Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150617/7/Re/Hue

Linz, 03.06.2008

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des S R, R, H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 13. Juli 2007, Zl. BauR96-272-2006, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.              Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 Abs.1 Z.2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.     Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 400 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden verhängt, weil er am 28. Juni 2007 (richtig wohl: 2006) um 21.21 Uhr als Lenker des Kfz mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen und dem behördlichen Kennzeichen  die A8 Innkreisautobahn, ABKM 37.400, Gemeinde Weibern, Meggenhofen Gallspach – Haag/Hausruck, benützt habe, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benutzung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mehrspurigen Fahrzeugen, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut unterliege. Es sei festgestellt worden, dass das Fahrzeuggerät ein ungenügendes Mautguthaben aufgewiesen habe und dadurch die fahrleistungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet worden sei. 

 

2. In der Berufung wird vorgebracht, dass sich der Bw korrekt verhalten habe. Nach Erhalt der Zahlungsaufforderung durch die ASFINAG habe sich der Bw mit der Mitarbeiterin der GO-Box-Vertriebsstelle in Suben, Frau E M, in Verbindung gesetzt. Diese erhielt auf Anfrage von der ASFINAG die Information, dass die Forderung bezahlt werden müsse. Der Bw habe versucht, die "GO-Box nachzubezahlen" bzw. aufzuladen. Während des Aufenthalts in der GO-Box-Vertriebsstelle hätten keine Buchungen durchgeführt werden können.

Als Beilage ist in Kopie der Schriftverkehr des Bw mit der ASFINAG angeschlossen Weiters findet sich in Kopie ein Schriftstück, in dem Frau E M am 6. Jänner 2008 bestätigt, dass die GO-Box am Tattag aufgrund eines Systemausfalles nicht ausgelesen habe werden können.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der ASFINAG vom 28. September 2006 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach habe die GO-Box ein ungenügendes Mautguthaben aufgewiesen. Der Zulassungsbesitzer sei gem. § 19 Abs. 4 BStMG am 27. Juli 2006 schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufgefordert worden. Dieser Aufforderung sei jedoch nicht entsprochen worden.

 

Nach Strafverfügung vom 6. Oktober 2006 brachte der Bw einen Einspruch ein und verwies auf den Schriftverkehr mit der ASFINAG, der in Kopie angeschlossen war.  

 

Einer zusätzlichen Stellungnahme der ASFINAG, datiert mit 21. Februar 2006, eingelangt bei der Erstbehörde am 1. März 2007, ist die Wiedergabe des Anzeigeninhaltes bzw. rechtlicher Bestimmungen zu entnehmen. Zusätzlich findet sich der Hinweis, dass es lt. Auskunft "unseres technischen Support" keinen generellen Ausfall gegeben habe. "An der A08 konnte eine Shell TS gefunden werden, diese hat uns aber keine Störung zu dem betreffenden Datum eingemeldet". Als Beilage sind eine Auflistung der am Tattag durchfahrenen Mautbalken und zwei Beweisfotos angeschlossen.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Die ASFINAG teilte dem Unabhängigen Verwaltungssenat am 24. Jänner 2008 auf Anfrage mit, dass die gegenständliche GO-Box am 3. Juli 2006 ausgetauscht worden sei. Diese GO-Box sei im Zuge der "Refurbishment Kontrollaufbereitung" am 31. Oktober 2006 als voll funktional hinsichtlich der Funktion der Statusanzeige (LED) als auch der Lesbarkeit der GO-Box erkannt worden. Diese GO-Box stehe physisch nicht mehr zur Verfügung. Es habe seitens der ASFINAG kein allgemeiner Vertriebsstellenausfall verzeichnet werden können bzw. sei ein solcher auch von keiner Vertriebsstelle gemeldet worden.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat erhielt am 25. Jänner 2008 von Frau E M die telefonische Auskunft, dass der Bw Stammkunde und sehr gut bekannt sei. Etwa ein- bis zweimal pro Woche lasse der Bw routinemäßig die GO-Box kontrollieren und Mautguthaben aufbuchen. Eine Überprüfung/Aufbuchung sei am Tattag jedoch wegen eines Computerausfalles nicht möglich gewesen. Der Bw habe eine halbe Stunde gewartet. Der Computer habe auch danach noch nicht funktioniert. Frau M habe aus diesem Grund an diesem Tag auch andere LKW-Fahrer wegschicken und an die nächste GO-Box-Vertriebsstelle verweisen müssen. Frau M sei es aber nicht bekannt gewesen, dass sich der Bw bereits wieder auf dem Rückweg nach Deutschland befunden habe. Auf dieser Strecke sei keine weitere Vertriebsstelle mehr gelegen.

In der GO-Box seien die letzten 30 durchfahrenen Mautbalken abgespeichert. Diese Daten könnten bei der GO-Box-Vertriebsstelle abgerufen werden. Daraus würde im Falle einer Nachentrichtung der Maut der geschuldete Mautbetrag errechnet werden. Die Zeugin Mayrhofer hat darüber hinaus die Angaben des Bw auch schriftlich bestätigt.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 6 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 t beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 BStMG ist die Maut durch Einsatz zugelassener Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten. Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft hat zur Mautabwicklung eine in Artikel 2 der Richtlinie 2004/52/EG genannte Technik zu nutzen.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 BStMG haben Lenker, soweit sie nicht von anderen in der Mautordnung vorgesehenen Formen der Mautentrichtung Gebrauch machen, vor der Benützung von Mautstrecken ihr Fahrzeug mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 BStMG haben sich Lenker bei Verwendung von Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken der Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Funktionsstörungen unverzüglich zu melden.

 

Punkt 8.2.4.2 der Mautordnung besagt u.a., dass der Kraftfahrzeuglenker im eigenen Ermessen und in eigener Verantwortung für ein rechtzeitiges Wiederaufladen des Mautguthabens zu sorgen hat.

 

Gemäß Punkt 8.2.4.3.1 der Mautordnung gelten folgende Signale als Information für den jeweiligen Nutzer:

Ein kurzer Signalton: Die Mautentrichtung wird auf Basis der eingestellten Kategorie bestätigt.

Zwei kurze Signaltöne: Die Mautentrichtung hat auf Basis der eingestellten Kategorie ordnungsgemäß stattgefunden, aber das Mautguthaben (nur im Pre-Pay-Verfahren) ist unter den Grenzwert in der Höhe von 30 Euro gefallen (der Nutzer hat für eine rechtzeitige Aufbuchung von Mautwerten zu sorgen), das Mautguthaben verfällt innerhalb der nächsten zwei Monate (nur im Pre-Pay-Verfahren), oder die GO-Box wird zur Kontrolle (zum ASFINAG Maut Service Center oder an die nächste GO Vertriebsstelle) zurückgerufen.

 

Gemäß Punkt 8.2.4.3.2 der Mautordnung sind vier kurze Signal-Töne vom Nutzer zu beachtende akustische Signale: Es hat keine Mautentrichtung stattgefunden, weil insbesondere vom Nutzer Bestimmungen der Mautordnung Teil B nicht beachtet wurden, oder bei GO-Box Sperre aufgrund technischer Mängel bzw. festgestellter Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Mauteinhebung. In diesem Fall hat dann jeder Nutzer seiner Nachzahlungsverpflichtung im Sinne von Punkt 7.1 im vollen Umfang nachzukommen, andernfalls der Tatbestand der Mautprellerei gemäß Punkt 10 verwirklicht wird.

 

Gemäß Punkt 7.1 der Mautordnung besteht für ordnungsgemäß zum Mautsystem und mit einem zugelassenen Fahrzeuggerät ausgestattete Kraftfahrzeuge die Möglichkeit der Nachzahlung der Maut im Falle einer Nicht- oder Teilentrichtung der geschuldeten Maut, die auf ein technisches Gebrechen des zugelassenen Fahrzeuggerätes oder des Mautsystems, auf einen zu niedrigen Pre-Pay-Kontostand, ein gesperrtes Zahlungsmittel oder die Verwendung einer falschen (zu niedrigen) Kategorie zurückzuführen ist; dies jedoch ausnahmslos nur wenn alle in der Mautordnung näher definierten Bedingungen erfüllt werden.

 

Gemäß § 20 Abs. 2 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 6 geschuldete fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 400 Euro bis 4.000 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 20 Abs. 3 BStMG wird eine Übertretung gemäß § 20 Abs. 2 BStMG straflos, wenn der Mautschuldner fristgerecht die in der Mautordnung festgesetzte Ersatzmaut bezahlt.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 300 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 zu keiner Betretung, so ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen drei Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs. 4).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen ist (Abs. 6).

 

Gemäß § 64 VStG ist in jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat (Abs. 1).

Dieser Beitrag ist für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit je 1,50 Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 15 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat (Abs. 2).

 

5.2. Im gegenständlichen Fall steht unbestritten fest, dass der Bw der Lenker des gegenständlichen Kfz zur Tatzeit am Tatort war, dass die Maut nicht entrichtet wurde und dem Zulassungsbesitzer gem. § 19 Abs. 4 BStMG ein schriftliches Ersatzmaut-Angebot zugegangen ist, diesem Angebot jedoch nicht entsprochen wurde.

 

Punkt 7.1 der Mautordnung bietet einem Lenker, welcher die fahrleistungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet hat, die Möglichkeit, bei Einhaltung der in der Mautordnung näher definierten Voraussetzungen, im Nachhinein seiner Verpflichtung nachzukommen und damit eine Verwirklichung des Straftatbestandes nicht eintreten zu lassen. Der Bw behauptet, eine von ihm beabsichtigte Nachentrichtung der Maut sei aufgrund eines technischen Gebrechens in der GO-Box-Vertriebsstelle nicht möglich gewesen. Diese Behauptung wird bestätigt durch die glaubwürdige Auskunft der Frau E M, welche am Tattag in der gegenständlichen Vertriebsstelle Dienst versehen hat.

Der Unabhängige Verwaltungssenat geht deshalb von der Richtigkeit dieses Vorbringens aus, wonach dem Bw die Möglichkeit einer Nachentrichtung der Maut – und damit die Möglichkeit der Verhinderung der Verwirklichung der gegenständlichen Tat – aufgrund eines technischen Gebrechens in der GO-Box-Vertriebsstelle genommen wurde. Dies liegt nicht im Verantwortungsbereich des Bw, weshalb ihm dies auch nicht anzulasten ist und deshalb spruchgemäß zu entscheiden war. 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (ab 1. Juli 2008: 220 Euro) zu entrichten.

Dr. Reichenberger

 

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