Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400945/4/WEI/Se

Linz, 11.06.2008

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde der E A, Staatsangehörige von N, vertreten durch S R W D, wegen Rechtswidrigkeit der Festnahme, des Schubhaftbescheides sowie der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Linz-Land zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und es werden die Festnahme, der Schubhaftbescheid vom 16. April 2008, Zl. Sich40-41365, und die darauf beruhende Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft bis zum 22. April 2008 für rechtswidrig erklärt.

 

II. Der Bund hat der Beschwerdeführerin den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 674 Euro (darin enthalten 13,20 Euro Eingabengebühr) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden S a c h v e r h a l t aus:

 

1.1. Mit Bescheid vom 16. April 2008, Zl. Sich 40-41365, verhängte die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land im Spruchabschnitt I auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs 1 FPG iVm § 57 AVG gegen die Beschwerdeführerin (Bfin) die Schubhaft "zur Sicherung der Abschiebung nach N" an. Die Bfin wurde zum Vollzug der Schubhaft ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) Linz überstellt.

 

Die Bfin wurde zuvor auf Grund des Festnahmeauftrags vom 9. April 2008 an die PI Traun am 15. April 2008 festgenommen und der belangten Behörde in weiterer Folge vorgeführt.

 

In ihrer Begründung ging die belangte Behörde davon aus, dass gegen die Bfin seit 12. Dezember 2007 eine rechtskräftige Ausweisung des Unabhängigen Bundesasylsenates (UBAS) bestünde und das Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen wäre. Außerdem verfügte die Bfin über keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und besäße auch kein gültiges Reisedokument. Trotz dieser Entscheidung des UBAS halte sich die Bfin noch immer unrechtmäßig in Österreich auf und sei offenbar nicht gewillt, Österreich freiwillig zu verlassen. Deshalb sei die Schubhaft unumgänglich gewesen und müsse von der Anwendung des gelinderen Mittels Abstand genommen werden.

 

1.2. Dem aktenkundigen Auszug aus dem Asylinformationssystem (AIS) zur Zahl …….  die Bfin betreffend sind folgende wesentlichen Daten zu entnehmen:

 

Die Bfin reiste illegal per LKW über unbekannt ein und stellte am 14. März 2005 beim Bundesasylamt (BAA) Erstaufnahmestelle West (EASt West) einen Asylantrag. Sie war in der Grundversorgung vom 14. März bis 1. April 2005 in St. , danach in T, und schließlich bis 9. Juni 2006 in L, untergebracht. Das Asylverfahren wurde zugelassen. Eine Aufenthaltsberechtigungskarte wurden für die Bfin am 22. März 2005 und nach deren Verlust eine weitere am 29. April 2005 durch die EASt West ausgestellt.

 

Mit Bescheid des BAA EASt West vom 18. Mai 2005, Zl. 05 03.437-EAST WEST, wurde über das Asylbegehren der Bfin negativ entschieden. Die Zustellung des Asylbescheides erster Instanz wurde per Adresse L, angeordnet und in der Folge zur Abholung am 24. Mai 2005 beim Postamt … hinterlegt. Berufung langte am 7. Juni 2005 rechtzeitig beim BAA EASt West ein.

 

Mit Bescheid des UBAS vom 19. November 2007, Zl. 261.305/0/4E-VII/19/05, wurde die Berufung abgewiesen, die Bfin nach N ausgewiesen und die Abschiebung dorthin für zulässig erklärt. Dazu finden sich im AIS folgende Eintragungen:

 

  • Verwaltungsakt + Beurkundung gem. ZustellG am 17.12.07 p.RSb v. UBAS eingel, ...
  • Bescheid § 7/8 AsylG. erwuchs mit 12.12.2007 neg. in Rechtskraft 2. Instanz ...

 

Dazu erging weiter die § 22 Mitteilung betreffend Rechtskraft an BPD Linz, BMI und SID sowie der Widerruf der Aufenthaltsberechtigungskarte per Mail an DASTA.

 

Mit Schreiben vom 21. April 2008 übermittelte die belangte Behörde daher die Aufenthaltsberechtigungskarte der Bfin an das BAA Linz.

 

1.3. Der Rechtsvertreter der Bfin übersandte der belangten Behörde am 22. April 2008 um 11:33 Uhr folgendes E-Mail:

 

"Sehr geehrter Herr S,

 

Wie heute telefonisch mitgeteilt, vertrete ich Frau A rechtsfreundlich, Vollmacht wurde erteilt.

 

Beiliegend übermittle ich den Aktenvermerk des UBAS vom 12.12.2007 betreffend Hinterlegung des UBAS-Bescheides vom 19.11.2007 bei der Behörde und die erste Seite des UBAS-Bescheides.

 

Frau A war nicht an der vom UBAS ursprünglich in der Zustellverfügung genannten Anschrift in L, wohnhaft, sondern in L. Durch diesen Fehler ist festzustellen, dass der genannte UBAS-Bescheid ihr noch nicht zugestellt wurde und die vorl. Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Abs 2 AsylG noch gilt. Nach erfolgter Zustellung durch den UBAS wird Frau A Bescheidbeschwerde an den VwGH erheben

 

Mit freundlichen Grüßen

 

E W D"

 

Der als Dokument angeschlossenen "Beurkundung gemäß § 23 Abs. 2 Zustellgesetz" des UBAS vom 12. Dezember 2007 ist in Verbindung mit der Adressierung des Berufungsbescheides vom 19. November 2007 zu entnehmen, dass der Zustellversuch an die Bfin unter der Adresse L, erfolglos war und die Sendung mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" retourniert wurde. Laut Erhebungsbericht der BPD Linz vom 6. Dezember 2007 habe die Hausmeisterin mitgeteilt, dass im Haus L nie eine n Staatsangehörige wohnhaft gewesen sei.

Daraufhin stellt der UBAS fest, dass es die Bfin bisher unterlassen hätte, entsprechend § 8 Abs 1 Zustellgesetz der Behörde unverzüglich die Änderung ihrer bisherigen Abgabestelle mitzuteilen. Gemäß § 8 Abs 2 iVm § 23 Abs 1 Zustellgesetz werde der Bescheid des UBAS vom 19. November 2007, Zl. 261.305/0/4E-VII/19/05, ohne vorausgehenden Zustellversuch am 12. Dezember 2007 bei der Behörde selbst hinterlegt und gelte gemäß § 23 Abs 4 leg.cit. mit diesem Tag als zugestellt. Ein Vorgehen entsprechend § 23 Abs 3 Zustellgesetz sei nicht zweckmäßig, da dem Zusteller keine Personen bekannt seine, von denen angenommen werden könnte, das sie mit der Empfängerin in Verbindung treten können.

 

Mit Telefaxschreiben vom 22. April 2008 an das PAZ Linz hob die belangte Behörde daraufhin die am 16. April 2008 verhängte Schubhaft wieder auf. Es wurde ersucht die Bfin um 12:00 Uhr aus der Schubhaft zu entlassen.

 

1.4. Mit der am 24. April 2008 beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax um 17:07 Uhr eingebrachten "Beschwerde gemäß § 82 FPG" vom 24. April 2008 erhob die Bfin durch ihren Rechtsvertreter Schubhaftbeschwerde und beantragte die Rechtswidrigkeit der Festnahme, des Schubhaftbescheides sowie der gesamten Anhaltung in Schubhaft festzustellen. Gleichzeitig wurde ein allgemeiner Antrag iSd § 79a AVG auf Ersatz des Verfahrensaufwandes gestellt.

 

Die Beschwerde wurde noch am 24. April 2008 außerhalb der Amtsstunden an die belangte Behörde auf elektronischem Wege weiter geleitet. Mit Schreiben vom 25. April 2008, ho. eingelangt am 28. April 2008, legte die belangte Behörde ihren Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

 

Die belangte Behörde druckte am 25. April 2008 eine Auszug aus dem AIS aus, in dem immer noch auf Grundlage der oben dargestellten Beurkundung gemäß Zustellgesetz der negative Berufungsbescheid des UBAS als zugestellt und mit 12. Dezember 2007 als rechtskräftig eingetragen aufscheint.

 

Die belangte Behörde hat weiters die Meldedaten der Bfin aus dem zentralen Melderegister (ZMR) abgefragt und einen Ausdruck mit Stand 25. April 2008 dem Akt beigelegt. Aus dieser Meldeanfrage geht hervor, dass die Bfin im Zeitraum 23. Juli 2007 bis 14. März 2008 und damit auch zum Zeitpunkt des Zustellversuches durch den UBAS mit Hauptwohnsitz in der L, gemeldet war. Vom 21. April 2005 bis 15. September 2005 war sie in L, gemeldet. Danach war sie (bis zur Meldung in der L) in der H, am S, in der U und in der R, niemals aber in der L gemeldet.

 

2.1. Die Beschwerde geht vom oben dargestellten Sachverhalt aus. Sie verweist auf die Akteneinsicht des Rechtsvertreters der Bfin am 21. April 2008 beim UBAS, durch welche der Zustellversuch an der Adresse L und die Beurkundung über die Vorgangsweise des UBAS bekannt geworden sei. Die Unterlagen habe schon die belangte Behörde per E-Mail erhalten.

 

Dabei sei es aber nicht zu einer rechtswirksamen Hinterlegung des UBAS-Bescheides gekommen, weil die Bfin niemals an der Anschrift L, wohnte, sondern an der Anschrift L, was auch aus dem ZMR so hervorgehe.

 

Auf Grund der fehlenden Zustellung des UBAS-Bescheides sei das Asylverfahren zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme und während der Dauer der Haft noch anhängig gewesen und sei auch die erteilte vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs 2 AsylG 1997 noch gültig gewesen. Dies habe eine Schubhaftverhängung nach § 76 Abs 1 FPG ausgeschlossen und wäre auch nach § 76 Abs 2 FPG (bzw nach § 34b Abs 1 AsylG 1997) mangels Vorliegens der zwingenden Haftvoraussetzungen nicht rechtmäßig gewesen.

 

2.2. Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift auf den im Schubhaftbescheid angeführten Sachverhalt und die Auskunft des AIS verwiesen, wonach das Asylverfahren der Bf bereits seit dem 12. Dezember 2007 rechtskräftig negativ beendet und die Ausweisung verfügt worden wäre. Somit wäre bei Schubhaftverhängung davon auszugehen gewesen, das sich die Bfin seit 12. Dezember 2007 unrechtmäßig in Österreich aufhielt, über keine Identitätsdokumente verfügte und laut Kontrollbericht der PI Traun vom 4. April 2008 als Prostituierte im Lokal A arbeitete.

 

Auf Grund der Mitteilung des Rechtsvertreters der Bfin über einen Zustellfehler des UBAS habe die belangte Behörde erwogen, dass zumindest möglich sein könnte, dass die Zustellung nicht rechtmäßig erfolgte. Sie sei zum Schluss gekommen, die Schubhaft aufzuheben, da ein ordentlicher Wohnsitz in L, bestehe.

 

Die belangte Behörde hätte zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens korrekt gehandelt, die Schubhaft wäre daher rechtmäßig gewesen. Diese hätte auch weiterhin aufrecht bleiben können, die Grundlagen dafür wären vorhanden gewesen. Lediglich der ordentliche Wohnsitz, die bisherige Unbescholtenheit und die zu erwartende Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof hätten die Behörde bewogen, von einer Fortsetzung der Schubhaft abzusehen. Die Bfin sei am 22. April 2008 aus der Schubhaft entlassen worden.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Beschwerde und die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der wesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 83 Abs 4 FPG).

 

Die Bfin wurde am 15. April 2008 in Traun festgenommen und in der Folge der belangten Behörde vorgeführt, die mit Bescheid vom 16. April 2008 die Schubhaft verhängte. Sie wurde ins PAZ Linz zum Vollzug der Schubhaft überstellt, wo sie am 22. April 2008 über Anordnung der belangten Behörde wieder aus der Schubhaft entlassen worden ist. Ihre rechtzeitig am 24. April 2008 eingelangte Beschwerde ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides nicht bloß kurzfristig aus anderem Grund in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

4.3. Das AsylG 2005 trat am 1. Jänner 2006 in Kraft und das AsylG 1997 mit 31. Dezember 2005 außer Kraft (vgl § 73 AsylG 2005, Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I Nr. 100/2005). § 75 AsylG 2005 enthält Übergangsbestimmungen für Asylverfahren.

 

Gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I Nr. 100/2005) ist ein Antrag auf internationalen Schutz das -auf welche Weise immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (vgl Z 15) und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten (vgl Z 16).

 

"Asylwerber" ist nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Nach der gleichartigen Legaldefinition des § 1 Z 3 AsylG 1997 ist "Asylwerber" ein Fremder ab Einbringung eines Asylantrages bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens oder bis zu dessen Einstellung. Ein Unterschied besteht nur insofern, als nunmehr von Antrag auf internationalen Schutz (vgl dazu § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005) anstatt von Asylantrag die Rede ist. Diese geänderte Terminologie entspricht der Statusrichtlinie und wurde zum Zweck der Einheitlichkeit übernommen. Die Stellung eines solchen Antrags entspricht aber inhaltlich dem bisherigen Asylantrag (vgl RV Fremdenrechtspaket, 952 Blg NR 22. GP, Seite 30, "Zu Z 12" des AsylG 2005). Daher betont die Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (vgl 952 BlgNR 22. GP, Seite 31, "Zu Z 14" des AsylG 2005), dass der Begriff "Asylwerber" der geltenden Rechtslage entspricht und keiner Änderung bedarf. Fremde sind nicht mehr Asylwerber, wenn entweder das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen oder nach § 24 AsylG 2005 eingestellt wurde.

 

Gemäß § 13 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

 

Gemäß § 19 Abs 2 AsylG 1997 idFd AsylG-Nov 2003 (BGBl I Nr. 76/1997 idF BGBl I Nr. 101/2003) waren "Asylwerber", deren Asylverfahren zugelassen ist (§ 24a), bis zum rechtskräftigen Abschluss oder der Einstellung des Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Dieses Aufenthaltsrecht war durch Ausstellen einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 36b) zu dokumentieren.

 

4.4. Die Bfin hat durch ihren Rechtsvertreter unter Vorlage von Urkunden vorgebracht, dass ihr Asylverfahren im Instanzenzug noch nicht mit der abweisenden Entscheidung des UBAS vom 19. November 2007 rechtskräftig abgeschlossen wurde, weil dieser Berufungsbescheid der Bfin gar nicht rechtswirksam zugestellt worden ist, das Asylverfahren daher noch anhängig und die gemäß § 19 Abs 2 AsylG 1997 erteilte vorläufige Aufenthaltsberechtigung bei Inschubhaftnahme noch aufrecht gewesen sei. Nach Ausweis der Aktenlage ist die Beschwerde mit dieser Ansicht im Recht.

 

Gemäß § 8 Abs 1 Zustellgesetz hat eine Partei während eines ihr bekannten anhängigen Verfahrens die Änderung ihrer Abgabestelle der Behörde unverzüglich mitzuteilen. § 8 Abs 2 leg.cit. sieht für den Fall des Unterlassens dieser Mitteilung die Möglichkeit vor, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Offenbar machte der UBAS von dieser Möglichkeit nach dem Postfehlbericht "Empfänger unbekannt" und dem negativen Erhebungsbericht der BPD Linz betreffend die Adresse L, ohne weitere Erhebungen Gebrauch und nahm gemäß § 23 Zustellgesetz die Hinterlegung ohne Zustellversuch "bei der Behörde selbst" vor (vgl Beurkundung des UBAS vom 12.12.2007, Zl. 261.305/0/7Z-VII/19/05).

 

Diese Vorgangsweise erscheint für die auf das AIS angewiesene Fremdenpolizei schon deshalb problematisch, weil die im Berufungsbescheid des UBAS vom 19. November 2007 angeführte Adresse L, zum Unterschied von anderen Adressen, die aber offenbar nur fallweise angegeben werden, im AIS nicht aufscheint. Betrachtet man die für den Zustellzeitpunkt aktuellen Meldedaten aus dem ZMR (L) so liegt es nahe, dass im Verfahren beim UBAS ein Irrtum unterlaufen sein könnte. Auf jeden Fall hätte der UBAS nach dem vergeblichen Zustellversuch des Berufungsbescheides nicht einfach die Zustellung durch Hinterlegung bei der Behörde ohne Zustellversuch anordnen und vornehmen dürfen. Denn § 8 Abs 2 Zustellgesetz berechtigt zu dieser Vorgangsweise nur unter der Voraussetzung, dass eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Diese Bedingung lag nach dem vorliegenden Sachverhalt gerade nicht vor, weil der Hauptwohnsitz der Bfin durch eine behördliche Meldeanfrage im ZMR problemlos hätte erhoben werden können, weshalb eine Abgabestelle der Bfin ohne Schwierigkeiten zu eruieren war. In einem solchen Fall hätte die Zustellung an der neuen Abgabestelle erfolgen müssen (vgl zum Ganzen Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1862, Anm 6 und 7 zu § 8 ZustG).

 

Schon auf Grund der Aktenlage kann daher festgestellt werden, dass die Hinterlegung ohne (weiteren) Zustellversuch durch den UBAS unzulässig und damit unwirksam war. Der Berufungsbescheid des UBAS konnte demnach trotz der Beurkundung gemäß § 23 Abs 2 Zustellgesetz mit seiner Hinterlegung bei der Berufungsbehörde am 12. Dezember 2007 nicht als zugestellt gelten. Er wurde daher auch gegenüber der Bfin nicht rechtswirksam erlassen und die Eintragungen im AIS, auf die die belangte Behörde vertraute, waren falsch.

 

Die Beschwerde hat mit Recht darauf hingewiesen, dass das Asylverfahren im Zeitpunkt des Tätigwerdens der belangten Behörde und während der Anhaltung der Bfin in Schubhaft noch anhängig war. Mangels Erlassung des Berufungsbescheides war über das Asylbegehren der Bfin noch nicht entschieden und ihre erstbehördliche Ausweisung nach N noch nicht rechtskräftig bestätigt. Ihre vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs 2 AsylG 1997 war nach wie vor aufrecht und sie hielt sich somit rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

 

Bei diesem in objektiver Hinsicht maßgeblichen Sachverhalt kam eine Schubhaft zu Sicherung der Abschiebung auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG nicht in Betracht. Ebenso wenig war mangels einer durchsetzbaren Ausweisung an den Schubhafttatbestand § 76 Abs 2 Z 1 FPG zu denken.

 

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift kam es dabei nicht darauf an, der belangten Behörde ein unkorrektes Verhalten nachzuweisen. Auf den aus dem AIS ableitbaren Sachstand eines Asylverfahrens kann man sich nicht mit absoluter Sicherheit verlassen. Das AIS ist nämlich nur ein behördeninternes Informationssystem des BMI und kein Register, das etwa vergleichbar dem Grundbuch oder dem Firmenbuch öffentlichen Glauben genießt.

 

4.5. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist bei Eingriffen in das Recht auf persönliche Freiheit stets das unmittelbar anwendbare Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl Erk. des VfGH vom 24.6.2006, B 362/06). Die zuständige Fremdenpolizeibehörde ist stets dazu verpflichtet, die einzelnen Schubhafttatbestände verfassungskonform auszulegen und eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (vgl Erk. des VfGH vom 15.6.2007, B 1330 und 1331/06).

 

Dementsprechend judiziert der Verwaltungsgerichtshof mittlerweile in ständiger Judikatur, dass die Gründe, aus denen über einen Asylwerber gemäß § 76 Abs 2 FPG Schubhaft angeordnet werden kann, im Lichte des Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen sind, wobei eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des betroffenen vorzunehmen ist. Hieraus folge die Verpflichtung der die Schubhaft anordnenden Behörde nachvollziehbar darzulegen, inwiefern die Anordnung der Schubhaft erforderlich ist, um den Sicherungszweck zu erreichen. In diesem Sinn seien auch Überlegungen anzustellen, ob dem Sicherungszweck bereits durch die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG entsprochen werden kann (vgl je mwN VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051 unter Hinweis auf Erk. des VfGH 24.6.2006, Zl. B 362/06; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0027). Im Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, hat der Verwaltungsgerichtshof zudem ausgeführt, dass dies im Ergebnis bedeute, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf.

 

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift abschließend freilich ohne irgendwelche Ausführungen zum Sicherungszweck behauptet, dass die Grundlagen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft vorgelegen wären. Lediglich der ordentliche Wohnsitz, die Unbescholtenheit der Bfin und die zu erwartenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (gegen den UBAS-Bescheid) bewogen die belangte Behörde, von der Fortsetzung der Schubhaft abzusehen.

 

Der erkennende Verwaltungssenat kann demgegenüber aus der Aktenlage keine stichhaltigen Schubhaftgründe erkennen. Wie die belangte Behörde mit ihren Ausführungen selbst andeutete, liegt in Wahrheit ein konkreter Sicherungsbedarf derzeit nicht vor. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

 

5. Im Ergebnis war daher der vorliegenden Beschwerde Folge zu geben und die Festnahme, der Schubhaftbescheid vom 16. April 2008 und die darauf beruhende Anhaltung in Schubhaft bis 22. April 2008 für rechtswidrig zu erklären.

 

Gemäß § 79a AVG iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (§ 79a Abs 2 AVG).

 

Auf Grund des Verfahrensergebnisses war der Bfin als der obsiegenden Partei gemäß dem § 79a Abs 5 AVG iVm § 1 Z 1 der geltenden UVS-Aufwander­satz­ver­ordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) antragsgemäß der Ersatz des notwendigen Schriftsatzaufwandes in Höhe von 660,80 Euro zuzüglich der zu entrichtenden Eingabengebühr (§ 79a Abs 4 Z 1 AVG) von 13,20 Euro für die Beschwerde, insgesamt daher der Ersatz eines Betrag von 674 Euro, durch den Bund als dem zuständigen Rechtsträger, für den die belangte Behörde funktional eingeschritten ist, zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl. zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (ab 1.07.2008 von 220 Euro) zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Bundesstempelgebühren für die Beschwerde von 13,20 Euro angefallen.

 

     Anlage

 

 

Dr. W e i ß

 

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