Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281027/6/Wim/Da

Linz, 28.05.2008

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn G K, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. S T, F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 12.7.2007, Ge96‑71-2006, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1, 51 und 66 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.      Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 350 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag wegen Übertretung des § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) sowie ein 10 %iger Verfahrenskostenbeitrag verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

"Herr G K, geb. am, österreichischer Staatsbürger, F, T, hat es als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der K Gesellschaft m.b.H. (Gewerbe: "Demontage von Anlagen und Maschinen zur Verwertung und Verschrottung" im Standort F, T) zu verantworten, wie aus der Anzeige des Arbeitsinspektorates Linz vom 20.12.2006, Zl.041-129/1-9/06, hervorgeht und wie anlässlich einer Unfallerhebung durch das Arbeitsinspektorat Linz am 2.12.2006 festgestellt wurde, dass von drei Arbeitnehmern des Betriebes, u.a. Herrn J K, am 2.12.2006 bei der Baustelle L, W, die Demontage eines Aufzuges durchgeführt wurde, wobei die T-Eisen, die weder fixiert noch an Hebezeugen mit Anschlagmittel gesichert waren, von den Halterungen getrennt wurden und dadurch ein schwerer Arbeitsunfall zu beklagen war, obwohl zu demontierende Konstruktionsteile so zu fixieren oder an Hebezeugen mit Anschlagmitteln gesichert sein müssen, dass sie nach dem Lösen oder Trennen der Verbindungen nicht gefahrbringend abstürzen oder ausschwingen."

 

2.      Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und diese auch inhaltlich begründet.

 

3.      Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie in den beigeschafften gerichtlichen Strafakt.

 

Daraus ergibt sich, dass ein wegen Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 StGB wegen des gegenständlichen Vorfalls gegen den Berufungswerber eingeleitetes gerichtliches Strafverfahren gem. § 90 Abs.1 StPO zurückgelegt wurde. Dies wurde vom Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Linz mit Schreiben vom 3. Mai 2007, 43 BAZ 262/07h-8 (SO) auch der Bezirkshauptmannschaft Freistadt mitgeteilt.

 

Weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das mit Berufung angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gem. § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4.      Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

§ 22 VStG bestimmt, dass, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt, die Strafen nebeneinander zu verhängen sind. Das selbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungs­übertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndenden strafbaren Handlungen.

 

Gemäß der Anordnung nach § 30 VStG sind strafbare Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und die selbe Tat begangen worden sind, wenn einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungs­übertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last liegen. Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.

 

Dazu wird in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Manz, 2. Auflage, S. 415ff, unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 14696/1996) ausgeführt, dass die Vorschriften des § 22 und § 30 VStG deswegen dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs.1 7. ZPMRK nicht widerspricht, weil § 22 VStG lediglich die Strafbemessung im Sinn des Kumulationsprinzips regelt, wenn jemand mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat, und weil § 30 Abs.1 VStG für diesen Fall die verwaltungsstrafverfahrensrechtliche Regel aufstellt, dass die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen sind. Ob bei eintätigem Zusammentreffen mehrerer Delikte diese insgesamt zu verfolgen sind oder die Bestrafung nach einem Straftatbestand bei Bestrafung nach einem anderen ausschließt, ist den gesetzlichen Regelungen der materiellen Strafbestimmungen zu entnehmen, nicht jedoch § 22 und § 30 Abs.1 VStG. Diese setzen vielmehr die gesetzliche Anordnung miteinander konkurrierender und daher nebeneinander zu ahndender Strafbestände schon voraus und ordnen als Konsequenz die kumulative Verfolgung sowie die kumulative Bestrafung der mehreren Straftaten an. "Die verfassungsrechtliche Grenze, die Art. 4 Abs.1 7. ZPMRK bei einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung zieht, kann nur darin liegen, dass eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig ist, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Deliktes in jeder Beziehung mitumfasst. Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, die einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein- und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird."

"In Fällen, in denen wie hier eine Handlung gesetzt wird, die sowohl unter die Strafdrohung des § 130 Abs.5 Z1 bzw. Abs.1 Z15 oder Z16 ASchG als auch unter die des § 80 bzw. § 88 StGB fällt, wird zwar in der Regel davon auszugehen sein, dass das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung bzw. Tötung gemäß § 80 bzw. § 88 StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 130 Abs.5 Z1 bzw. Abs.1 Z15 oder Z16 ASchG vollständig erschöpft. Weder aus dem Wortlaut des § 130 ASchG noch aus dem Wortlaut der übrigen Bestimmungen des ASchG ergibt sich aber, dass bei der Ahndung der Delikte gemäß § 130 ASchG die Annahme einer Scheinkonkurrenz vom Gesetzgeber ausgeschlossen wäre; diese ist vielmehr gegebenenfalls aus dem Erfordernis, eine Gesetzesbestimmung einer - soweit möglich - verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, geboten. Weder der bloße Wegfall der Subsidiaritätsklausel noch die von den UVS ins Treffen geführte offenbar bewusste Bedachtnahme auf mit der Verwaltungsübertretung zugleich auftretende Arbeitsunfälle oder Gesundheits­schäden in den Materialien zum ASchG lassen eindeutig darauf schließen, dass der Gesetzgeber eine Doppelbestrafung normieren wollte (VfGH 7.10.1998, G51/97. G26/98)."

 

In Zusammenschau aus dem Gerichtsakt ergibt sich, dass gegen den Berufungswerber von einem Verfahren gemäß § 88 Abs.1 StGB gemäß § 90 Abs.1 StPO zurückgelegt wurde. Im gerichtlichen Verfahren wurde dem Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs.1 StGB genau jenes Tatverhalten zu Grunde gelegt, welches auch dem Tatvorwurf des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens zu Grunde liegt. Es ist daher nach der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes davon auszugehen, dass das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung den Unrechts- und Schuldgehalt des Deliktes des § 130 Abs.5 Z1 ASchG vollständig erschöpft. Es darf daher wegen der gegenständlich vorgeworfenen strafbaren Handlungen, die bereits Gegenstand eines gerichtlichen Strafverfahrens waren, gemäß Art. 4 Abs.1 des ZPMRK keine weitere Strafverfolgung mehr erfolgen.

 

Es war von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Leopold Wimmer

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 21. November 2008, Zl.: 2008/02/0203

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