Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-390195/2/WEI/Eg

Linz, 21.05.2008

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der P K, Geschäftsführerin der M GmbH., L, vertreten durch Dr. A H, Rechtsanwalt in L, gegen das Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg, vom 5. März 2007, Zl. BMVIT-635.540/0082/07, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Telekommunikationsgesetz  - TKG -(BGBl I Nr. 70/2003 idF BGBl I Nr. 133/2005) zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

II.              Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (im Folgenden Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Sie haben es als Geschäftsführerin und damit als zur Vertretung der Fa. M GmbH, (kurz: M), L, berufenes Organ zu verantworten, dass am 20.01.2007 um 12:33 Uhr durch einen Mitarbeiter der Fa. M, angeblich S L, ein Anruf zu Werbezwecken (Werbung für Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft) bei Herrn P L, G, ohne dessenvorherige Einwilligung unter der Telefonnummer   durchgeführt worden ist."

 

Dadurch habe die Bwin § 107 Abs 1 iVm § 109 Abs 3 Z 19 Telekommunikationsgesetz(TKG), BGBl I Nr. 70/2003 idgF BGBl I Nr. 133/2005 verletzt, weshalb über die Bwin gemäß "§ 109 Abs. 3 Zif. 19 TKG" eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen verhängt wurde.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, welches der Bwin eigenhändig am 8. März 2007 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig am 22. März 2007 bei der belangten Behörde eingelangte Berufung vom 20. März 2007.

 

Begründend führt die Bwin an, dass die M  GmbH (im Folgenden nur M) eine Lotterieanbieterin mit diversen Lottospielmöglichkeiten sei. Zum Beispiel werden Spiellose für Lotto 6 aus 45 oder Euromillionen angeboten. Die Betriebstätigkeit der M sei vor allem über die eigene Homepage ausgerichtet und werde über Links und Buttons auf anderen Internetseiten für die eigene Homepage Werbung gemacht. Die Kontaktwerbung erfolge zum überwiegenden Teil über Internetportale.

 

Seit November 2005 stehe die Firma M in Geschäftsbeziehung zur Firma D T (in der Folge nur D T). Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung verkaufe die D T als Verkäuferin Adressdatensätze an die M. Diese Adressdatensätze müssen aus Vorname, Nachname, Anschrift, Geburtsdatum, Geschlecht, Telefonnummer, E-mail (sofern vorhanden) und Bankverbindung bestehen. Voraussetzung für den Ankauf bzw. zur Berechtigung der Übermittlung solcher Adressdatensätze an die M sei die ausdrückliche Zustimmungserklärung des/der im Adressdatensatz Genannten. Aktivitäten und Akquisitionen, insbesondere das Ersttelefonat mit einem Kunden, würden von der D T selbständig und von Spanien aus geführt. Die M habe darauf keinen Einfluss und sei in die Kundenakquirierung nicht involviert. Die M habe im Rahmen der geschäftlichen Verbindung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vermittelte Adressdateien unbedingt unter Einhaltung der in den jeweiligen Ländern herrschenden Gesetze, daher legal erhoben sein müssen. Sofern der Kunde die ausdrückliche Zustimmung erteilt habe, dass die D T Adressdatensätze an Dritte, wie z.B. die M, weitergibt, erhalte die M eine vollständig ausgefüllte Kundendatei, beinhaltend vor allem auch die Kontoverbindung des Kunden. Erst zu diesem Zeitpunkt und nur unter der Voraussetzung, dass der M ein vollständiger Adressdatensatz mit Kundendaten und der ausdrücklichen Zustimmung zur weiteren Verwendung durch den Kunden vorliege, werde ein Zweitanruf durch die M vorgenommen. Dass bei Übermittlung eines vollständigen Adressdatensatzes auch von der Zustimmung des Kunden zu einem Zweitanruf ausgegangen werden darf, ergäbe schon der Umstand, dass der Kunde widrigenfalls seine Daten, insbesondere auch die Kontoverbindung, sicherlich nicht bekannt gegeben hätte. Sofern jedoch der Kunde keine ausdrückliche Zustimmung zu einem Zweitanruf gegenüber der D T abgegeben hat, erfolge von der M kein Anruf.

 

Die im gegenständlichen Verfahren zur Last gelegten Werbeanrufe seien nicht von der M vorgenommen worden und würden betreffend diese Personen nicht einmal Adressdatensätze vorliegen. Der M sei weder der Name noch die Telefonnummer dieser Personen bekannt. Es könne sich nur um Erstanrufe durch die D T handeln. Dass diese Anrufe nicht durch die M vorgenommen wurden, hätte das Fernmeldebüro selbst durch Abfrage der Telefonnummer feststellen können, weshalb auch der Beweisantrag auf Feststellung der Rufnummern, die zum fraglichen Zeitpunkt bei den in den Straferkenntnissen genannten Personen angerufen wurden. Die D T sei eine selbständiges, in Spanien ansässiges Unternehmen. Für allenfalls von der D T zu verantwortende Verwaltungsübertretungen könne jedoch nicht subsidiär die M belangt werden. Zum Beweis dafür, dass die M nicht als unmittelbare Täterin in Betracht komme, habe diese bereits die Ankaufvereinbarung zwischen der M und der D T vorgelegt. Der Behörde sei bereits eine schriftliche Stellungnahme der D T , vertreten durch deren Geschäftsführer T B, vorgelegt worden, in dem dieser die Rechtfertigung der M bestätigt habe. Er habe auch bestätigt, dass sämtliche genannte Anrufer bei der Firma D T beschäftigt seien und nicht Angestellte der M seien. Abschließend wurde aus den genannten Gründen die Aufhebung des Verfahrens beantragt.

 

1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg zur Zahl BMVIT-635.540/0080/07.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. Mit E-Mail vom 7. Februar 2007 übermittelte das Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten dem Fernmeldebüro für Oberösterreich und Salzburg folgenden Aktenvermerk:

 

"Anruf am 6.2.2007 um 11.00 Uhr unter dem Anschluss 0316/8079-100 von der Firma M , Frau W. Diese beginnt ein Gespräch hinsichtlich eines Gewinnspieles.

Es wird unterbrochen und darauf aufmerksam gemacht, dass sie gerade bei der Fernmeldebehörde anruft und einen Anruf zu Zwecken der Direktwerbung tätigt. Als ihr mitgeteilt wird, dass diesbezüglich eine Anzeige beim Fernmeldebüro Linz erstattet wird, meint sie "ob wir nichts Besseres zu  tun hätten". Zudem teilt sie mit, dass ihr Anruf rechtlich in Ordnung sei. Dann legt sie auf. Der Anruf erfolgte mit unterdrückter Rufnummer.

                                      

M L, 6.2.2007"

 

Gleichzeitig wurde ein Firmenbuchauszug der Firma M  GmbH  übermittelt, aus welchem Frau P K, geb. 19.05.1979, als selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin seit 26. November 2005 hervorgeht.

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 9. Februar 2007 lastete die belangte Behörde der Bwin an, als Geschäftsführerin und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der M  GmbH, L, dafür verantwortlich zu sein, dass ein Anruf zu Werbezwecken (Werbung für Teilnahme an einem Gewinnspiel) ohne vorherige Einwilligung des angerufenen Teilnehmers, Fernmeldebüro Graz, unter der Telefonnummer   am 6.2.2007 um 11.00 Uhr, vorgenommen worden sei.

 

Da die Bwin auf diese Aufforderung nicht reagierte, hat die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis vom 6. März 2007 mit der oben wiedergegebenen Anlastung einer Verwaltungsübertretung nach § 107 Abs 1 iVm § 109 Abs 3 Z 19 TKG gegen die Bwin erlassen.

 

2.2. Auf Grund des Berufungsvorbringens richtete die belangte Behörde in weiterer Folge die Anfrage vom 22. März 2007 an die T A AG zur Erhebung der Stammdaten (Anschlussinhaber, Adresse und Telefonnummer) des Teilnehmers, von dessen Anschluss der angeführte Anruf ausgegangen ist. Diese Anfrage brachte folgendes Ergebnis:

 

 

"Aktiv-Teilnehmer     Gesprächsbeginn                                  Passiv-Teilnehmer

Land   Kennzahl  TnNr.       Datum            Zeit         Dauer    Land   Kennzahl   Tn.Nr.

                                                06.02.2007   10:56:38      99 sec.                        

 

2.3. Durch die Auswertung der Rufdaten konnte festgestellt werden, dass das Telefongespräch von Spanien, Mallorca, aus geführt wurde. Die Bwin wurde von der belangten Behörde zur Prüfung, ob die Berufung allenfalls durch eine Berufungsvorentscheidung zu erledigen sei, zu einer Verhandlung am 13. April 2007 um 09:00 Uhr geladen. Sie erschien zu diesem Termin mit ihrem Rechtsvertreter. Zum Gegenstand wird angeführt, die Verhandlung erfolge zur weiteren Klärung des Sachverhalts mit dem Ziel, ob auf Grund der eingebrachten Berufung eine Berufungsvorentscheidung durch die Fernmeldebehörde zu erlassen sei. Außerdem wird vermerkt, dass der Tatvorwurf auf die Anstiftertäterschaft nach § 7 VStG erweitert werde.

 

Bei dieser Einvernahme als Beschuldigte vom 13. April 2007 gab die Bwin zu ihrer Rechtfertigung an, dass sie Geschäftsführerin der Firma M sei, die ein Lotto-Spielgemeinschaften in Österreich organisiere. Kunden werden einerseits über die eigene Homepage, andererseits durch die Firma D T angeworben. In der M arbeiteten 15 Angestellte im festen Dienstverhältnis und hin und wieder beschäftige man auch freie Mitarbeiter. Derzeit sei ein freier Mitarbeiter tätig.

 

Der Bwin sei bekannt, dass Werbeanrufe ohne vorherige Einwilligung sowie Werbeanrufe aus dem Ausland unzulässig sind. Auch die Aussendung der Arbeiterklammer Kärnten vom 9. März 2006 betreffend "Lottogemeinschaft M geht mit unerlaubten Methoden auf Mitspielfang" sei der Bwin bekannt.

 

Kontakt zur Firma D T bzw zu Herrn B bestünde seit 3 bis 4 Jahren. Schon bevor die Bwin Geschäftsführerin der M wurde, hätte sie mit Herrn B zusammen gearbeitet. Am 1. November 2005 habe die Bwin den im Akt liegenden Vertrag (vgl Beilage in ON 11) mit Herrn B abgeschlossen, welcher nach wie vor gültig sei. Zu diesem Vertrag gäbe es Zusatzvereinbarungen (Provisionsabkommen), darüber hinaus aber keine mündlichen Vereinbarungen.

 

Die Bwin gab an, dass sie nicht wisse, wie sich die Firma D T bei den Akquisitionsanrufen vorstellt. Laut Vertrag sei es ausgeschlossen, dass sich diese Firma als Firma M ausgibt. Für den Fall, dass sich der Angerufene für ein Produkt der Firma D T interessiere, welches von der Firma M angeboten werde, werde auf deren Webseite verwiesen und den Angerufenen mitgeteilt, dass sie einen Anruf der Fa. M erhalten werden.

 

Zu der nach dem Vertrag ausdrücklich geforderten Zustimmungserklärung gab die Bwin an davon auszugehen, dass der Angerufene seine Einwilligung im Telefongespräch erklärt. Sie könne allerdings nicht ausschließen, dass die M von der D T auch Datensätze bekomme, bei denen nur eine konkludente Zustimmungserklärung vorliegt.

 

Weiters wurde der Behörde ein E-Mail vom 3. April 2007 an Herrn B, den Geschäftsführer der D T, übergeben, in dem die M auffordert, Punkt 3 der Vereinbarung einzuhalten und keinesfalls in den Akquisitionsgesprächen auf die Firma M hinzuweisen.

 

Zu Widersprüchen in den Schreiben des Herrn B vom 12. Februar 2007 und vom 12. März 2007 (vgl ON 11 im vorgelegten Verwaltungsstrafakt), in denen dieser der Fernmeldebehörde einmal mitteilte, dass die D T weder im Namen der M akquiriere, noch Interessenten auf diese Firma hinweise (Schreiben 12.02.2007) und dann kurz darauf (Schreiben vom 12.03.2007) erklärte, die Kunden werden laut dem Gesprächsleitfaden der Firma D T darauf hingewiesen, dass sie in den nächsten Tagen einen Zweitanruf durch die M zum Datenabgleich erhalten würden, gab die Bwin an, dass sie darin keinen Widerspruch sehe. Ein Widerspruch ergebe sich nur scheinbar aus einer schlechten Formulierung.

 

Der Bwin sei nicht bekannt, dass jemand im Namen der Firma M Werbeanrufe durchführt. Zu den Werbeanrufen der Firma D T könne die Bwin keine konkreten Angaben machen und sei ihr auch der Gesprächsleitfaden dieser Firma nicht bekannt. Ein allfälliger Vertrag mit der Fima M werde erst im Rahmen eines Zweitanrufes durch einen Mitarbeiter der M abgeschlossen. Jeder Zweitanruf durch die M werde mit Zustimmung des Angerufenen aufgezeichnet. Falls der Kunde beim Telefonat noch unsicher ist, werde ihm auf Wunsch ein Formular geschickt, mit dem er schriftlich seine Vertragserklärung bekannt geben könne.

 

Zum Anruf des Fernmeldebüros Graz erklärte die Bwin, dass ihr die Anruferin, eine Frau W, nicht bekannt sei Diese sei auch keine freie Mitarbeiterin der Firma M. Die Bwin habe auch keinen Auftrag bzw. ihr Einverständnis zu diesem Anruf erteilt.

 

In der Folge wurde der Bwin ein Gesprächsmitschnitt mit Herrn P L, der das unerwünschte Werbetelefonat aufgezeichnet hatte, vorgespielt und eine CD mit dem Gespräch dem Rechtsvertreter ausgefolgt. Nach Beratung mit ihrem Rechtsvertreter hat die Bwin angegeben, dass sie den Anrufer an der Stimme nicht erkennen könne. Dieser im Namen der M durchgeführte Anruf sei ihr bisher unbekannt gewesen. Er widerspreche ihrer Kenntnis vom Ablauf von Gesprächen, wie dies der M durch die Firma D T mitgeteilt worden sei.

 

Die Bwin konnte ausschließen, dass der verfahrensgegenständliche Telefonanruf durch einen Mitarbeiter der Firma M durchgeführt wurde. Sie habe vom Ablauf dieser Telefonate bisher nichts gewusst und sei davon ausgegangen, dass die bisher an die Firma M übermittelten Adressdatensätze eine Zustimmung zu einem Zweitanruf durch die M enthalten haben.

 

2.4. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 26. April 2007 gab die Bwin an, dass die D T ausschließlich Adressdatensätze an die Bwin verkaufen dürfe, für deren Weitergabe der Kunde seine Zustimmung erklärt habe. Auf die Art und Weise, wie die Berufungswerberin akquiriere, habe die Bwin keinen Einfluss. Sämtliche Anrufer (S L, Herr D oder Frau W) wären in keinerlei Beschäftigungsverhältnis bzw Geschäftsbeziehung welcher Art immer mit der Bwin gestanden.

 

Im gegenständlichen Fall der Frau W hat die belangte Behörde ausfindig gemacht, dass der Anruf aus Spanien erfolgte und sohin nicht durch die Firma M mit Sitz in Linz erfolgen konnte.

 

 

Zum Vorwurf der Anstiftungstäterschaft wird betont, dass der Firma M die Art und Weise der Kundenakquisition, wie sie nach dem aufgezeichneten Gesprächsmitschnitt im Fall L von der D T betrieben wird, bislang unbekannt gewesen wäre. Die Firma M sei bislang davon ausgegangen, dass die D T im Rahmen der Kundenakquisition die gesetzlichen Bestimmungen einhält. Von der Vorgehensweise im Fall des angerufenen P L habe die M erst im Zusammenhang mit der Berufungsvorentscheidung Kenntnis erlangt. Warum sich die D T als M ausgab, sei nicht nachvollziehbar. Der Geschäftsführer der D T sei diesbezüglich wegen urlaubsbedingter Abwesenheit noch nicht erreichbar gewesen.

 

Da es sich um Anrufe durch die Firma D T handelte, begründe das Verhalten allenfalls eine Strafbarkeit der D T, auf welches die Firma M keinen Einfluss habe. Jedoch sei nunmehr für die Firma M nachvollziehbar, warum die Angerufenen vermeinen, einen Anruf von der M erhalten zu haben. Dieser Zustand sei untragbar und werde die M im Rahmen der zu Gebote stehenden rechtlichen Möglichkeiten solchen Verhaltensweisen entgegenwirken.

 

2.5. Die belangte Behörde hat daraufhin die Berufungsvorentscheidung vom 8. Mai 2007, zugestellt am 14. Mai 2007, erlassen, mit der, ohne eine Aufhebung des Spruchs des angefochtenen Straferkenntnisses ausdrücklich auszusprechen, dieser alte Spruch offenbar ausgetauscht und eine neuer Schulspruch wie folgt formuliert wurde:

 

"Sie haben als Geschäftsführerin der Fa. M  GmbH, L, (weiterhin kurz: M)

 

1)     durch den von Ihnen mit der Fa. D T  , T B, C. S, A, (weiterhin kurz: D T) am 01.11.2005 abgeschlossenen Vertrag mit der Bezeichnung: 'Ankauf von Adressdateien', in welchem Sie mit der Fa. D T vereinbart haben, dass durch dieses Unternehmen Adressdatensätze von Personen entgeltlich zur Verfügung gestellt werden, welche gegenüber der Fa. D T eine ausdrückliche Zustimmung abgegeben haben, dass sie durch die Fa. M direkt kontaktiert werden können, zumindest bedingt vorsätzlich veranlasst, sowie

 

2)     dadurch, dass Sie – seit 30.12.2005 in Kenntnis der durch die Fa. D T durchgeführten Werbeanrufe – keine Maßnahmen ergriffen haben, um diese rechtswidrigen Werbeanrufe abzustellen, zumindest bedingt vorsätzlich erleichtert,

 

dass am 06.02.2007 um 11:00 Uhr durch eine Mitarbeiterin der Fa. D T, welche sich als Frau W von der Fa. M ausgab, ein Anruf zu Werbezwecken (Werbung für die Teilnahme an einem Lottospiel) bei der Fernmeldebehörde Graz, G, ohne vorherige Einwilligung eines Mitarbeiters dieser Behörde unter der Telefonnummer 0316/8079-100 durchgeführt worden ist."

 

Durch den so formulierten doppelten Tatvorwurf erachtete die belangte Behörde den Tatbestand der Beteiligung gemäß § 7 VStG iVm §§ 107 Abs 1 und 109 Abs 3 Z 19 TGK offenbar nur einmal als verwirklicht und sprach wie schon im angefochtenen Straferkenntnis eine Geldstrafe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) aus.

 

2.6. Gegen diese Berufungsvorentscheidung brachte die Bwin vertreten durch ihre Rechtsvertreter noch fristgerecht per Telefax am 29. Mai 2007 den Antrag gleichen Datums ein, die Berufungsvorentscheidung (gemeint wohl die Berufung) dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorzulegen. Im Vorlageantrag hat die Bwin durch ihren Rechtsvertreter die Punkte inhaltliche Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens in Bezug auf die Berufungsvorentscheidung der belangten Behörde näher ausgeführt.

 

3.1. Gemäß § 64a AVG iVm § 24 VStG kann die Behörde auch im Verwaltungsstrafverfahren die Berufung binnen zwei Monaten nach deren Einlangen durch Berufungsvorentscheidung erledigen. Sie kann die Berufung nach Vornahme notwendiger Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens als unzulässig oder verspätet zurückweisen, den Bescheid aufheben oder nach jeder Richtung abändern (Abs 1). Binnen zwei Wochen nach Zustellung der Berufungsvorentscheidung kann jede Partei einen Vorlageantrag, wonach die Berufung der Berufungsbehörde zur Entscheidung vorgelegt werden möge, stellen (Abs 2).

 

Gemäß § 64a Abs 3 AVG tritt die Berufungsvorentscheidung mit Einlangen des Vorlageantrags ex lege außer Kraft und damit der angefochtenen Bescheid wieder in Kraft. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung ist damit auf die Berufungsbehörde übergegangen und das Verfahren tritt in das Stadium vor der Berufungsvorentscheidung zurück (näher und mwN zu den Rechtswirkungen Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar, 3. Band [2007] § 64a Rz 35).

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat daher ungeachtet der Berufungsvorentscheidung über die Berufung vom 20. März 2007 gegen das angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde vom 6. März 2007 zu entscheiden.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt und nach dessen Durchsicht festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 107 Abs 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) sind Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien – zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. Die erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; der Widerruf der Einwilligung hat auf ein Vertragsverhältnis mit dem Adressaten der Einwilligung keinen Einfluss.

 

Nach dem § 109 Abs 3 Z 19 TKG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 37.000 Euro zu bestrafen,

 

wer entgegen § 107 Abs 1 Anrufe zu Werbezwecken tätigt.

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den Erk. verst. Senate VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.3. Auf Grund des wesentlichen Berufungsvorbringens, wonach der zur Last gelegte Werbeanruf nicht von Mitarbeitern der Firma M getätigt wurde, sondern es sich nur um einen Erstanruf durch die D T handeln habe können, zumal über die betreffenden Personen keine Adressdatensätze vorlägen und der M weder Name noch Telefonnummer dieser Person bekannt sei, hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Kompetenz zur Berufungsvorentscheidung ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die belangte Behörde geht in der Sachverhaltsdarstellung ihrer Berufungsvorentscheidung nunmehr selbst davon aus, dass das erste Werbetelefonat durch die Firma D T aus Spanien durchgeführt wird, wobei dann die Daten der angerufenen Personen an die Firma M weitergeleitet werden. Diese kontaktiert dann die bekannt gegebenen Personen in einem Zweitanruf, um einen Vertrag zur Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft abzuschließen.

 

Die belangte Behörde ist demnach im angefochtenen Straferkenntnis ohne ausreichende Beweise davon ausgegangen, dass der verfahrensgegenständliche Werbeanruf von einer Mitarbeiterin der Firma M durchgeführt worden wäre und die Bwin als gemäß § 9 Abs 1 VStG verantwortliche Geschäftsführerin der M das strafbare Verhalten zu verantworten hätte. Diese Annahme hat sich jedenfalls als verfehlt erwiesen, auch wenn die belangte Behörde nunmehr nachträglich von einer Täterschaft gemäß § 7 VStG durch Beteiligung an den Übertretungen von Mitarbeitern der Firma D T ausgeht und den Tatvorwurf in der Berufungsvorentscheidung ausgetauscht hat. Die Fernmeldebehörde hätte bereits vor der Erlassung des Straferkenntnisses eine Rufdatenerhebung durchführen müssen. Dies schon deshalb, weil der Behörde bereits aus anderen gleichgelagerten Verfahren bekannt sein musste, dass derartige Werbeanrufe nicht von der Firma M, sondern von der Firma D T von Spanien aus durchgeführt worden waren.

 

Die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen wurden von der Fernmeldebehörde erst nach Erlassung des Straferkenntnisses durchgeführt. Dabei hat sich allerdings herausgestellt, dass der zur Last gelegte Werbeanruf von Spanien, Mallorca, wo die D T ihren Firmensitz hat, aus geführt wurde, wodurch jedoch die Berufungswerberin als Verantwortliche für die gegenständliche Verwaltungsübertretung ausscheidet. Nach ordentlicher Ermittlung des Sachverhaltes steht somit fest, dass kein Mitarbeiter der Firma M den im angefochtenen Straferkenntnis angelasteten Werbanruf getätigt hatte, weshalb die Bwin insofern auch nicht verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sein kann.

 

Abgesehen davon, dass die Berufungsvorentscheidung ohnehin durch den Vorlageantrag ex lege außer Kraft getreten ist, wäre nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ein Austausch des Tatvorwurfs, so wie ihn die belangte Behörde in der Berufungsvorentscheidung vorgenommen hat, im Berufungsverfahren unzulässig und damit nicht möglich (vgl oben Punkt 4.2.).

 

5. Im Ergebnis steht daher schon nach dem von der belangten Behörde ermittelten Sachverhalt fest, dass die beschuldigte Bwin die im Straferkenntnis angelastete Tat nicht begangen haben kann. Deshalb war insofern das Straferkenntnis aufzuheben und nach dem § 45 Abs 1 Z 2 VStG die Einstellung zu verfügen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  W e i ß

 

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