eine solche Abgabe überhaupt der Fall war, erschließe er aus dem Vermerk des Mitarbeiters K. Positive Kenntnisse habe er diesbezüglich nicht.

Der Zeuge habe vom Vorhandensein einer solchen Urkunde in seiner Kanzlei zunächst gar keine Kenntnis gehabt, vielleicht einer seiner Mitarbeiter.

Nach der Auffindung der Urkunde habe er dies dem Berufungswerber mitgeteilt. Soweit erinnerlich, habe der Zeuge die Urkunde "faxen lassen"; der Berufungswerber habe die Urkunde nicht abgeholt, sie befinde sich immer noch in der Kanzlei.

Von den Verwaltungsstrafen habe der Zeuge erst 2007 erfahren, und zwar im Zusammenhang mit dem Gewerbeentzugsverfahren. Der Zeuge habe den Berufungswerber daraufhin empfohlen, einen Rechtsanwalt beizuziehen. Die Auffindung der Urkunde sei erst nachher erfolgt. Als der Berufungswerber beim Zeugen war (gemeint: um Rat bezüglich des Gewerbeentzugsverfahrens einzuholen) habe der Zeuge sich gar nicht an die Existenz einer solchen Urkunde erinnern können. Nach dem Auftauchen der Urkunde habe der Zeuge diese dem Anwalt "zugefaxt".

Der Zeuge könne bestätigen, dass der Vermerk auf der Bestellungsurkunde von seinem Mitarbeiter K stammt.

Der Zeuge legte das Original der Bestellungsurkunde vor. Es wurde festgestellt, dass das Original der im Akt beiliegenden Kopie entspricht.

Der Zeuge K sagte aus, er habe weder vom Herstellungsvorgang noch vom Auffindungsvorgang der Urkunde Kenntnis. Er wisse auch nicht, wie viele Exemplare des Schriftstücks es gegeben habe.

Zum Abgabevorgang sagte der Zeuge aus, er sei (von wem innerhalb der Kanzlei wisse er nicht mehr) gebeten worden, das Schriftstück "einfach vorbeizuschmeißen".

Der Zeuge vermute ("reine Vermutung"!), dass er das Schriftstück eingeworfen habe. Dies schließe er daraus, dass er es nicht mit einem Eingangsstempel versehen habe lassen, sondern den Vermerk gemacht habe. Dazu, wieso der Zeuge sicher ist, das Schriftstück im richtigen Postkasten eingeworfen zu haben, könne er nicht sagen. An die (auffällige) Gestaltung des Amtsgebäudes (auf Stelzen stehend) könne sich der Zeuge nicht erinnern.

Das Schriftstück sei beim Einwurf in einem Kuvert gewesen.

Den Vermerk habe der Zeuge auf eine Kopie gemacht, und zwar nach dem Einwurf, vermutlich in der Kanzlei. Abgegeben habe er das Original. Auf Befragen des Vertreters des Berufungswerbers schränkte der Zeuge diese Aussage dahingehend ein, dass er nicht mehr wisse, ob er den Vermerk auf dem Original oder auf einer Kopie gemacht habe. Den Vermerk habe der Zeuge gemacht, weil er gewusst habe, dass der Eingangsstempel fehlt.

Der Zeuge S (Finanzamt Linz) sagte aus, es sei Praxis der Einlaufstelle, dass, wenn ein Schriftstück hereinkommt, egal ob über Briefkasten oder persönlich abgegeben, es einen Zuteilungsbogen bekomme. Auf diesem befinde sich der Eingangsstempel mit Datum. Darunter sei anzukreuzen: persönlich abgegeben, per Fax, per Post.

Hierauf werde das Schriftstück in die Aktenevidenz EDV-mäßig eingegeben. Wenn dort bereits ein Akt besteht, werde es zu diesen Aktenzahlen hinzugenommen und ansonsten an die zuständige Abteilung mit von der Aktenevidenz vergebener neuer Aktenzahl zugeleitet.

Zum damaligen Zeitraum sei keine Aktenzahl vergeben und auch nichts eingebracht worden.

Zum Funktionieren des Systems sagte der Zeuge, ihm seien keine Beanstandungen bekannt. Er habe das System bezüglich der weiteren Akten des Berufungswerbers überprüft. Dort habe das System klaglos funktioniert.

Weiters wies der Zeuge darauf hin, dass es zu jedem Akt eine tabellarische Aufstellung der eingegangenen Schriftstücke gebe. Es handle sich dabei sozusagen um ein Aktenverzeichnis, welches von der Evidenzstelle hergestellt werde. Zusammenfassend betonte der Zeuge, dass nach den Feststellungen der Evidenzstelle das gegenständliche Schriftstück bei der Zollbehörde nicht eingegangen sei.

Zusätzlich verwies der Zeuge darauf, dass die Meldung zum verantwortlichen Beauftragten nunmehr zentral bei der Zentralen Koordinationsstelle (KIAB Wien) erfolge. Auch dort sei die Abfrage bezüglich der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für die gegenständlichen Betriebe negativ verlaufen.

Die Erstbehandlung eingelangter Schriftstücke sei im gegenständlichen Zeitraum (Dezember 2004) durch die Einlaufstelle der Zollbehörde erfolgt. Auf Befragen des Vertreters des Berufungswerbers, ob es nicht so sei, dass ein bei der Einlaufstelle verloren gegangenes Schriftstück nicht erfasst werden könne, sagte der Zeuge, dass dies theoretisch denkbar sei. Allerdings sei beim Zollamt peinlichst darauf geachtet worden, dass nichts verloren gehe. Es seien dort ja auch Zollabwicklungen erfolgt, welche mit dem Risiko hoher Schadenersatzforderungen verbunden gewesen seien.

Weiters legte S Kopien von Abfragemasken vor, aus denen hervorgehe, dass B S EDV-mäßig nicht erfasst sei. Weiters gehe daraus hervor, dass die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für die beiden gegenständlichen Unternehmen nicht erfasst sei.

Die Bewirtschaftung der Meldungen von verantwortlichen Beauftragten erfolge äußerst gewissenhaft, weil im Hinblick auf die öffentliche Auftragsvergabe bzw. die diesbezügliche Regelung im AuslBG die Existenz von vielen Unternehmen "daran hängt".

 

 

5.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 79 Abs.1 Z2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1.  ...

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten ..."

 

Gemäß § 9 Abs.3 VStG kann eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.

 

Nach Abs.4 dieser Bestimmung kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

 

Gemäß § 370 Abs.1 GewO 1994 sind, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde, Geldstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen.

 

Zu Recht verweist die Behörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach § 9 Abs.2 VStG für den Bereich des Gewerberechts nach dem diesbezüglich klaren Wortlaut des § 9 Abs.1 VStG, der die Subsidiarität dieser Bestimmungen gegenüber allfälligen entsprechenden Regelungen in den besonderen Verwaltungsgesetzen normiert, nicht anwendbar ist, da die Gewerbeordnung in § 370 Abs.1 selbstständige Regelungen hinsichtlich der Delegierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit trifft. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23.11.1993, 93/04/0152, auch ausgesprochen dass dann, wenn ein gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht bestellt wurde, das zur Vertretung nach außen berufene Organ der juristischen Person nach § 9 VStG (allenfalls der nach § 9 Abs.2 VStG bestellte verantwortliche Beauftragte) für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist.

Damit schließt der Verwaltungsgerichtshof eine Anwendbarkeit des § 9 Abs.2 jedenfalls in den Fällen, in denen die Ausübung des Gewerbes durch juristische Personen erfolgt, dann aus, wenn ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt wurde.

 

Die Frage, ob dann, wenn eine physische Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist (§ 9 Abs.3 VStG), ein Gewerbe ausübt, einen verantwortlichen Beauftragten im Bereich des Gewerberechts bestellen kann, wurde mit dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht konkret beantwortet; im Lichte des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.2.1992, 91/04/0300, ist aber von der Möglichkeit der Bestellung eines verantwortlich Beauftragten – sofern ein gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht bestellt wurde – auszugehen. In diesem Erkenntnis hat nämlich der Verwaltungsgerichtshof zu der durch den Beschwerdeführer als natürliche Person verwirklichten gewerberechtlichen Übertretung unter Bezugnahme auf § 9 Abs.3 VStG ausgeführt, dass die Berufung auf einen verantwortlichen Beauftragten nur dann zulässig ist, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungs­strafverfahrens ein aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammender Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten einlangt.

 

Demgemäß war auf die Frage, ob die Voraussetzungen des § 69 Abs.1 Z2 AVG gegenständlich vorliegen, einzugehen.

 

Vorweg zu prüfen ist, ob überhaupt ein sogenannter Erneuerungstatbestand (novum repertum) vorliegt.

Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates geht in mehrfacher Hinsicht davon aus, dass das Merkmal eines "novum repertum" nicht gegeben ist.

 

Zum einen konnte weder der Herstellungsvorgang (vor der Tatzeit) noch der Auffindungsvorgang mit hinlänglicher Plausibilität dargetan werden:

Hinsichtlich der Herstellung der Bestellungsurkunde konnten weder der Steuerberater P noch sein Mitarbeiter K Angaben machen. P räumte zwar ein, den Berufungswerber zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten angeregt zu haben, vermutete aber, dass die Herstellung der Bestellungsurkunde nicht in seiner Kanzlei erfolgte. Der Berufungswerber behauptete Gegenteiliges. Auf welche Weise die Bestellungsurkunde in die Kanzlei des Steuerberaters gelangte, blieb unklar. Der Berufungswerber machte zur gegenständlichen Thematik unklare (widersprüchliche) Angaben – darunter die, er habe die Urkunde erstmals 2007 gesehen.

 

Auch der Auffindungsvorgang konnte nicht schlüssig erklärt werden. Aufgefunden wurde die Urkunde, nach eigenen Aussagen, weder durch den Zeugen P noch durch den Zeugen K. Überdies stellt die Auffindung ausgerechnet zu einem passenden Zeitpunkt (als nämlich zu Lösungen im Gewerbeentzugsverfahren gesucht wurde) einen außergewöhnlichen Zufall dar. Außergewöhnlich ist diese Situation nicht nur wegen des Zeitpunktes der Auffindung der Urkunde, sondern auch deshalb weil das (niemanden aufgefallene) interimistische Verschwinden einer Urkunde von solcher Bedeutung wohl keinen alltäglichen Vorgang in einer ordentlich geführten Steuerberatungskanzlei darstellt.

 

Dazu kommt, dass der Berufungswerber nach seiner Aussage während mehrerer Strafverfahren von der Existenz der Bestellungsurkunde – und mithin von der Wirksamkeit der Bestellung des verantwortlichen Beauftragten – ausgegangen ist. Unter dieser Voraussetzung wäre es nahe gelegen, die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten (statt anderer Verantwortungen) einzuwenden und bleibt unverständlich, warum sich der Berufungswerber nicht darauf berufen hat, sondern sich auf andere Argumente stützte. Dass der Berufungswerber seine Ruhe (bzw. keine Schwierigkeiten) haben wollte, überzeugt nicht, sodass nach einer anderen Erklärung für das in Rede stehende Verhalten des Berufungswerbers zu suchen ist. Das in der Berufung vorgetragene Motiv, der Berufungswerber sei von der Nichtvorlagefähigkeit der Urkunde ausgegangen, wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung durch die eigenen Aussagen des Berufungswerbers widerlegt. Das Verhalten des Berufungswerbers könnte seine Erklärung auch darin finden, dass zur damaligen Zeit dem Berufungswerber die Existenz einer solchen Urkunde noch gar nicht bekannt war. Dafür spricht auch die Tatsache, das B S unter Wahrheitspflicht und vollem Verständnis der Situation vor dem Magistrat Linz aussagte, die Bestellungsurkunde erst 2007 unterschrieben zu haben. Eine klare Gegendarstellung konnte der Zeuge auch in der mündlichen Verhandlung nicht liefern. Der Aussage, er habe die Unterschrift 2004 geleistet, ging eine – selbst nach Auskunft des Berufungswerbers falsche – Erklärung seiner Aussage vor dem Magistrat Linz voraus, er habe zwei Bestellungsurkunden unterschrieben, eine für die Firma G (2007) und eine für das gegenständliche Lokal (2004). Es ist davon auszugehen, dass der Zeuge vor dem Magistrat Linz die Wahrheit sagte und die nunmehrige Darstellung eine reine Schutzbehauptung darstellt.

 

Dem gegenüber steht die Aussage des Zeugen K betreffend den Zeitpunkt seines Vermerks. Diese Aussage ist jedoch insofern nicht glaubwürdig, als dieser zunächst aussagte, den Vermerk auf einer Kopie gemacht und das Original abgegeben zu haben (was durch das vorgelegte Original widerlegt wurde) und der Zeuge diesbezüglich erst nach Befragen durch den Vertreter des Berufungswerber eine andere Erklärung abgab.

 

Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens kommt der Unabhängige Verwaltungssenat zu dem Ergebnis, dass es sich bei der in Rede stehenden Bestellungsurkunde um kein novum repertum handelt.

 

Aber auch bei anderer Auffassung (Existenz der Urkunde schon vor der Tat) ist zu beachten, dass die weiteren erforderlichen Voraussetzungen des § 69 Abs.1 Z2 AVG vorliegend nicht gegeben sind. Es ist zwar notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wieder aufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie – allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz – nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, dass die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (VwGH 19.3.2003, 2000/08/0105). Nach eigenen Aussagen des Berufungswerbers erfolgte die Erstellung der Bestellungsurkunde in Absprache mit dem Steuerberater und war ihm auch zum Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung bewusst, dass ein verantwortlicher Beauftragter bestellt worden ist. Der Berufungswerber hätte somit durchaus die Möglichkeit gehabt, bereits im erstinstanzlichen Verfahren bzw. in einem Berufungsverfahren auf das Vorhandensein eines verantwortlich Beauftragten hinzuweisen und sich um die Vorlage der Bestellungsurkunde mit gebotener Sorgfalt kümmern müssen. Der Berufungswerber hat es unterlassen, während des Verfahrens dem Verbleib der Bestellungsurkunde nachzugehen, obwohl es ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit als naheliegend erscheinen musste und ihm auch zumutbar war. Dass, wie nunmehr vorgebracht, die Bestellungsurkunde im Büro des Steuerberaters in Verstoß geraten sei, konnte er zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wissen, da er keine Nachforschungen zum Verbleib der Bestellungsurkunde angestellt hat. Somit liegt ein ihm zuzurechnendes Verschulden vor, wobei nicht von Bedeutung ist, welchen Grad das Verschulden des Berufungswerbers hat.

 

Darüber hinaus ist fraglich, ob die Bestellungsurkunde in der vorliegenden Form als solche überhaupt tauglich war. Im Hinblick auf die fehlende Unterfertigung der Bestellungsurkunde durch den Berufungswerber und auf die fehlende Anordnungsbefugnis für den verantwortlich Beauftragten, die nach § 9 Abs.4 VStG erforderlich ist, ist diese Frage zu verneinen. Zum einen reicht eine einseitige Erklärung, wie vorliegend nicht aus, zum anderen setzt § 9 VStG voraus, dass für die Behörde schon aus der Urkunde erkennbar sein muss, dass der verantwortliche Beauftragte ermächtigt ist, die zur Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen erforderlichen Anordnungen zu treffen. Daran mangelt es im vorliegenden Fall.

 

Aus sämtlichen oben angeführten Sach- und Rechtsgründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

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