Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281014/19/Kl/Sta

Linz, 29.04.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn Ing. A E, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. T S, HK,  L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 6.6.2007, 0000600/2006, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 26. März 2008, zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II.              Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Ver­wal­tungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 900 Euro zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64  VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 6.6.2007, GZ.0000600/2006, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von
1. dreimal 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafen von dreimal 23 Stunden) und
2. dreimal 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafen von dreimal 11 Stunden), wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 130 Abs.5 Z1 und 118 Abs.3 ASchG iVm 1. § 87 Abs.2 BauV und 2. § 7 Abs.1 und 2 Z1 BauV verhängt, weil er als verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der F F, D, D, S-B GmbH mit dem Sitz in H, welche wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der F F, D, D, S-B GmbH & Co KG mit dem Sitz in L ist, zu vertreten hat:

I.

Am 1.12.2005 waren auf der von der F F, D, D, S-B GmbH & Co KG betriebenen Baustelle " W, B" folgende Arbeitnehmer der oben angeführten Firma mit Isolierungsarbeiten auf dem Flachdach des Gebäudes bei einer Absturzhöhe von ca. 8 m beschäftigt, ohne dass Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden waren:

1. Herr A Y (geb. )

2. Herr A S (geb. )

3. Herr K A (geb. )

Die Arbeitnehmer waren auch nicht mittels Sicherheitsgeschirr gegen einen Absturz gesichert.

II.

Am 1.12.2005 waren auf der von der F F, D, D, S-B GmbH & Co KG betriebenen Baustelle " W, B" folgende Arbeitnehmer der oben angeführten Firma mit Isolierungsarbeiten auf dem Flachdach des Gebäudes im Bereich der bereits montierten, nicht durchbruchsicheren Lichtkuppeln bzw. den Deckenöffnungen  (zukünftige Lichtkuppeln) bei einer Absturzhöhe von ca. 3 m beschäftigt, ohne dass Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden waren:

1. Herr A Y (geb.)

2. Herr A S (geb. )

3. Herr K A (geb. )

Die Arbeitnehmer waren auch nicht mittels Sicherheitsgeschirr gegen einen Absturz gesichert.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht  und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten. Zum Spruchpunkt 1 wurde vorgebracht, dass eine Sicherung mit Geschirr und Seil zur Erfüllung der Arbeitnehmer­schutzbestimmungen ausreichend gewesen wäre und Geschirre und Seile in ausreichender Zahl auf der Baustelle vorhanden gewesen seien. Die Arbeitnehmer seien regelmäßig in Sicherheitsdingen unterrichtet und bedient sich der Arbeitgeber zur Schulung seiner Arbeitnehmer auch dritter Personen.   Es wurde ein entsprechendes System installiert um für eine Einhaltung der einschlägigen Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu sorgen. Auf der Baustelle ist jeweils eine Sicherheitsvertrauensperson bestellt, nämlich für die gegenständliche Baustelle Herr A S. Kontrolliert werde durch den zuständigen Bauleiter C R sowie durch die Geschäftsführung. Obwohl ausreichend Sicherheitsgeschirre vorhanden gewesen seien, seien drei Arbeitnehmer entgegen der ausdrücklichen Anweisung nicht gesichert gewesen. Zum Spruchpunkt II. wurde vorgebracht, dass die Absturzhöhe unter den montierten Lichtkuppeln weniger als 3 m betragen habe und die Lichtkuppeln mit Netzen gesichert gewesen seien. Dies jeweils nach dem jeweiligen Baufortschritt. Darüber hinaus handle es sich um ein einheitliches Tatgeschehen und sei daher nicht von verschiedenen verwirklichten Delikten auszugehen. Auch spreche § 7 Abs.2 Z1 BauV ausdrücklich von Lichtkuppelöffnungen. Wie die Behörde im angefochtenen Straferkenntnis anführte, waren die Lichtkuppeln bereits montiert. Es liege daher kein Verstoß gegen § 7 BauV vor. Ebenso wenig betrage die Absturzhöhe 3 m, sodass auch kein Verstoß gegen § 87 BauV vorliege. Schließlich wurde vorgebracht, dass § 130 ASchG im Wiederholungsfall einen erhöhten Strafrahmen vorsehe. Die belangte Behörde habe zwei einschlägige Vormerkungen als erschwerend herangezogen und sohin diese doppelt verwertet. Es sei daher das Strafausmaß zu reduzieren.

 

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26. März 2008, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Vertreter des Berufungswerbers, eine Vertreterin der belangten Behörde sowie der Vertreter des Arbeitsinspektorates haben an der Verhandlung teilgenommen. Weiters wurden die Zeugen Arbeitsinspektor H S, Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten in Wien, C R, A S und A Y geladen und einvernommen.

Das Arbeitsinspektorat legte weiters anlässlich der mündlichen Verhandlung Lichtbilder vor, welche anlässlich der Kontrolle am 1.12.2005 durch das Arbeitsinspektorat aufgenommen wurden.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest, dass der Berufungswerber handelsrechtlicher Geschäftsführer der F F, D, D, S-B GmbH & Co KG mit dem Sitz in L ist. Am 1.12.2005 wurde auf der Baustelle in W, B, auf welcher vom genannten Unternehmen Isolierungsarbeiten auf dem Flachdach durchgeführt wurden, drei namentlich genannte Arbeitnehmer, nämlich A Y, A S, K A, auf dem Dach angetroffen, wobei die Absturzhöhe nach außen ca. 8 m beträgt. Es waren keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden. Auch waren die Arbeitnehmer nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung gesichert. Das an der Außenseite des Gebäudes befindliche Gerüst diente für Fassadenarbeiten und reichte nicht für die Absicherung von Dacharbeiten. Eine Absicherung der Absturzkante nach außen gab es nicht. Die Attika war ca. 30 bis 35 cm bzw. ohne Styropor 47 cm hoch. Es wurden Isolierungsarbeiten durchgeführt. Die entsprechenden Platten und Werkzeuge sind auf dem Foto ersichtlich. Auch sind Sekuranten vorhanden. Die Arbeitnehmer waren aber nicht durch Sicherheitsgeschirr und Sicherheitsgurte gesichert. Weiters waren Lichtkuppeln zum Teil nicht fertig montiert, zum Teil noch nicht montiert. Die Lichtkuppeln waren nicht durchbruchsicher, was sich aus der Metallleiste der Lichtkuppeln durch den Hersteller einwandfrei ergibt. Auch waren keine Netze oder Unterkonstruktionen unter den Lichtkuppeln vorhanden. Die Absturzhöhe ins darunter liegende Geschoss betrug ca. 3 m (Raumhöhe von 2,6 m bis 2,8 m bzw. Stiegenhaus). Diese ungesicherten Lichtkuppeln befanden sich im Bereich der Isolierarbeiten. Das Sicherheitsgerüst sollte von der Fassadenfirma beigesteuert werden, hinsichtlich der anderen Gebäudeseiten sollte das Gerüst zwei bis drei Tage nach dem 1.12.2005 aufgestellt werden. Am Kontrolltag wurde die erste Lage der Isolierung aufgebracht. Später musste dann noch eine zweite Lage darüber gelegt werden. Die Lichtkuppeln waren noch nicht ganz fertig, weil noch nicht die zweite Lage verlegt war.

An der gegenständlichen Baustelle sollten die kompletten Abdichtungsarbeiten, Isolierungsarbeiten und Bauspenglerarbeiten durchgeführt werden. Das Versetzen der Lichtkuppeln wurde als Fremdleistung zugekauft. Zuständig für die Bauleitung war Herr Ing. R, verantwortlicher Vorarbeiter und Partieführer war Herr S. Schutzeinrichtungen werden gemeinsam mit der Geschäftsführung besprochen. Dies im Grundkonzept, wobei Standards nicht besprochen werden und die Schutzeinrichtungen klar sind. Der Vorarbeiter ist 11 Jahre im Betrieb beschäftigt und verlässlich. Die Besprechung zu Beginn der Baustelle für das Grundkonzept dauerte ca. 15 Minuten und beinhaltet grob den Arbeitsablauf und das Abstimmen mit den anderen Gewerken. Die Lichtkuppeln hatten eine Lieferverzögerung und sollten bauherrnseitig die Abdeckbleche bei den Lichtöffnungen montiert werden. Der Geschäftsführer DI B war insgesamt dreimal auf der Baustelle. Die Kuppeln sollten dann je nach Baufortschritt mit Sicherheitsnetzen abgesichert werden. Wenn kein Gerüst vorhanden ist, sollte mit Sicherheitsgurt und Sicherheitsseil gearbeitet werden. Bei der Besprechung zu Beginn der Baustelle ist der Baustellenleiter anwesend, dann kommt er wenn er gebraucht wird, sonst einmal pro Woche zur Kontrolle. Sicherheitsgurte und Sicherheitsseile gibt es für alle Arbeitnehmer im Firmenbus auf der Baustelle. Die Anschlagpunkte werden vom Bauleiter bestimmt und kontrolliert. Auch der Berufungswerber kam auf die Baustelle. Er oder sein Vater kamen ca. einmal im Monat auf die Baustelle. Verantwortlich für die Baustelle ist der Vorarbeiter. Je nach Baufortschritt bestimmt er was gemacht wird. Baustellenleiter war Christopher R. Die Sicherheitseinrichtungen werden im Einvernehmen mit dem Vertreter des Bauherr von ihm festgelegt. Auf der Baustelle sollte bis zum Aufstellen des Fassadengerüstes mit Gurten gearbeitet werden. Das Verwenden der Sicherheitsgeschirre wird vom Bauleiter stichprobenartig  auf der Baustelle kontrolliert. Für die Sekuranten gab es einen Plan und wurden diese vom Baustellenleiter mit dem Baumeister festgelegt. Bis zum Kontrollzeitpunkt dauerte die Baustelle schon ca. 4 Wochen. Bis die Gerüstung aufgestellt wurde, sollte persönliche Schutzausrüstung verwendet werden.

Im Unternehmen gibt es auch regelmäßige Unterweisungen, eine Mitarbeiterunterweisung am 24.6.2005 ist im erstbehördlichen Akt nachgewiesen.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die im Akt befindlichen Fotos sowie auch auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen. Die Zeugen waren glaubwürdig und verwickelten sich nicht in Widersprüche. Auch stimmten sie mit den Angaben des Berufungswerbers überein. Hingegen konnten die Berufungsbehauptungen im Beweisverfahren nicht nachgewiesen werden, nämlich dass die Lichtkuppeln mit Netzen gesichert waren. Dies wird eindeutig durch die Fotos belegt. Auch ist aus den Fotos eindeutig ersichtlich und wird auch durch die zeugenschaftliche Aussage des Arbeitsinspektors bestätigt, dass die Arbeitnehmer nicht angegurtet waren. Das aus den Fotos ersichtliche Fassadengerüst ist aber als Sicherung der Dacharbeiten nicht ausreichend bzw. teilweise nicht vorhanden. Dies ergibt sich auch aus den weiteren Ausführungen der einvernommenen Zeugen. Hinsichtlich der Absturzhöhe durch die Lichtkuppeln wird ebenfalls vom Zeugen R eindeutig dargelegt, dass pro Reihenhaus zwei Kuppeln vorgesehen sind, nämlich eine ins Badezimmer mit einer Raumhöhe von 2,6 bis 2,8 m und eine Kuppel in das Stiegenhaus mit entsprechend höherer Raumhöhe.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl.  I Nr. 159/2001 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem
9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 17/2005 sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen. Gemäß § 7 Abs.2 Z1 BauV liegt Absturzgefahr vor bei Öffnungen und Vertiefungen unter anderem in Dächern, wie Lichtkuppeln oder Shed-Dachöffnungen. Gemäß § 7 Abs.4 BauV kann die Anbringung von Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen entfallen, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer entsprechend § 30 sicher angeseilt sein.

Gemäß § 87 Abs.2 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

Im Grunde der Sachverhaltsfeststellungen ist daher die Begehung der angeführten Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht erfüllt. In Spruchpunkt I. ist auf Grund des Beweisverfahrens erwiesen, dass auf einem Flachdach gearbeitet wurde und die Absturzhöhe nach außen mehr als 3 m, nämlich ca. 8 m betrug. Es waren daher gemäß § 87 Abs.2 BauV Absturzsicherungen bzw. Schutzeinrichtungen anzubringen. Dies bedeutet, dass nach Vorschrift der BauV primär technische Schutzmaßnahmen vorzusehen waren. Lediglich wenn der erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführenden Arbeiten wäre, könnte als Ausnahmebestimmung die persönliche Schutzausrüstung verwendet werden. Dies legt § 7 Abs.4 BauV fest. Weil aber weder eine technische Schutzeinrichtung vorhanden war noch die persönliche Schutzausrüstung von den Arbeitnehmern verwendet wurde, war der objektive Tatbestand jedenfalls erfüllt.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. war jedoch auf Grund des Beweisverfahrens erwiesen, dass die Lichtkuppeln zum Teil noch nicht montiert waren, zum Teil aber nicht fertig montiert waren und jedenfalls nicht durchtrittsicher waren und auch nicht an der Unterseite durch Netze oder Abdeckungen gesichert waren. Auch auf den Lichtkuppeln befanden sich keine Netze. Entsprechend der Bestimmung des § 7 Abs.2 BauV wird aber bei Öffnungen und Vertiefungen in Dächern von sich aus schon Absturzgefahr vermutet. Dies unabhängig von der Absturzhöhe. Es ist daher unerheblich, ob die Absturzhöhe 3 m oder unter
3 m war. Jedenfalls aber gilt gemäß § 7 Abs.2 Z4 BauV Absturzgefahr gegeben, wenn an einem Arbeitsplatz eine Absturzhöhe von mehr als 2 m gegeben ist. Da teilweise die Öffnungen nicht bedeckt waren, dh. noch keine Lichtkuppeln montiert waren, teilweise die Lichtkuppeln zwar vorhanden waren aber noch nicht fertig montiert waren und aber nicht durchtrittsicher waren, war jedenfalls von einer Absturzgefahr auszugehen und eine Absturzsicherung gemäß § 7 Abs.1 BauV erforderlich. Auch hier ist durch die BauV primär eine technische Absicherung vorgesehen, lediglich als Ausnahme bei zu hohem Aufwand wäre das Absichern mittels Anseilen gemäß § 7 Abs.4 BauV möglich. Auch hier hat das Beweisverfahren gezeigt, dass weder eine technische Sicherung noch persönliche Schutzausrüstung vorhanden war. Es war daher auch diesbezüglich der objektive Tatbestand erfüllt.

 

Da aber sowohl die Absicherung gegen Absturz nach außen als auch die Absicherung bei Öffnungen und Lichtkuppeln gegen Absturz nach innen Gefahrenstellen für die Arbeitnehmer darstellen, war jedenfalls von verschiedenen Delikten auszugehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, ist das Leben und die Gesundheit jedes einzelnen namentlich genannten Arbeitnehmers gefährdet und stellt daher die Übertretung hinsichtlich jedes einzelnen namentlich genannten Arbeitnehmers ein Delikt dar. Es lag daher entgegen den Berufungsausführungen keine unzulässige Kumulation von Straftatbeständen vor.

 

Schließlich ist der Berufungswerber auch mit seinem Vorbringen, dass Sicherungsvorschriften für Flachdächer der BauV nicht zu entnehmen sind, nicht im Recht, zumal § 87 Abs.2 BauV von Dächern "mit einer Neigung bis zu
20 Grad" spricht, wobei natürlich in dieser Definition auch Flachdächer mit enthalten sind. Auf die diesbezüglich zahlreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zB. VwGH vom 26.1.2007, 2006/02/0096) wird hingewiesen.

 

5.2. Hinsichtlich des Verschuldens macht der Berufungswerber geltend, dass der zuständige Bauleiter und die Geschäftsführung die Einhaltung der Sicherheitsbe­stimmungen kontrollieren und dass Anweisungen bestanden die Sicherheitsgeschirre zu verwenden. Trotz dieser Anweisung und dem Umstand, dass ausreichend Sicherheitsgeschirre vorhanden gewesen wären, wurden diese von drei Arbeitnehmern nicht verwendet.  Dieses Vorbringen kann allerdings eine Entlastung nicht bewirken.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen stellen Ungehorsams­delikte dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Berufungswerber initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsge­richtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Dieser Pflicht ist der Berufungswerber nicht ausreichend nachgekommen. Es ist ihm zwar zuzubilligen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, sondern die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich überträgt und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle beschränkt. Der Unternehmer ist dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141).  Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der vom Arbeitnehmer erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem, Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg Judikatur vorhanden war."

Auch in der neueren Judikatur bekräftigt der Verwaltungsgerichtshof, dass das vom Arbeitgeber einzurichtende (wirksame) Kontrollsystem gerade im Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvor­schriften Platz zu greifen hat (VwGH vom 9.9.2005, 2005/02/0008 sowie vom 30.3.2007, 2006/02/0034). Weiters verweist der Verwaltungsgerichtshof auf seine ständige Judikatur, wonach die Erteilung von Anordnungen (Weisungen) sowie Schulungen nicht ausreichen. Ob die persönliche Schutzausrüstung "zur Verfügung" gestanden sei, ist dabei unerheblich. Auch ist Sorge dafür zu tragen, dass auch an Stellen zu Zeiten, in denen nicht "eigentlich" dort gearbeitet werde, Schutzeinrichtungen anzubringen gewesen wären; es war nämlich jedenfalls nicht "ausgeschlossen", dass Arbeiten im Bereich der Absturzstelle durchgeführt werden, wobei das Kontrollsystem auch in Fällen "kurzfristiger" Arbeiten funktionieren muss (VwGH vom 23.7.2004, 2004/02/0002).

Es reicht daher nicht aus, dass der Berufungswerber zu Beginn der Baustelle und einmal monatlich auf die Baustelle kommt, sondern hätte er auch während der laufenden Arbeiten ständig den Bauleiter kontrollieren müssen. Auch der Bauleiter seinerseits hätte auf die Einhaltung seiner Anweisungen achten müssen und eine entsprechende Kontrolle durchführen müssen. Anweisungen allein reichen hingegen nach der vorzitierten Judikatur nicht aus. Auch reicht nicht aus, dass die persönliche Schutzausrüstung tatsächlich an der Baustelle vorhanden war, sie hätte vielmehr bei den konkreten Arbeiten durch die Arbeitnehmer verwendet werden müssen. Die Einhaltung der Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung hingegen wurde weder vom Vorarbeiter noch vom Bauleiter noch vom Berufungswerber lückenlos kontrolliert. Darüber hinaus war aber auch eine Sorgfaltsverletzung darin gelegen, dass das bauseits zur Verfügung zu stellende Fassadengerüst bzw. Sicherheitsgerüst nur ansatzweise vorhanden war, das Aufstellen jedoch nicht kontrolliert wurde und trotz Nichtvorhandensein die Arbeiten begonnen wurden. Auch hier ist eine mangelnde Kontrolle und daher eine Sorgfaltsverletzung und sohin Verschulden gegeben. Stichprobenartige Kontrollen wie sie angeführt werden, reichen jedoch nicht aus. Auch reicht eine alleinige Schulung und Anordnung nicht aus.

 

Es war daher auch vom Verschulden des Berufungswerbers auszugehen.

 

Wenn hingegen vom Berufungswerber eingewendet wird, dass der Vorarbeiter als Sicherheitsvertrauensperson eingesetzt sei und verantwortlich sei, so ist ihm
§ 10 Abs.9 ASchG entgegenzuhalten, wonach die Bestellung von Sicherheitsver­trauenspersonen die Verantwortlichkeit des Arbeitsgebers für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht berührt. Auch kann den Sicherheitsver­trauenspersonen die Verantwortlichkeit für die Einhaltung von Arbeitnehmer­schutzvorschriften nicht rechtswirksam übertragen werden.

 

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde hat strafmildernd keinen Umstand gewertet und straferschwerend zwei Vormerkungen zu Grunde gelegt. Die persönlichen Verhältnisse wurden mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.000 Euro und keinen Sorgepflichten angenommen. Vom Berufungswerber wurden keine geänderten Verhältnisse bekannt gegeben und wurden auch die Vormerkungen grundsätzlich nicht bestritten. Es konnten daher diese Umstände auch vom
Oö. Verwaltungssenat zu Grunde gelegt werden. Im Hinblick auf einen Strafrahmen bis zu 7.260 Euro ist die je Delikt verhängte Geldstrafe sowohl zu Spruchpunkt I als auch zu Spruchpunkt II nicht überhöht. Es konnten daher die verhängten Geldstrafen jeweils bestätigt werden.

Wenn hingegen der Berufungswerber Doppelbewertung geltend macht, so ist ihm entgegenzuhalten, dass dem angefochtenen Straferkenntnis nicht zu entnehmen ist, dass von einem erhöhten Strafsatz von 14.530 Euro ausgegangen wurde. Es bleibt daher unter Zugrundelegung des primären Strafsatzes der belangten Behörde unbenommen, zwei einschlägige Vorstrafen als erschwerend zu werten. Im Grunde des Umstandes, dass zu Spruchpunkt I eine doch beträchtliche Absturzhöhe von ca. 8 m gegeben war, war daher auch gerechtfertigt, dass die diesbezüglichen Geldstrafen höher angesetzt sind, als zu Spruchpunkt II, zumal die schutzwürdigen Interessen hier in erheblich höherem Maße gefährdet werden. Es waren daher auch die verhängten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen jeweils zu bestätigen.

 

Geringfügigkeit des Verschuldens war aber nicht gegeben, zumal das Verhalten des Berufungswerbers nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher mangels der Voraussetzungen nicht mit Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG vorzugehen. Auch waren keine Milderungsgründe vorhanden und sohin die Voraussetzung für eine außerordentliche Milderung gemäß § 20 VStG nicht gegeben.

 

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind insgesamt 900 Euro, festzusetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem, Kumulation

 

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