Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400939/5/SR/Sta

Linz, 15.05.2008

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des D S I, geb. am, Staatsangehöriger von Guinea-Bissau, vertreten durch Mag. M S, per Adresse S M, Rstraße, L, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 4. Jänner 2008, AZ.: 1057892/FRB und Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch den angeführten Polizeidirektor zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Beschwerde wird, soweit sie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit vom 19. Februar 2008 bis zum 3. März 2008 betrifft, Folge gegeben. Das Mehrbegehren (Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung vom
8. Jänner 2008 bis 18. Februar 2008)  wird zurückgewiesen.

II.              Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird abgewiesen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger von Guinea-Bissau, ist am geboren und am 14. Oktober 2006, von Italien kommend, illegal in das Bundesgebiet eingereist.

 

1.2. Der am 16. Oktober 2006 beim Bundesasylamt eingebrachte Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag) wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. April 2007, Zl. 06 11.004, gemäß § 3 AsylG abgewiesen und damit verbunden die Ausweisung verfügt. Eine rechtswirksame Zustellung des Bescheides ist nicht erfolgt.  

 

In der Zeit vom 24. Oktober bis zum 5. Dezember 2006 befand sich der Bf im PAZ Hernals in Schubhaft.

 

1.3. Am 15. März 2007 wurde der Bf vom Landesgericht Wiener Neustadt unter der Zl. 46 Hv 12/07 wegen § 27 Abs. 1 1. und 2. Fall SMG, § 27 Abs. 1 6. Fall und Abs. 2 Z.2 1. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, davon
6 Monate bedingt, verurteilt. 

 

1.4. Mit Bescheid des Polizeipräsidenten der Bundeshauptstadt Wien vom 16. Juli 2007, III-1237336/FrB/07, wurde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 FPG angeordnet. Die Rechtsfolgen des Bescheides sollten nach der Entlassung des Bf aus der Gerichtshaft eintreten. Der Bescheid wurde dem Bf am 19. Juli 2007 zu eigenen Handen zugestellt und ihm in der Justizanstalt Favoriten übergeben. Die Bestätigung der Übernahme wurde vom Bf verweigert.

 

1.5. Am 2. August 2007 wurde der Bf vom Landesgericht für Strafsachen Wien unter der Zl. 151 Hv 77/07 wegen § 27 Abs. 1 und 2, 1. Fall SMG und § 27 Abs. 1 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. 

 

1.6. Mit Bescheid des Polizeipräsidenten der Bundeshauptstadt Wien vom
12. September 2007, III-1237336/FrB/07, wurde gegen den Bf ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen. Der Bescheid wurde dem Bf am 18. September 2007 zu eigenen Handen zugestellt. Die dagegen am 16. Oktober 2007 eingebrachte Berufung wurde vom Sicherheitsdirektor für das Bundesland Wien mit Bescheid vom 8. Jänner 2008, E1/481514/2007, zugestellt am 21. Jänner 2008, als verspätet zurückgewiesen.

 

1.7. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 4. Jänner 2008, AZ. 1057892/FRB, wurde über den Bf die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1 FPG angeordnet. Der Bescheid wurde dem Bf am 8. Jänner 2008 zu eigenen Handen zugestellt.  

 

In der Begründung hat die genannte Behörde eine kurze Sachverhaltsfeststellung vorgenommen, auf das durchsetzbare Aufenthaltsverbot der BPD Wien und die gerichtlichen Verurteilungen hingewiesen und in Aussicht gestellt, dass nach Erlangung eines Heimreisezertifikates beabsichtigt sei, den Bf in sein Heimatland abzuschieben. Aus den Umständen, dass der Bf in Österreich über keinen festen Wohnsitz verfüge, sozial und beruflich nicht verankert sei, sich wiederholt kriminell verhalten habe und auch über keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen verfüge, schloss die belangte Behörde, dass sich der Bf zum Zwecke seiner Abschiebung nicht freiwillig zur Verfügung halten werde. Aufgrund der bisher gezeigten Missachtung österreichischer Rechtsvorschriften müsse davon ausgegangen werden, dass der Bf den Anordnungen im gelinderen Mittel nicht Folge leisten werde. Von der Anordnung gelinderer Mittel habe daher Abstand genommen werden müssen.

 

1.8. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung am 8. Jänner 2008 wurde dem Bf zur Kenntnis gebracht, dass er nunmehr im Anschluss an die Strafhaft in Schubhaft genommen werde. Nach Darlegung der Schubhaftgründe und der beabsichtigten Vorgangsweise wurde über den Bf die Schubhaft verhängt und er in das PAZ Linz eingeliefert.

 

1.9. Mit Schreiben vom 8. Jänner 2008 ersuchte die belangte Behörde die Botschaft der Republik Guinea Bissau um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf.

 

1.10. Am 18. Jänner 2008 stellte der Bf im PAZ Linz einen weiteren Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31. Jänner 2008, Zl. 08 00.667, wurde der Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der belangten Behörde mitgeteilt, dass der vorliegende Bescheid durchsetzbar ist.

 

1.11. Im Aktenvermerk vom 7. Februar 2008 hat die belangte Behörde festgehalten, dass vor Stellung des Asylantrages gegen den Bf ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot bestanden hat und daher die Schubhaft als nach § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG verhängt gilt.

 

1.12. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Februar 2008, Zl. 317.292-1/3E-XVII/55/08, wurde der Berufung gegen den unter Punkt 1.10 angeführten Bescheid stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die Bescheidzustellung lediglich an den minderjährigen Asylwerber, nicht jedoch an den gesetzlichen Vertreter erfolgt ist und somit mangels einer rechtswirksamen Zustellung keine entschiedene Sache vorliege.

 

1.13. Am 14. Februar 2008 teilte das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West per E-mail mit, dass „das Verfahren 08 00.667 datenbereinigt wurde und das Verfahren nunmehr unter der Zahl 06 11.004 weitergeführt werde. Eine Aufenthaltsberechtigungskarte werde nicht ausgestellt, da ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe“.  

 

1.14. Am 3. März 2008 wurde der Bf aus der Schubhaft entlassen.

 

2. Mit Schriftsatz vom 17. März 2008, zur Post gegeben am 1. April 2008, eingelangt am 3. April 2008, erhob der Bf durch seinen Vertreter "Beschwerde gemäß § 82 FPG" an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich und stellte die Anträge, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge

"I. den hier angefochtenen oben bezeichneten Bescheid (Bundespolizeidirektion Linz vom 4. Jänner 2008, persönlich übernommen am 8. Jänner 2008, AZ 1057892/FRB) sowie die auf dessen Grundlage erfolgte Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären; sowie

II. den Bund zum Kostenersatz für das Beschwerdeverfahren im zu verzeichnenden Ausmaß verpflichten."

 

An Kosten wurden für den Schriftsatzaufwand insgesamt 660,80 Euro beantragt.

 

Einleitend gab der Bf im Wesentlichen den unstrittigen Sachverhalt wieder. Entgegen der Aktenlage ging der Vertreter des Bf von einem in Berufung befindlichen Aufenthaltsverbotsverfahren aus. Wie oben ausgeführt, war dieses Verfahren zum Zeitpunkt der Erstellung der Beschwerdeschrift bereits rechtskräftig abgeschlossen (Bescheidzustellung am 21. Jänner 2008). Nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen brachte der Bf vor, dass ihn die Schubhaft daran gehindert habe, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen. Die Behinderung sei erst mit der Entlassung aus der Schubhaft am 3. März 2008 weggefallen und daher sei die Beschwerdeerhebung rechtzeitig. Irrtümlicherweise sei die gegenständliche Beschwerde am 17. März 2008 an die belangte Behörde versendet worden.

 

Die auf § 76 Abs. 1 FPG gestützte Schubhaft sei als rechtswidrig anzusehen, da der UBAS festgestellt habe, dass die ursprüngliche negative Asylentscheidung nicht rechtswirksam zugestellt worden sei. Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung sei daher das Asylverfahren noch offen und der Bf zum Verfahren zugelassen gewesen. Aufgrund des bestehenden Aufenthaltsrechtes habe keine Abschiebung vorgenommen werden können und ein Sicherungsbedarf nach § 76 Abs. 1 FPG habe nicht bestanden. Auch wenn die belangte Behörde guten Glaubens von der rechtswirksamen Zustellung ausgegangen sei, beruhe der Schubhaftbescheid auf einem rechtswidrigen Asylbescheid. Sollte die erkennende Behörde dieser Ansicht nicht folgen, so stelle sich die Anhaltung zumindest ab dem 12. Februar 2008 als rechtswidrig dar. Zu diesem Zeitpunkt sei die UBAS-Entscheidung zugestellt worden und die belangte Behörde hätte davon Kenntnis haben können. Ab dem Zustellzeitpunkt seien die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 FPG offensichtlich nicht mehr vorgelegen und der Bf hätte aus der Schubhaft entlassen werden müssen. 

 

3.1. Mit Schreiben vom 9. April 2008 hat die belangte Behörde den bezughabenden Fremdenakt übermittelt, eine Gegenschrift erstattet und einen Kostenantrag gestellt. 

 

Begründend hat die belangte Behörde ausgeführt, dass der Bf nach Verbüßung der Haftstrafe zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die belangte Behörde von einem rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren ausgegangen. In der Schubhaft habe der Bf einen weiteren Asylantrag gestellt. In einem Aktenvermerk sei daraufhin festgehalten worden, dass die Schubhaft nunmehr als gemäß § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG verhängt gelte. Trotz der Nachricht des BAA-EAST-West vom 14. Februar 2008 habe die belangte Behörde noch immer von einem rechtskräftig abgeschlossenen und einem anhängigen Asylverfahren ausgehen müssen. Deshalb stelle sich die weitere Anhaltung des Bf auch nicht als rechtswidrig dar. Von der Zustellung des UBAS-Bescheides habe die belangte Behörde keine Kenntnis gehabt. Erst bei einer routinemäßigen Abfrage im AIS am 3. März 2008 sei für die belangte Behörde ersichtlich geworden, dass das erste Asylverfahren (wieder) offen war. Der Bf sei unverzüglich aus der Schubhaft entlassen worden. Im Hinblick auf die Bekanntgabe gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG sei auch derzeit noch die Schubhaft gerechtfertigt.

 

3.2.  Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

4.1.2. Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und in der Zeit vom
8. Jänner bis zum 3. März 2008 für die belangte Behörde im PAZ Linz in Schubhaft angehalten. Die Beschwerde ist teilweise zulässig und in diesem Umfang begründet.

 

4.2. Nach § 83 Abs. 2 FPG gelten grundsätzlich die für Maßnahmenbeschwerden iSd § 67a Abs. 1 Z 2 AVG vorgesehenen Verfahrensbestimmungen der §§ 67c bis 67g sowie § 79 AVG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren. Gemäß dem § 67c Abs. 1 AVG sind Beschwerden innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

 

Im Regelfall ist der Beschwerdeführer durch die Anhaltung in Schubhaft nicht gehindert, eine Beschwerde dagegen zu erheben. Daher gilt grundsätzlich die Sechswochenfrist ab Kenntnis von der Anhaltung in Schubhaft.

 

Der Bf wurde am 8. Jänner 2008 anlässlich seiner Entlassung aus der Strafhaft in der Justizanstalt Linz im Auftrag der belangten Behörde fremdenpolizeilich festgenommen und ins PAZ Linz zum Vollzug der Schubhaft überstellt. Er hatte von Anfang an Kenntnis davon, dass er in Schubhaft genommen wird (vgl. auch die fremdenpolizeiliche Niederschrift vom 8. Jänner 2008).

 

Unmittelbar nach Beendigung der Strafhaft wurde dem Bf der in Beschwerde gezogene Bescheid am 8. Jänner 2008 zu eigenen Handen zugestellt.

 

Die im PAZ Linz in Schubhaft angehaltenen Fremden werden vom Verein "Menschenrechte Österreich" betreut und können täglich mit einem Vereinsmitarbeiter Kontakt aufnehmen und sich in rechtlichen Angelegenheiten beraten lassen. Dem Bf wäre es daher tagsüber jederzeit möglich gewesen, das Gespräch mit der Schubhaftbetreuung zu suchen. Diese hätten ihn bei der Erhebung einer Beschwerde unterstützt oder hätten als seine Vertreter rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht. Im Hinblick auf die tatsächlichen Gegebenheiten (tägliche Betreuung durch sachkundige Vereinsmitarbeiter) war dem allgemein gehaltenen Beschwerdevorbringen des nunmehrigen Vertreters – "die Schubhaft hinderte den Bf daran, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen" – nicht zu folgen.

 

Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats ist eine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft für einen zurückliegenden Zeitraum von sechs Wochen ab Einbringung der Beschwerde zulässig. Die am 1. April 2008 der Post zur Beförderung übergebene Beschwerde war, soweit sie den Schubhaftbescheid und die Anhaltung vom 8. Jänner 2008 bis zum 18. Februar 2008 betrifft, als verfristet zurückzuweisen (vgl. das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 14. November 2007, VwSen-400915/5/Wei/Ps). 

 

4.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Nach § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn 

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides nicht bloß kurzfristig aus anderem Grund in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs. 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

Nach § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005) ist ein Antrag auf internationalen Schutz das - auf welche Weise immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (vgl Z 15) und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten (vgl Z 16).

Asylwerber ist nach § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

Gemäß § 17 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einer Sicherheitsbehörde oder bei einer Erstaufnahmestelle (§ 59) um Schutz vor Verfolgung ersucht. Nach § 17 Abs. 2 leg.cit. ist der Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, wenn er vom Fremden persönlich - auch im Rahmen einer Vorführung (§ 43 Abs. 2) - bei der Erstaufnahmestelle (§ 59) gestellt wird. Unterbleibt die Vorführung nach § 45 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 gilt der Antrag auf internationalen Schutz nach Durchführung der Befragung und gegebenenfalls der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung als eingebracht (§ 17 Abs. 6 leg.cit.).

Gemäß § 13 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs. 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

 

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylG 2005 ist das Verfahren zuzulassen, wenn der Antrag voraussichtlich nicht zurückzuweisen ist und soweit das Verfahren nicht vor Zulassung inhaltlich entscheiden wird. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 AsylG 2005 erfolgt die Zulassung durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte      (§ 51), eines Bescheides bedarf es nicht.

 

Nach § 28 Abs. 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz entscheidet, dass der Antrag zurückzuweisen ist, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 AsylG 2005 ersetzt eine Abweisung des Asylantrages im Zulassungsverfahren die Zulassungsentscheidung. Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 AsylG 2005 gilt der im Zulassungsverfahren abgewiesene Asylantrag als zugelassen, wenn oder sobald der Berufung gegen diese Entscheidung aufschiebende Wirkung zukommt.

 

Nach dem § 27 Abs. 4 Satz 1 AsylG 2005 ist ein gemäß Abs 1 Z 1 eingeleitetes Ausweisungsverfahren einzustellen, wenn das Verfahren zugelassen wird.

 

4.4. Aus der Aktenlage ergibt sich, dass der Bf zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung (noch) Asylwerber war. Gemäß § 1 Abs. 2 FPG ist § 76 Abs. 1 FPG auf Asylwerber nicht anzuwenden. 

 

4.4.1. Im Hinblick auf den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Februar 2008, Zl. 317.292-1/3E-XVII/55/08, steht fest, dass mangels rechtswirksamer Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 30. April 2007, Zl. 06 11.004-BAT, dieser nicht erlassen wurde, der Bf daher zum Zeitpunkt der Erlassung des "angefochtenen" Schubhaftbescheides noch als Asylwerber anzusehen war, sich somit im offenen und zugelassenen Asylverfahren befunden hat. Ausgehend von diesem Sachverhalt hätte die Schubhaft nicht auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt werden können. Wie bereits unter Punkt 4.2. ausgeführt, steht dem Oö. Verwaltungssenat eine Beurteilung dieses Teiles der Beschwerde mangels Verfristung nicht mehr zu.

 

4.4.2. Zu prüfen ist ausschließlich der Anhaltezeitraum 19. Februar 2008 bis zum 3. März 2008.

 

Die belangte Behörde hat vorerst die Anhaltung des Bf in Schubhaft mit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens begründet und als Grundlage § 76 Abs. 1 FPG herangezogen. Nach der Stellung eines zweiten Asylantrages hat sie gemäß § 76 Abs. 6 FPG die weitere Anhaltung als rechtmäßig erachtet.

 

Auch wenn die belangte Behörde aufgrund der Eintragungen im AIS aus ihrer Sicht davon ausgehen konnte, dass das Asylverfahren des Bf rechtskräftig abgeschlossen ist, hat der Bf mangels rechtswirksamer Zustellung des erstinstanzlichen Asylbescheides seine Stellung als Asylwerber nicht verloren. Die Anhaltung in Schubhaft konnte daher ex lege nicht auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt werden.

 

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist im vorliegenden Fall ein Abstellen auf § 76 Abs. 6 FPG nicht denkbar. § 76 Abs. 6 FPG hat nur jene Fälle vor Augen, in denen ein Fremder, der sich zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung nicht im Asylverfahren befunden hat, somit nicht Asylwerber war, nach Stellung eines Asylantrages in der Schubhaft weiterhin angehalten werden kann und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 FPG die Schubhaft als gemäß § 76 Abs. 2 FPG verhängt gilt. Da der Bf bereits bei Verhängung der Schubhaft die Stellung eines Asylwerbers innehatte, kann § 76 Abs. 6 FPG zur Begründung der Anhaltung nicht herangezogen werden.

 

Am Rande ist anzumerken, dass die Behörde zwar einen Aktenvermerk entsprechend § 76 Abs. 6 FPG verfasst hat, laut Aktenlage aber die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 FPG nicht vorgelegen sind.

 

Die belangte Behörde hat sich im Aktenvermerk auf § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG bezogen. Wie unter Punkt 1 dargestellt, wurde das mittlerweile in Rechtskraft erwachsene „Aufenthaltsverbot“ erst nach der Asylantragsstellung erlassen. Abgesehen von der Unanwendbarkeit dieser Bestimmung hätte die Anhaltung in Schubhaft auch nicht auf eine andere Ziffer des Abs. 2 gestützt werden können, da weder eine durchsetzbare Ausweisung (§ 10 AsylG) noch ein aktenkundiges Ausweisungsverfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 vorgelegen ist.    

 

Bereits die am 14. Februar 2008 vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West vorgenommene Verständigung hätte die belangte Behörde zu einer umfassenderen Prüfung veranlassen müssen. Aus dieser schriftlichen Mitteilung geht eindeutig hervor, dass das (erste) Asylverfahren unter der Zahl 06 11.004 weitergeführt wird. Bei einer AIS-Abfrage wäre für die belangte Behörde erkennbar gewesen, dass das Asylverfahren des Bf zugelassen ist und noch keine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt.

 

Für den Beurteilungszeitraum 19. Februar bis 3. März 2008 bedeutet dies, dass die Anhaltung des Bf in Schubhaft weder auf § 76 Abs. 1 noch Abs. 2 FPG gestützt werden kann. Wie bereits dargelegt, ist § 76 Abs. 1 FPG auf Asylwerber nicht anwendbar und selbst für den Fall, dass – entgegen der bisherigen Spruchpraxis des Oö. Verwaltungssenates – ein Austausch der Rechtsgrundlage für die Anhaltung als zulässig erachtet werden sollte, kann § 76 Abs. 2 FPG zur Begründung der Anhaltung nicht herangezogen werden.

 

Der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift, dass die weitere Anhaltung aufgrund der Benachrichtigung nach § 29 Abs. 3 Z. 4 oder 5 AsylG 2005 rechtmäßig gewesen wäre, ist nicht zu folgen. Die angesprochene Mitteilung erfolgte im Zulassungsverfahren und sollte der belangten Behörde zur Kenntnis bringen, dass ein Ausweisungsverfahren nach dem AsylG 2005 eingeleitet ist (§ 27 Abs. 1 Z. AsylG 2005). In der Folge wurde das Verfahren des Bf am 29. November 2006 zugelassen. Nach § 27 Abs. 4 leg. cit. ist ein gemäß   § 27 Abs. 1 Z. 1 eingeleitetes Ausweisungsverfahren einzustellen, wenn das Verfahren zugelassen wird. Da mit Zulassung des Verfahrens das Ausweisungsverfahren gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 eingestellt wurde und laut Aktenlage ein Ausweisungsverfahren nach § 27 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. nicht eingeleitet worden ist, konnte die Anhaltung des Bf auch nicht auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützt werden.   

 

4.5. Im Ergebnis war daher der vorliegenden Schubhaftbeschwerde Folge zu geben und die Anhaltung des Bf in Schubhaft seit dem Zeitpunkt der noch offenen Beschwerdefrist von sechs Wochen (19. Februar bis 3. März 2008) für rechtswidrig zu erklären. Das Mehrbegehren (Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung in Schubhaft vom 8. Jänner bis 18. Februar 2008) musste infolge der Verfristung zurückgewiesen werden.   

 

5. Gemäß § 79a AVG iVm § 83 Abs. 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (§ 79a Abs 2 AVG).

 

Da die Beschwerde gegen den einen Verwaltungsakt der Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft nur zum Teil zum Erfolg gelangte, findet kein Kostenersatz statt, weil eine analoge Anwendung des § 50 VwGG nicht in Betracht kommt (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 28.2.1997, Zl. 96/02/0481) und § 79a Abs. 2 und 3 AVG nur bei gänzlichem Obsiegen anzuwenden sind (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 5.9.2002, Zl. 2001/02/0209). Der Kostenersatzantrag war daher abzuweisen.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unter­schrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 16,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

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