Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163110/2/Ki/Da

Linz, 07.05.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des G S, p.A. M, A, A, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. G R und Dr. C R, G, R, vom 11. März 2008 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 26. Februar 2008, GZ. S 5611/07-1, wegen einer Übertretung der StVO 1960 zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.              Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:   §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG

zu II.:  § 66 Abs.1 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 26. Februar 2008, GZ. S 5611/07-1, wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 3.2.2007 um 19:00 Uhr in Linz, Landstraße 8-10, Ri. stadteinwärts, das Fahrrad in einem durch Suchtgift beeinträchtigten und fahruntüchtigen Zustand gelenkt. Er habe dadurch § 5 Abs.1 StVO 1960 verletzt.

 

Gemäß § 99 Abs.1b StVO 1960 wurde eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) sowie zum Ersatz von Barauslagen in Höhe von insgesamt 676,40 Euro verpflichtet.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 11. März 2008 Berufung erhoben mit dem Antrag, die Berufungsbehörde möge der Berufung Folge geben und die mit dem angefochtenen Bescheid verhängte Geldstrafe sowie die Verpflichtung zum Ersatz der Verfahrenskosten aufheben.

 

Ausdrücklich wird in der Berufung eingangs ausgeführt, dass der Bescheid seinem gesamten Inhalt nach wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes angefochten wird.

 

2.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 7. April 2008 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bundespolizeidirektion Linz eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Eine öffentliche mündliche Verhandlung entfällt, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Laut Anzeige der Polizeiinspektion Landhaus vom 3. Februar 2007 stieg, wie sich später herausstellte, der Berufungswerber am 2. März (gemeint wohl: 3. Februar) 2007 um 19.00 Uhr im Bereich des vorgeworfenen Tatortes auf das Fahrrad auf und kam nach 10 m Fahrt zu Sturz. Der Meldungsleger stellte eine deutliche Beeinträchtigung der Person, die das Fahrrad gelenkte hatte durch Alkohol auf Grund des Alkoholgeruches in der Atemluft und des schwankenden Ganges sowie typische Symptome einer Suchtgiftbeeinträchtigung fest. Ein durchgeführter Alkotest ergab 0,27 mg/l Atemluftalkoholgehalt. Auf Grund der ersichtlichen Symptome einer Suchtgiftbeeinträchtigung (erweiterte Pupillen, starke Müdigkeit) wurde eine amtsärztliche Untersuchung veranlasst, laut Anzeige ergab die Untersuchung eine Fahruntauglichkeit des Berufungswerbers wegen Suchtgiftbeeinträchtigung.

 

Ein fakultativer freiwilliger Urintest ergab ein positives Ergebnis für TCA und THC.

 

Eine Analyse der dem Berufungswerber im Rahmen der klinischen Untersuchung durch den Amtsarzt abgenommenen Blutprobe durch die Gerichtsmedizin Salzburg-Linz ergab lediglich ein positives Ergebnis auf Benzodiazepine.

 

Im Gutachten der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz vom 26. Februar 2007 (Gutachter Prof. Dr. rer. nat. T K, Allg. beeid. und gerichtl. zertif. Sachverständiger) ist festgestellt, dass die immunologische Untersuchung ein positives Ergebnis für Substanzen aus der Benzodiazepin-Gruppe ergab. Eine Untersuchung der Blutprobe auf pharmakologisch aktive Wirksubstanzen ergab ein positives Resultat für Carbamazpin sowie Carbamazepin-Stoffwechselprodukt. Eine Untersuchung der Blutprobe auf Benzodiazepine ergab ein Resultat hinsichtlich Clonazepam von 0,069 mg/l sowie ein positives Resultat für Flunitrazepam. Eine Untersuchung der Blutprobe auf Carbamazepin ergab ein Resultat von 0,592 mg/l.

 

Zusammenfassend stellte der Gutachter fest, dass Herr S neben einer flunitrazepamhaltigen Zubereitung (vermutlich Rohypnal) und Ethylalkohol auch die Antiepileptika Clonazepam und Carbamazepin zu sich genommen und danach aktiv am Straßenverkehr teilgenommen hatte. Zum Zeitpunkt der Blutprobenerhebung habe sich Herr S noch immer unter der Wirkung des Antiepileptikums Clonazepam in Kombination mit Ethylalkohol befunden und er sei somit nicht mehr in der Lage gewesen, sein Fahrzeug mit der notwendigen Sicherheit und Aufmerksamkeit im Straßenverkehr zu bewegen. Seine Fahrtüchtigkeit zum Vorfallszeitpunkt sei somit nicht mehr gegeben gewesen.

 

Unter Zugrundelegung dieses Gutachtens hat die belangte Behörde letztlich das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

2.6. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt aufliegenden Unterlagen. Es bestehen keine Bedenken an den Feststellungen des Gutachters der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 5 Abs.1 StVO 1960 darf, wer sich u.a. in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen.

 

Dem Berufungswerber wird nun vorgeworfen, er habe ein Fahrrad in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Suchtmittelgesetz sind Suchtgifte im Sinne dieses Bundesgesetzes Stoffe und Zubereitungen, die durch die einzige Suchtgiftkonvention vom 30. März 1961 zu New York, BGBl. Nr. 531/1998, idF des Protokolls vom 25. März 1972 zu Genf, BGBl. Nr. 521/1978, Beschränkungen hinsichtlich der Erzeugung (Gewinnung und Herstellung), des Besitzes, Verkehrs, der Ein-, Aus- und Durchfuhr, der Gebarung und Anwendung unterworfen und mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales als Suchtgifte bezeichnet sind.

 

Gemäß § 2 Abs.2 Suchtmittelgesetz gelten als Suchtgifte im Sinne dieses Bundesgesetzes ferner Stoffe und Zubereitungen, die durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über psychotrope Stoffe vom 21. Februar 1971 zu Wien, BGBl. III Nr. 148/1997, Beschränkungen iSd Abs.1 unterworfen, in den Anhängen I und II dieses Übereinkommens enthalten und im Hinblick darauf, dass sie auf Grund ihrer Wirkung und Verbreitung ein den Suchtgiften iSd Abs.1 vergleichbares Gefährdungspotential aufweisen, mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales Suchtgiften gleichgestellt sind.

 

Gemäß § 2 Abs.3 Suchtmittelgesetz können weitere Stoffe und Zubereitungen mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales Suchtgiften gleichgestellt werden, wenn sie auf Grund ihrer Wirkung und Verbreitung ein den Suchtgiften iSd Abs.1 vergleichbares Gefährdungspotential aufweisen.

 

Gemäß § 2 Abs.4 Suchtmittelgesetz unterliegen nach Maßgabe der einzigen Suchtgiftkonvention und dieses Bundesgesetzes auch Mohn-, Stroh- und die Cannabispflanze den in Abs.1 angeführten Beschränkungen.

 

Die im Suchtmittelgesetz bezeichneten Suchtgifte bzw. Giften gleichgestellten Stoffe sind in der Suchtgiftverordnung (BGBl. II Nr. 374/1997 i.d.g.F.) ausschließlich aufgelistet.

 

Dazu wird festgestellt, dass die vom Sachverständigen der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz in der Blutprobe des Berufungswerbers festgestellten Stoffe nicht in der Suchtgiftverordnung angeführt sind und diese daher auch nicht als Suchtgifte iSd Suchtmittelgesetzes gelten. Es handelt sich hier offensichtlich um diverse Medikamente, welche unter Umständen zwar als Suchtmittel bezeichnet werden können, jedenfalls handelt es sich dabei aber um keine Suchtgifte.

 

Wenn auch seitens des Sachverständigen festgestellt wurde, dass Herr S in Anbetracht der festgestellten Stoffe zum Zeitpunkt des Lenkens des Fahrrades fahruntüchtig war, so handelt es sich dabei jedoch nicht um das Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand iSd § 5 Abs.1 StVO 1960. Allenfalls wäre an eine Übertretung des § 58 Abs.1 StVO 1960 zu denken, diese Übertretung war jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens und es ist daher auch eine Beurteilung im Berufungsverfahren nicht zulässig.

 

Es mag durchaus zutreffen, dass der Berufungswerber grundsätzlich auch Cannaboide zu sich genommen hat bzw. eine derartige Konzentration im Harn festgestellt werden konnte. Aus dem vorliegenden Gutachten der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz geht jedoch nicht hervor, dass wegen dieses Stoffes die konkrete Beeinträchtigung gegeben war.

 

3.2. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

Nachdem, wie oben dargelegt wurde, Herr S zwar fahruntüchtig war, diese Fahruntüchtigkeit jedoch nicht auf einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand zurückzuführen ist, hat er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen. Aus diesem Grunde konnte der Berufung Folge gegeben werden, das angefochtene Straferkenntnis war zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich einzustellen.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

Mag. Alfred Kisch

 

 

Beschlagwortung:

§ 5 Abs. 1 StVO 1960  nicht jedes Suchtmittel gilt als Suchtgift i.S.d. Suchtgiftverordnung.

 

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