Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162654/8/Bi/Ga

Linz, 30.04.2008

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn G O, M, vertreten durch RA Dr. J P, M, vom 30. Oktober 2007 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 22. August 2007, VerkR96, wegen Übertretung des KFG 1967, zu Recht erkannt:

 

I.                   Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das ange­fochtene Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 120 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden herabgesetzt werden.

 

II.                   Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 12 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 170 Euro (3 Tagen EFS) verhängt, weil er als Zulass­ungs­be­sitzer des Kfz, Kz. , mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 26. Juni 2007, UR96, nachweislich zugestellt am 27. Juni 2007, aufgefordert worden sei, der Behörde binnen 14 Tagen ab Zustellung jene Person namhaft zu machen, welche dieses Fahrzeug am 18. März 2007 um 11.43 Uhr gelenkt habe. Da er eine diesbezügliche Auskunft nicht erteilt habe und auch keine Person benannt worden sei, die diese Auskunft erteilen könne, sei er seiner gesetzlichen Auskunftspflicht gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 nicht nachgekommen. 

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 17 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil im ange­­foch­tenen Straferkenntnis eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und bei unstrittigem Sachverhalt nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet und eine Berufungsverhandlung nicht beantragt wurde (§ 51e Abs.3 Z1 und 3 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe keine Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs.2 KFG erteilt, weil man ihn dazu nicht zwingen könne. Er macht  Unterschiede zu den Fällen O´Halloran und Francis geltend und behauptet Verletzungen der Art. 6 und 8 EMRK. In seinem Fall sei ein Verwaltungsstraf­verfahren bei der Aufforderung zur Lenkerauskunftserteilung bereits anhängig gewesen und es bestehe bei Familienangehörigen, u.U. seiner Gattin, diesbezüg­lich kein Entschla­gungs­recht. Er macht Verstöße gegen Art 13, 14, 17 und 18 EMRK sowie gegen Art 5 StGG und Art.1 1.ZP zur EMRK geltend, rügt, dass im Verwaltungsstrafverfahren das seiner Ansicht nach günstigere Tagsatzsystem nicht zur Anwendung gelange und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung.    

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Bw am 18. März 2007 Zulassungsbesitzer des Pkw   war, dessen  Geschwindigkeit an diesem Tag um 11.43 Uhr auf der A1 bei km 156.810, FR Salzburg, mittels Radarmessung mit (nach Toleranzabzug)  135 km/h festgestellt worden sei, obwohl dort gemäß § 30 Abs.1 IG-L iVm § 3 Abs.1 LGBl.Nr.2/2007, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit mit 100 km/h festge­legt worden sei.  Eine Anhaltung erfolgte nicht.

 

Im Verfahrensakt befindet sich eine Strafverfügung der BH Linz-Land gemäß § 30 Abs.1 I-GL iVm § 3 Abs.1 LGBl.2/2007, sowie ein fristgerecht dagegen einge­brachter Einspruch. Der Akt wurde gemäß § 29a VStG an die Wohnsitz­behörde, die Erstinstanz, abgetreten.

Mit Schreiben von 13. Juni 2007 wurde der Bw zu Handen seines nunmehrigen Rechtsvertreters zu einer Stellungnahme aufgefordert, worauf dieser erklärte, er sei der Zulassungsbesitzer des Pkw, aber nicht der Lenker zum Vorfallszeitpunkt gewesen.

Mit Schreiben der Erstinstanz vom 26. Juni 2007, UR96, wurde der Bw als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs.2 KFG1967 aufgefordert,  innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung des Schreibens der Erstinstanz mitzuteilen, wer am 18. März 2007 um 11.43 Uhr das Kfz   im Gemeindegebiet Enns auf der A1 bei Strkm 156.810 in Fahrtrichtung Salzburg gelenkt habe. Der Bw wurde darauf hingewiesen, dass er, wenn er keine Auskunft geben könne, die Person zu benennen habe, die Auskunft erteilen könne; diese Person treffe dann die Auskunftspflicht. Bei unrichtiger Auskunft oder Nichterteilung einer solchen habe er als Zulassungsbesitzer wegen Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 mit erheblicher Bestrafung zu rechnen. Weiters enthielt die Aufforderung den aus­drück­lich als Verfassungsbestimmung zitierten Hinweis: "Gegenüber der Befugnis der Behörde, Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück." Beigefügt war ein Antwort-Formular.

Die Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 wurde dem Bw zu Handen seines Rechtsvertreters laut Rückschein am 27. Juni 2007 zugestellt. Auskunft wurde nicht erteilt, sodass der Bw mit Strafverfügung der Erstinstanz vom 25. Juli 2007, VerkR96-5611-2007, wegen Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 bestraft wurde. Die Strafverfügung wurde vom Bw fristgerecht beeinsprucht und erneut geltend gemacht, er sei nicht der Lenker gewesen und habe dies bereits depo­niert. Er habe die Lenker­auskunft nicht erteilt, weil er damit einen nahen Fami­lien­angehörigen einem Verwaltungsstrafverfahren aussetzen hätte müssen, was ihm gemäß Art.8 EMRK nicht zumutbar sei.     

Daraufhin erging nach fruchtloser Anfrage der Erstinstanz nach den finanziellen Verhältnissen des Bw das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraft­fahr­zeug ge­lenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger ver­wendet hat bzw zu­letzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der be­treffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Aus­kunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Aus­kunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten er­scheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeich­nun­gen nicht erteilt werden könnte, sind diese Auf­zeich­nungen zu führen. (Ver­fassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunfts­verweigerung zurück.

 

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zu­grunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines KFZ jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jeder­zeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhe­bun­gen zu ermöglichen (vgl VwGH v 18. November 1992, 91/03/0294 ua).

 

Die Lenkeranfrage im gegenständlichen Fall stand mit den gesetzlichen Be­stimmun­gen im Einklang, war klar und eindeutig formuliert und auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nichterteilung war unmiss­verständlich.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht auf der Grundlage des durchgeführten Beweisverfahrens kein Zweifel, dass der Bw den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und, da von einer Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG keine Rede sein kann, sein Verhalten als Verwaltungs­übertretung zu verantworten hat.

Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht auch auf der Grundlage der Berufungsausführungen kein Anlass, an der Verfassungs- und Konventions­mäßigkeit der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 zu zweifeln, weshalb in Anbetracht der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl 29.9.1988, G72/88, ua), des Verwaltungsgerichtshofes (vgl 15.9.1999, 99/03/0090) und des Euro­päischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl 8.4.2004, Nr. 38544/97 - Weh gegen Österreich; zuletzt 29.6.2007, Nr. 15809/02 und Nr. 25624/02 - O'Halloran und Francis gegen das Vereinigte Königreich) eine Anfechtung dieser Bestimmung beim öster­reichischen Verfassungs­gerichtshof nicht in Betracht gezogen wird, auch wenn sich der EGMR mangels entsprechender Ausführungen nicht zur Prüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs.2 oder des Art 8 EMRK veranlasst sah.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis zu 5.000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses die finanziellen Verhältnisse des Bw – unwidersprochen – geschätzt (1.200 Euro netto monatlich, keine Sorgepflichten, kein Vermögen) und keinen Ansatz für die Anwendung der §§ 20 oder 21 VStG gefunden.

Aus der Sicht des UVS ist aber die Unbescholtenheit des Bw, von dem im Akt keine Vormerkungen aufscheinen, als wesentlicher Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen, während erschwerend nichts aufscheint, aus dieser Überlegung war die Strafe herabzusetzen.

Die nunmehr verhängte Strafe liegt unter Bedachtnahme auf die Kriterien des
§ 19 VStG im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand. Durch das Verhalten der Bw wurde die verwaltungsstraf­rechtliche Verfolgung des tatsächlichen Lenkers, die zur Wahrung von Umweltschutzinteressen angesichts einer Missachtung der Geschwin­dig­keitsbestimmungen erforderlich gewesen wäre, verhindert. Berück­sichtigungs­würdige Argumente im Hinblick auf die Annahme eines gering­fügigen Verschuldens der Bw oder eines beträchtlichen Überwiegens von mildernden Um­ständen und damit eine Anwendung der §§ 20 oder 21 VStG sind nicht aufge­taucht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

Lenkerauskunft nicht erteilt

 

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