Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521954/8/Br/Ps

Linz, 18.06.2008

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn P K, geb., O, A, dzt. aufhältig p.A. F, S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 8.5.2008, Zl. VerkR20-2385-2004, wegen einer Aufforderung nach § 24 Abs.4 FSG 1997, nach der am 18.6.2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008; §§ 24 Abs.4 iVm 8 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2008.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Dem Berufungswerber wurde mit dem angefochtenen Bescheid aufgetragen, binnen einem Monat zur Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Personenkraftwagen einen Befund von einem Facharzt für Psychiatrie beizubringen.

In der Bescheidbegründung wurde im Ergebnis auf den Wortlaut des  § 24 Abs.4 FSG verwiesen und vermeint, der Amtsarzt würde für die Erstellung seines Gutachtens einen Befund eines Psychiaters benötigen.

 

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber im Ergebnis aus, dass er seit 30 Jahren unfallfrei u. alkoholfrei fahre. Er habe bloß im Frühjahr 2008 zwei Straftaten (gemeint wohl die Übertretungen nach dem Oö. Polizeistrafgesetz) verübt, wobei er die nächtliche Ruhe gestört habe. Die dazu führenden Umstände legte er folglich näher und letztlich durchaus glaubwürdig dar.

Abschließend vermeint der Berufungswerber darin keinen Zusammenhang zur Frage seiner Fahreignung erblicken zu können.

 

3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier geboten (§ 67d Abs.1 AVG).

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt und die daran angeschlossenen Vorakte sowie durch vorläufige Klarstellung der Sach- u. Rechtslage gegenüber der Behörde erster Instanz mit dem h. Schreiben vom 28.5.2008 und zuletzt die Anhörung des Berufungswerbers anlässlich der Berufungsverhandlung. Ein(e) VertreterIn der Behörde erster Instanz nahm entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teil.

 

3.1. Die Behörde erster Instanz übermittelte auf das h. Schreiben über die vorläufige Sicht der Sach- u. Rechtslage vom 28.5.2008 noch am gleichen Tag eine Stellungnahme des bei der Behörde tätigen Amtsarztes. Darin gelangt zum Ausdruck, dass "die Aktenlage eindeutige Hinweise auf das Vorliegen einer tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung und auch auf zumindest phasenweisen Alkoholmissbrauch liefere". Ebenfalls wurde vom Amtsarzt auf aufgebrachtes und bedrohendes Verhalten des Berufungswerbers und dessen innerfamiliären Konflikte verwiesen.

 

3.2. Schon der Aktenlage zur Folge lässt sich nur unschwer nachvollziehen, dass hier wohl ein manifestes familiäres Zerwürfnis den Hintergrund der hier aktenkundigen Geschehnisse zu bilden scheint. Es entzieht sich jedoch in diesem Verfahren einer inhaltlichen Beurteilungsmöglichkeit, welche der betroffenen Parteien den überwiegenden Teil dazu beiträgt, um das räumliche Nebeneinander mehr oder weniger offenbar auch für den Berufungswerber unerträglich zu machen.

Der Berufungswerber scheint in diesem Umfeld, welches in einem früher landwirtschaftlich genutzten Objekt die engste räumliche Nähe zu der ihm offenbar nicht wohlwollend gegenübertretenden Schwester und dem Schwager  bedingt, wobei dieses Nebeneinander offenbar seit langem immer wieder von Meinungsverschiedenheit und heftigen Kontroversen begleitet scheint. Wie aus den Einvernahmeprotokollen des gerichtlichen Strafverfahrens zwanglos zu entnehmen ist, sind innerhalb des Hofes dem Berufungswerber Betretungsrechte in engen räumlichen Dimensionen eingeräumt, wobei es insbesondere wegen der  damals hohen Schneelage durch das Zutun seines Schwagers zu einer starken Bewegungseinengung des Berufungswerbers und folglich zu dessen emotionalen Entgleisung seitens des Berufungswerbers gegenüber Schwester und Schwager gekommen sein dürfte.

Dies gefolgt von Anzeigen gegen ihn nach entsprechenden emotionalen, jedoch nicht als ernsthafte Drohungen gemeinten Gefühlsausbrüchen seinerseits. Dies führte letztlich auch zu einer strafrechtlichen Verurteilung seinerseits zu einer unter Setzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren ausgesprochenen (bedingten) Freiheitsstrafe von drei Monaten vor zwei Jahren (GZ: Urteil zu 27 v. 6.6.2006).

Wenn nun zwei Jahre später in den nun zu diesem Verfahren führenden Anzeigen vom Jänner und Februar dieses Jahres wegen neuerlichen Störungshandlungen der Nachtruhe durch lautes Aufdrehen des Radios kam, welcher eine Anzeige seiner Schwester vom 27.12.2007 wegen angeblicher Sachbeschädigung an deren Auto vorausging, anlässlich derer der Berufungswerber laut Anzeige vom 20.2.2008 auch stark betrunken gewesen sein soll, verdeutlicht dies wohl einmal mehr das angespannte soziale Klima zwischen den Streitparteien, besagt aber im Ergebnis nichts über eine nunmehr vermutende Verkehrsunzuverlässigkeit.

Wenn gleichsam in der Meldung ein Zusatz aufgenommen wurde, wonach der Berufungswerber regelmäßig seinen Kombi benütze und er bei den angezeigten Übertretungen jedes Mal stark betrunken gewesen wäre, lässt sich eher die subjektive Einschätzung der sozialen Wertschätzung seitens der Polizeiorgane, weniger jedoch eine sachbezogene Prognose über die gesundheitliche Eignungsvoraussetzung zum Lenken von Kfz ableiten.

Vielmehr kann hier nur auf die bislang offenkundig unauffällige Teilnahme des Berufungswerbers am Straßenverkehr zurückgegriffen werden.

 

3.3. Der Berufungswerber machte im Zuge seiner Anhörung anlässlich der Berufungsverhandlung keineswegs den Eindruck, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht geeignet sein könnte. Vielmehr konnte vom Berufungswerber kein von jedem anderen Bürger unterscheidbarer, ja vielmehr ein sachbezogener und aus dem menschlichen Gegenüber ein durchaus positiver Eindruck gewonnen werden. In der vom Berufungswerber einbekannten Neigung, sich mit seiner nächsten sozialen Umgebung nicht arrangieren zu können, lässt hier vielmehr die Wurzel der vor zwei Jahren hervorgebrochenen Eskalation und den wahren Hintergrund der gg. den Berufungswerber anhängig gewordenen Verfahren vermuten. Wenn es vor diesem sozialen Fundament in jüngerer Zeit nun wieder zu zwei durch das Oö. Polizeistrafgesetz geahndeten Vorfällen gekommen ist, vermag darin kein sachlich tragfähiger Grund erblickt werden, "begründete" Zweifel an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kfz vermuten zu dürfen. Der Berufungswerber brachte es durchaus glaubwürdig auf den Punkt, wenn er anlässlich der Verhandlung meinte, dass er gegenüber seiner gleichsam wider ihn mobil machenden sozialen Umgebung alleine bliebe und offenbar dagegen nicht aufkommen könne.

Es scheint demnach durchaus lebensnah, dass letztlich die innerverwandtschaftlichen Exzesse vom Berufungswerber als starke Demütigung empfunden werden konnten, was wiederum zumindest das Motiv für sein einbekanntes Fehlverhalten nachvollziehbar sein lässt.

Dies gelangt zuletzt auch darin anschaulich zum Ausdruck, dass der Berufungswerber in Vermeidung weiterer Konflikte mit seiner Verwandtschaft  jüngst sogar sein Haus verlassen hat und vorübergehend Unterkunft bei einem Freund bezog, um dadurch der für ihn als unerträglich empfundenen Konfliktumgebung (seiner Schwester und deren Ehegatten) aus dem Weg zu gehen.

Vor diesem Hintergrund erweist sich insbesondere die nachgereichte amtsärztliche Beurteilung aus der Aktenlage als problematisch. Es übersteigt einerseits die Kompetenz eines Gutachters, wenn dieser die sich vermeintlich aus dem Akt ableitende Beweislage würdigt und darauf aufbauend andererseits gleich fachliche Schlüsse zu ziehen versucht. Er antizipiert damit nicht nur die Beweislage, sondern greift auch der behördlichen Kompetenz der Beurteilung der Sach- und Rechtslage vor. Für sich spricht in diesem Zusammenhang insbesondere der Hinweis in der Anzeige der PI L v. 21.2.2008, wonach der Berufungswerber "bei den angezeigten Übertretungen jedes Mal stark alkoholisiert gewesen wäre u. er regelmäßig mit seinem Kombi fahre". Zumal eine Feststellung einer allfälligen Beeinträchtigung durch Alkohol nicht erfolgte und hierfür auch keine Rechtsgrundlage bestanden hätte, lässt insbesondere diese Darstellung sachfremde sowie informelle und rechtsstaatlich jedenfalls bedenkliche Informationsflüsse zumindest  nicht ganz ausschließen.

Selbst die bisherige Verkehrsbewährung des Berufungswerbers unterstützt keineswegs (sach-)begründete Zweifel an dessen gesundheitlichen Eignung.  

 

4. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind für einen Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs.4 FSG jedenfalls begründete Bedenken in der Richtung notwendig, dass der Inhaber der Lenkerberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Es müssen hiefür zwar nicht Umstände vorliegen, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Überprüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl. hiezu VwGH vom 25.5.2005, GZ. 2004/11/0016 und andere). Nach VwGH 24.4.2001, 2000/11/0231, lässt etwa ein 1 Jahr zurückliegender Suchtgiftkonsum auf eine Suchtgiftabhängigkeit zur Zeit der zu überprüfenden Entscheidung keine Rückschlüsse zu. Dies muss umso mehr gelten, wenn es einer solchen Beweislage überhaupt entbehrt. Nach dieser Entscheidung wird deutlich, dass die Rechtsprechung einen unmittelbaren und aktuellen Nahebezug hinsichtlich des Bestehens begründeter Bedenken verlangt.

Hiefür spricht auch der klare Wortlaut des § 24 Abs.4 1. Satz FSG, dessen Inhalt besagt, dass zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind. Diese Formulierung setzt jedenfalls ein aktuelles Ereignis voraus, das begründete Bedenken hinsichtlich des Wegfalls der – im Zweifel jedenfalls vorliegenden – Voraussetzungen bei der Behörde hervorruft.

Die Behörde erster Instanz vermutet hier offenbar die fehlende gesundheitliche Eignungsvoraussetzung zum Lenken von Kraftfahrzeugen auf ein spezifisch bewertetes Sozialverhalten des Berufungswerbers. Hierfür entbehrt es jedoch an sich einem auf das Lenken rückführbares Beziehungsgefüge.

Die Voraussetzungen nach § 24 Abs.4 FSG können in objektiver Beurteilung der Beweislage demnach nicht darauf gestützt werden.

Zuletzt ist vor diesem Hintergrund zu bemerken, dass dem Gewalt- u. Gestaltungsmonopol des Staates im Rahmen seiner grundsätzlichen Eingriffsrechte in bürgerliche Belange Grenzen gesetzt sind. Diese Grenzen wären jedenfalls überspannt, wenn ein Mensch bereits durch ein vermeintliches soziales Missverhalten (aus welchen Gründen dies auch immer motiviert sein mag und hier darüber hinaus im privatem Umfeld den Ausgang hat) durch die Vorlage psychiatrischer Befunde zwecks Nachweises der – seit 30 Jahren weitgehend unbeanstandet gebliebenen – Fahreignung diese neuerlich belegen müsste.

Der angefochtene Bescheid war demnach ersatzlos zu beheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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