Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720198/10/BP/Se

Linz, 20.05.2008

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des S J F, F, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn vom 15. Jänner 2008, GZ: Sich 40-21847, zu Recht erkannt:

 

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn vom 15. Jänner 2008, GZ: Sich40-21847, wurde der Berufungswerber (im Folgenden Bw) aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen. Als Rechtsgrundlage werden § 86 Abs. 2, § 53 Abs. 1 und § 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I

157/2005 genannt. Weiters wurde dem Bw gemäß § 86 Abs. 3 FPG von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub erteilt.

Begründend führt die belangte Behörde zunächst im Sachverhalt aus, dass der Bw als deutscher Staatsangehöriger und somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG seit 1. September 2007 an der oa. Adresse polizeilich gemeldet sei. Von der belangten Behörde sei festgestellt worden, dass der Bw nahezu vollkommen mittellos und nicht krankenversichert sei.

 

Der Aufforderung seitens der belangten Behörde zur Erstattung einer Stellungnahme vom 12. Dezember 2007 sei der Bw bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht nachgekommen und habe keinerlei Nachweise über eine Erwerbstätigkeit  oder sonstige Mittel zur Unterhaltssicherung sowie über einen aufrechten Krankenversicherungsschutz erbracht.

 

Bei einer gemeinsamen Vorsprache bei der belangten Behörde hätte der Bw u. a. angegeben einkommenslos und nicht krankenversichert zu sein, jedoch nach dem Tod der Mutter der Gattin des Bw mit einer Erbschaft in Höhe von 30.000 – 38.000 Euro rechnen zu können. Überdies würde der Bw beabsichtigen in Österreich ein Gewerbe für Holzhandel bzw. Holzschlägerei anzumelden. Zur finanziellen Situation habe der Bw weiters angegeben, dass er lediglich über einen Betrag von 100 Euro verfügen würde. Darüber hinaus würde der Bw vom zweimonatlich ausbezahlten Kindergeld in Höhe von 732 Euro leben. An Mietkosten würden monatlich ca. 360 Euro anfallen.

 

Der Bw habe angegeben in Österreich im Jahr 2005 bei der Fa. N in St. U, gearbeitet zu haben. Dort sei er 4 Wochen beschäftigt gewesen. Im Jahr 2007 hätte er bei der Fa. S in M, als LKW-Übersteller gearbeitet, wäre aber nach seinen Informationen nicht angemeldet gewesen. Der Bw wäre am 14. Februar 2007 in W N von einem mobilen Prüfkommando einer Kontrolle unterzogen worden, wobei festgestellt worden sei, dass er weder in Österreich noch in Deutschland versichert gewesen sei. Von seinem Arbeitgeber sei der Bw bedroht worden und bei es sei einem Gericht in M diesbezüglich auch ein Verfahren anhängig.

 

Die belangte Behörde führt weiters aus, dass festgestellt worden sei, dass der Bw in Deutschland mehrfach massiv straffällig geworden sei und über ihn nachstehende rechtskräftige Verurteilungen aufscheinen würden:

1. Urteil des Amtsgerichts S vom 9. Juni 1993, wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen,

2. Urteil des Amtsgerichts F vom 27. Dezember 1994, wegen vorsätzlichem unerlaubten Errichten einer Fernmeldeanlage zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen,

3. Urteil des Amtsgerichts L vom 20. Jänner 1995, wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen,

4. Urteil des Amtsgerichts E vom 26. Mai 1995, Bildung einer Gesamtstrafe von 55 Tagessätzen, wobei die Entscheidungen des Amtsgerichts L vom 20. Jänner 1995 und F vom 27. Dezember 1994 miteinbezogen worden seien,

5. Urteil des Amtsgerichts E vom 9. Dezember 1995, wegen vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen,

6. Urteil des Amtsgerichts E vom 31. August 2000, wegen Betrug in Mittäterschaft zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten mit einer Bewährungsfrist von 2 Jahren, wobei die Strafe mit Wirkung vom 5. September 2002 erlassen wurde,

7. Urteil des Amtsgerichts E vom 19. September 2003, wegen versuchten Diebstahls zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen,

8. Urteil des Amtsgerichts E vom 4. August 2006, wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen.

 

Nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde in rechtlicher Beurteilung aus, dass der Bw zwar von 22. August 2005 bis zum 14. August 2007 in Österreich, A und M polizeilich gemeldet und aufhältig gewesen sei, doch sei erst mit 1. September 2007 eine neuerliche Anmeldung in F, erfolgt, sodass mit diesem Datum die Berechnung der Aufenthaltszeit beginne. Der Bw halte sich seit mehr als drei Monaten im Bundesgebiet auf, ohne Arbeitnehmer zu sein oder einer erlaubten selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Er habe bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht nachweisen können, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts verfüge und krankenversichert sei. Er verfüge über keinerlei Einkommen und hätte sich bei der belangten Behörde bezüglich des Bezugs von Sozialhilfe erkundigt. Weiters habe er angegeben lediglich über 100 Euro an Barmitteln zu verfügen. Die von der Gattin des Bw behauptete Erbschaft sei bis zum Entscheidungszeitpunkt in keiner Weise nachgewiesen worden.

 

Es müsse ernsthaft befürchtet werden, dass der Bw hinkünftig Sozial­hilfe­leistungen in Anspruch nehmen werde bzw. für ihn Mittel der öffentlichen Hand aufgewendet werden müssten, um seinen Lebensunterhalt sowie den seiner Gattin und seines Sohnes zu sichern. Er sei nicht krankenversichert, sodass die Gefahr bestehe, dass er einer inländischen Gebietskörperschaft zur Last falle. Diesbezüglich seien noch immer Kosten in der Höhe von 3.411,56 Euro an Krankenhaus- bzw. Transportkosten offen. In Hinblick auf die Aufenthaltsdauer liege keine begründete Aussicht vor, dass der Bw in Österreich eine Arbeit finden und aufnehmen werde. Daher genieße der Bw kein Niederlassungsrecht für einen drei Monate übersteigenden Aufenthalt in Österreich im Sinne des § 51 NAG und Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004, verlautbart im Amtsblatt der Europäischen Union L 158/77 am 30. April 2004.

 

Gemäß § 86 Abs. 2 FPG seien EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige dann auszuweisen, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 1 NAG das Niederlassungsrecht fehle. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalten.  

 

Sofern durch die Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, sei sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Durch das Verhalten des Bw in Österreich sei die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in hohem Maße gefährdet. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Diesbezüglich habe der VwGH in seinem Erkenntnis vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0584, ausgeführt, dass ein geordnetes Fremdenwesen für den österreichischen Staat von eminentem Interesse sei. Dies um so mehr in einer Zeit, in der, wie in jüngster Zeit unübersehbar geworden, der Zuwanderungs­druck kontinuierlich zunehme. Um den mit diesen Phänomenen verbundenen, zum Teil gänzlich neuen Problemstellungen in ausgewogener Weise Rechnung tragen zu können, würden die für Fremde vorgesehenen Rechtsvorschriften zunehmend an Bedeutung gewinnen. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.

 

Aufgrund des mit der vorliegenden Ausweisung verbundenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben sei eine Interessensabwägung nach § 66 FPG vorzunehmen gewesen. Die belangte Behörde sei dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die nachteiligen Folgen von der Abstandnahme von der Ausweisung wesentlich schwerer wiegen würden, als die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die persönliche Lebenssituation, würden doch Fremde, die sich über Monate unrechtmäßig in Österreich niedergelassen haben eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellen. Auch die Gattin und der Sohn des Bw würden nicht über ausreichende Unterhaltsmittel und Krankenversicherung verfügen. Der Bw sei in Österreich nicht integriert, da er weder am hiesigen Arbeitsmarkt partizipiere noch über substantielle Mittel zum Unterhalt verfüge und auch nicht krankenversichert sei. Die belangte Behörde zieht daher den Schluss, dass die Ausweisung als gesetzlich vorgesehener Eingriff zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Die privaten Interessen hätten gegenüber den öffentlichen an einem geordneten Fremdenwesen in Österreich in den Hintergrund zu treten.

 

1.2. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2008 widersprach der Bw dem oa.  Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn, ohne jedoch eine konkrete Begründung dafür anzugeben.

 

 

2. Am 22. Februar 2008 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat von der belangten Behörde vorgelegt.

 

2.1. Mit Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs.3 AVG vom 11. März 2008 wurde der Bw seitens des Oö. Verwaltungssenates aufgefordert bis längstens 25. März 2008 die Berufung hinsichtlich § 63 Abs.3 AVG näher zu begründen.

 

2.2. Mit Schriftsatz vom 17. März 2008 kam der Bw grundsätzlich diesem Verbesserungsauftrag nach und  führt u. a. aus, dass die Familie seit September 2005 in Österreich lebe, ohne je öffentliche Gelder (mit Ausnahme der Kinderbeihilfe) bezogen zu haben.

 

Er habe aufgrund einer Bedrohung seines und seiner Familienangehörigen Lebens keiner Arbeit nachgehen können und sei auch unverschuldet und ohne sein Wissen von seinem damaligen Arbeitgeber nicht angemeldet worden. Daher habe er auch keine Krankenversicherung gehabt, weil in Österreich eine Nachversicherung erst nach 6 Monaten Versicherungszeiten möglich sei. Privat könne man sich nicht versichern. Trotz mehrfacher Versuche seinerseits habe er feststellen müssen, dass ein privater Versicherungsschutz für EU-Staats­angehörige nicht möglich sei.

 

Hinsichtlich der zu erwartenden Erbschaft wird nun angegeben, dass sich diese auf ca. 22.000 Euro belaufe, wovon offene Spitalskosten in Höhe von nunmehr ca. 6.000 Euro zu begleichen sein werden.

 

Weiters wird angekündigt, dass binnen 3 Wochen Unterlagen über den Verkauf und somit das erzielte Entgelt hinsichtlich zweier Liegenschaften in Deutschland beigebracht werden könnten.

 

Dem Schreiben sind Kopien über 2 Kaufverträge beigeschlossen, wonach Frau W F anteilig ein Betrag in Höhe von insgesamt 22.512 Euro zukommen werde.

 

2.3. Mit Schreiben vom 27. März 2008 erging ein Auftrag zur Erbringung von Nachweisen gemäß § 45 ff AVG bis spätestens 30. April 2008 an den Bw. Insbesondere wurde aufgetragen

1. die konkrete Erbschaft mit Originaldokumenten nachzuweisen,

2. sämtliche offenen Verbindlichkeiten darzulegen und

3. den Nachweis einer allfälligen Krankenversicherung betreffend den gesamten Zeitraum des Aufenthalts in Österreich (2005 – 2008) beizubringen.

 

Aufgrund eines telefonischen Ersuchens seitens des Bw vom 30. April 2008 wurde die Frist zur Erbringung der oa. Nachweise bis zum 14. Mai 2008 (Einlangen beim Oö. Verwaltungssenat) erstreckt. Es wurde vereinbart, dass der Bw an diesem Tag persönlich beim UVS erscheinen werde.

 

2.4. Am 14. Mai 2008 erschien der Bw vor dem Oö. Verwaltungssenat und legte einen der beiden Kaufverträge im Original vor.

 

In der mit ihm aufgenommenen Niederschrift führte er u.a. aus, dass vom Vorschuss der Erbschaft seiner Gattin offene Verbindlichkeiten bei der Raiffeisenbank in F in Höhe von 4.900 Euro bereits beglichen worden seien. Ebenfalls seien 2.400 Euro für offene Mietkosten aufgewendet worden. Die offenen Spitalskosten bzw. Transportkosten belaufen sich auf rund 1.400 Euro. Bislang habe die Familie rund 4.000 Euro von der Mutter des Bw ausgeborgt, die von der Erbschaft seiner Gattin beglichen würden.

 

Hinsichtlich Krankenversicherung wurde angegeben, dass deren Status in Deutschland bislang nicht geklärt sei, dass von der Oö. Gebietskrankenkasse, Außenstelle M, namentlich von Herrn G, die Auskunft erteilt worden sei, dass eine freiwillige Krankenversicherung in Österreich nicht möglich sei, da der Bw die 6 Monate Versicherungszeiten nicht aufweisen würde. Weiters wurde angegeben, dass sich Frau F Bewerbungsunterlagen für eine Stelle als Reinigungskraft beim BFI besorgen würde und A F beabsichtige den Tag der offenen Tür der HTL Braunau zu besuchen, um abzuklären inwieweit ein 5-jähriger Schulbesuch seinerseits für ihn in Betracht kommen werde.

 

2.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Zusätzlich zu den vom Bw beigebrachten Beweise führte der Oö. Verwaltungssenat noch Ermittlungen bei der Oö. Gebietskrankenkasse (Außenstelle M sowie Landesgeschäftsstelle) durch, die gleichlautend ergaben, dass eine freiwillige Sozialversicherung auch im ggst. Fall jederzeit möglich gewesen wäre; allerdings würde bei Fehlen einer Sozialversicherung in einem Zeitraum von einem Jahr vor dem Antragszeitpunkt der Leistungsanspruch erst nach 6 Monaten bestehen. Sowohl bei der Außenstelle M als auch bei der Landesgeschäftsstelle wurde diese Auskunft unmittelbar und klar erteilt, weshalb aus Sicht des Oö. Verwaltungssenats kein Zweifel daran besteht, dass diese Auskunft dem Bw auch bei entsprechendem Nachfragen erteilt wurde oder worden wäre. Eine vom Bw im Rahmen der Niederschrift namhaft gemachte Person, nämlich Herr G, konnte bei GKK-Außenstelle M nicht eruiert werden.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der Sachverhalt zweifelsfrei – und vom Bw im Übrigen auch nicht substantiell widersprochen – aus der Aktenlage und den erhobenen Beweisen ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt. Im Übrigen liegt kein darauf gerichteter Parteienantrag vor (§ 67d AVG).

 

2.6. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist deutscher Staatsangehöriger und somit Fremder im Sinne des § 2 Abs.4 Z.1 FPG und seit 1. September 2007 an der oa. Adresse in F polizeilich gemeldet.

 

Er verfügt über keinerlei Sozialversicherung. An Vermögen stehen dem Bw, seiner Ehegattin sowie seinem Sohn A ein um die Schuldentilgung bereinigter Betrag von ca. 9.000 Euro, zusätzlich zur zweimonatlich ausbezahlten Kinderbeihilfe in Höhe von 732 Euro, zur Verfügung. Der Aufenthalt in Österreich ist für mindestens 5 Jahre geplant.

 

Weder der Bw noch seine Frau oder sein Sohn A gehen einer Erwerbstätigkeit nach oder haben eine solche konkret in Aussicht.

 

Über den Bw scheinen die unter Punkt 1.1. dargestellten Vorstrafen auf.

 

2.7. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder zuständig (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 86 Abs.2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr. 4/2008 sind EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige dann auszuweisen, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 1 NAG das Niederlassungsrecht fehlt.

 

Gemäß Abs. 3 leg cit ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalten. 

 

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 66 Abs. 1 leg cit die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

3.2. Besteht das gemäß §§ 51, 52 und 54 dokumentierte Niederlassungsrecht nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliegt oder weil die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden, hat die Behörde gemäß § 55 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr. 4/2008, den Antragsteller vom Nichtvorliegen der Voraus­setzungen schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass die Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Die Fremdenpolizeibehörde ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller zu befassen.

 

Gemäß § 51 NAG sind EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen und sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, zur Niederlassung berechtigt, wenn sie

1.  in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über eine ausreichende Kranken­versicherung verfügen und nachweisen, dass sie über ausreichende Existenz­mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verfügen, sodass sie während ihrer Niederlassung keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, oder

3. eine Ausbildung bei einer rechtlich anerkannten öffentlichen oder privaten Schule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z2 erfüllen.

 

Zum Nachweis des Rechts sind gemäß § 53 Abs.2 NAG ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie

1. nach § 51 Z1 eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;

2. nach § 51 Z2 Nachweise über eine ausreichende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel;

3. nach § 51 Z3 Nachweise über eine ausreichende Krankenversicherung und über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung sowie eine Erklärung oder sonstige Dokumente über ausreichende Existenzmittel;

vorzulegen.

 

3.3. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bw als deutscher Staatsangehöriger EWR-Bürger und seit 1. September 2007 wiederum in Österreich polizeilich gemeldet und aufhältig ist, weshalb die in §§ 55 bzw. 51 NAG normierte dreimonatige Aufenthaltsdauer schon zum Entscheidungs­zeitpunkt der ersten Instanz überschritten war.

 

Weiters ist unbestritten, dass der Bw wie auch seine Ehegattin und sein Sohn A im relevanten Zeitraum nicht erwerbstätig waren (weder selbständig noch unselbständig) und, dass keiner der drei Personen über eine aufrechte Kranken­versicherung verfügt.

 

Wenn nun vorgebracht wird, dass versucht worden sei, eine freiwillige Sozialversicherung in Österreich vorzunehmen, so ist dem entgegen zu halten, dass – wie unter Punkt 2.5. dargestellt – eine freiwillige Versicherung durchaus möglich gewesen wäre, nur dass der entsprechende Leistungsanspruch erst nach einem halben Jahr eingetreten wäre. Im Hinblick auf die Regelungen der §§ 51 ff NAG hätte jedoch eine Versicherung ohne Leistungsanspruch genüge getan. Bei wohlwollender Betrachtung kann angenommen werden, dass der Bw – im Rahmen allfälliger Erkundigungen bei der Außenstelle der GKK in M – die Auskunft falsch verstanden hat; nicht anzunehmen ist aufgrund der Ermittlungen des Oö. Verwaltungssenates, dass dem Bw dort eine falsche Auskunft erteilt worden wäre. Diesbezüglich muss jedoch festgestellt werden, dass ein Irrtum des Bw ihn nicht der rechtlichen Pflicht zur Erbringung der Krankenversicherung entheben kann. Es ist aber vielmehr anzunehmen, dass eine freiwillige Krankenversicherung aus finanziellen Gründen nicht in Betracht gezogen wurde, dies um so mehr, als der Leistungsanspruch erst nach einem Zeitraum von einem halben Jahr entstanden wäre. Faktum ist und bleibt, dass keine Krankenversicherung besteht. Die diesbezüglichen Einwendungen des Bw waren somit nicht zu berücksichtigen. Insbesondere scheinen auch die Darstellungen des Bw hinsichtlich einer potentiell bzw. latent bestehenden Sozialversicherung seinerseits in Deutschland zu Wage, um in der rechtlichen Beurteilung konkreten Niederschlag zu finden.

 

3.4. Aber auch die finanzielle Absicherung des Aufenthalts der Familie in Österreich scheint darüber hinaus nicht gesichert:

 

Die zunächst im Verfahren in Aussicht gestellte selbständige Tätigkeit des Bw erscheint mangels Vorliegen der Verlässlichkeit aufgrund seiner verschiedenen Vorstrafen als nicht realistisch und wurde ja auch tatsächlich nie ausgeübt. Auch weder die vom Bw während der Niederschrift angegebene potentielle Bewerbung seiner Ehegattin als Reinigungskraft, noch der in Aussicht gestellte Besuch des Tags der offenen Tür der HTL Braunau durch den Sohn Arthur und die daran geknüpfte Hoffnung eines künftigen Schulbesuchs sind geeignet von einer konkreten finanziellen Besserstellung der Familie auszugehen.

 

Wie der Bw im Rahmen der mit ihm aufgenommenen Niederschrift selbst angab, beläuft sich die Erbschaft seiner Gattin auf 22.000 Euro. Davon mussten aber bereits rund ca. 2.400 Euro an Mietschulden, ca. 4.900 Euro an Bankschulden sowie rund 4.000 Euro an Darlehensrückzahlung an die Mutter des Bw aufgewendet werden. Weiters bestehen noch offene Verbindlichkeiten gegenüber dem LKH Braunau in Höhe von 1.400 Euro einschließlich Transportkosten. Nach Abzug aller Verbindlichkeiten verbleiben nur mehr rund 9.000 Euro, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts für drei Familienmitglieder über einen längerfristigen Zeitraum nicht ausreichen dürften. Dies auch unter Berücksichtigung der Kinderbeihilfe, wovon allerdings darüber hinaus auch ein Teil für die nicht im Familienverband lebende Tochter aufgewendet werden dürfte.

 

Zu dieser Annahme kommt man unweigerlich, wenn man auch berücksichtigt, dass die Judikatur bei EWR-Bürgern davon ausgeht, dass nicht unbedingt ein Betrag in Höhe des Sozialhilfeniveaus, sondern ein darunter liegender erforderlich ist. In Anbetracht des geplanten langfristigen Aufenthalts ist eine finanzielle Rücklage von rund 3.000 Euro pro Person sicher nicht als ausreichend anzusehen, um zu gewährleisten, dass nicht Sozialhilfe oder sonstige soziale Leistungen in Anspruch genommen werden müssen.

 

Auch die gesetzliche Vorgabe der finanziellen Sicherstellung ist somit zusätzlich zur fehlenden Krankenversicherung nicht zu bejahen.

 

Grundsätzlich liegen somit die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Ausweisung vor. Gemäß § 66 FPG ist diese jedoch auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf Art.8 EMRK zu überprüfen.

 

3.5. Jedermann hat gemäß Art.8 Abs.1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art.8 Abs.2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer notwendig ist.

 

3.6. Im Fall des Bw kommen gleich mehrere dieser Schutzgüter in Betracht. Einerseits weist der Bw kontinuierlich Straftaten auf, deren Regelmäßigkeit augenscheinlich ist. Sohin kann durchaus davon ausgegangen werden, dass die Verhinderung strafbarer Handlungen als tatbestandsmäßig im Sinn des Art.8 Abs.2 EMRK heranzuziehen ist; andererseits ist der belangten Behörde folgend schon die öffentliche Ordnung durch das bisherige Verhalten des Bw in Österreich beeinträchtigt.

 

Der Bw hat durch sein Verhalten in Österreich nicht den Eindruck erweckt, dass ihm an einer eigenverantwortlichen Lebensführung gelegen wäre, weshalb durchaus zu erwarten ist, dass wenn die nunmehr vorhandenen Mittel erschöpft sein werden, insbesondere auch soziale Leistungen angestrebt werden, da dann auch keine Mittel (wie die aktuelle Erbschaft) zur Begleichung privater Darlehen in Aussicht stehen.

 

Diesbezüglich ist ebenfalls auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Jänner 1994, VwGH 93/18/0584, zu verweisen, in dem er ausführte, dass ein geordnetes Fremdenwesen für den österreichischen Staat von eminentem Interesse sei. Dies um so mehr in einer Zeit, in der, wie in jüngster Zeit unübersehbar geworden, der Zuwanderungsdruck kontinuierlich zunehme. Um den mit diesen Phänomenen verbundenen zum Teil gänzlich neuen Problemstellungen in ausgewogener Weise Rechnung tragen zu können, würden die für Fremde vorgesehenen Rechtsvorschriften zunehmend an Bedeutung gewinnen. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art.8 Abs.2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.

 

Im Lichte dieser Judikatur ist auch festzuhalten, dass die Konsequenzen einer Ausweisung im Verhältnis zu einem Aufenthaltsverbot etwa relativ gering sind, da bei einem zukünftigen Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 51 ff NAG der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nichts entgegen stünde. Sohin ist bei einer auf den Einzelfall abgestellten Interessensabwägung den öffentlichen Interessen der Vorzug zu geben, zumal im Übrigen der Sozialisierungsgrad der Familie in Österreich nicht als allzu hoch angesetzt werden dürfte.

 

3.7. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Bernhard Pree

 

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