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VwSen-400868/12/Gf/Mu/Ga

Linz, 25.04.2008

Mitglied Dr. Grof aus Anlass der Beschwerde des S D, dzt. PAZ Linz, vertreten durch die RAe Dr. W F u.a., wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck vom 8. Jänner bis zum 22. Februar 2007 zu Recht erkannt:

I.     Die Anhaltung des Beschwerdeführers vom 8. Jänner 2007 bis zum 22. Februar 2007 wird als rechtswidrig festgestellt.

II.   Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 673,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer – ein türkischer Staatsangehöriger – ist nach eigenen Angaben am 4. Jänner 2007 von seinem Heimatstaat kommend über den Landweg ohne gültige Reisedokumente in das Bundesgebiet eingereist.

Am 5. Jänner 2007 hat er einen Asylantrag eingebracht.

In Griechenland wurde gegen ihn ein bis zum 22. August 2008 für alle Schengen­staaten gültiges Aufenthaltsverbot verhängt.

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 8. Jänner 2007, Zl. Sich40, wurde über den Rechtsmittelwerber gemäß § 76 Abs. 2 Z. 3 und 4 i.V.m. § 80 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung der Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Verbringung in das Polizeianhaltezentrum Linz noch am selben Tag vollzogen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das in Griechenland erlassene Aufenthaltsverbot nach den Bestimmungen des FPG als eine durchsetz­bare Ausweisung gelte. Zudem verfüge der Rechtsmittelwerber in Österreich weder über einen gültigen Aufenthaltstitel noch über familiäre Bindungen oder die zur Bestreitung seines Lebensunterhalts erforderlichen finanziellen Mittel. Schließlich sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Asylantrag – da er auf dem Landweg eingereist ist – mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden wird.

Daher und auf Grund des bisher gezeigten Verhaltens, wonach der Beschwerde­führer offenkundig jeweils ohne jegliche Rücksichtsnahme auf fremdenpolizeiliche Vorschriften die Staatsgrenzen verschiedener EU-Mitgliedsländer überschritten hat, sei insgesamt zweifelsfrei zu befürchten, dass er sich – auf freiem Fuß belassen – dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen würde, weshalb die Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung unbedingt erforderlich sei. Auch eine Anwendung gelinderer Mittel komme nicht in Betracht, weil jedenfalls angenommen werden müsse, dass er noch vor Abschluss des Asylverfahrens in die Illegalität abtauchen werde.

1.3. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtete sich die am 19. Februar 2007 per Telefax beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachte Beschwerde.

Darin wird vorgebracht, dass einerseits die Verhängung der Schubhaft auf Grund eines bloß von einem anderen EU-Staat erlassenen Aufenthaltsverbotes nicht zulässig sei. Zum anderen könne deshalb, weil dieses Aufenthaltsverbot offenkundig schon vor mehreren Jahren erlassen worden ist, nicht ohne weiteres angenommen werden, dass Österreich schon von vornherein nicht zur Prüfung des Asylantrages zuständig sein wird, sodass auch der Haftgrund des § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG nicht zum Tragen komme.

Daher wurde die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung beantragt.

1.4. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Ergänzend wurde darin u.a. darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber sowohl bei der Erstbefragung seinen früheren Aufenthalt in Griechenland als auch in der Folge seinen Reiseweg verschleiert habe. Außerdem habe er bereits den Versuch unternommen, aus der Schubhaft auszubrechen.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich40, da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, dieser vom Beschwerdeführer im Grunde auch nicht bestritten wird und die Verfahrensparteien einen entspre­chenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen, dass gegen den Beschwerdeführer noch vor seiner Asylantragsstellung in Österreich gegen ihn in Griechenland ein noch bis zum 22. August 2008 gültiges Aufenthaltsverbot verhängt worden sei, weshalb die belangte Behörde in concreto von der Heranziehbarkeit des § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG ausgegangen sei.

Diese Rechtsansicht sei jedoch verfehlt gewesen, weil diese Bestimmung dezi­diert auf § 60 FPG verweise und damit ausschließlich ein von österreichischen Behörden verhängtes Aufenthaltsverbot im Blick habe.

Mangels einer vollstreckbaren inländischen aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde daher im Spruchpunkt I des h. Erkenntnisses vom 22. Februar 2007, Zl. VwSen-400868/4/Gf/Ga, die Anhaltung des Beschwerdeführers vom 8. Jänner 2007 bis zum 22. Februar 2007 als rechtswidrig festgestellt.

4. Dagegen erhob die Sicherheits­direktion Oberösterreich eine Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof; dieser gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2007/21/0126-11, statt und hob das h. Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

Begründend führte der VwGH dazu unter Hinweis auf die der dg. Entscheidung vom 7. Februar 2008, Zl. 2006/21/0389-11, zu Grunde liegende identische Sachverhaltskonstellation aus, dass § 71 Abs. 1 FPG in Umsetzung der RL 2001/40/EG vom 28. Mai 2001 die von einem EWR-Staat erlassenen Rückführungsentscheidungen – worunter im gegenständlichen Fall auch das griechische Aufenthaltsverbot zu verstehen sei – in verfassungs­rechtlich unbedenklicher Weise einer von einer österreichischen Behörde ver­fügten Aus­weisung gleichsetze, sodass sich der in § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG enthaltene Verweis explizit auf die §§ 53 und 54 FPG, implizit in gleicher Weise aber auch auf § 71 Abs. 1 FPG beziehe. Liegt daher ein einer durchsetzbaren innerstaatlichen aufenthaltsbeendenden Maßnahme gleichartiges Aufenthalts­verbot eines EWR-Staates vor – wobei die Gleichartigkeit im Kooperationsweg von der Fremden­polizeibehörde bei der Schubhaftanordnung zu prüfen ist –, erweist sich damit die Schubhaftverhängung gegen einen Asylwerber ebenso zulässig, wie wenn eine inländische Behörde dessen Ausweisung verfügt hätte.

An diese Rechtsauffassung ist der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebunden.

5.1. Im zuletzt zitierten Erkenntnis geht der VwGH explizit davon aus, dass die Fremdenpolizeibehörde die Prüfung, ob die ausländische Rückführungs­entscheidung einer innerstaatlichen aufenthaltsbeendenden Maßnahme, konkret: einer durchsetzbaren Ausweisung, gleichzustellen ist, "bei der Schubhaft­anordnung" vorzunehmen hat und in diesem Zusammenhang zwecks der erfor­derlichen Kenntnis der Begründung der ausländischen Rückführungs­entscheidung "einer entsprechenden Kooperation mit dem anderen Mitglieds­staat" bedarf.

Insoweit findet sich jedoch in dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt kein Hinweis darauf, dass diese überhaupt eine eigenständige Kenntnis von der ausländischen Rückführungsentscheidung gehabt oder entsprechende Koope­rations­maßnahmen mit Griechenland gesetzt hätte (z.B. in dem Sinne, dass sie eine Kopie des griechischen Aufenthaltsverbots angefordert und von dieser eine Über­setzung durch einen Dolmetscher hätte anfertigen lassen). Vielmehr vermutete sie lediglich auf Grund der Angaben des Rechtsmittelwerbers, dass das Aufenthaltsv­erbot über diesen wegen illegaler Einreise verhängt worden sein dürfte; ob es im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft auch tatsächlich durchsetzbar (vollstreckbar) war, blieb jedenfalls überhaupt offen.

Unter derartigen Umständen konnte aber offenkundig zum Zeitpunkt der Verhän­gung der Schubhaft nicht mit der für einen Freiheitseingriff erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das griechische Aufenthaltsverbot effektiv einer inländischen vollstreckbaren Ausweisung gleichzusetzen war.

5.2. Aus diesen Gründen ist daher gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG festzustellen, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 8. Jänner 2007 bis 22. Februar 2007 rechtswidrig war.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Rechtsmittelwerber gemäß § 79a Abs. 1, 2 und 4 Z. 1 und 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandsersatz­verordnung, BGBl. Nr. II 334/2003, antragsgemäß Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro (Stempelgebühren: 13 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1.      Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwer­de an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unter­schrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 17. Juli 2008, Zl.: 2008/21/0407-3

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