Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420523/9/Gf/Mu/Ga VwSen-420524/9/Gf/Mu/Ga

Linz, 29.04.2008

der Beschwerde der serbischen Staatsangehörigen H (und mj. M) B, vertreten durch RA Dr. H B, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck beschlossen:

 

I.            Die Beschwerde wird mangels eines tauglichen Anfechtungs­gegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.

 

II.        Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) Kosten in Höhe von insgesamt 271,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG; § 1 UVS-AufwandsersatzVO.

Begründung:

1.1. In ihrem am 1. Oktober 2007 – zur Post gegebenen – Schriftsatz bringt die Beschwerdeführerin vor, dass versucht worden sei, sie und ihre drei minder­jährigen Kinder nach Zustellung des negativen Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates, Außenstelle Linz, vom 13. Juli 2007, Zl. 303.895-C1/25e-XVIII/58/06, und noch vor Ablauf der Beschwerdefrist an den Verfassungsgerichtshof in den Kosovo abzuschieben. Tatsächlich habe der Verfassungs­gerichtshof in der Folge ihrer Beschwerde mit Beschluss vom 7. September 2007, Zl. B1564-1567/07-10, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Da jedoch ein Fremder in Österreich zumindest solange einen Schutz vor seiner faktischen Abschiebung genieße, bis eine endgültige durchsetzbare Entscheidung über seinen Asylantrag vorliege, erweise sich somit schon der Versuch ihrer zwangsweisen Verbringung in ihren Heimatstaat als rechtswidrig.

Deshalb wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme beantragt.

1.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, mit der die kosten­pflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Akten der BH Vöcklabruck zu Zlen. Sich40-3499-2006 und Sich40-3502-2006; da sich bereits aus diesen in Verbindung mit dem Parteien­vorbringen der entscheidungswesentliche Sachver­halt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

3.1.1. Ausgehend von der Überlegung, dass eine Abschiebung nach überein­stimmender Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts stets als eine derartige Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren ist, jedoch das Rechtsinstitut der Maßnahmenbeschwerde – weil dieser keine aufschiebende Wirkung zukommt – keinen wirksamen Rechtsbehelf i.S.d. Art. 13 EMRK darstellt, hat der Oö. Verwaltungssenat mit h. Schriftsatz vom 30. November 2007, Zlen. VwSen-420523/5/Gf/Mu/Ga u.a., einen Antrag auf Aufhebung des § 77 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 4/2008, im Folgenden: FPG), gestellt.

3.1.2. Mit Beschluss vom 5. März 2008, G 267/07‑3, hat der Verfassungsge­richtshof diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen und dazu begründend ausgeführt, dass "soweit eine Abschiebung überhaupt als Akt unmittelbarer ver­waltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren ist (vgl. dazu VfSlg 13885/1994, 17639/2005), die Möglichkeit zur Erhebung einer Maß­nahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z.2 B-VG verfassungsgesetzlich ver­ankert ist. Einfachgesetzliche Regelungen – wie etwa jene im Fremdenpolizei­gesetz 2005 – haben sich stets an der Verfassungsrechtslage zu orientieren. Zudem vermag der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden UVS nicht zu teilen, wonach eine Abschiebung – im Falle der Aufhebung der bekämpften Vorschrift – als 'Anwendung unmittelbaren Zwanges' i.S.d. § 7 VVG zu qualifizieren wäre (s. zur insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung auch VwGH 23.9.1994, 94/02/0139). Hinzu kommt noch, dass damit auch insofern keine Verbesserung des Rechtsschutzes verbunden wäre, als Berufungen gegen die Erlassung von Vollstreckungsverfügungen gemäß § 10 Abs. 3 VVG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Angesichts dessen würde durch die vom UVS begehrte Eliminierung des § 77 Abs. 5 FPG aus der Rechtsordnung nicht eine Rechtslage hergestellt, auf die die geltend gemachten Bedenken nicht mehr zuträfen. Das Ziel des Aufhebungsbegehrens wäre sohin durch Aufhebung des § 77 Abs. 5 FPG nicht erreicht." (vgl. S. 7 f dieses Beschlusses).

Daraus scheint hervorzugehen, dass der Verfassungsgerichtshof zum einen die Frage, ob der in Österreich gegen eine Abschiebung bestehende Rechtsschutz im Regelfall den Kriterien der Art. 13 EMRK entspricht, (noch) nicht endgültig beurteilt hat (bzw. aus prozessualen Gründen nicht abschließend beurteilen konnte) und zum anderen offenbar (weiterhin) davon ausgeht, dass eine Abschiebung aus systematisch-theoretischer Sicht grundsätzlich drei unterschiedliche Gestalten von Rechtssatzformen annehmen kann, nämlich: Im Regelfall jene eines bloßen Vollzugsaktes (= behördliche Umsetzung eines in die subjektive Rechtssphäre des Fremden eingreifenden rechtskräftigen Bescheides), gegen den deshalb kein Rechtsmittel (mehr) besteht (zu bestehen braucht), (wenn und) weil es sich um die bloß ordnungsgemäße faktische Herstellung des Ergebnisses eines bereits abgeschlossenen Verfahrens handelt; ausnahmsweise aber auch jene einer verwaltungsbehördlichen Befehls- und/oder Zwangsgewalt dann, wenn eben derartige Elemente zum ansonsten ordnungsgemäßen Vollzug qualifizierend hinzutreten, sodass als Rechtsbehelf eine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG zulässig ist (vgl. VfSlg 13885/1994; 17639/2005); und schließlich auch jene der Anwendung unmittelbaren Zwanges i.S.d. § 7 VVG, wenn zuvor ausnahms­weise eine förmliche Vollstreckungsverfügung erlassen – und damit gleichzeitig aber auch die Möglichkeit zur Berufung gegen diese nach § 10 VVG eröffnet – wurde (vgl. den entsprechenden Hinweis auf die VwGH-Judikatur im vorzitierten Beschluss vom 5. März 2008, G 267/07-3, S. 8). [Dem gegenüber scheint der Verwaltungsgerichtshof bislang weiterhin auf dem Standpunkt zu stehen, dass die Abschiebung im Regelfall eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbe­hörd­licher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, wenn und soweit nicht zuvor aus­nahms­weise eine förmliche Vollstreckungsverfügung erlassen wurde (vgl. VwGH v. 23. September 1994, Zl. 94/02/0139)]. Nochmals sei aber darauf hingewiesen, dass die Frage, ob damit jeweils dem Rechtsschutzbedürfnis des Art. 13 EMRK überhaupt Rechnung getragen ist – insbesondere in jenen Konstellationen, wo der Gesetzgeber gegen die Abschiebung einen gesonderten Rechtsbehelf, allerdings ohne aufschiebende Wirkung, vorgesehen hat – und Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gegenüber dem einfachen Gesetzgeber tatsächlich eine stärkere Bindungswirkung entfaltet als Art. 13 EMRK, nach wie vor offen ist.

3.2. Im gegenständlichen Fall erfolgte der Versuch der Abschiebung der Beschwerdeführer in ihren Heimatstaat am 22. August 2007 lediglich in Umsetzung des rechts­kräftigen Ausweisungsbescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates, Außenstelle Linz, vom 13. Juli 2007, Zl. 303.895-C1/25e-XVIII/58/06. Auch die Beschwerdeführer selbst haben gar nicht behauptet, dass im Zuge der Abschiebung ein über die mit derselben notwendig verbundenen Maßnahmen der Einschränkung der persönlichen Freiheit hinausgehender Akt physischen Zwanges ausgeübt worden wäre, ein Fall des refoulment-Verbots vorläge, o.ä. (oder dass die belangte Behörde zuvor eine Vollstreckungsverfügung erlassen hätte).

Damit stellt sich aber der Versuch der Abschiebung hier letztlich als ein bloßer Vollzugsakt im zuvor beschriebenen Sinne (vgl. oben, 3.1.2.) dar, gegen den von Gesetzes wegen ein eigenständiger Rechtsbehelf nicht (mehr) vorgesehen ist.

3.3. Die vorliegenden Beschwerden waren daher gemäß § 67c Abs. 3 AVG mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückzu­weisen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) nach § 79a Abs. 1 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der Aufwandsersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. II 334/2003, antragsgemäß Kosten in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageauf­wand: 51,50 Euro; Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.      Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.      Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13,20 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr. Grof

 

 

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