Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521971/2/Bi/Se

Linz, 16.06.2008

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn B P, F, vertreten durch RA Dr. J P, M, vom 28. Mai 2008 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 14. Mai 2008, AZ: 08/178628, wegen Befristung und Einschränkung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Braunau/Inn am 14. Mai 2008, AZ 08/178628, für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 5 Abs.5, 8 Abs.3, 24 Abs.1 Z2 FSG bis 14. Mai 20013 befristet. Weiters wurde angeordnet, der Bw habe alle 12 Monate, gerechnet ab 14. Mai 2008, einen Befund der Diabetesambulanz über die vier­monatliche Kontrollen sowie alle 2 1/2 Jahre, gerechnet ab 14. Mai 2008, einen Befund eines Augenfacharztes (Visus und Augenhintergrund) abzugeben. Vorgeschrieben wurde eine Nachuntersuchung durch den Amtsarzt in fünf Jahren mit internistischer und augenfachärztlicher Stellungnahme und Blutzuckermess­proto­koll. Außerdem wurde ausgeführt: "Die im vorigen Absatz vorgeschrie­bene periodische Überprüfung der Werte kann von der Behörde zeit­lich vorgezogen werden. in einem solchen Fall werden Sie nachweis­lich schriftlich aufgefordert, die Probe bis zu einem festge­legten Datum abnehmen zu lassen. Bei Nicht­befolgung gilt die ärztliche Auflage als nicht eingehalten. Dieser Auflage wird nach­weislich zugestimmt."

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 14. Mai 2008.

 

2. Gegen die Befristung und die Möglichkeit der Behörde, die Überprüfung der Werte willkürlich vorzusehen, wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz  AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, laut augenfachärztlicher Stellung­nahme sei keine Visusverschlechterung in absehbarer Zeit zu erwarten; ebenso wenig habe der Internist Bedenken gegen sein Lenken von Kraftfahrzeugen. Diabetes mellitus sei bei im seit 1990 bekannt und bestünden keine Beschwer­den. Hinsichtlich Zuckerkrankheit stelle schon eine eingetretene Stabilisierung keine fortschreitende Erkrankung dar, sodass eine Befristung  unter Auflage von Kontroll- und Nachuntersuchungen unzulässig sei. Das "Vorziehen" von periodi­schen Untersuchungen habe keine gesetzliche Deckung. Beantragt wird die Abänderung des Bescheides dahingehend, dass seinem Antrag auf Verlängerung der bis 18. Mai 2008 befristet gewesenen Lenkberechtigung ohne Einschränkung Folge gegeben werde.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Der Bw hat am 14. Mai 2008 um Verlängerung seiner Lenkberechtigung der Klassen A und B, die bis 18. Mai 2008 befristet waren, angesucht. Vorgelegt wurden der Befundbericht der Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie Dr. M N-B, M, vom 24. April 2008 (Befund ohne Auffälligkeiten mit der Bemerkung "In absehbarer Zeit ist keine Visusver­schlechterung zu erwarten. Regelmäßige Funduskontrolen wurden mit dem Patienten vereinbart.") sowie der Befund (samt Laborwerten) des Facharztes für Innere Medizin und Nuklearmedizin Dr. R H, N, vom 8. Mai 2008 (Diagnose Diabetes mellitus I, gute Compliance, zufrieden­stellende Diabetes-Einstellung, anamnestisch gutes Erkennen von Hypogly­kämien. Internerseits kein Einwand gegen das Lenken von Kraftfahrzeugen. Diabetes mellitus seit 1990 bekannt und behandelt, Insulinpumpe seit 2004, regelmäßige Selbstkontrollen und Kontrollen an der Diabetesambulanz, keine Beschwerden.

Laut amtsärztlichen Gutachten gemäß § 8 FSG Dris N ist der Bw befristet geeignet auf 5 Jahre – Nachuntersuchung mit internistischer und augen­fach­ärztlicher Stellungnahme in 5 Jahren und der Auflage von Kontrollunter­suchun­gen auf 4-monatige Kontrollen in der Diabetesambulanz mit Befund – gesammelt Visus und Augenhintergrund durch 12 Monate alle 2,5 Jahre. 

Begründet wurde dies mit "Verlaufskontrolle insulinpflichtiger Diabetes und Netz­­haut­veränderungen. Im Beobachtungszeitraum wurden regelmäßige Kontrollen (interistisch, augenfachärztlich) eingehalten. Eine aktuelle internistische Stellungnahme ergibt eine zufriedenstellende Duabeteseinstellung (mit Insulinpumpe) sowie eine gute Compliance und Erkennen von Hypoglykämien. Eine aktuelle augenfachärztliche Stellungnahme ergibt die bekannten Netzhautveränderungen sowie den durch Kurzsichtigkeit eingeschränkten Visus, der knapp den Anforder­ungen entspricht. In Anbetracht der besseren Compliance und besseren Blut­zuckereinstellung sind weitmaschigere Kontrollen innerhalb des Befristungs­zeit­raumes möglich."

Daraufhin erging die nunmehr angefochtene Entscheidung.  

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

Gemäß § 5 Abs.5 FSG ist die Lenkberechtigung, so weit dies aufgrund des ärzt­lichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erforder­nissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter entsprechenden Befrist­ungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen.

Gemäß § 3 Abs.1 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse iSd § 8 FSG ua gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften die nötige körperliche und psy­chi­sche Gesundheit besitzt... Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforder­lichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgen­den Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten Gemäß § 8 FSG vorzulegen.

Gemäß § 11 Abs.1 FSG-GV darf Zuckerkranken eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden.

 

Der VwGH  führt im – vom Bw zitierten – Erkenntnis vom 20. April 2004, 2003/11/0315, aus: Fortschrei­tende Erkrankungen werden im § 3 Abs.5 FSG-GV allgemein, hinsichtlich der Augenerkrankungen um § 8 Abs.2 FSG-GV geregelt. In § 11 FSG-GV  finden sich Bestimmungen zur Zuckerkrankheit. Hinsichtlich fortschreitenden Erkrankungen enthalten weder § 8 FSG-GV noch § 11 FSG-GV von § 3 Abs.5 2. Satz abweichende Spezialbestimmungen. § 3 Abs.5 2. Satz FSG-GV regelt , dass eine Stabilisierung der Erkrankung oder Behinderung die Grundlage für die Aufhebung der bei der befristeten Erteilung oder Belassung der Lenkberechtigung zu verfü­gen­den Auflagen bildet. Damit ist im gegebenen Zusammenhang nicht schon eine vorübergehende, sondern eine dauerhafte Stabilisierung einer ihrer Art nach als fortschreitende Erkrankung anzusehende Krankheit gemeint. Diese muss also derart zum Stillstand gekommen sein, dass nach dem medizinischen Wissens­stand keine weitere Verschlechterung zu befürchten ist. Nur dann kann von einer Befristung Abstand genommen werden, ohne eine vorhersehbare Gefährdung der Verkehrssicherheit in Kauf zu nehmen. Es ist somit Sache des medizinischen Sachverständigen darzutun, ob bei der betreffenden Erkrankung nach den Erkennt­nissen der medizinischen Wissen­schaft eine Stabilisierung im besagten Sinn überhaupt in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen eine solche Stabilisierung angenommen werden kann. Bei Eintritt einer Stabilisierung im besagten Sinn liegt keine fortschreitende Erkrankung gemäß § 3 Abs.5 FSG-GV (mehr) vor. In einem solchen Fall ist bei der Erteilung der Lenkberechtigung deren gleichzeitige Befristung (im Sinne der Versagung einer Lenkberechtigung für die Zeit nach dem angenommenen Fristende hinaus) unter Auflage von Kontrollunter­suchungen und Nachunter­suchungen unzulässig. – Der zugrunde­liegende Fall war insofern ähnlich gela­gert, als laut augenfachärztlicher Stellung­nahme kein Einwand für das Lenken von Kfz der Gruppe 1 bestand, laut Diabetesambulanz wurde die sehr gute Compliance und Diabeteseinstellung bestätigt und auf die regelmäßige Kontrolle hingewiesen. Auch von daher lag kein Einwand für das Lenken von Kraft­fahrzeugen der Gruppe 1 vor. In absehbarer Zeit sei aus der Sicht der Augenfachärztin wie des Internisten eine Verschlechterung "nicht zu erwarten" bzw "unwahrscheinlich". Die Amts­ärztin hat jedoch mit dem pau­schalen Hinweis auf eine mögliche Ver­schlechterung der Folgekrankheiten (Retinopathie und Nephropathie) des insulinpflichtigen Diabetes "nach dem gegenwärtigen fachlichen Wissenstand" die Notwendigkeit einer Nachunter­suchung begründet, ohne diesen Wissenstand näher auszu­führen, weshalb der angefochtene Bescheid aufgrund von Verfah­rens­mängeln behoben wurde. – Im Ersatzbescheid (UVS Oö vom 28.7.2004, VwSen-520302) wurde nach (allgemein gehaltener) Ergänzung des amtsärztlichen Gutachtens dahingehend, dass ausdrücklich nicht prognostiziert werden könne, wann allenfalls eine Verschlechterung der Krank­heit eintreten werde, ohne allerdings konkrete Anzeichen für eine Änderung des derzeitigen Zustandes anzuführen und ohne näherer Darlegung eines "gegen­wärtigen fachlichen Wissenstandes", der ange­foch­tene Bescheid behoben und die Lenkberechtigung ohne die Auflage einer Nachuntersuchung in fünf Jahren erteilt.

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht kein Anhaltspunkt dafür, den ggst Fall anders zu sehen, sodass auch hier bei Erteilung einer Lenkberechtigung für die Gruppe 1 eine Befristung und die Anordnung einer Nachuntersuchung mit vorzulegenden FA-Stellungnahmen in fünf Jahren nicht in Betracht kommt.

Beim Bw wurden zusätzlich Kontrolluntersuchungen (Auflage Code 104) vorgeschrieben, wobei aber zu sagen ist, dass in keinem der fachärztlichen Stellungnahmen solche samt ev. Zeiträumen ausdrücklich empfohlen oder gar angeordnet wurden, sondern ausdrücklich darauf verwiesen wurde, dass der Bw ohnehin in Behandlung stehe und regelmäßige Kontrollen in der Diabetes­ambulanz und bei der Augenfachärztin vereinbart werden.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist davon auszugehen, dass der Bw mit der seit 1990 bei ihm festgestellten Diabetes mellitus I umzugehen gelernt hat und seine Gesundheit selbst zu behüten fähig ist. Dass er schon im eigenen Interesse die angesprochenen Kontrollen regelmäßig durch­führen lässt, um im Ernstfall rechtzeitig entsprechende medizinische Maßnahmen setzen zu können, ist auch dann zu erwarten, wenn er dazu nicht von der Behörde aufgefordert und seine Aktivitäten dahingehend tagebuchartig "überwacht" werden. Eine unmittelbar bei der Teilnahme des Bw am Straßenverkehr eventuell auch überraschend auftre­tende Hypo­glykämie wäre dadurch auch seitens der Behörde letztlich nicht verhinderbar. Aufgrund seiner medizinischen Behandlung und der ärztlich bestätigten guten Einstellung und Compliance ist eine solche aber nicht zwingend zu erwarten.    

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (ab 1. Juli 2008 220 Euro) zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Diabetes I insulinpflichtig – LB Gr. 1 – keine Befristung, keine Nachschulung, keine Kontrolluntersuchungen -> Aufhebung

 

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