Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162987/6/Kei/Bb/Ps

Linz, 08.05.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des Herrn Mag. P L, S, G, vom 28.2.2008, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 14.2.2008, AZ VerkR96-1039-2008, wegen Zurückweisung eines Einspruches als verspätet, zu Recht:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 49 Abs.1 und 51 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 17 Abs.1 und 3 Zustellgesetz – ZustG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 14.2.2008, AZ VerkR96-1039-2008, wurde der Einspruch des Berufungswerbers vom 8.2.2008 gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 18.1.2008, Zl. VerkR96-1039-2008, gemäß § 49 Abs.1 VStG als verspätet zurückgewiesen.

 

2. Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 18.2.2008, richtet sich die am 29.2.2008   – und somit rechtzeitig - bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung vom 28.2.2008.

 

Darin bringt der Berufungswerber zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass sein Hauptwohnsitz (und seine Zustelladresse) S, G laute. Am Montag, den 21.1.2008 habe er zwischen 6.00 und 6.30 Uhr seinen Hauptwohnsitz verlassen, um an seinen Arbeitsplatz nach L zu gelangen. Zwischen 21. und 24.1.2008 habe er sich – neben seinem Arbeitsplatz – ausschließlich an seinem Nebenwohnsitz B, L aufgehalten und am Donnerstag, dem 24.1.2008 gegen 5.30 Uhr sei er zu einem Schiurlaub in N aufgebrochen. Von diesem Urlaub sei er am Samstag, 26.1.2008 spät abends an seinen Hauptwohnsitz zurückgekehrt.

 

Die gegenständliche Strafverfügung sei nach einem (fehlgeschlagenen) Zustellversuch am 22.1.2008 hinterlegt worden. Der Beginn der Hinterlegungsfrist sei Mittwoch, der 23.1.2008 gewesen.

Die Hinterlegungsanzeige habe er erst am Montag, dem 28.1.2008, früh morgens in seinem Briefkasten vorgefunden. Die frühest mögliche, jedoch nur theoretische Möglichkeit, die hinterlegte Strafverfügung zu beheben, sei Montag, der 28.1.2008 gewesen. Die Behebung und die Kenntnis vom Inhalt der zugestellten Sendung sei – aufgrund seiner Wohn- und Arbeitssituation sowie den Öffnungszeiten der Post aber nicht bereits am 28.1.2008, sondern erst am darauffolgenden Mittwoch, dem 30.1.2008 nachmittags möglich gewesen. In Kenntnis der Bestimmung des § 17 Abs.3 ZustG sei er davon ausgegangen, dass die Zustellung frühestens mit der ersten theoretischen Möglichkeit der Behebung der Sendung wirksam geworden und die zweiwöchige Einspruchsfrist zu laufen begonnen habe, da ansonsten – unzulässigerweise – eine Fristverkürzung vorgelegen wäre.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems sowie Wahrung des Parteiengehörs hinsichtlich der vermutlichen verspäteten Rechtsmitteleinbringung.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung entfällt, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage ergibt, eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht beantragt wurde und bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).  

 

5. Aus dem vorliegenden Akt (einschließlich der Schriftsätze der Parteien) ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems erließ am 18.1.2008 gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung, GZ VerkR96-1039-2008, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung. Diese Strafverfügung wurde nach dem im Akt erliegenden Zustellnachweis nach einem ersten Zustellversuch am 22.1.2008, am 23.1.2008 postamtlich hinterlegt, wobei als Beginn der Abholfrist der 23.1.2008 vermerkt wurde. Der dagegen erhobene Einspruch des Berufungswerbers vom 8.2.2008 wurde am 11.2.2008 der Post zur Beförderung übergeben (Datum der Postaufgabe) und langte am darauffolgenden Tag, am 12.2.2008 bei der die Strafverfügung erlassenden Behörde ein.  

 

Der Berufungswerber verantwortet sich zur Rechtzeitigkeit der Einbringung seines Rechtsmittels damit, dass er am 21.1.2008 früh morgens die Abgabestelle verlassen und sich zwischen 21. und 24.1.2008 – neben seinem Arbeitsplatz – ausschließlich an seinem Nebenwohnsitz in L, B, aufgehalten habe und sich schließlich von 24. bis 26.1.2008 auf Schiurlaub in N befunden habe und erst am 26.1.2008 abends wieder an die Abgabestelle nach G zurückgekehrt sei.

 

Anlässlich des Verspätungsvorhaltes des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 4.4.2008 und der Aufforderung, seine behauptete Ortsabwesenheit zu konkretisieren und nachzuweisen, wurde vom Berufungswerber eine Kopie des Auszuges aus dem Monatsjournal vom 21. bis 26.1.2008 vorlegt, wonach er am 21.1.2008 Urlaub hatte, sich am 22.1.2008 von 8.00 bis 20.07 Uhr und am 23.1.2008 von 7.11 bis 18.56 Uhr jeweils mit kurzen Unterbrechungen an seinem Arbeitsplatz befand und am 24.1. und 25.1.2008 vorrangigen Gleitzeitplusausgleich genoss. Entsprechend einer angeschlossenen Teilnehmerliste zum Winterbetriebsausflug nach N hat der Berufungswerber an diesem Ausflug teilgenommen. Eine Rechnung der Firma "G" vom 11.2.2008 bestätigt eine Busfahrt  nach und von N am 24.1. und 26.1.2008 und eine Rechnung der Pension D, N, ausgestellt auf den Berufungswerber dokumentiert seinen dortigen Aufenthalt für den Zeitraum von 24. bis 26.1.2008.

 

6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht darüber wie folgt erwogen:

 

6.1. Gemäß § 49 Abs.1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

 

Gemäß § 17 Abs.1 ZustG ist, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs.3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das Dokument im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

 

Gemäß § 17 Abs.3 ZustG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs.3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

 

6.2. Die gesetzliche Vermutung der rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung im Sinne des dritten Satzes des Abs.3 des § 17 leg.cit. kommt im Falle der Ortsabwesenheit des Empfängers nicht zum Tragen.

Der Berufungswerber hat im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung am 22.1. und 23.1.2008 sowie darüber hinaus bis 26.1.2008 abends Ortsabwesenheit behauptet und auch nachgewiesen. Es ist deshalb zu prüfen, ob er vom Zustellvorgang rechtzeitig Kenntnis erlangt hat (oder hätte erlangen können), was jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen ist.

 

Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt (vgl. z.B. VwGH 19.4.2001, 99/06/0049). Dies hat der Verwaltungsgerichtshof im erwähnten Erkenntnis für den Fall bejaht, dass dem Empfänger für die Erhebung einer Berufung innerhalb der zweiwöchigen Frist nach dem AVG ein angemessener Zeitraum von zwölf Tagen verblieb.

Im Erkenntnis vom 24.2.2000, 2000/02/0027, hat er die Ansicht vertreten, die Beschwerdeführerin habe rechtzeitig von der Zustellung Kenntnis erlangt, wenn sie für die Erhebung eines Einspruches innerhalb der Frist von zwei Wochen nach dem VStG noch zehn Tage zur Verfügung hatte. Auch bei Behebung einer Sendung drei Tage nach der erfolgten Hinterlegung sah der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27.9.1999, 99/17/0303, keinen Fall, wonach wegen Abwesenheit von der Abgangsstelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang eines Straferkenntnisses, gegen welches binnen zwei Wochen Berufung erhoben werden konnte, habe Kenntnis erlangt werden können.

 

Wenn der Berufungswerber, wie von ihm nachweislich belegt wurde, von 22.1.2008 bis 26.1.2008 ortsabwesend war und am 26.1.2008 abends, einem Samstag, an die Abgabestelle zurückgekehrt ist, konnte er frühestens am 26.1.2008 vom Zustellvorgang, der Hinterlegung der Strafverfügung, Kenntnis erlangen und das hinterlegte Dokument infolge des Wochenendes erst am innerhalb der Abholfrist gelegenen Montag, dem 28.1.2008 beheben, weshalb die ihm gemäß § 49 Abs.1 VStG zur Verfügung stehende zweiwöchige Einspruchsfrist verkürzt wurde. In diesem Fall wären ihm - ausgehend vom 23.1.2008 als dem Tag der Zustellung der Strafverfügung - bis zum Ablauf der Einspruchsfrist am 6.2.2008 volle neun Tage für die Erhebung des Einspruches zur Verfügung gestanden.

 

Vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (der zwölf bzw. zehn Tage als angemessenen verbleibenden Zeitraum erachtet), ist der gegenständliche verbleibende Zeitraum von neun Tagen für die Erhebung eines Einspruches, der zwar grundsätzlich keiner Begründung bedarf, als zu kurz anzusehen und kann von einem angemessenen verbleibenden Zeitraum bzw. einer gesetzlich gebilligten Fristverkürzung keine Rede mehr sein.

Die Tatsache, dass der Berufungswerber mehrere Tage von seiner Abgabestelle abwesend war, bewirkt, dass die Strafverfügung vom 18.1.2008 nicht im Sinne des § 17 Abs.3 dritter Satz leg.cit. mit dem ersten Tag der Abholfrist (23.1.2008) als zugestellt gilt, vielmehr kommt der Gesetzeswortlaut (vgl. § 17 Abs.3 vierter Satz leg.cit.) zum Tragen, dass die Zustellung an dem der Rückkehr folgenden Tag innerhalb der Abholfrist, an dem die Sendung behoben werden könnte, wirksam wurde. Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage ist die Zustellung der Strafverfügung somit am 28.1.2008 wirksam geworden. Diese Beurteilung hat zur Konsequenz, dass die Rechtsmittelfrist mit Ablauf des 11.2.2008 endete und der am 11.2.2008 zur Post gegebene Einspruch des Berufungswerbers fristgerecht erhoben wurde. Der Berufung war damit Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

Die erstinstanzliche Behörde wird nunmehr das ordentliche Verfahren gemäß § 49 Abs.2 VStG einzuleiten haben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  Michael  K e i n b e r g e r

 

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