Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521902/24/Br/Ps

Linz, 07.05.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn J T, geb., L, A, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 25.2.2008, Zl.: VerkR21-2007, wegen des Entzuges der am 5.9.2007 unter der GZ.: EC für die Klasse C erteilten tschechischen Lenkberechtigung, nach der am 28.4.2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 67a Abs.1 AVG u. § 8 FSG 1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.6/2008.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 25.2.2008, Zl.: VerkR21-410-2007, wurde dem Berufungswerber mit Wirkung dieses Datums der von der Ceske Budejovice am 5.9.2007 unter der Geschäftszahl EC für die Klasse C ausgestellte Führerschein eingezogen und der Ausstellungsbehörde zurückgestellt.

Im Punkt 2. des Bescheides wurde ausgesprochen, dass für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung für die Gruppe 2, gerechnet ab der mit 25.2.2008 umschriebenen Zustellung des Bescheides (lt. RSa-Rückschein geschah dies jedoch erst am  28.2.2008) für die Dauer der Nichteignung festgesetzt werde.

Ebenfalls wurde für die Dauer der Entziehung das Recht aberkannt, von einem allfällig ausgestellten ausländischen Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen.

 

1.1. In der Präambel des Bescheides wurde als Grund der "gegenwärtige gesundheitliche Zustand" des Berufungswerbers  ins Treffen geführt, der die gesetzlich geforderten Voraussetzungen zum Lenken von führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 beim Berufungswerber dzt. nicht ausreichend gegeben erscheinen lasse. Die Behörde sei daher verpflichtet, die Lenkberechtigung für die Gruppe 2 bis zu seiner ärztlich bestätigten gesundheitlichen Eignung zu entziehen und gleichzeitig ein Lenkverbot (gemeint wohl für die Gruppe 2) auszusprechen.

Diese Maßnahme sei unumgänglich notwendig und es erging daher, nicht zuletzt im Interesse der eigenen Sicherheit des Berufungswerbers, seitens der Behörde erster Instanz als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung der eingangs zitierte Spruch.

Gestützt wurde diese Entscheidung auf § 24 Abs.1 u. 4, § 30 Abs.1 u. 3 des FSG. Einer Berufung wurde die aufschiebende Wirkung unter Hinweis auf § 64 Abs.2 AVG aberkannt.

 

1.2. Begründend wies die Behörde erster Instanz dann auf § 30 Abs.1 FSG hin, wonach es möglich sei, den Besitzern einer ausländischen Lenkberechtigung das Recht, von ihrem Führerschein Gebrauch zu machen, abzuerkennen, wenn Gründe für eine Entziehung vorlägen.

Im Übrigen wurde in Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere auf § 3 Abs.1 (Z13?) Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV hingewiesen, wonach jemand gesundheitlich geeignet sei, wenn er für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften die nötige körperliche und psychische Eignung besitzt.

Dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen, wurde offenbar, ohne darauf konkret einzugehen, aus dem Ergebnis der VPU v. 17.9.2007 in Verbindung mit dem amtsärztlichen Gutachten vom 15.10.2007 abgeleitet.  

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde ohne inhaltliche Begründung im Interesse der Verkehrssicherheit wegen Gefahr im Verzug – mangels bestehender gesundheitlicher Eignung – ausgesprochen.

 

2. Dagegen wandte sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht am 4.3.2008 bei der Behörde erster Instanz per FAX eingebrachten Berufung. Noch bevor der Akt der Behörde erster Instanz der Berufungsbehörde vorgelegt wurde, legte der Berufungswerber den Berufungsschriftsatz am 12.3.2008 durch persönliche Abgabe auch dem Unabhängigen Verwaltungssenat vor.

Darin weist der Berufungswerber im Ergebnis auf die Gefährdung seiner beruflichen Laufbahn mit diesem Entzug hin. Ein positives Gutachten wolle er nachreichen.

Der Berufung wurden auch Bestätigungen von zwei Transportunternehmen (W Transport GesmbH u. Ing. R K – Transporte) über eine erfolgreiche Tätigkeit als Kraftfahrer in der Zeit von Oktober 2006 bis 25.2.2008 vorgelegt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung in der Folge am 14.3.2008 samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oö. vorgelegt. Dieser hatte durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 AVG).

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat vorerst Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und durch Einholung einer amtsärztlichen Gutachtensergänzung unter Hinweis auf die zwischenzeitig erworbene Fahrpraxis in Verbindung mit der vom Verkehrspsychologen in seinem Gutachten vom 17.9.2007 angedeuteten positiven Beurteilbarkeit auch für die Gruppe 2 nach entsprechender Verkehrsbewährung mit Personenkraftwagen. Dies unter Anmerkung seitens der Berufungsbehörde auf die im Zuge der Berufung vorgelegte positiv beschriebene Tätigkeit als Fahrer bei zwei Transportunternehmen, die offenbar dem Verkehrspsychologen zur Zeit seiner Gutachtenserstellung nicht bekannt war.

Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung wurde wohl nicht beantragt, schien jedoch vor dem Hintergrund einer zwischenzeitig vom Berufungswerber beigebrachten negativen VPU jüngsten Datums sowie des Hinweises des Verkehrspsychologen Dr. R und der Amtsärztin im Gutachten auf eine mögliche Eignung im Falle eines ausreichenden Praxisnachweises in unmittelbarer Abklärung seitens der erkennenden Behörde zwingend erforderlich (§ 67d Abs.1 AVG).

Beweis erhoben wurde sodann durch Anhörung der in diesem Verfahren verantwortlich tätig gewordenen VPU-Gutachter Dr. R u. Dr. K [der über den Berufungswerber durch seine in Ausbildung befindliche VPU-Gutachterin außerhalb des Verfahrens eine insgesamt negative verkehrspsychologische Stellungnahme erstattete] sowie der Amtsärztin Dr. W, die sich von der unmittelbaren Erörterung der VPU eine fachliche Meinung bilden sollte. Der Arbeitgeber des Berufungswerbers Ing. K wurde als Zeuge zur Praxisbewährung des Berufungswerbers als Lastwagenfahrer befragt.

 

4. Die Vorgeschichte und Ausgangslage:

Aus der erstinstanzlichen Aktenlage folgt, dass der Berufungswerber am 3.4.2006 einen Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung bei der Behörde erster Instanz gestellt hat. Im Zuge dieses sich wohl in der Sphäre des Berufungswerbers zu vertretenden schleppenden Verfahrens wurde er bereits mit Bescheid vom 4.6.2006 aufgefordert, sich binnen zwei Monaten amtsärztlich untersuchen zu lassen. Dieses Verfahren führte letztlich zur Gutachtenslage, die wiederum die Grundlage des angefochtenen Bescheides zum Ergebnis brachte.

Der Berufungswerber hat offenbar unabhängig davon schon am 6.4.2006 für die Klasse B und am 15.2.2007 für die Klasse C und laut Angabe des Berufungswerbers im November 2007 auch noch die Lenkberechtigung der Klasse E + C in Tschechien erworben.

Hinsichtlich der lt. Berufungswerber zuletzt erworbenen Berechtigung findet sich im Akt keine Kopie eines Führerscheins bzw. ergibt sich die Berechtigung E + C nicht aus dem abgenommenen Führerschein.

Dies offenbar, nachdem er dort einen Wohnsitz begründet hatte. Im Zuge der Erlangung dieser Berechtigung hat er sich offenkundig auch einer medizinischen Eignungsuntersuchung und in Verbindung damit - seinen eigenen Angaben zufolge – ebenfalls einer psychologischen Untersuchung unterzogen. Auf Grund der ihm erteilten tschechischen Lenkberechtigung fand er zuletzt eine Beschäftigung als Kraftfahrer bei der Firma Ing. K, wobei ihm dieser als Fahrer und Mitarbeiter ein gutes Zeugnis ausstellt.

 

4.1. Im Februar 1999 scheiterte der Berufungswerber  erstmals in Österreich am Erwerb einer Lenkberechtigung, schon damals an einer negativen verkehrspsychologischen Stellungnahme. Dies auf Grund eines damals diagnostizierten Reifemangels.

Der Berufungswerber war zwischenzeitig von Oktober 2006 bis zum Entzug der Lenkberechtigung am 25.2.2008 für zwei Firmen als Kraftfahrer tätig. Bei der ersten Firma als Fahrer in einer Schottergrube außerhalb des Anwendungsbereiches der StVO. Beide beschreiben den Berufungswerber in den vorgelegten Arbeitszeugnissen als pflichtbewussten Mitarbeiter. Herr Ing. K bescheinigt seine sofortige Wiederaufnahme, falls ihm die Lenkberechtigung wieder erteilt werden sollte, wobei dieser sich auch bei der Berufungsbehörde noch vor dem Verhandlungstermin erkundigte, weil ihm ein Fahrer krankheitsbedingt für längere Zeit ausfällt und er T dringend benötige bzw. ihn sofort wieder anstellen würde. Dies unterstrich der Zeuge Ing. K anlässlich der Berufungsverhandlung durchaus eindrucksvoll.

Mit Blick auf den für 28.4.2008 anberaumten Verhandlungstermin wird vorgebracht, dass es aus spezifischen Gründen zu erwägen galt, anstatt der im erstinstanzlichen Verfahren tätig gewordenen Amtsärztin eine(n) mit dieser Sache nicht betrauten Sachverständige(n) der Sanitätsdirektion sowie beide tätig gewordene  Verkehrspsychologen zur Erörterung der verkehrspsychologischen Befundlage beizuziehen. In Vorbereitung der Verhandlung  wurde mit Dr. R am 9.4.2008 fernmündlich Rücksprache gehalten. Dabei wurde von ihm bereits bei diesem Anlass eine mögliche positive Evaluierung des Gutachtens mit Blick auf die bescheinigte positive Praxisbewährung in Aussicht gestellt. Es hatte ja zwischenzeitig auch ein nochmaliges Gespräch mit dem Berufungswerber stattgefunden, anlässlich dessen auch das "Privatgutachten" Dr. K bekannt wurde.

Die Übermittlung der amtsärztlichen Gutachtenslage und der Dienstzeugnisse an den Verkehrspsychologen Dr. R wurde über dessen Vorschlag veranlasst, wobei ein Nachuntersuchungstermin des Berufungswerbers für den 11.4.2008 um 09.00 Uhr beim KfV festgelegt wurde.

Im Vorfeld wurde die Aktenlage auch dem Sanitätsdienst übermittelt, wobei von Dr. W unter konzeptiver Zusammenfassung der Aktenlage und dem Hinweis, "dass uns" bis dato eine Stellungnahme des Dr. R nicht vorliege und die Praxisbewährung kein Testkalkül sei, am 17.4.2008 schriftlich reagiert wurde. Es wurde schon darin unter Hinweis auf die Amtsärztin der Behörde erster Instanz angedeutet, dass ohne Aussage über die ausreichende  kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit aus amtsärztlicher Sicht keine andere Aussage getroffen werden könne, als die Gutachterin der Behörde erster Instanz traf.

Bereits dies verdeutlicht, dass die Aufgabe des Amtsarztes zur autonomen Begutachtung der gesundheitlichen Eignung ohne Bindungszwang an eine VPU offenbar verkannt wird.

 

4.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat erwogen:

 

Das Ergebnis der im Rahmen der Berufungsverhandlung geäußerten Fachmeinung zur Eignungsfrage der Verkehrspsychologen lässt sich als völlig gegensätzlich zusammenfassen, wobei insbesondere die Meinung über die Valenz des kraftfahrspezifischen Leistungstests widersprüchlicher nicht sein könnte. Dr. R meinte an die Adresse seines ehemaligen Schülers Dr. K kritisch an, dieser verkenne offenbar, dass man einen Menschen nicht gleichsam wie ein Haus vermessen könne. Beide Experten räumten wohl eine Kompensationsmöglichkeit von kraftfahrspezifischen Minderleistungen ein, wobei Dr. K einen dritten Gutachter vorschlug, während demgegenüber Dr. R auf die derzeitige Untestbarkeit des Berufungswerbers auf Grund der ihm in diesem Verfahren negativen Widerfahrnisse, wobei in Verbindung damit die gegenwärtige Untestbarkeit begründet wurde bzw. Dr. R eine solche kategorisch ablehnte, hinwies.

Vielmehr ging der zuletzt genannte Gutachter klar  von einer Eignung zumindest vorerst einmal für die Klasse C aus. Das ins  Protokoll diktierte Gutachten lässt wohl an Klarheit zu wünschen übrig, wobei aus der Sicht der Berufungsbehörde kein Zweifel am positiven Eignungskalkül aus verkehrspsychologischer Sicht bestehen kann.

Wenn letztlich die dem Berufungsverfahren beigezogene Amtsärztin Dr. W auf die aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbaren Ausführungen verwies und aus den Ausführungen des Dr. R kein positives Eignungskalkül abzuleiten vermochte und demnach sich nicht in der Lage sah, ein abschließendes "positives" amtsärztliches Eignungskalkül abzugeben, verkannte die Amtsärztin ihre Funktion als Hilfsorgan der Behörde, sodass sie damit durch Vorwegnahme der Beweiswürdigung ihre Kompetenz überschritt, gleichzeitig aber ihre ärztliche Kompetenz nicht nur in den Hintergrund stellte, sondern aus unverständlichen Gründen nicht wahrnahm. Wenn sie im "Gutachten" vom 6.5.2008 abschließend zum Ausdruck bringt, die Klärung der gesundheitlichen Eignungsfrage könne für die Gruppe 2 nur durch Vorlage einer "eindeutig positiven" verkehrspsychologischen Untersuchung erfolgen, wird damit jedenfalls ihr fachliches Kalkül an eine formale Inhaltserwartung eines Teilgutachters gebunden, damit aber keinesfalls ein nachvollziehbares Kalkül einer Nichteignung getroffen. Vielmehr wird schlichtweg darüber hinweggesehen, dass sich beide Verkehrspsychologen diametral widersprochen haben. Dass dies nicht auf dem Rücken eines Betroffenen ausgetragen werden kann, sollte nicht verschwiegen werden. Dieser hat durch diesen Entzug immerhin seinen Arbeitsplatz verloren, was jedoch formalrechtlich kein Kriterium für den Entzug bzw. die Wiedererteilung der Lenkberechtigung, wohl aber ein Schicksal für einen Betroffenen ist.

Eine nachvollziehbare medizinische Auseinandersetzung mit der von der Berufungsbehörde der Amtsärztin vorgegebenen positiven Interpretation der verkehrspsychologischen Stellungnahme für die Gruppe 2 fehlt hier zur Gänze. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu diesem Problemkreis ausgesprochen, dass die Behörde im Fall der Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit eines amtsärztlichen Gutachtens den Sachverständigen zur Ergänzung der Begründung oder Aufklärung von Widersprüchen aufzufordern hat (VwGH 20.2.2001, Zl. 2000/11/0287). Dies bedeutet nach dem letztzitierten Erkenntnis aber nicht, dass die erforderliche Auseinandersetzung des Amtsarztes mit der, wie im vorliegenden Fall, unmittelbar anlässlich des Berufungsverfahrens vom Verkehrspsychologen positiv evaluierten - jedoch von der Amtsärztin in unbegründeter und unzulässiger Weise als nicht nachvollziehbar erachteten - verkehrspsychologischen Stellungnahme zwingend zum Gutachtensergebnis führen müsse, dem Betreffenden ermangle es an der gesundheitlichen Eignung gemäß § 8 FSG (vgl. auch VwGH 28.5.2002, 2000/11/0169 mit Hinweis auf VwGH 20.2.2001, 98/11/0312). Noch weniger wird daher im Falle einer positiv zu interpretierenden VPU eine Nichteignung abgeleitet werden können. Da einerseits ein inhaltliches Gutachten nicht erzwungen werden kann und andererseits das Verfahren nicht ungebührlich verzögert werden darf, war vor dem Hintergrund der nicht befundeten "Nichteignung" die Entscheidungs­grundlage dennoch gegeben.

Zumal aus der Sicht der Berufungsbehörde die Interpretation der VPU von Dr. R anlässlich der Berufungsverhandlung für die Klasse C im Ergebnis klar positiv war, bestärkt dies indirekt, dass wohl keinesfalls von einer Nichteignung auszugehen sein könnte.

Damit ist andererseits aber das  erstinstanzliche Nichteignungskalkül widerlegt bzw. ist dem die Grundlage entzogen.

 

4.3. Die von der Behörde erster Instanz gutachterlich knapp begründeten und rechtlich auf § 30 Abs.3 FSG gestützten Bedenken erwiesen sich daher als unzutreffend.

 

§ 30 Abs. 3 lautet:

„(3) Betrifft das Verfahren gemäß Abs. 1 den Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung, der seinen Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1) in Österreich hat, so hat die Behörde eine Entziehung auszusprechen und den Führerschein des Betroffenen einzuziehen und der Ausstellungsbehörde zurückzustellen. Die Behörde hat auch die Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR-Staates anzuordnen, wenn eine Person mit Wohnsitz in Österreich eine solche Lenkberechtigung zu einem Zeitpunkt erlangt hat, in dem in Österreich bereits die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen war. In diesem Fall ist die Lenkberechtigung bis zu jenem Zeitpunkt zu entziehen, zu dem die bereits angeordnete Entziehungsdauer endet. Hat eine Person mit Wohnsitz in Österreich, der die Lenkberechtigung in Österreich wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung entzogen wurde, trotzdem in einem EWR-Staat eine Lenkberechtigung erworben, so ist diese anzuerkennen, es sei denn, ein gemäß § 24 Abs.4 eingeholtes amtsärztliches Gutachten bestätigt, dass die gesundheitliche Nichteignung nach wie vor besteht.“

 

4.3.1. Gemäß § 3 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

  1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,
  2. die nötige Körpergröße besitzt,
  3. ausreichend frei von Behinderungen ist und
  4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs.1 oder 2 FSG vorzulegen.

 

4.3.2. Nach § 3 Abs.3 FSG-GV sind (nur) für den Fall, dass sich aus der Vorgeschichte oder anlässlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen. Diese Stellungnahmen sind bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen und im Gutachten in geeigneter Weise zu bewerten, wobei die zusätzlichen Risiken und Gefahren, die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 verbunden sind, besonders zu berücksichtigen sind. Diese vermögen nicht nur  auf Grund der jüngst erworbenen Berechtigung, sondern insbesondere auch angesichts der erwiesenen Fahrpraxis in Verbindung mit dem positiven – wenn auch sehr unverbindlich formulierten – Evaluierungsergebnis der VPU von Dr. R nicht erblickt werden.

 

4.3.3. Nach § 24 Abs.4 FSG ist die Behörde bei Bedenken, ob die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung noch gegeben ist, nur ermächtigt, eine bescheidmäßige Aufforderung dahingehend zu erlassen, der Betreffende möge sich ärztlich untersuchen lassen oder die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde (diese wären im Aufforderungsbescheid im Einzelnen anzuführen) zu erbringen. Ein derartiger Bescheid bildete hier die Grundlage für eine sogenannte "Formalentziehung" nach § 24 Abs.4 letzter Satz FSG.

Ein Aufforderungsbescheid ist jedoch nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Falle einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (VwGH 17.10.2006, 2003/11/0302 mit Hinweis auf VwGH 13.8.2003, 2002/11/0103). Ob die Bedenken überhaupt ausreichend begründet waren, wenn offenbar eine Lenkberechtigung jüngsten Datums vorlag und keinerlei sonstige gesundheitliche Aspekte den Anlass für das Vorgehen nach § 24 Abs.4 FSG gebildet haben, sondern dies gleichsam in einem im Ergebnis obsoleten Erteilungsverfahren erfolgt ist, darf bezweifelt werden. Dies muss daher vielmehr dann noch bezweifelt gelten, wenn letztlich nun auch eine positiv zu beurteilende VPU vorliegt.

Vor dem Hintergrund des Ergebnisses der im Rahmen des Berufungsverfahrens evaluierten Gutachtenslage  kann dahingestellt bleiben, ob es überhaupt als sachgerecht angesehen werden könnte, einer in Tschechien am Standard des Gemeinschaftsrechtes erteilte Lenkberechtigung einen geringeren Maßstab an die Anforderungen der "gesundheitlichen" Eignung oder besser gesagt, "persönlichkeitsbezogene Eignungsvoraussetzungen" zu vermuten, als dies im Rahmen einer in Österreich eingeforderten und eine auf § 24 Abs.4 FSG gestützte Nachbegutachtung offenbar der Fall gewesen zu sein scheint.

Man wird gegenüber einem EWR-Staat nicht sachlich begründet die unausgesprochene Annahme zu Grunde legen können, dass dieser Staat sich nicht an einen sachgerechten Standard halten würde.

Da es sich hier letztlich nicht um die Beurteilung einer Erteilungsvoraussetzung, sondern um den möglichen Wegfall von bereits belegten Eignungsvoraussetzungen handelt, bedarf es letztlich keines auf "geeignet" oder "bedingt geeignet" lautenden amtsärztlichen Gutachtens iSd § 8 FSG, sondern es genügt  vielmehr alleine das offenkundige Indiz, dass von einer Nichteignung wohl kaum die Rede sein kann.

Den Gegenstand des Verfahrens bildet hier nämlich der Entzug der iSd § 1 Abs.4 FSG von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staates ausgestellten Lenkberechtigung, die einer Lenkberechtigung gemäß Abs.3 gleichgestellt ist; dieses Verfahren hat somit nur auf Klärung der Frage der Rechtmäßigkeit des in der gesundheitlichen Eignungsfrage begründeten Entzuges beschränkt zu bleiben.

 

4.4. Diese Eignungsfrage war vor dem Hintergrund des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens klar zu bejahen, weil seitens der in diesem Verfahren gehörten Gutachter (Dr. R, Dr. K [als Verkehrspsychologen] und Dr. W [als Amtsärztin]) keinerlei nachvollziehbare Hinweise auf ein Fehlen dieser Eignung dargelegt werden konnten. Vielmehr relativierten beide Experten die Grenzen ihres wissenschaftlichen Teilbereich der Fahreignung sehr anschaulich.

Demnach erweist sich der im angefochtenen Bescheid auf der gesundheitlichen Ebene gestützt ausgesprochene Entzug als sachlich und auch rechtlich unhaltbar.

Im Berufungsverfahren relativierte Dr. R sein – im Rahmen des Antrages auf Erteilung dieser Lenkberechtigung in Österreich - ursprünglich "vorsichtshalber" für die Klasse C negativ erstelltes Gutachtenskalkül. Dies  vor dem Hintergrund der zwischenzeitig nachgewiesenen Praxis des Berufungswerbers  als Lenker von Fahrzeugen der Klasse C. Der hier primär zu würdigende VPU-Gutachter beurteilte dabei unter Hinweis auf die vielschichtige Problematik in der Exploration und Interpretation der kraftfahrspezifischen Leistungsanforderungen die Eignungsvoraussetzungen unter wortreicher Umschreibung in gut nachvollziehbarer Weise durchaus positiv. Dabei wurde auf die beim Berufungswerber ganz besonderen spezifischen Hindernisse bei der Testsituation hingewiesen.

Der Gutachter weist darin – wie bereits dargetan – umfangreich auf die in der Person des Berufungswerbers gelegenen erschwerenden Umstände hin. Insbesondere, dass er auf Grund seines bereits mehrfachen Scheiterns beim Leistungstest und die diesbezüglich entwickelte Angst vor einem Scheitern offenbar mit der Testsituation überfordert sein könnte und eine weitere [dritte] Testung daher abzulehnen wäre. Sehr plakativ und logisch erscheinend hob der Gutachter unter Hinweis auf die offenbar gegenteilige Auffassung seines fachlichen Gegenübers [Dr. K] hervor, dass nicht alleine numerisch festgelegte Leistungsanforderungen das alleinige Kriterium eines positiven verkehrspsychologischen Eignungskalküls angesehen werden könnten. Man könne dies nicht mit der Vermessung einer Sache vergleichen, so der Gutachter seine Ausführungen auf den Punkt bringend. 

Damit wurden vom Verkehrspsychologen Dr. R auch die Grenzen der Testbarkeit eines Menschen illustrativ und anschaulich aufgezeigt. Dies mit dem Hinweis, dass ein Mensch nicht nur an vorgegebenen Leistungsdaten (verglichen mit einer Vermessung einer Sache) beurteilt werden könne, sondern dies vielmehr nur im Rahmen einer umfangreichen Exploration in der Zusammenschau zu erfolgen habe. Die Literatur spricht von der Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit (s. HIMMELREICH/JANKER, MPU-Begutachtung, 2. Auflage, insb. Rn 284 u. Rn 512 ff). Die Komplexidität des Wesens Mensch und die Grenzen dessen Erfassbarkeit, welche nach h. Auffassung gemeinhin als Würde zu umschreiben wäre, wurde dabei sehr eindrucksvoll dargetan. Den sich bloß auf nackte Leistungsparameter reduzierenden Eignungskalkülen wurde darin in lebendiger Weise eine klare Absage erteilt. Dies wurde mit Blick auf eine reibungslose Verfahrensabwicklung in einer als problematisch zu bezeichnenden Weise von der Amtsärztin nicht erkannt, weil ein Bindungsautomatismus in der Beurteilung der gesundheitlichen Eignungsfrage an die formale Abfassung einer VPU nicht besteht. Diese kann auch im Rahmen einer Berufungsverhandlung in freien Worten exploriert werden und kann nicht – wie Dr. R verdeutlichte - von nackten Leistungsparametern abhängig gemacht werden.

 

4.4.1. Wenn die Behörde erster Instanz ihre Begründung lediglich auf den nackten Gesetzestext beschränkte und letztlich die Amtsärztin in ihrem Gutachten nur den (nunmehr relativierten) kraftfahrspezifischen Leistungsbefund aus der VPU als negatives medizinisches Eignungskalkül für die Gruppe 2 heranzog, vermochte dieses Kalkül keinesfalls vor dem Hintergrund des Ergebnisses des Berufungsverfahrens die gesundheitliche Nichteignung aufzuzeigen.

Ganz im Gegenteil spricht dagegen nicht nur auch die offenbar in Tschechien bereits nachgewiesene gesundheitliche Eignung, sondern noch deutlicher die aus der Praxis und durch Dienstzeugnisse empirisch widerlegten Ergebnisse. Die Berufungsbehörde konnte sich nicht nur mit Überzeugung den Ausführungen des Dr. R, sondern auch der Grundlage der vom EWR-Staat Tschechien in ihrer den Bescheid behebenden Beurteilung mit gutem Grund anschließen.

 

4.5. Im Berufungsverfahren bildete zuletzt nur die Feststellung der Rechtmäßigkeit des Entzuges - wegen vermeintlich fehlender gesundheitlicher Eignung - den Gegenstand des Verfahrens.

Wie schon mehrfach ausgeführt, bildete hier die rechtliche und sachliche Grundlage für die Vorgehensweise nach § 24 Abs.4 FSG der Umstand, dass der Berufungswerber offenbar seinen Antrag aus 2006 nicht zurückgezogen hat und gleichsam parallel dazu im Ausland  eine Lenkberechtigung erwarb, wodurch die Praxis die im Erteilungsverfahren bestehende Theorie gleichsam überholte.

Die der Entzugsgrundlage entgegenstehende Expertise kann in der Ergänzung der VPU durch Dr. R anlässlich der Berufungsverhandlung unter Berücksichtigung der Praxisbewährung in der Klasse C erblickt werden.

Da es hier zuletzt der beigezogenen Amtsärztin nicht möglich gewesen sein soll, ein fachliches Kalkül nach § 8 FSG zu erstellen, kann hier durchaus als befremdend bemerkt werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, weil dadurch eine Sacherledigung präsumtiv auf dem Rücken des Recht suchenden Bürgers erheblich erschwert und vor allem verzögert wird. Leider konnte selbst mit dem h. Schreiben an die Amtsärztin vom 29.4.2008, mit welchem das Protokoll über die zweistündige Berufungsverhandlung übermittelt wurde, zu einer fachlichen Aussage – unter der von der Beweiswürdigung vorgegebenen Annahme der positiven VPU – nicht bewegen. Dass es nicht Aufgabe des Gutachters ist, sich auf Formalaspekte zurückzuziehen, sondern ein nachvollziehbares medizinisches Kalkül darzulegen, durfte die zur Beweiswürdigung und Sachentscheidung berufene Behörde zweiter Instanz von der fristgerecht zu erlassenden Berufungsentscheidung unter der Annahme der offenkundig nicht abzusprechenden gesundheitlichen Eignung nicht abhalten.

Dagegen spricht jedenfalls die offenkundig bereits in einem EWR-Staat nachgewiesene Eignung und die ebenso eindrucksvoll nachgewiesene Praxisbewährung im Lenken dieser Fahrzeugklassen.

Der angefochtene Bescheid war demnach ersatzlos zu beheben.

In Bindung an diese Feststellungen hat sich die Behörde bei der Ausstellung einer neuen Urkunde am bereits erlangten Berechtigungsumfang und der amtsärztlich diagnostizierten Auflagenotwendigkeit "Code 01.06" zu orientieren. Für eine sachliche Differenzierung zwischen C und E + C vermag eine rechtliche Grundlage nicht erblickt werden.

Der am 25.2.2008 abgenommene Führerschein ist dem Berufungswerber zurückzustellen oder unverzüglich ein vorläufiger Führerschein gemäß § 13 FSG auszustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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