Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163295/2/Bi/Se

Linz, 17.06.2008

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn F Ö, A, vom 5. Juni 2008 gegen das Straf­erkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 27. Mai 2008, VerkR96-446-2008-Hof, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt. 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 150 Euro (69 Stunden EFS) verhängt, weil er am 18. Februar 2008 um 6.00 Uhr in der Gemeinde St. Martin iM auf der B127 bei Strkm 28.600 in Fahrtrichtung Rohrbach mit dem Pkw   (A) mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und sein Fahrzeug nicht sofort angehalten habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 15 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z3 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er sei nach der Kollision nicht weitergefahren sondern habe sein Fahrzeug angehalten. Beim Fahrtempo von ca 90 km/h habe er natürlich den notwendigen Anhalteweg gebraucht. Er habe angehalten und sei an die Unfallstelle zurückgefahren, um mit dem anderen Lenker Kontakt aufzunehmen. Er habe den Unfall sofort der nächsten Polizei­dienst­stelle gemeldet. Wenn das als Fehlverhalten bestraft werde, wisse er nicht, wie er sich sonst verhalten solle.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Aus der Anzeige der PI St. Martin iM ist ersichtlich, dass es am 18. Februar 2008 gegen 6.00 Uhr bei km 28.600 der B127 zu einer Streifung zwischen dem Pkw des Bw   und dem von H K (K) gelenkten FirmenLkw   kam, bei der lediglich am Pkw des Bw Schaden entstand – der linke Außenspiegel wurde zertrümmert. Beide Unfallbeteiligten meldeten laut Anzeige den Verkehrsunfall, der Bw um 6.15 Uhr, K um 7.30 Uhr.

Der Bw gab bei der Unfallmeldung an, er sei aus Richtung Linz gekommen und kurz nach der Waldeinfahrt in Richtung Altenfelden sei im Gegenverkehr ein Fahrzeug über die Fahrbahnmitte gekommen, das er aber nicht beschreiben konnte. Er sei aus Sicherheitsgründen zur nahen Ausweiche gefahren, habe dort umgedreht und sei zur Unfallstelle zurückgefahren, wo er aber das beteiligte Fahrzeug nicht mehr vorgefunden habe.

Der Zeuge K gab an, er sei mit zwei Arbeitskollegen mit dem FirmenLkw von Lembach kommend nach Linz zur Arbeit gefahren und in St. Martin kurz vor der Waldausfahrt sei ihm am Ende einer Kurve ein kleinerer Pkw über der Fahr­bahn­mitte entgegenge­kommen. Er habe den Lkw noch nach rechts verrissen, dürfte aber den Pkw noch mit der Bordwand gestreift haben, weil er einen "Tuscher" gehört habe. Er habe sofort angehalten und die Warnblinkanlage eingeschaltet, der Pkw sei aber weitergefahren. Er habe noch 5 Minuten an der Unfallstelle gewartet und sei dann, als der andere Lenker nicht zurückgekommen sei, weitergefahren. 

 

Im Einspruch gegen die Strafverfügung der Erstinstanz vom 26. Februar 2008 führte der Bw aus, er habe den Anhalteweg aus einer Geschwindigkeit von 90 km/h benötigt, um den Pkw zum Stillstand zu bringen. Da er sich zu diesem Zeitpunkt hinter einer unübersichtlichen Kurve befunden habe, habe er sein Fahrzeug nicht auf der Straße stehen lassen können, und sei bei einem nahe­gelegenen Parkplatz umgekehrt und zur Unfallstelle zurückge­fahren. Er habe angenommen, dass der Unfallgegner ebenfalls bei der nächsten möglichen Gelegenheit angehalten habe; dieser habe sich in einer Kolonne aus mindestens sechs Fahrzeugen befunden. Er sei bis zur kurz vor dem Kreisverkehr befindlichen Bushaltestelle gefahren, aber leider habe niemand angehalten. Daher habe er den Unfall unverzüglich der nächsten ihm bekannten und besetzten PI Neufelden gemeldet.

 

Der Zeuge K gab am 28. März 2008 bei der Erstinstanz vernommen an,  kurz vor der "Stapfenedter-Kreuzung" in der letzten Kurve, bevor man aus dem Wald komme, sei ihm ein kleiner Pkw über dem Mittel­streifen entgegengekommen. Obwohl er den Lkw etwas mehr nach rechts gelenkt habe, habe er den nach der Doppelkabine mit der ca 10 cm vorstehen­den Bordwand erfolgten Anstoß nicht verhindern können. Er habe einen "Tuscher" gehört und sofort angehalten. Er habe 10 bis 15 Minuten gewartet, aber der Fahrzeuglenker sei nicht zurück­gekommen. Seine Arbeitskollegen hätten ihn zur Weiterfahrt gedrängt. Er sei nach Linz gefahren und habe von dort telefonisch Unfallmeldung erstattet. Beim Unfall habe sich der Pkw alleine auf der Gegenfahrbahn befunden; es sei auch kein Fahrzeug nachgekommen. Er habe im Rückspiegel gesehen, dass der Pkw nicht gebremst habe. Sie seien zu dritt ausgestiegen, der Pkw sei aber nicht zurückgekommen.

 

Der Bw gab am 14. April 2008 bei der Erstinstanz an, es sei unmöglich, dass der Zeuge sein Fahrzeug sofort angehalten habe. Er habe sein Fahrzeug bis zur Brücke unmittelbar nach der Rechtskurve gelenkt, habe gewendet und sei zurück­ g­efahren zur Unfallstelle. Dort habe er niemanden mehr angetroffen, obwohl das Umkehren nur zwei bis drei Minuten gedauert habe. Bei der Busstation sei ein Autobus gestanden, der Leute ein- und aussteigen ließ. Vom Unfallbeteiligten habe er nichts sehen können. Er sei über den Kreisverkehr wieder in Richtung Rohrbach gefahren und habe den Unfall in Neufelden bei der PI gemeldet.

 

Martin Reiter, der sich damals im FirmenLkw befunden habe, gab am 25. April 2008 bei der Erstinstanz an, als sie durch das Kleinzeller Waldstück gefahren seien, sei ein Pkw eher über der Fahrbahnmitte entgegengekommen. Der Zeuge K habe das Fahrzeug in Richtung Bankett verrissen und er habe einen "Tuscher" gehört. Sie seien stehengeblieben, alle drei hätten sie das Fahrzeug besichtigt und an der Bordwand ein paar Kratzer festge­stellt. Sie hätten 10 Minuten gewartet, ob der Lenker eventuell zurückkomme, und seien dann in die Arbeit weitergefahren. Nach der Benachrichtigung des Chefs habe K den Unfall über dessen Auftrag gemeldet etwa um 7.15 Uhr.

H D, ebenfalls Beifahrer im FirmenLkw, gab am 25. April 2008 an, vor der Kreuzung Stapfenedt sei eine leichte Rechtskurve und kurz bevor man aus dem Wald komme, sei ein Fahrzeug entgegengekommen. Er habe einen "Schnalzer" gehört, es habe ihn "gerissen". K habe sofort ange­halten und sei 5-10 Minuten stehengeblieben; alle seien ausgestiegen. Da niemand gekommen sei, hätten sie sich zur Weiterfahrt in die Firma ent­schlossen. Sie hätten eine Besprechung mit dem Chef gehabt und K habe den Unfall der PI Lembach gemeldet.

 

Der Bw gab im Rahmen des Parteiengehörs an, der Zeuge K habe ihm am Unfall­tag noch telefonisch bestätigt, er habe den Schaden am Firmenfahrzeug erst auf der Baustelle festgestellt, daher müsse die Aussage R unrichtig sein. Nie­mand habe eine Absicherung des Firmenfahrzeuges erwähnt, obwohl eine solche mit Pannendreieck vorgeschrieben sei, wenn dieses 15 Minuten hinter einer Kurve angehalten werde. Es sei keine Rede davon, dass Teile des Rück­spiegels seines Fahrzeuges auf der Fahrbahn gelegen seien – durch diese habe der Unfall­auf­nehmende Polizeibeamte die Unfallstelle erst lokalisieren können. Diese seien auch um 6.45 Uhr noch da gelegen, als er hingefahren sei, um sie zu ent­fernen. Keinem der Insassen sei anscheinend eingefallen, dass das andere Fahr­zeug so beschädigt sein könnte, dass der Fahrer nicht an die Unfallstelle zurück­kehren könne. Nur im Fahrzeug zu sitzen und zu warten, sei total verant­wortungslos. Wenn sich alles so, wie alle geschildert hätten, abgespielt habe, habe jeder gegen die Vorschriften, die bei einem Unfall einzuhalten seien, ver­stoßen (Absicherung des eigenen Fahrzeuges, unterlassene Hilfeleistung). Bei der Aufenthaltsdauer am Unfallort hätten alle drei Beteiligten die Unwahrheit gesagt, um den Lenker vor dem Vorwurf der Fahrerflucht zu bewahren.

 

Nach Einsichtnahme in die DORIS-Online Landkarte ist aus der Sicht des UVS  die Unfallstelle ca bei km 28.600 der B127 aufgrund einer leichten Kurve im Wald so gelegen, dass beim Zum-Stillstand-Bringen des Pkw durch den Bw aus der durchaus nachvollziehbaren Geschwindigkeit von 90 km/h heraus vorstellbar ist, dass von der "Unfallendlage" beider Fahr­zeuge aus kein unmittel­barer Sicht­kontakt zur Unfallstelle oder zum anderen Fahrzeug (mehr) bestand. Dem Bw ist zuzustimmen, dass tatsächlich keiner der Zeugen etwas von Spiegel­scherben gesagt hat, die üblicherweise bei einem solchen Schaden auf der Fahr­bahn liegen müssten. Wann der Schaden am Firmenfahrzeug – laut Anzeige "angeblich kein Schaden" – vorgefunden wurde, ist aus dem Akt nicht objekti­vier­bar. Bei der "Wartezeit" des Lkw differieren die Zeugenaussagen von 5 bis zu 15 Minuten.

Tatsache ist, dass der Bw den eigenen Schaden am PrivatPkw selbst bezahlen müsste, während für den Zeugen K kein Nachteil aus dem Unfall zu erwarten war – das Verschulden am ggst Unfall ist hier irrelevant. Dass der Bw aus welchen Überlegungen immer eine Kontaktaufnahme mit dem Lenker des FirmenLkw vermeiden wollte und die Fahrt fortgesetzt hätte um nicht in Erscheinung treten zu müssen, ist daher wenig wahrscheinlich. Dass er nach dem Anstoß nicht sofort gebremst hat, wie der Zeuge K im Rückspiegel gesehen hat, kann an einer verspäteten Reaktion liegen, zumal der Bw um 6.00 Uhr von der Arbeit heimfuhr – während die beiden Beifahrer im FirmenLkw offenbar noch müde waren, sonst hätte es den Zeugen D nicht "gerissen".

Der Bw hat sich offenbar redlich aber erfolglos bemüht, den Lkw zu finden und ist deshalb nach dem Umkehren zurückgefahren, um diesen zu suchen. Wäre dieser tatsächlich bis zu 15 Minuten stehengeblieben, hätte er ihn mit Sicherheit finden müssen.

    

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfalls­ort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Unter einem Verkehrsunfall ist ein plötzliches, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängendes Ereignis, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und zumindest einen Sachschaden zur Folge hat, zu verstehen (vgl VwGH 25.9.1991, 91/02/0047). Hiebei besteht die Verpflichtung des Lenkers

zum sofortigen Anhalten des Fahrzeuges gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960, und zwar auch dann, wenn bei dem Verkehrsunfall nur sein Fahrzeug beschädigt wurde (VwGH vom 20.4.2001, 99/02/0176; 17.6.1992, 91/03/0286).

 

Der Begriff "sofort" ist eng auszulegen und bezieht sich auf den Bereich der Unfallstelle, wobei aber die speziellen Umstände des Einzelfalles wohl zu berück­sichtigen sind, wie zB die Fahrgeschwindigkeit und auch eine hier nicht gänzlich auszuschließende eventuelle verspätete Reak­tion eines Lenkers, aus dessen sonstigem Gesamtverhalten nicht der Eindruck entstanden ist, er habe einer Unfall- oder Schadensfeststellung oder einem persön­lichen Kontakt mit dem Unfallgegner fluchtartig ausweichen wollen.  

Zweck dieser Bestimmung ist es nämlich nicht, nur kurz anzuhalten, sondern auch den sonstigen Lenkerverpflichtungen nachzukommen (vgl VwGH 15.4.1991, 1305/70). Von einem Zurückkehren an die Unfallstelle bei nachträglicher Kenntnis von der eigenen ursächlichen Beteiligung an einem Verkehrsunfall kann  im ggst Fall nicht die Rede sein. Dass bei einer vorstellbaren Unfallsendlage außerhalb eines Sichtkontakts zum Unfallgegner auf einem mitten im Wald gelegenen Straßen­abschnitt ein Umkehren nicht auf der Stelle möglich ist, ist ebenfalls nachvoll­ziehbar, jedoch kann dem Bw eine objektive und subjektive Erfüllung des ihm zur Last gelegten Tatbestandes mangels objektiver Feststellung des genauen Anhalteortes letztlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, sodass spruchgemäß zu entscheiden war, wobei Verfahrenskosten nicht anfallen.   

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (ab 1. Juli 2008 220 Euro) zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Erfüllung des Tatbestandes nicht erweisbar -> Einstellung

 

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